Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Januar 2011
Aktenzeichen: 29 W (pat) 51/10

(BPatG: Beschluss v. 12.01.2011, Az.: 29 W (pat) 51/10)

Tenor

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patentund Markenamtes vom 13. Januar 2009 wird aufgehoben.

Gründe

I.

Die Wortmarke E-tatist am 31. März 2004 angemeldet und am 29. Oktober 2004 unter der Nummer 304 16 503 als Marke in das beim Deutschen Patentund Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für folgende Dienstleistungen der Klasse 35: Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen; Beratung in Fragen der Geschäftsführung; Beratungsdienste in Fragen der Geschäftsführung; betriebswirtschaftliche Beratung; betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung; Buchführung; Buchprüfung; Dienstleistungen eines Steuerberaters, nämlich Erstellen von Steuererklärungen; Dienstleistungen eines Wirtschaftsprüfers; Erstellen von Abrechnungen; Erstellen von betriebswirtschaftlichen Gutachten; Erstellung von Geschäftsgutachten; Erstellung von Steuererklärungen; Erstellung von Wirtschaftsprognosen; Lohnund Gehaltsabrechnung; Organisationsberatung in Geschäftsangelegenheiten; Outsourcing-Dienste im Rechnungswesen und Personalabrechnung; Planung und Überwachung von Unternehmensentwicklungen in organisatorischer Hinsicht; Planungen (Hilfe) bei der Geschäftsführung; Unternehmensberatung;

Klasse 36: Finanzanalysen; Finanzberatung; finanzielle Beratung; Finanzierungsberatung.

Gegen diese Marke, deren Eintragung am 3. Dezember 2004 veröffentlicht wurde, hat die Inhaberin der älteren Wortmarke ETAX die am 16. September 2003 unter der Nummer 301 29 333 eingetragen wurde für folgende Dienstleistungen der Klasse 35: Unternehmensberatung; Verwaltung fremder Geschäftsinteressen; Werbung;

Klasse 36: Kreditberatung; Kreditvermittlung; Nachforschung in Geldangelegenheiten; Grundstücksund Hausverwaltung; Immobilienund Hypothekenvermittlung; Schätzen von Immobilien, Vermögensverwaltung; Wohnungsvermietung; Versicherungswesen;

Klasse 42: Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung;

Widerspruch erhoben.

Nachdem die Markenstelle für Klasse 35 des DPMA mit Beschluss vom 22. Oktober 2007 eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen hatte, hat der Erinnerungsprüfer mit Beschluss vom 13. Januar 2009 eine unmittelbare Verwechslungsgefahr bejaht und unter Aufhebung des mit der Erinnerung angegriffenen Beschlusses die Löschung der jüngeren Marke angeordnet. Nach der maßgeblichen Registerlage seien die sich gegenüberstehenden Dienstleistungen teilweise identisch, im Übrigen ähnlich, weil sie in Art, Einsatzgebiet, Erbringung und wirtschaftlicher Bedeutung hinreichende Gemeinsamkeiten erkennen ließen. Es handele sich jeweils um wirtschaftsbezogene Dienste in den Bereichen Organisation, Beratung und Finanzen, die nebeneinander -auch ergänzend -in Anspruch genommen und von denselben Geschäftsbetrieben wegen ähnlicher Organisationsstrukturen angeboten würden. Der bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke einzuhaltende deutliche Zeichenabstand sei nicht gewahrt. Silbenzahl, Silbengliederung und Vokalfolge seien identisch. Beide Marken würden von den angesprochenen Verkehrskreisen als einheitliche Phantasiewörter wahrgenommen und in erster Linie deutsch benannt. Für eine Aufspaltung von "E" für "elektronisch" und "TAX" für "Steuer" gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Entsprechendes gelte für die angegriffene Marke. Angesichts dieser weitreichenden Gemeinsamkeiten im Lautbestand könne die einzige Abweichung in den Endkonsonanten nicht für eine ausreichende Differenzierung sorgen, zumal der Verbraucher die Wörter in der Regel nicht gleichzeitig nebeneinander wahrnehme und miteinander vergleiche, sondern seine Auffassung meist aufgrund eines undeutlichen Erinnerungsbildes gewinne.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Markeninhabers, mit der er sinngemäß beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des DPMA vom 13. Januar 2009 aufzuheben.

