Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 30. August 1996
Aktenzeichen: 6 U 91/94

(OLG Köln: Urteil v. 30.08.1996, Az.: 6 U 91/94)

1. Mit der werblichen Aussage ,Duktiles Gußrohr: sechs Meter Dichtheit auf Dauer" bringt der Werbende zum Ausdruck, daß die Rohre über die übliche Nutzungsdauer hinaus (hier: 50 - 80, gelegentlich 100 Jahre) auf unabsehbare Zeit dicht seien und entsprechende Langzeiterfahrungen oder spezielle Untersuchungen eine derartige Aussage belegen.

2. Ein nicht nur unerheblicher Teil des Verkehrs versteht die Werbebehauptung ,In Sachen Dichtheit kann nichts und niemand dem duktilen Gußrohr etwas vormachen ,als Alleinstellungsaussage, die wettbewerbsrechtlich nur gerechtfertigt wäre, wenn die beworbenen Rohre denjenigen der Konkurrenz in jeglicher Hinsicht deutlich überlegen wären. Eine solche Schlußfolgerung läßt sich allerdings nicht schon allein daraus herleiten, daß für die in der Werbung herausgestellten Rohre besondere Prüfmethoden in Bezug auf ihre Dichtigkeit angewandt werden und der für die Rohre verwendete Werkstoff als einziger diffusionsdicht sein sollte.

Tenor

1.) Die Berufung der Beklagten gegen das am 1.3.1994 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 31 O 445/93 - wird zurückgewiesen.2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung jedoch durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in nachbenannter Höhe abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheitsleistung bzw. Hinterlegung hat in folgender Höhe zu erfolgen: 1.) Unterlassungsanspruch: 300.000 DM 2.) Auskunftsanspruch: 20.000 DM 3.) Kosten: 26.000 DMBeiden Parteien wird nachgelassen, die Sicherheitsleistung auch durch Gestellung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.4.) Die Beschwer der Beklagten wird auf 350.000 DM festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin ist die Vertriebsgemeinschaft der

Verkaufsgemeinschaft Deutscher Steinzeugwerke, eines

kartellrechtlich erlaubten Zusammenschlusses sämtlicher

westdeutscher Hersteller von Steinzeugrohren. Sie vertreibt im

eigenen Namen Abwasserrohre aus Steinzeug.

Die Beklagte ist die Interessengemeinschaft der Gußrohrindustrie

und vertritt werblich die Belange der Gußrohrhersteller.

Die Parteien bzw. die von Ihnen vertretenen Unternehmen stehen

sich auf dem Abwassermarkt als unmittelbare Wettbewerber

gegenüber.

Die Beklagte schaltete mehrfach, u.a. in der Juni-Ausgabe der

Zeitschrift Korrespondenz Abwasser (KA Nr.6/93), ein Inserat, das

überschrieben ist mit: "Duktiles Gußrohr: sechs Meter Dichtheit

auf Dauer". Der Begleittext beginnt mit dem Satz: "In Sachen

Dichtheit kann nichts und niemand dem duktilen Gußrohr etwas

vormachen." Wegen der Einzelheiten der Gestaltung der Anzeige wird

auf deren Wiedergabe im Rahmen der nachfolgend dargestellten

Anträge der Klägerin Bezug genommen.

Bei dem duktilen Gußrohr handelt es sich um ein innen und außen

mit einer Schutzschicht versehenes Rohr aus Gußeisen, daß eine

gewisse Elastizität aufweist und bei Óberschreiten der

Elastizitätsgrenze ohne zu reißen verformbar ist.

Die Klägerin beanstandet beide vorzitierten Werbeaussagen und

hat dazu vorgetragen, es handele sich um irreführende Werbung im

Sinne des § 3 UWG, weil die beworbenen Gußrohre wegen ihres

Korrosionsverhaltens nicht auf Dauer dicht seien. Mit der

vorzitierten Einleitung des Begleittextes nehme die Beklagte

überdies zu Unrecht eine Alleinstellung für sich in Anspruch.

