Verwaltungsgericht Arnsberg:
Urteil vom 26. November 2004
Aktenzeichen: 13 K 3173/02

(VG Arnsberg: Urteil v. 26.11.2004, Az.: 13 K 3173/02)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Klägerin bietet ihren Kunden Internetdienste an (Internet-Service-Provider). Ihre Tätigkeit beschränkt sich insoweit auf die Vermittlung des Zuganges zum Internet (Access-Provider). Über diese Zugangsvermittlung konnten ihre Kunden auch die Web-Seiten (Internetauftritte) „www.stormfront.org" und „www.nazilauck- nsdapao.com" aufrufen.

Früher boten auch die Klägerin selbst unter der Marke X2. sowie ihre Kommanditistinnen, die I. GmbH Telekommunikation, I1. , die H. - Vertriebsgesellschaft mbH, L. , die T. GmbH Telekommunikation, T1. , die B. -Vertriebsgesellschaft, B1. und die M. Telekommunikationsgesellschaft, M1. , als Access-Provider ihren Kunden den Internet-Zugang an. Diese Gesellschaften haben unter Fortbestand ihrer Firmen durch Vertrag vom 6. Mai 2002 ihren Geschäftsbetrieb im Wege der Ausgliederung gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes auf die Klägerin übertragen. Die Geschäftsübertragung ist am 14. Juni 2002 ins Handelsregister eingetragen worden.

Zuvor hatte die Bezirksregierung E. der Klägerin sowie ihren Kommanditistinnen mit Ordnungsverfügungen vom 6. und vom 8. Februar 2002 aufgegeben, den Zugang zu den Webseiten „www.stormfront.org" und „www.nazi- laucknsdapao.com" zu sperren. Zur Begründung führte die Bezirksregierung aus: Sie, die Bezirksregierung, sei als die für den gesetzlichen Jugendschutz zuständige Behörde im Sinne des Mediendienste-Staatsvertrages (MDStV) für die Medienaufsicht zuständig. Die genannten Web-Seiten enthielten unzulässige Inhalte und verstießen damit gegen den Staatsvertrag. Auf Grund der zahlreichen Links habe das Gesamtangebot zugleich die Funktion einer Verteilungsdrehscheibe für die deutsche rechtsextreme Szene. Namentlich verstoße das Angebot gegen Bestimmungen des Strafgesetzes und zwar seien die Tatbestände der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 und 2 des Strafgesetzbuches und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86 des Strafgesetzbuches erfüllt. Ferner werde der Krieg verherrlicht. Darüber hinaus sei das Angebot offensichtlich geeignet, Kinder und Jugendliche sittlich schwer zu gefährden. Die Klägerin könne als Access-Provider in Anspruch genommen werden. Eine direkte Inanspruchnahme der Service-Provider sei nicht durchführbar. Auf eine entsprechende Aufforderung der Bezirksregierung sei keine Reaktion erfolgt. Auch die gemeinsame Stelle der Jugendministerien „jugendschutz.net" sei mit ihren Bemühungen nicht erfolgreich gewesen. Die Sperrungen seien technisch möglich. Nach dem derzeitigen Stand der Technik kämen drei Möglichkeiten in Betracht: Sofern der Access-Provider einen DNS (Domain Name Server) betreibe, könne dieser so konfiguriert werden, dass Anfragen umgeleitet würden. Bei Verwendung eines Proxy-Servers könnten die Zugriffe auf die indizierten Seiten gesperrt werden. Schließlich könnten die IPs (Internet Protocols) im Router (Rechner, der Daten im Netzwerk weiterleitet) durch entsprechende Konfiguration gesperrt werden. Die Sperrungen seien zumutbar. Die Maßnahmen dienten dem Schutz hochwertiger Rechtsgüter. Demgegenüber sei der technische und personelle Aufwand für die Klägerin gering. Die Maßnahmen seien verhältnismäßig. Insbesondere seien sie geeignet. Dafür sei nicht Voraussetzung, dass unbedingt der volle Erfolg zum Tragen komme. Vielmehr reiche es aus, dass mit Hilfe der angeordneten Maßnahme der gewünschte Erfolg näher rücke. Das sei hier der Fall. Zumindest entstehe auch eine Erschwernis für den durchschnittlichen Nutzer, die Web-Seiten zu erreichen, auch wenn eine theoretische Umgehungsmöglichkeit stets gegeben sei. Die Sperrungen seien erforderlich, um den Zugang für den durchschnittlichen Nutzer zu erschweren. Sie seien angemessen. Die Informationsfreiheit verletzten sie nicht, weil dieses Grundrecht im vorliegenden Zusammenhang eingeschränkt sei.