Er vertritt die Ansicht, die Widerspruchsmarke sei aufgrund ihres rein beschreibenden Charakters kennzeichnungsschwach. Denn sie stelle entgegen der Ansicht der Markenstelle keinen Phantasiebegriff dar, sondern stehe im allgemeinen Sprachgebrauch für den elektronischen Umgang mit Steuern oder Abgaben. Bei einer von ihm durchgeführten Internetrecherche unter Verwendung der Suchmaschine "Google" habe eine Vielzahl der Treffer zu dem Suchbegriff "etax" zu elektronischen Steuererklärungen und Finanzdienstleistungen geführt (Anlage 1, Bl. 16 u. 17 GA). "Etax" habe als zusammengesetzter englischer Begriff die deutsche Bedeutung "elektronische Steuer". Unter der Domain www.etax.de würden Dienstleistungen eines Steuerberaters angeboten (Anlage 2, Bl. 18 GA). Unter der Kennzeichnung "etax" werde zudem Software für die elektronische Übermittlung von Daten an die Finanzverwaltungen geführt (Anlage 1, Bl. 16 GA). Diese Kennzeichnung werde bereits seit 2001 von der Beratungsgesellschaft A... und gegenwärtig auch von der E... GmbH, einer Steuerberatungsgesellschaft in Köln, genutzt. Es bestehe auch keine hinreichende Dienstleistungsähnlichkeit, weil der Schwerpunkt der angegriffenen Marke im Bereich der Steuerberatung liege, was bei der Widerspruchsmarke nicht der Fall sei. Der von den Dienstleistungen angesprochene wirtschaftsnahe Verkehrskreis verstehe die englischen Begriffe und spreche sie nicht in erster Linie deutsch "etaks" aus. Schriftbildlich verhinderten die unterschiedliche Großund Kleinschreibung sowie der Bindestrich eine Verwechslungsgefahr. Es bestehe auch keine begriffliche Übereinstimmung, weil der dem Französischen entstammende Begriff französisch ausgesprochen und übersetzt werde mit "Geldmittel", die für einen begrenzten Zeitraum und für bestimmte Zwecke zur Verfügung stehen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die sich gegenüberstehenden Dienstleistungen seien identisch oder weitestgehend ähnlich. Ihre Marke verfüge über zumindest normale Kennzeichnungskraft. Zur Begründung dieser Ansicht nehme sie Bezug auf die Entscheidung des BPatG 33 W (pat) 88/03 -ETAX. "ETAX" könne nicht zergliedert betrachtet werden. Eine "elektronische Steuer" gebe es nicht. Es könne nicht ihre Marke englisch und die jüngere Marke deutsch ausgesprochen werden. Sie könnten nur einheitlich entweder beide der englischen oder beide der deutschen Aussprache unterliegen. Die beiden Zeichen seien bis auf den letzten, am wenigsten beachteten Buchstaben identisch und verfügten über die gleiche Vokalfolge.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Zwischen den Vergleichsmarken besteht keine Verwechslungsgefahr im Sinne von §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2004, 865, 866 -Mustang; GRUR 2004, 598, 599 -Kleiner Feigling; GRUR 2004, 783, 784 -NEURO-VIBO-LEX/NEURO-FIBRAFLEX; GRUR 2006, 60, 61 Rdnr. 12 -coccodrillo; GRUR 2006, 859, 860 Rdnr. 16 - Malteserkreuz I; MarkenR 2008, 405 Tz. 10 -SIERRA ANTIGUO; GRUR 2008, 906 -Pantohexal; GRUR 2008, 258, 260 Rdnr. 20 - INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2009, 484, 486 Rdnr. 23 - Metrobus; GRUR 2010, 235 Rdnr. 15 -AIDA/AIDU; EuGH GRUR 2006, 237, 238 -PI-CASSO).

1. Die Widerspruchsmarke "ETAX" ist entgegen der Ansicht des Inhabers der angegriffenen Marke nicht kennzeichnungsschwach, sondern verfügt über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft.