Sie hat b e a n t r a g t,

Die Beklagte zu verurteilen,

es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung

festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise

Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu

unterlassen,

für duktile Guß-Abwasserrohre mit den

Behauptungen:

"Duktiles Gußrohr: sechs Meter

Dichtheit auf Dauer"

sowie

"In Sachen Dichtheit kann nichts und niemand dem duktilen

Gußrohr etwas vormachen."

wie nachstehend in Vergrößerung

eingeblendet zu werben:

Auskunft darüber zu erteilen, seit wann und in welchem Umfang

sie Handlungen gemäß Ziffer 1 begangen hat,

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr allen

Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I 1) beschriebene

Handlung bisher entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

Die Beklagte hat b e a n t r a g t,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Werbeaussagen verteidigt und vorgetragen, die

Klägerin könne nicht darlegen und beweisen, daß von einer Dichtheit

bei duktilen Gußrohren keine Rede sein könne. Es sei unter

Sachverständigen anerkannt, daß das duktile Gußrohr hinsichtlich

der Dichtheit keinen Vergleich mit anderen Werkstoffen zu scheuen

brauche.

Das L a n d g e r i c h t hat die Beklagte antragsgemäß

verurteilt und ausgeführt, beide Werbeaussagen seien irreführend

und deswegen gemäß § 3 UWG zu untersagen, weil die duktilen

Gußrohre erst seit ca. 20 Jahren im Einsatz seien und die Beklagte

daher nicht über empirische Erfahrungen über einen Zeitraum

verfüge, der im Zusammenhang mit der Verlegung von Abwasserrohren

als dauerhaft bezeichnet werden könne. Ob die zweite Aussage eine

unzulässige Alleinstellungsbehauptung beinhalte, hat die Kammer

offengelassen.

Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten B e r u f u n g trägt

die Beklagte vor, beide Werbeaussagen seien zutreffend und daher

nicht irreführend, zudem sei eine in der zweiten Aussage etwa zu

erblickende Alleinstellungsbehauptung gerechtfertigt.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei die Dauer der

empirischen Erfahrung für die Dichtheitsprognose ohne Bedeutung.

Angesichts der modernen Werkstoffprüfverfahren erwarteten die

angesprochenen Verkehrskreise, nämlich Fachleute aus der

Abwasserindustrie und dem kommunalen Beschaffungswesen, daß

Prognosen über die Haltbarkeit auf einer verläßlichen Einschätzung

nach dem Stand der Technik, nicht aber auf empirischer Erfahrung

über den angegeben Zeitraum beruhten.

Im übrigen könne in Deutschland bereits auf eine 30-jährige

Erfahrung zurückgeblickt werden, weil die Halbergerhütte schon im

Jahre 1964 mit der Verlegung derartiger Abwasserrohre begonnen

habe. In den USA lägen ausweislich einer Studie von Smith seit

nunmehr 44 Jahren Erfahrungen vor.

Die Aussage, die Rohre seien auf Dauer dicht, werde vom Verkehr

dahin verstanden, daß diese während ihrer gesamten Nutzungsdauer

dicht seien. Die Nutzungsdauer von Abwasserkanälen betrage nach den

neu gefaßten, von ihr auszugsweise als Anlage BB 4 (= Anlagenheft

Bl.41) vorgelegten LAWA-Richtlinien 50-80, höchstens jedoch 100

Jahre.

Tatsächlich habe die in den mit Schriftsatz vom 14.11.1994

vorgelegten Anlagen BB 9 bis BB 12 (= Anlagenheft Bl.62-102) im

einzelnen dargelegte, auf ausgereiften Verfahren beruhende

Werkstoffprüfung ergeben, daß die Rohre dicht seien. Vor dem

Hintergrund dieser Prüfungen könne aus der Tatsache, daß unter den

bereits verlegten, 25-30 Jahre alten Kanalleitungen kein einziger

Defekt aufgetreten sei, der Schluß gezogen werden, daß diese auch

während ihrer restlichen Nutzungsdauer und damit "auf Dauer" dicht

seien. Insoweit könne auch auf eine inzwischen 125-jährige

Erfahrung aus der Trinkwasserversorgung zurückgegriffen werden,

weil dort ebenfalls Gußrohre verwendet würden.