Gegen die Verfügungen erhob die Klägerin Widerspruch und zwar sowohl in eigenem Namen als auch im Namen ihrer Kommanditistinnen.

Die Widersprüche wies die Bezirksregierung E. durch Bescheide vom 12. Juli 2002, zugestellt am 15. Juli 2002, zurück.

Am 13. August 2002 hat die Klägerin Klage per Telefax erhoben. Der Klageschrift fehlte das mit Unterschrift versehene letzte Blatt. Einen Tag später, am 14. August 2002, ist die unterschriebene Klageschrift im Original und vollständig bei Gericht eingegangen. Die Klägerin hat in ihr als Gegenstand der Anfechtung die an sie selbst gerichtete Ordnungsverfügung der Bezirksregierung E. vom 6. Februar 2002 genannt. Einen detaillierten Klageantrag, der auch die an ihre Kommanditistinnen gerichteten Ordnungsverfügungen einschloss, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2002 formuliert.

Ferner hat die Klägerin nach einer Vollziehungsanordnung durch die Bezirksregierung E. einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Den Antrag hat das erkennende Gericht durch Beschluss vom 6. Dezember 2002 (13 K 1848/02) abgelehnt. Die dagegen eingelegte Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen durch Beschluss vom 19. März 2003 (8 B 2567/02) zurückgewiesen.

Mit Blick auf das Inkrafttreten des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) am 1. April 2003 hat das Gericht die Bezirksregierung E. aus dem Prozess entlassen. An ihre Stelle ist im Wege des gesetzlichen Parteienwechsels die nunmehr beklagte Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen getreten.

Nach dem Inkrafttreten des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages beantragte die Klägerin bei der Bezirksregierung die Aufhebung der Ordnungsverfügungen vom 6. und 8. Februar 2002. Diesen Antrag lehnte die Bezirksregierung durch Bescheid 10. Juni 2003 ab und wies den dagegen eingelegten Widerspruch zurück. Die Klägerin hat zunächst angekündigt, die Klage auf diesen Streitgegenstreit zu erweitern, diesen Antrag aber nicht weiter verfolgt.