Das Wort "ETAX" ist ein Phantasiewort und gehört insbesondere auch nicht zum Wortschatz der englischen Sprache (www.dict.leo.org). Da die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen neben Fachkreisen auch das allgemeine Publikum gehört, die Bezeichnung "ETAX" als ein Gesamtwort auffassen und nicht aufspalten werden, ist dieses Kunstwort nicht geeignet, die Widerspruchsdienstleistungen zu beschreiben. Eine Aufspaltung der Einwortmarke in "E" als gängige Abkürzung für "electronic" (elektronisch) im Bereich der Computertechnik und in das englische Substantiv "TAX" mit der Bedeutung "Steuer, Abgabe, Belastung, Gebühr, Last, Steuergeld, Taxe" (PONS Großwörterbuch Englisch-Deutsch, 2002, S. 934; www.dict.leo.org) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es an dem sonst vorhandenen Bindestrich oder zumindest einer Leerstelle zwischen "E" und "TAX" fehlt, wie sie bei den im deutschen Sprachraum bekannten Zusammensetzungen wie E-Mail, E-Commerce oder E-Business (vgl. Brüne, Lexikon E-Business, 2009) üblich sind. Aber selbst wenn man diese Zergliederung vornähme und den Begriff "ETAX" mit "elektronische Steuer" übersetzte, fehlte es an einem beschreibenden Begriffsinhalt für die Widerspruchsdienstleistungen, die sämtlich aus den Bereichen Unternehmensberatung, Werbung, Kreditberatung und -vermittlung, Vermögensverwaltung, Immobilienund Versicherungswesen sowie Erstellen von EDV-Programmen stammen, aber keinen unmittelbaren Bezug zur "elektronischen Steuer" aufweisen. Zwar können Steuererklärungen mittlerweile auf elektronischem Wege abgegeben werden, aber inwieweit die Beratungsund Werbedienstleistungen der Klasse 35, die Finanzdienstleistungen der Klasse 36 und die Dienstleistung der Klasse 42 damit im Zusammenhang stehen, ist ohne entsprechende analysierende Zwischenschritte nicht erkennbar (BPatG 33 W (pat) 88/03 - ETAX). Auch soweit eine Internetrecherche mit dem Markenwort "ETAX" unter www.google.de eine Vielzahl von Treffern zu Steuererklärungssoftware, elektronischen Steuererklärungen und Steuerberaterdienstleistungen ergeben hat (Bl. 16 f. GA; www.etax.de, Bl. 18 GA) fehlt es an einem engen sachlichen Bezug zu den Widerspruchsdienstleistungen, weil sie sich nicht unmittelbar mit der Erstellung von oder Beratung bei elektronischen Steuererklärungen befassen. Einen beschreibenden Anklang für die Widerspruchsdienstleistungen, bei denen auch Schätzungen vorgenommen werden, wie z. B. das ausdrücklich ins Dienstleistungsverzeichnis aufgenommene "Schätzen von Immobilien" zeigt, könnte die Widerspruchsmarke dann besitzen, wenn man "ETAX" die Bedeutung "elektronisches Taxieren" beimäße. Denn "Taxieren" ist das deutsche Fremdwort für "einschätzen, (ab)schätzen, veranschlagen, prüfend, kritisch betrachten" (Duden - Das Fremdwörterbuch, 9. Aufl. 2007 [CD-ROM]; Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]). Dabei wird aber zum einen außer Acht gelassen, dass das "E" nicht erkennbar abgetrennt ist, und zum anderen, dass nur der erste Teil des Verbs "Taxieren" in der Marke enthalten ist. Eine so weit gehende Zergliederung nehmen die angesprochenen Verkehrskreise jedoch nicht vor, so dass nicht von einer Schwächung der Kennzeichnungskraft, sondern von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke ausgegangen werden kann.

2. Ausgehend von der Registerlage für die Beurteilung der Dienstleistungsähnlichkeit werden die Vergleichsmarken zur Kennzeichnung teils identischer, teils hochgradig sowie teils mittelgradig ähnlicher Dienstleistungen verwendet.

Eine Ähnlichkeit von beiderseitigen Waren oder Dienstleistungen ist dabei grundsätzlich anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebsoder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlichen Gründe so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (BGH GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN, GRUR 2004, 601 -dcfix/CD-FIX, EuGH MarkenR 2009, 47, 53 Rdnr. 65 - Edition Albert Rene).

a) Identität besteht hinsichtlich der für beide Marken in Klasse 35 eingetragenen "Unternehmensberatung".