Die zweite angegriffene Aussage stelle keine

Alleinstellungsbehauptung dar und sei im übrigen inhaltlich

gerechtfertigt.

So sei die Dichtheitsprüfung von Gußrohren unübertroffen. Die

Wasserdichtheit werde nach der im Anlagenheft als Bl.10 ff

wiedergegebenen DIN 19690 mit einem Druck von 10 bar geprüft, was

einmalig sei.

Die Druckrohre aus duktilem Gußeisen seien darüberhinaus

einschließlich der Rohrverbindungen auch gasdicht, was für

Steinzeugrohre, bei denen die Rohrverbindungen besonders kritisch

seien, nicht zutreffe.

Die Gußrohre seien außerdem als einziger Rohrwerkstoff in der

Abwassertechnik auch diffusionsdicht, wohingegen etwa

Steinzeugrohre eine hohe Diffusionsdurchlässigkeit aufwiesen.

Weiter sei die Dichtheit bei Gußrohren wegen der besonders

einfach handhabbaren Verlegetechnik auch einfacher

herzustellen.

Schließlich hätten Versuche die besondere Dichtigkeit der

Dichtung zwischen zwei Rohren ergeben und ließen die hervorragenden

Eigenschaften der Gußkanäle ein besonders fein und empfindlich

ansprechendes Dichtheitsprüfverfahren mit Luft im Unterdruckbereich

zu, das für Steinzeugrohre nicht anwendbar sei.

Die Beklagte b e a n t r a g t

das Urteil der 31. Zivilkammer des

Landgerichts Köln vom 1.3.1994 abzuändern und die Klage

abzuweisen.

Die Klägerin b e a n t r a g t,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet, angesichts der besonderen Bedeutung der

Dichtigkeit der Rohre und des harten Wettbewerbs in dieser Branche

verstehe der Verkehr die Behauptung, ein Rohr sei auf Dauer dicht,

dahin, daß der Hersteller über eine entsprechende empirische

Erfahrung verfüge und nicht lediglich eine Prognose abgebe.

Zumindest mache der Verkehr einen erheblichen Unterschied zwischen

einer Werbeaussage, die allein auf einer Zukunftsprognose und einer

solchen, die auf empirischer Erfahrung beruhe. Daher müsse aus den

Werbeaussagen zur Vermeidung einer Täuschung hervorgehen, daß die

Dichtheitsaussage nicht auf Erfahrung, sondern auf theoretischen

Erkenntnissen beruhe.

Das gelte auch mit Rücksicht auf die Zusammensetzung der von der

Beklagten aufgeführten betroffenen Verkehrskreise. Denn von diesen

wisse nur ein kleiner Kreis Näheres über die Materialeigenschaften

der verschiedenen Kanalisationsrohre. Die angesprochenen Fachkreise

müßten sich daher auf die Richtigkeit der Werbeaussagen der

Hersteller verlassen.

Die Zusage "auf Dauer" werde von den angesprochenen

Verkehrskreisen auch nicht dahin verstanden, daß die Rohre nur

während der üblichen Nutzungszeit dicht seien. Dichtigkeit während

der üblichen Nutzungsdauer erwarte der Abnehmer nämlich von jedem

Konkurrenten auf dem Markt. Wer darüberhinaus eine

Dichtigkeitszusage "auf Dauer" gebe, behaupte damit, daß die Rohre

sogar länger dicht seien und auch nach Ablauf der üblichen

Nutzungszeit keine Probleme aufträten.

Die zweite Werbeaussage enthalte auch eine unzutreffende

Alleinstellungsbehauptung. Die Beklagte behaupte zur Rechtfertigung

dieser Darstellung nur besondere Methoden bei der

Dichtheitsprüfung. Dies besage aber nicht, daß die Rohre auch im

Hinblick auf die Dichtheit selbst eine Spitzenstellung einnähmen.