Die Klägerin trägt umfangreich vor. Zusammengefasst macht sie geltend: Der Mediendienste-Staatsvertrag sei nicht anwendbar, weil sie als Access-Provider einen Teledienst anbiete, die Beanstandungen indessen inhaltlicher Natur seien. Die Bezirksregierung müsse vielmehr gegen die Handlungsstörer vorgehen, die Mediendienste anböten. Ferner verweise das Gesetz auf die Möglichkeit des Vorgehens nach dem Telekommunikationsgesetz. Dafür fehle es der Bezirksregierung an der Kompetenz. Die beanstandeten Web-Seiten seien auch nicht durch publizistische Inhalte geprägt. Es würden dort lediglich Devotionalien angeboten, ein redaktioneller Teil sei allenfalls von untergeordneter Bedeutung. Einer Anwendung der Ermächtigungsgrundlage widerspreche auch das Gebot der Staatsferne. Ein unmittelbarer staatlicher Eingriff stelle einen Verstoß gegen die Rundfunkfreiheit dar, die hier entsprechend gelte. Diesem Prinzip entspreche auch der inzwischen in Kraft getretene Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, der die Kontrolle in die Hände einer unabhängigen Kommission lege. Ferner sei auf eine Entschließung des Europäischen Parlaments hinzuweisen, die im Zusammenhang mit der E-commerce-Richtlinie 2001/31/EG ergangen sei und ein isoliertes nationales Vorgehen ausschließe. Inhaltlich liege kein Verstoß gegen § 22 MDStV vor. Zunächst sei strafrechtlich von Bedeutung, dass es sich um Tatbestände handele, die im Ausland vollendet worden seien. Die Seiten wendeten sich auch nicht an Deutsche, sondern an weiße Nationalisten in den Vereinigten Staaten. Eine eventuelle Jugendgefährdung beziehe sich nur auf einzelne Seiten. Deswegen lägen die materiellen Voraussetzungen für eine Sperrung der gesamten Seiten nicht vor. Sie, die Klägerin, sei auch für den Inhalt der Seiten nicht verantwortlich. Sie könne allenfalls als Nichtstörerin herangezogen werden. Es sei unzulässig, dass die Bezirksregierung sie, die Klägerin, zur Zustandsstörerin machen wolle. Zuvor müsse im Wege eines Amtshilfeersuchens der wirklich Verantwortliche in den USA in Anspruch genommen werden. Eine Regulierung mit einem spezifisch nordrhein- westfälischen Ansatz verbiete sich. Die Beklagte erreiche mit den in Nordrhein- Westfalen ansässigen Providern nur ein sehr kleines Nutzer-Potential. Die Ordnungsverfügung sei überdies unbestimmt, weil sie die Wahl zwischen drei verschiedenen Wegen zur Befolgung der Sperrungsanordnung vorgebe. Die Verfügung erweise sich als unverhältnismäßig. Sie sei insbesondere ungeeignet, weil sie nicht ihr eigentliches Ziel erreichen könne. Die vorgeschlagenen Sperrungen sei leicht zu umgehen. Das könne schon durch Link-Listen auf anderen Web-Seiten geschehen. Die Verfügungen seien auch nicht erforderlich. Der Einsatz von Indizierungen oder Ratings sei gegenüber dem ordnungsrechtlichen Einschreiten das mildere Mittel. Die Bezirksregierung müsse vorrangig gegen Suchmaschinenbetreiber und Hardware-Hersteller vorgehen und diese zum Einsatz von Filter-Software verpflichten. Aus wirtschaftlichen und technischen Gründen seien die angeordneten Sperrungen nicht zumutbar. Die DNS-Sperrung werde von der Bezirksregierung als Präzedenzfall angesehen. Insgesamt sei von etwa 6.000 Web- Seiten auszugehen, die potentiell einer Sperrung unterliegen könnten. Die Sperrung aller Seiten sei unzumutbar. Der Aufwand für die hier angeordneten zwei Sperrungen betrage zwei Mann-Stunden. Eine Sperrung sei auch deswegen unzumutbar, weil sie zulässige Inhalte einschlösse. Die vorgeschlagene Proxy-Sperrung sei nicht zumutbar, weil deswegen ein Proxy-Server angeschafft werden müsse. Bei der dritten Möglichkeit, der Sperrung der IP-Adresse, sei wegen der Möglichkeit der kurzfristigen Änderung eine Weiterverfolgung nötig. Diese sei sehr aufwändig. Auch hier komme es zu einer Sperrung zulässiger Inhalte. Die Bezirksregierung habe ihr Entschließungsermessen nicht ausgeübt. Gleiches gelte für das Auswahlermessen, weil sie nicht als Nichtstörerin bezeichnet werde. Art. 14 des Grundgesetzes sei schließlich verletzt, weil keine Entschädigung gewährt werde. Im Hinblick auf die Störerauswahl sei zu ergänzen, dass es auf Initiative der Einrichtung „jugendschutz.net" gelungen sei, die Schließung von 350 rechtsextremen Seiten zu erreichen. Ein Vorgehen gegen die Host-Provider, auch im Ausland, sei offensichtlich entgegen der Auffassung der Bezirksregierung erfolgreich.