b) Hochgradige Ähnlichkeit ist zwischen den Widerspruchsdienstleistungen "Unternehmensberatung; Verwaltung fremder Geschäftsinteressen; Werbung" einerseits und fast allen für die angegriffene Marke in den Klassen 35 und 36 eingetragenen Unternehmensberatungsund Finanzierungsberatungsdienstleistungen anzunehmen, weil ein nahezu übereinstimmender Leistungsbezug, insbesondere Art und Zweck der Dienstleistungen sowie der Nutzen für den Leistungsempfänger, zu erkennen ist. Die Beratung eines Unternehmens umfasst typischerweiseauch Konzeption und Ausgestaltung seiner Werbung sowie finanzielle Aspekte (vgl. BPatG 29 W (pat) 113/97; 33 W (pat) 158/03).

c) Eine zumindest mittlere Ähnlichkeit besteht zwischen den für die jüngere Marke in Klasse 35 eingetragenen "Dienstleistungen eines Steuerberaters, nämlich Erstellen von Steuererklärungen; Dienstleistungen eines Wirtschaftsprüfers; Erstellung von Steuererklärungen" und der Widerspruchsdienstleistung "Unternehmensberatung". In der heutigen Unternehmensberatung erfolgt eine gesamtheitliche und umfängliche Betreuung in Bezug auf das Gesamtunternehmen, somit auch eine Beratung in finanzieller und steuerlicher Hinsicht (BPatG 33 W (pat) 220/04 -AD-VITAM/Avita). Auch die Tätigkeitsbereiche der "Wirtschaftsprüfung" und der "Unternehmensberatung" weisen erhebliche Überschneidungen auf, weil sie weitgehend auf den gleichen oder sehr ähnlichen betriebswirtschaftlichen Fachkenntnissen beruhen und die Ausübung von Dienstleistungen der Unternehmensberatung durch Wirtschaftsprüfer nicht ungewöhnlich ist (BPatG, 33 W (pat) 115/96).

3. Aber auch bei einer Benutzung für identische und hochgradig ähnliche Dienstleistungen unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hält die angegriffene Marke den zur Verneinung der Verwechslungsgefahr erforderlichen deutlichen Abstand noch ein.

a) Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken, wobei von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 -Henkel; BGH MarkenR 2000, 420, 421 -RATIONAL SOFTWARE COR-PORATION; GRUR 2001, 1151, 1152 -marktfrisch). Der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist dabei im Klang, im (Schrift)Bild und im Bedeutungs-(Sinn-)Gehalt zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht dabei regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus (BGHZ 139, 340, 347 -Lions; BGH MarkenR 2008, 393, 395 Rdnr. 21 -HEITEC). Zudem ist bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr grundsätzlich mehr auf die gegebenen Übereinstimmungen der zu vergleichenden Marken abzuheben als auf die Abweichungen, weil erstere stärker im Erinnerungsbild zu haften pflegen. Für den Gesamteindruck eines Zeichens ist insbesondere der Wortanfang von Bedeutung, weil der Verkehr diesem regelmäßig größere Beachtung schenkt als Endsilben (BGH GRUR 2004, 783, 784 - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).

b) Die sich hier gegenüberstehenden Marken werden weder klanglich noch schriftbildlich noch begrifflich ähnlich wahrgenommen.

aa) In schriftbildlicher Hinsicht liegen keine ausreichenden Übereinstimmungen zwischen den Vergleichsmarken vor. Markante Unterschiede am grundsätzlich stärker beachteten Wortanfang bewirken das - eine optisch auffällige Zäsur hervorrufende -durch einen Bindestrich abgesetzte "E" der angegriffenen Marke sowie dessen Großschreibung und die Kleinschreibung der nachfolgenden Silbe "tat", während die Widerspruchsmarke ausschließlich aus lückenlos aneinandergereihten Buchstaben in einheitlicher Schriftgröße besteht. Ein weiterer Unterschied im Schriftbild wird durch den Endbuchstaben "X" der Widerspruchsmarke erzeugt, einem der schriftbildlich auffälligsten Konsonanten des Alphabets, der sich vom Endbuchstaben "t" der jüngeren Marke deutlich abhebt. Die Übereinstimmungen in den ersten drei Buchstaben und in der Vokalfolge "E-A" fallen gegenüber diesen Unterschieden weniger ins Gewicht.