Außerdem seien die Dichtheitsprüfungen bei Kanalisationsrohren aus

anderen Werkstoffen entsprechend intensiv und zuverlässig.

Im übrigen komme in der Werbeaussage zum Ausdruck, es gebe

Erfahrungen und Erkenntnisse, die etwas Zuverlässiges über die

Dichtheit der Gußrohre über lange Zeit aussagen könnten. Das sei

aber nicht der Fall.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die

gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand

der mündlichen Verhandlung waren.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen

Erfolg.

Beide angegriffenen Werbeaussagen sind in wettbewerbsrechtlich

relevanter Weise irreführend und daher gemäß § 3 UWG zu untersagen.

Die hierzu erforderlichen Feststellungen vermag der Senat aus

eigener Sachkunde zu treffen.

Die Aussage "Duktiles Gußrohr: sechs Meter Dichtheit auf Dauer",

mit der die Anzeige überschrieben ist, bringt zum Ausdruck, daß die

Rohre über die übliche Nutzungszeit hinaus auf unabsehbare Zeit

dicht sind und hierüber entsprechende Langzeiterfahrungen oder

spezielle technische Untersuchungen vorliegen, die einen

gesicherten Schluß auf diese Qualität der Rohre und ihrer

Verbindungen zulassen. Beides trifft indes bereits nach dem

Vorbringen der Beklagten selbst nicht zu, weswegen die Aussage

irreführend ist.

Für die Beurteilung des Aussagegehaltes ist auf das Verständnis

der angesprochenen Verkehrskreise abzustellen. Dabei handelt es

sich - zumindest ganz überwiegend - um mit den Problemen der

Abwasserbeseitigung vertraute Fachleute, die entweder in der

Abwasserwirtschaft selbst tätig oder in Kommunen mit der Planung

von Erschließungsanlagen oder der Beschaffung von Abwasserrohren

betraut sind. Diese werden die Aussage zumindest in nicht

unerheblicher und damit für die Gefahr der Irreführung

ausreichender Zahl im vorstehenden Sinne auffassen.

Die Dichtigkeit von Abwasserrohren ist für deren Verwendung und

die Entscheidung darüber, aus welchem Material eine neu anzulegende

Kanalisation beschaffen sein soll, von zentraler Bedeutung. Sie

steht neben der Frage der Kosten im Mittelpunkt der Óberlegungen

vor der Entscheidung für das eine oder das andere Material. Dies

ergibt sich ohne weiteres aus der allgemein bekannten Tatsache, daß

einerseits bei Undichtigkeiten von Abwasserrohren eine erhebliche

Gefährdung der Umwelt drohen kann und andererseits die Kosten und

der bauliche Aufwand im Falle des Notwendigwerdens einer Sanierung

beträchtlich und nicht selten höher als bei der ursprünglichen

Erschließung sind. Die interessierten Fachkreise werden daher einer

werblichen Aussage über die Dauer der Dichtigkeit der beworbenen

Abwasserrohre erhöhte Aufmerksamkeit schenken. Die Aussage

"Dichtheit auf Dauer" wird dabei zumindest von einer nicht

unerheblichen Anzahl der angesprochenen Fachkreise dahin aufgefaßt

werden, daß die Rohre auch über die üblicherweise erwartete und in

den einschlägigen Richtlinien vorgesehene Nutzungszeit hinaus dicht

sind. Denn daß diese Vorgaben erfüllt werden, ist aus der Sicht der

Fachkreise eine Selbstverständlichkeit: Angesichts der Tatsache,

daß Abwasserrohre nach der von der Beklagten selbst angeführten

LAWA-Richtlinie durchschnittlich 50-80 Jahre, teilweise auch bis zu

100 Jahre genutzt werden, erwartet der Interessent ohne weiteres,

daß auch das von der Beklagten angepriesene Material über diesen

Zeitraum hinweg genutzt werden kann, also insbesondere dicht ist.

