Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Februar 2001
Aktenzeichen: 30 W (pat) 152/00

(BPatG: Beschluss v. 12.02.2001, Az.: 30 W (pat) 152/00)

Tenor

Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. April 2000 und vom 19. Februar 1998 insoweit aufgehoben, als die Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 086 503 angeordnet worden ist.

Der Widerspruch aus der Marke 1 086 503 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung Gastrosteiist unter der Nummer 396 09 406 als Marke für "pharmazeutische Erzeugnisse" in das Markenregister eingetragen worden. Nach der Veröffentlichung der Eintragung am 30. September 1996 hat ua Widerspruch erhoben die Inhaberin der älteren, seit dem 13. Januar 1986 für "pharmazeutische Erzeugnisse sowie chemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für Kinder und Kranke" eingetragenen Marke 1 086 503 Gastrostad.

Gegen die noch nach § 6 a WZG beschleunigt eingetragene Widerspruchsmarke war nach deren Bekanntmachung am 15. Februar 1986 selbst ein Widerspruchsverfahren anhängig, das am 16. September 1986 abgeschlossen war.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Beschwerdeverfahren die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Die Widersprechende hat Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung vorgelegt.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, die Verwechslungsgefahr bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, daß die Vergleichsmarken zur Kennzeichnung identischer Waren bestimmt sein könnten, weshalb - ausgehend von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke - ein deutlicher Markenabstand erforderlich sei, zumal auch Endverbraucher angesprochen seien. Auch wenn berücksichtigt werde, daß der gemeinsame warenbeschreibende Bestandteil "Gastro" die Aufmerksamkeit des Verkehrs eher auf die weiteren Wortteile lenke, sei eine hinreichende Unterscheidung der Marken jedenfalls in schriftbildlicher Hinsicht nicht mehr gewährleistet.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke. Sie ist zunächst der Auffassung, daß die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht glaubhaft gemacht sei. Mit näheren Ausführungen hält sie darüber hinaus Verwechslungsgefahr nicht für gegeben.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß, die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle insoweit aufzuheben, als die Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 086 503 angeordnet worden ist und den Widerspruch aus der Marke 1 086 503 zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält mit näheren Ausführungen die Benutzung der Widerspruchsmarke für glaubhaft gemacht und darüber hinaus die Verwechslungsgefahr für gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlüsse der Markenstelle sowie auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat auch in der Sache Erfolg. Der Widerspruch war gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückzuweisen. Es besteht nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wechselbeziehung zueinander stehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (stRspr zB EuGH MarkenR 1999, 20 - CANON; BGH MarkenR 1999, 297 - HONKA).

Die aufgeworfenen Benutzungsfragen können dahinstehen, da auch bei einer vollständigen Berücksichtigung aller Waren der Widerspruchsmarke nach Registerlage eine Verwechslungsgefahr nicht gegeben ist.

Die Marken können dann zwar zur Kennzeichnung identischer Waren verwendet werden, was bei uneingeschränkt angesprochenen allgemeinen Verkehrskreisen und für das Zeichen als Ganzes anzunehmender noch normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke grundsätzlich strenge Anforderungen an den Markenabstand bedingt, wenn Verwechslungen vermieden werden sollen. Der danach erforderliche Abstand zur älteren Widerspruchsmarke wird von der jüngeren Marke noch gewahrt. Verwechslungen in rechtserheblichem Ausmaß sind daher nicht zu befürchten.