Die Klägerin beantragt,

die Sperrungsverfügungen der Bezirksregierung E. vom 6. bzw. 8. Februar 2002 gegenüber der Klägerin und ihren Kommanditisten B. - Vertriebsgesellschaft mbH, H. -Vertriebs- gesellschaft mbH, I. GmbH Telekommunikation, M. Telekommunikationsgesellschaft M1. mbH und T. GmbH Telekommunikation sowie gegenüber X2. in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12. Juli 2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf die Begründung der angefochtenen Bescheide.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten im vorliegenden Verfahren und dem Verfahren zur Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes (13 L 1848/02 VG Arnsberg/8 B 2567/02 OVG NRW) verwiesen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Zu Recht allerdings nimmt die Klägerin nunmehr die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen in Anspruch, um ihr Aufhebungsbegehren gegen die Sperrungsverfügungen der Bezirksregierung E. durchzusetzen.

Seit dem 1. April 2003 nämlich ist die Beklagte für die Medienaufsicht im vorliegenden Zusammenhang zuständig. Das folgt aus dem Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag - JMStV), veröffentlicht als Anlage zum entsprechenden Gesetz vom 28. Februar 2003 (GV NRW 2003, S. 84 ff.). Dieser Staatsvertrag ist gemäß seinem § 28 Abs. 1 Satz 2 am 1. April 2003 in Kraft getreten, nachdem alle von den Ländern ausgefertigten Ratifikationsurkunden fristgerecht hinterlegt worden sind.

Vgl. die Bekanntmachung des In-Kraft-Tretens des Staatsvertrages über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag) vom 13. Mai 2003 - GV NRW 2003 S. 267 - durch die Landesregierung, dort allerdings fälschlicherweise als „Jugendschutzmedien-Staatsvertrag" bezeichnet.

Der Staatsvertrag stellt eine einheitliche, bei den Medienanstalten der Länder konzentrierte Aufsicht für alle elektronischen Online-Dienste her, nachdem der Bundesgesetzgeber im Jugendschutzgesetz (JuSchG) vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2730), zuletzt geändert durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 (BGBl. I S. 3076, 3078) insoweit auf Jugendschutzbestimmungen verzichtet hatte. Der Zweck des Staatsvertrages dient dem Schutz aller Nutzer, besonders aber dem von Kindern und Jugendlichen, vor Online-Angeboten, die die Entwicklung oder Erziehung von Kindern und Jugendlichen gefährden können oder die die Menschenwürde oder sonstige durch das Strafgesetzbuch geschützte Rechtsgüter verletzen.

Vgl. die Begründung zum Jugendmedienschutz- Staatsvertrag, Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucksache 13/3431, S. 1 f..

Seit dem 1. April 2003 liegen die Kompetenzen des § 22 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 des Mediendienste-Staatsvertrages vom 27. Juni 1997 (GV NRW 1997 S. 158) in der Fassung des Art. 3 des Sechsten Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 7. Juni 2002 (GV NRW 2002 S. 178) - MDStV - bei der Landesmedienanstalt (vgl. § 20 Abs. 4 JMStV) und nicht mehr bei der Bezirksregierung E. ,

vgl. zu deren Zuständigkeit die durch Art. 4 des Gesetzes zum Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien vom 28. Februar 2003 - GV NRW 2003 S. 84 - geänderte Verordnung über die Zuständigkeiten nach dem Mediendienste- Staatsvertrag (Zuständigkeitsverordnung für Mediendienste) vom 1. Juli 1997 (GV NRW 1997 S. 184),

die die angefochtenen Ordnungsverfügungen erlassen und gegen die sich die Klage zunächst zu Recht gerichtet hatte. Die Aufgaben des Jugendschutzes im Zusammenhang mit Online-Diensten, die die Bezirkregierung E. ausdrücklich als Grundlage ihres ordnungsbehördlichen Einschreitens genannt hat, sind mit Wirkung vom 1. April 2003 auf die Beklagte übergegangen. Dieser Zuständigkeitswechsel bewirkt keine Rechtsnachfolge, die im Falle gesetzlicher Anordnung oder vertraglicher Vereinbarung eintritt. Vielmehr ist der Vorgang als Nachfolge in der Funktion der zuständigen Behörde zu qualifizieren.