Der mit den Problemen der Abwassertechnik vertraute Fachmann wird

daher einer Aussage, wonach das beworbene Rohr "auf Dauer dicht"

ist, den Inhalt beimessen, daß auch über die übliche Nutzungszeit

der Rohre hinaus die Dichtigkeit der Rohre erhalten bleiben werde.

Eine Einschränkung in zeitlicher Hinsicht auf die übliche

Nutzungsdauer von Abwasserrohren wird der Interessent auch nicht

aus der Tatsache ableiten, daß die von der Beklagten in ihrem

Schriftsatz vom 7.3.1996 im einzelnen aufgeführten DIN-Normen

verschiedentlich die Anforderung aufstellen, die Rohre müßten

"dauernd dicht" sein. Im Gegenteil wird der Fachmann gerade wegen

dieser technischen Anforderungen der angegriffenen Aussage den

Gehalt beimessen, daß auf unabsehbare Zeit, eben "auf Dauer", von

der Dichtheit der Rohre ausgegangen werden könne.

Daß dies so sei, behauptet die Beklagte indes selber nicht. Nach

ihrer Behauptung werden die angepriesenen Rohre vielmehr lediglich

in dem Zeitraum von 50-80 bzw. 100 Jahren mit Gewißheit dicht sein.

Dies entspricht aber aus den dargestellten Gründen der von ihr

geweckten Erwartung nicht.

Ist die Werbeaussage mithin schon aus diesem Grunde unrichtig

und irreführend, so kommt hinzu, daß zumindest ein nicht

unerheblicher Teil der angesprochenen Fachkreise aufgrund der

Werbung die Erwartung hegen wird, die Aussage beruhe entweder auf

tatsächlicher Erfahrung über eine deutlich längeren Zeitraum als er

in der erwähnten LAWA-Richtlinie dargestellt ist, oder doch auf

technischen Versuchen, die den sicheren Schluß auf die Richtigkeit

der Aussage zulassen. Beides ist indes ebenfalls nicht der

Fall.

Die gezielt in einer Fachzeitschrift geschaltete Anzeige nimmt

für sich in Anspruch, auf gesicherter Grundlage zu beruhen. Dies

ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut selbst, die

Anzeige wird aber gleichwohl so verstanden, weil sie sich an ein

Fachpublikum wendet und eine Entscheidungshilfe bei wesentlichen

und kostenintensiven Investitionen darstellen will. Dies verbietet

die Annahme, die Beklagte könne sich bewußt ohne gesicherte

Grundlage in marktschreierischer Óbertreibung an die Leser der

Zeitschrift "Kommunal-Abwasser" gewandt haben.

Es ist aus der Sicht der beworbenen Fachleute auch durchaus

vorstellbar, daß die Beklagte ihre Aussage auf Langzeiterfahrungen

stützt, weil gußeiserne Rohre bereits seit vielen Jahrzehnten

Verwendung finden und - wenn auch im Trinkwasserbereich - nach der

Darstellung der Beklagten schon seit 125 Jahren eingesetzt

werden.

Soweit die angesprochenen Fachleute nicht von einer

Erfahrungsdauer der Beklagten ausgehen, die die zeitlich

unbegrenzte Aussage rechtfertigt, werden sie jedenfalls in

wettbewerblich relevanter Zahl erwarten, daß die Beklagte sich auf

technische Prüfungen stützt, die gesicherte Schlüsse auf die

behauptete Langlebigkeit der Rohre und ihre unbegrenzte Dichtigkeit

zulassen. Auch diese sind indes nicht vorgetragen.