bb) Auch eine begriffliche Verwechslungsgefahr scheidet aus. Denn trotz des durch den Bindestrich abgesetzten "E" der angegriffenen Marke erkennen die angesprochenen Verkehrskreise sofort den aus dem Französischen stammenden Begriff "Etat", der als Fremdwort Eingang in die deutsche Sprache gefunden hat und dem entweder die Bedeutung "[Staats]haushaltsplan, [Geld]mittel, die über einen begrenzten Zeitraum für bestimmte Zwecke zur Verfügung stehen" oder die Bedeutung "durch einen Probedruck festgehaltener Zustand der Platte während der Entstehung eines Kupferstiches" (Duden - Das Fremdwörterbuch a. a. O.; Duden - Deutsches Universalwörterbuch a. a. O.) zukommen. Im Gegensatz dazu ist die Widerspruchsmarke ein Phantasiewort, das nur bei zergliedernder Analyse entweder als "elektronische Steuer" oder als "elektronisches Taxieren bzw. Schätzen" verstanden werden kann. Aber auch dieser durch Analyse festgestellte Sinngehalt der älteren Marke steht in deutlichem Widerspruch zum Aussagegehalt der jüngeren Marke.

cc) Die vorhandene klangliche Ähnlichkeit ist nicht in einem solchen Maße ausgeprägt, dass eine Verwechslungsgefahr zu bejahen wäre. Neben den vorhandenen Gemeinsamkeiten, nämlich der Übereinstimmung in den ersten drei Buchstaben, sind auch markante Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken gegeben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass beide Markenwörter den Kurzwörtern zuzurechnen sind, bei denen Abweichungen in nur einem Laut Verwechslungen ausschließen können (BPatG 24 W (pat) 59/96 - ASIS/ASI; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9 Rdnr. 198), weil der Abweichung in einem Buchstaben quantitativ größeres Gewicht in einem kürzeren Wort zukommt (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 14 Rdnr. 867). So liegt der Fall auch hier. Zunächst ist festzustellen, dass die jüngere Marke als aus dem Französischen stammendes in die deutsche Sprache übernommenes, allgemein bekanntes Fremdwort nicht [etat], sondern [e'ta:] (Duden - Das Fremdwörterbuch a. a. O.; Duden - Deutsches Universalwörterbuch a. a. O.) ausgesprochen wird. Daher endet die jüngere Marke auf den dunkel klingenden Vokal a, während die Widerspruchsmarke über den besonders klangstarken Endkonsonanten "X" [ks] verfügt. Obwohl Abweichungen in den allgemein weniger beachteten Wortenden eine Verwechslungsgefahr regelmäßig nicht ausschließen, bewirkt bei den hier vorliegenden beiden Kurzwörtern dennoch der auffällige Explosivlaut "X" einen deutlichen phonetischen Unterschied zwischen den beiden Marken. Hinzu kommt die unterschiedliche Betonung. Während "E-tat" im Hinblick auf seinen französischen Ursprung auf der zweiten Silbe betont wird, liegt der Betonungsschwerpunkt bei "ETAX" - der deutschen Sprachregel bei zweisilbigen Wörtern entsprechend - auf der ersten Silbe.

Selbst wenn aber ausnahmsweise die jüngere Marke nicht französisch, sondern deutsch [etat] ausgesprochen würde, ständen sich an den Wortenden "t" und "X" gegenüber, wobei das "X" durch den klickenden Anlaut und den zischenden Auslaut wesentlich länger wirkt und die Aufmerksamkeit stärker auf sich zieht als das stumm endende "t". Der auffällige Explosivlaut "X" würde daher auch hier den entscheidenden Unterschied ausmachen. Hinzu käme, dass auch hier ein Betonungsunterschied bestehen könnte, weil das einzige bekannte deutsche Wort in der mehrgliedrigen Marke "E-tat" das Substantiv "Tat" ist, so dass darauf auch die Betonung gelegt werden könnte, während "ETAX" nach wie vor auf der ersten Silbe betont würde.

Wegen der markanten Unterschiede bei den Endkonsonanten und der unterschiedlichen Betonung wäre eine klangliche Verwechslungsgefahr erst recht zu verneinen, wenn sich das französisch ausgesprochene "E-tat" [e'ta:] und das englisch ausgesprochene "ETAX" ['i:t¾ks] gegenüberständen.

Grabrucker Kortge Dorn Hu






BPatG:
Beschluss v. 12.01.2011
Az: 29 W (pat) 51/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/eddb3d84ef36/BPatG_Beschluss_vom_12-Januar-2011_Az_29-W-pat-51-10


Admody

Rechtsanwälte Aktiengesellschaft


service@admody.com

0511 60 49 81 27 ☏

Kontaktformular ✎

Rückrufbitte ✆

Admody RAe AG
Theaterstraße 14 C
30159 Hannover
Deutschland

www.admody.com ▸





Für Recht.
Für geistiges Eigentum.
Für Schutz vor unlauterem Wettbewerb.
Für Unternehmen.
Für Sie.