Von entscheidender Bedeutung ist, daß bei der Beurteilung des für die Verwechslungsgefahr maßgeblichen Gesamteindrucks der Markenwörter dem Anfangsbestandteil "Gastro-" nicht die Bedeutung zukommt, wie es bei einem reinen Phantasiebestandteil der Fall wäre. Die Markenkonstellation mit der Übereinstimmung der Vergleichsbezeichnungen in dem auch im Hinblick auf entsprechend gebildete Fremdwörter (vgl zB Gastrologe, Gastroskopie usw) sehr deutlich auf den Indikationsbereich Magen-Darm hinweisenden und zudem in einer Vielzahl von - teilweise auch benutzten - Drittmarken enthaltenen Markenbestandteil "Gastro" bzw "Gastr" erfordert eine differenzierte Beurteilung. Der Bestandteil "Gastro" bzw "Gastr" begegnet so nämlich dem Verkehr im Zusammenhang mit Magen-Darm-Erkrankungen und dem Erwerb entsprechender Arzneimittel überaus häufig. Bereits dies zeigt, daß dem Bestandteil "Gastro" nicht nur nach dem Rollenstand als naheliegende, verbrauchte Wortbildung eine geringere Originalität und damit in rechtlicher Hinsicht eine geringere Kennzeichnungskraft und Bedeutung für die Prägung des Gesamteindrucks zukommt als Phantasiebestandteilen (vgl BGH, MarkenR 1999, 57, 59 - Lions), sondern, daß zugleich der Verkehr auch in tatsächlicher Hinsicht bei der Begegnung mit entsprechend gebildeten Marken mit dem Markenbestandteil "Gastro" nicht bereits eine bestimmte Herstellerangabe verbindet. Der Verbraucher weiß vielmehr, daß er sein Augenmerk insbesondere auch auf die weiteren Bestandteile richten muß, um eine bestimmte Marke zu identifizieren, so daß auch insoweit den jeweiligen Endbestandteilen der Vergleichsmarken eine wesentliche Bedeutung für die Orientierung der Verkehrskreise zukommt.

Dem steht auch nicht entgegen, daß nach ständiger Rechtsprechung selbst kennzeichnungsschwache oder schutzunfähige Markenbestandteile sowohl in rechtlicher Hinsicht bei der Beurteilung der Prägung des Gesamteindrucks als auch bei der Feststellung einer tatsächlicher Beachtung durch den Verkehr nicht unberücksichtigt bleiben dürfen (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 152; BGH GRUR 1996, 200 - Innovadiclophlont; BGH MarkenR 2000, 20, 21 - RAUSCH / ELFI RAUCH). Denn auch unter einer angemessenen Mitberücksichtigung des schwachen Bestandteils "Gastro" sorgen die unterschiedlichen Endbestandteile der Vergleichsmarken für einen noch hinreichend deutlich abweichenden Gesamteindruck der Markenwörter, so daß ihre hinreichende Unterscheidbarkeit gewährleistet ist. Der allein in der angegriffenen Marke vorhandene Vokallaut "ei" tritt klanglich auffällig in Erscheinung und bewirkt gegenüber der Widerspruchsmarke, die die dunkel klingenden Buchstaben "ad" enthält, einen deutlichen Kontrast der betonten Schlußsilben, während die Buchstabengruppe st nur zahlenmäßig gewichtig erscheinen, lautlich jedoch zusammen verschmolzen sind und gegenüber dem deutlich unterschiedlichen Vokal a bzw Diphtong ei zurücktreten.

Auch im Schriftbild wird durch die abweichende Kontur der sich in den jeweiligen Endbestandteilen gegenüberstehenden Buchstaben sowie durch die in Normalschrift oder bei handschriftlicher Wiedergabe nur in der Widerspruchsmarke enthaltene zusätzliche Oberlänge des "d" für eine hinreichende Differenzierung des Gesamteindrucks der Markenwörter gesorgt. Von Bedeutung ist bei der Beurteilung insoweit schließlich, daß zumindest im Arzneimittelbereich die Kennzeichnungen im Schriftbild erfahrungsgemäß mit etwas größerer Sorgfalt wahrgenommen werden als unter Umständen bei Waren des täglichen Bedarfs.

Bei ähnlichen Markenkonstellationen hat der 25. Senat in anderen Verfahren ebenfalls die Verwechslungsgefahr verneint (vgl Beschluß vom 2. Mai 1996, 25 W (pat) 216/94 "GASTRIMED/Gastrigel"; 25 W (pat) 144/94 "GASTROHEK/Gastrohexal"; 25 W (pat) 154/00 "GASTROGARD/Gastrostad", jeweils veröffentlicht auf der CD-ROM PAVIS PROMA).

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Dr. Buchetmann Winter Voit Hu






BPatG:
Beschluss v. 12.02.2001
Az: 30 W (pat) 152/00


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