Die von der Beklagten im einzelnen durch Bezugnahme auf die mit

Schriftsatz vom 14.11.1994 vorgelegten Anlagen BB 9 bis BB 12

dargelegten technischen Prüfungen sind darauf angelegt,

festzustellen, ob die Rohre im Prüfungszeitpunkt dicht sind. Óber

die Frage, wie lange sie diese Qualität in der Zukunft aufweisen

werden, besagen sie nichts. Insbesondere werden die Rohre nicht

besonderen Belastungen mit Schadstoffen in einer Konzentration

ausgesetzt, die der Schadstoffzufuhr in dem beworbenen Zeitraum

entsprechen könnte. Ebenso enthalten die Prüfungen keine Simulation

der Dauerbelastung, die durch den steten Wechsel von Temperaturen,

Drücken und ähnlichen Einflüßen über einen so langen Zeitraum

entsteht, wie die Beklagte ihn bewirbt. Allerdings beschreibt die

als Anlage BB 10 auszugsweise vorgelegte Studie von Mathieu u.a.

auch Versuche von mehrjähriger Dauer. Auch diese Studie belegt

indes nicht, daß die Rohre innerhalb des gesamten beworbenen

Zeitraumes dicht sein werden. Dies ergibt sich schon daraus, daß

die Studie sich nur mit der Reaktion des

Tonerdeschmelzzementmörtels, mit dem die duktilen Gußrohre

ausgekleidet sind, auf agressive Stoffe und nicht mit den übrigen

in Betracht kommenden Umwelteinflüssen befaßt. Im übrigen zeigt die

Tatsache, daß Eintauchversuche in bestimmte verdünnte Säuren und

starke Basen zu einer - wenn auch geringen - Gewichtsreduktion der

Auskleidung geführt haben, daß die Durchleitung aggressiver Stoffe

zu chemischen Reaktionen führt, was der Prognose einer dauerhaften

Dichtigkeit sogar entgegensteht.

Auch die Beklagte selbst nimmt in übrigen nicht für sich in

Anspruch, daß von ihr oder Dritten durchgeführte Versuche allein

belegen könnten, daß die Rohre tatsächlich über diesen Zeitraum

hinweg dicht bleiben werden. Sie trägt hierzu vielmehr vor, die

Versuche rechtfertigten in Verbindung mit der Tatsache, daß in den

letzten 25 Jahren Schäden mit verlegten Gußrohren nicht aufgetreten

seien, den Schluß, daß die Dichtheitsprognose für den beworbene

Zeitraum getroffen werden könne. Das trifft indes aus den

vorstehenden Gründen nicht zu.

Der Senat ist entgegen den in seinem Beschluß vom 31.8.1995

zunächst geäußerten Zweifeln in der Lage, die vorstehenden

Feststellungen über die durch die Werbeaussagen erweckten

Vorstellungen selbst zu treffen und ist zur Feststellung des

Verständnisses der angesprochenen Verkehrskreise nicht auf die

Einholung eines von beiden Parteien angebotenen

Sachverständigengutachtens in Form einer Verkehrsbefragung

angewiesen.

Allerdings gehören die Mitglieder des Senats nicht zu den

vorrangig angesprochenen Verkehrskreisen. Dies macht indes die

Durchführung einer Verkehrsbefragung nicht in jedem Falle

notwendig. Ein derartiger Fall ist auch hier gegeben.