 



§
Justitia

Bundesweite Dienstleistungen:

  • Beratung
  • Gerichtliche Vertretung
  • Außergerichtliche Vertretung

Rechtsgebiete:

Gewerblicher Rechtsschutz

  • Wettbewerbsrecht
  • Markenrecht
  • Domainrecht
  • Lizenzrecht
  • Designrecht
  • Urheberrecht
  • Patentrecht
  • Lauterkeitsrecht
  • Namensrecht

Handels- & Gesellschaftsrecht

  • Kapitalgesellschaftsrecht
  • Personengesellschaftsrecht
  • Handelsgeschäftsrecht
  • Handelsstandsrecht
  • Internationales Kaufrecht
  • Internationales Gesellschaftsrecht
  • Konzernrecht
  • Umwandlungsrecht
  • Kartellrecht
  • Wirtschaftsrecht

IT-Recht

  • Vertragsrecht der Informationstechnologien
  • Recht des elektronischen Geschäftsverkehrs
  • Immaterialgüterrecht
  • Datenschutzrecht
  • Telekommunikationsrecht



Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share









Admody Rechtsanwälte Aktiengesellschaft






Jetzt Kontakt aufnehmen:


service@admody.com

☏ 0511 60 49 81 27

✎ Kontaktformular

✆ Rückrufbitte





Admody Rechtsanwälte Aktiengesellschaft Stamp Logo




Hinweise zur Urteilsdatenbank:
Bitte beachten Sie, dass das in der Urteilsdatenbank veröffentlichte Urteil weder eine rechtliche noch tatsächliche Meinung der Admody Rechtsanwälte Aktiengesellschaft widerspiegelt. Es wird für den Inhalt keine Haftung übernommen, insbesondere kann die Lektüre eines Urteils keine Beratung im Einzelfall ersetzen. Bitte verlassen Sie sich nicht darauf, dass die Entscheidung in der hier angegeben Art und Weise Bestand hat oder von anderen Gerichten in ähnlicher Weise entschieden werden würde.

Sollten Sie sich auf die angegebene Entscheidung [BPatG: Beschluss v. 12.01.2011, Az.: 29 W (pat) 51/10] verlassen wollen, so bitten Sie das angegebene Gericht um die Übersendung einer Kopie oder schlagen in zitierfähigen Werken diese Entscheidung nach.
Durch die Bereitstellung oder Zusammenfassung einer Entscheidung wird weder ein Mandatsverhähltnis begründet noch angebahnt.
Sollten Sie eine rechtliche Beratung und/oder eine Ersteinschätzung Ihres Falles wünschen, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.


"Admody" und das Admody-Logo sind registrierte Marken von
Rechtsanwalt Sebastian Höhne, LL.M., LL.M.

29.03.2024 - 12:15 Uhr

Tag-Cloud:
Rechtsanwalt Domainrecht - Rechtsanwalt Internetrecht - Rechtsanwalt Markenrecht - Rechtsanwalt Medienrecht - Rechtsanwalt Wettbewerbsrecht - Mitbewerber abmahnen lassen - PayPal Konto gesperrt


Aus der Urteilsdatenbank
BPatG, Beschluss vom 4. Juni 2002, Az.: 27 W (pat) 72/01OLG Köln, Beschluss vom 2. Januar 2009, Az.: 17 W 277/08BPatG, Beschluss vom 14. Januar 2003, Az.: 33 W (pat) 188/02BGH, Urteil vom 30. Januar 2014, Az.: I ZR 19/13OLG Hamm, Urteil vom 31. Januar 2012, Az.: I-4 U 100/11BPatG, Beschluss vom 6. Juli 2005, Az.: 28 W (pat) 282/04KG, Beschluss vom 10. Dezember 2009, Az.: 1 ARs 11/07LG Osnabrück, Urteil vom 1. September 2005, Az.: 18 O 472/05BGH, Beschluss vom 27. April 2016, Az.: AnwZ (Brfg) 3/16BPatG, Beschluss vom 24. Juni 2002, Az.: 30 W (pat) 148/01