Die Gefahr der Irreführung ist bereits dann zu bejahen, wenn nur

ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Fachkreise die

Aussage in ihrem irreführenden Gehalt versteht. Dies vermag der

Senat indes aus eigener Sachkunde zu bejahen. Daß die Aussage

"Dichtheit auf Dauer" eine zeitliche Beschränkung nicht enthält,

ist bei Anwendung der allgemeinen deutschen Sprachregeln

offenkundig. Es ist auszuschließen, daß die angesprochenen

Verkehreskreise nur deswegen, weil sie über die Materie der

Abwassertechnik besondere Kenntnisse und ein besonderes

Erfahrungswissen haben, bis auf einen zu vernachlässigenden kleinen

Teil die Vorstellung entwickeln könnten, dieser Aussage komme nur

die Bedeutung zu, die die Beklagte ihr allein zukommen lassen

möchte. Dem steht nicht nur entgegen, daß die Aussage nach dieser

Interpretation nur Selbstverständliches enthielte, während die

angesprochenen Verkehrskreise stattdessen einer Werbeanzeige mit

dem hier angegriffenen Text das Bestreben entnehmen werden, die

beworbenen Rohre als etwas besonderes, die gewöhnliche Qualität der

Dichtheit Óbertreffendes darzustellen. Vielmehr ist auch zu

berücksichtigen, daß die Anzeige auch in nicht unerheblichem

Umfange von solchen Fachleuten gelesen wird, die etwa als Beamte

einer kleineren Kommune nicht so häufig, oder sogar noch gar nicht

mit der Entscheidung über die Wahl des Materials von Abwasserrohren

befaßt waren. Vom Schutzumfang des § 3 UWG sind im übrigen auch

solche Personen erfaßt, die lediglich im Vorfeld einer

Kaufentscheidung mit den Angeboten der Rohrhersteller befaßt sind.

§ 3 UWG richtet sich nämlich auch gegen das vor Vertragsschluß

liegende durch Irreführung erreichte Anlocken von Kunden, so daß es

genügt, wenn die im Vorfeld einer Kaufentscheidung tätigen Personen

irregeführt und als Folge der Irreführung ihrerseits diejenigen,

die die Kaufentscheidung zu treffen haben, erst veranlassen, sich

mit dem beworbenen Gegenstand überhaupt oder näher zu befassen.

Darauf, ob die Irreführung dann später bei der Kaufentscheidunmg

noch andauert, oder in diesem Zeitpunkt bereits beseitigt ist,

kommt es nicht an (vgl. BGH GRUR 88, 700, 702 - "Meßpuffer"). Daß

dieser Personenkreis bis auf einen zu vernachlässigenden Anteil die

Aussage entgegen ihrem Wortlaut und ihrem sich aufdrängenden

Aussagegehalt über den Umfang der zugrundeliegenden technischen

Prüfungen allein dahin auffassen werden, daß die Rohre derzeit

dicht seien und Anhaltspunkte für ein Auftreten von Undichtigkeiten

während einer Nutzungsdauer von 30-50 bzw. 100 Jahren nicht

bestünden, ist nach der Óberzeugung des Senats auszuschließen. Es

kommt schließlich hinzu, daß - wenn auch sicherlich in kleinerem

Umfang - auch Privatpersonen zu den angesprochenen Verkehrskreisen

gehören, so daß letztlich auch die Mitglieder des Senats

einzubeziehen sind. Denn auch Privatpersonen kommen - etwa wenn

sich die Notwendigkeit einer Entwässerung von privaten Grundstücken

ergibt - in die Situation, über die Wahl des zu verwendenden

Materials entscheiden zu müssen und können bei der Suche nach einem

passenden Angebot auf die Anzeige stoßen.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Gesichtspunkte hat der

Senat nach abschließender Beratung keinen Zweifel, daß Mitglieder

der angesprochenen Verkehrskreise in ausreichender Anzahl die

Aussage in der oben ausführlich dargestellten, den Tatsachen nicht

entsprechenden Weise verstehen werden.

Daß die mithin in doppelter Hinsicht irreführende Aussage von

der erforderlichen wettbewerblichen Relevanz ist, bedarf angesichts

der enormen Bedeutung, die der Dichtigkeit von Abwasserrohren

zukommt, ebensowenig einer Begründung wie die Tatsache, daß auf

Grund des damit feststehenden Wettbewerbsverstoßes die

Wiederholungsgefahr ohne Weiteres anzunehmen ist.

Auch die Aussage "In Sachen Dichtheit kann nichts und niemand

dem duktilen Gußrohr etwas vormachen" ist irreführend und daher

gem. § 3 UWG zu verbieten.

Die Aussage wird von einem nicht unerheblichen Teil der

angesprochenen Verkehrskreise als Alleinstellungsbehauptung

verstanden und trifft als solche schon nach dem Vortrag der

Beklagten selbst nicht zu.

Die Aussage besagt zunächst, was nach dem Wortlaut keiner

näheren Begründung bedarf, daß die von der Beklagten beworbenen

Rohre bezüglich der Dichtheit zu der Spitzengruppe der

Abwasserrohre gehören, daß es also keine Produkte gibt, die die

Rohre bezüglich der Dichtheit übertreffen.

Óber diesen Sinn hinaus wird aber auch ein nicht geringer Teil

der angesprochenen Verkehrskreise die Aussage dahin verstehen, daß

die beworbenen Rohre bezüglich der Dichtheit sogar die besten sind,

also alle anderen Produkte die Dichtigkeit der duktilen Gußrohre

nicht erreichen. Das ergibt sich aus der Absolutheit der Aussage

einerseits und der Tatsache andererseits, daß der Interessent, der

mit der Anzeige zunächst auf das Produkt aufmerksam gemacht werden

soll, diese in aller Regel nicht besonders aufmerksam lesen wird.

Jedenfalls bei einer nur durchschnittlichen Aufmerksamkeit wird der

Interessent, der sein Augenmerk dem angepriesenen Produkt und nicht

sprachlichen Feinheiten zuwendet, die Aussage wegen ihres

plakativen und sloganartigen Inhalts aber in nicht wenigen Fällen

dahin verstehen, daß die Beklagte eine Alleinstellung behaupten

wolle. Das gilt auch angesichts der Tatsache, daß die sehr kleine

Schriftgröße im Original der Anzeige ein Erfassen des

Anzeigentextes nur bei genauem Hinsehen ermöglicht. Die Aussage,

daß "nichts und niemand dem duktilen Gußrohr etwas vormachen"

könne, wird ein ausreichender Anteil der angesprochenen

Verkehrskreise so verstehen, daß die beworbenen Abwasserrohre alle

anderen übertreffen. Auch diese sich allein aus dem allgemeinen

Sprachgebrauch ergebende Feststellung vermag der Senat aus den oben

dargelegten Gründen selbst zu treffen.

Als Alleinstellungsbehauptung ist die Werbeaussage indes

unzutreffend und daher ebenfalls als irreführend zu untersagen.

Die Beklagte beruft sich selbst nur darauf, besondere

Prüfmethoden für die aktuelle Dichtigkeit der Rohre angewendet zu

haben. Dies besagt indes nicht, daß die Rohre aus anderen

Materialien nicht dieselbe Dichtigkeit aufweisen wie solche aus

duktilem Gußrohr. Soweit die Beklagte behauptet, nur das von ihr

beworbene Gußrohr sei als einziger Rohrwerkstoff auch

diffusionsdicht, rechtfertigt auch dies die Aussage, nichts und

niemand könne dem duktilen Gußrohr etwas vormachen, in ihrer

Allgemeinheit nicht. Denn auch wenn andere Materialien nicht

diffusionsdicht sein sollten, besagt dies nicht, daß die von der

Beklagten beworbenen Rohre in jeder Hinsicht an Dichtigkeit allen

anderen Materialien überlegen seien, wie dies indes die Aussage

zumindest für einen nicht unerheblichen Teil der angesprochenen

Verkehrskreise besagt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§

708 Nr.10, 711 ZPO.

Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festzusetzende Beschwer der Beklagten

entspricht dem Wert ihres Unterliegens im Rechtsstreit.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 350.000 DM, nämlich

Unterlassung:

300.000 DM

Auskunft:

20.000 DM

Schadensersatzfeststellung:

30.000 DM

Gesamtstreitwert:

350.000 DM

Der Senat schätzt gem. §§ 12 Abs.1 GKG, 3 ZPO das für die

Bestimmung des Streitwertes maßgebliche Interesse der Klägerin, die

lediglich Angaben zu dem Gesamtstreitwert gemacht hat, an den

einzelnen Ansprüchen auf die vorstehenden Beträge, nachdem die

Parteien gegen die gleichlautende Festsetzung des Landgerichts in

der angefochtenen Entscheidung Einwände nicht erhoben haben.






OLG Köln:
Urteil v. 30.08.1996
Az: 6 U 91/94


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/ee0293e09313/OLG-Koeln_Urteil_vom_30-August-1996_Az_6-U-91-94




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share