Vgl. dazu Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. I, 11. Aufl., § 41 Rdnr. 18.

Das Rechtsinstitut der Funktionsnachfolge gewährleistet Verwaltungskontinuität.

Vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1954 - II C 84/53 -, NJW 1954, 935.

Sie, die Funktionsnachfolge, bewirkt deshalb nicht nur einen Übergang der Kompetenzen, sondern auch der damit verbundenen gesetzlichen und vertraglichen Obliegenheiten und Verpflichtungen. Ohne diesen Übergang könnten Verwaltungsakte der früher zuständig gewesenen Behörde nicht mehr durchgesetzt oder vollstreckt werden, würden also obsolet. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass noch nicht abgeschlossene Verwaltungsverfahren einschließlich der Verteidigung noch nicht rechtskräftiger Verwaltungsakte vor Gericht nunmehr von der neu zuständig gewordenen Behörde weiter geführt werden. Daraus folgt unmittelbar, dass die Landesanstalt für Medien nunmehr berufen ist, im Hinblick auf die angefochtenen Ordnungsverfügungen der Bezirksregierung E. im Verwaltungsprozess an deren Stelle zu treten.

Zur Problematik vgl. auch: BVerwG, Urteile vom 2. November 1973 - IV C 55.70 -, BVerwGE 44, 148 und vom 13. Dezember 1979 - 7 C 46.78 -, BVerwGE 59, 221 sowie die Kommentierungen von Redeker/von Oertzen § 91 Rdnr. 5 aE; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, Nomos-Komm. zur VwGO § 63 Rdnr. 23; Ortloff, in: Schoch/Schmidt- Aßmann/Pietzner, Komm. zur VwGO, § 91 Rdnr. 42.

Prozessual hat diese Zuständigkeitsänderung einen Parteienwechsel auf Seiten der Beklagten zur Folge, der von Amts wegen zu beachten ist,

vgl. auch BayVGH, Beschluss vom 24. Juli 1978 - 60 VIII 77 -, DÖV 1978, S. 847,

aber keine nur unter den Voraussetzungen des § 91 VwGO zulässige Klageänderung darstellt.

I. Die Klage ist unzulässig.

Soweit sich die Klägerin gegen die an ihre Kommanditistinnen sowie sie selbst unter der Marke X2. gerichteten Ordnungsverfügungen wendet, ist die Klage verfristet. Die Klägerin hat sie nicht innerhalb der Klagefrist von einem Monat (vgl. § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO) erhoben. Die Widerspruchsbescheide hat die Bezirksregierung E. den Kommanditistinnen der Klägerin mittels Postzustellungsurkunden am 15. Juli 2002 ordnungsgemäß zugestellt. Die gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes vom 28. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3210) - UmwG - mit Eintragung ins Handelsregister wirksam werdenden Ausgliederung des Geschäftsbetriebes auf die Klägerin führt nicht dazu, dass der Widerspruchsbescheid wegen falscher Adressierung ins Leere geht. Abgesehen davon, dass die Firmen der übertragenden Rechtsträger, wie der dem Gericht vorliegende Handelsregisterauszug ausweist, als Kommanditistinnen der Klägerin weiter bestehen, hat die Klägerin alle Verpflichtungen der übertragenden Rechtsträger einschließlich der öffentlichrechtlichen, übernommen (vgl. § 2 Nr. 2 des Ausgliederungsvertrages). Dazu zählt namentlich auch die Stellung als Widerspruchsführerin in den bei der Bezirksregierung E. anhängigen ordnungsrechtlichen Verwaltungsverfahren. Die Klagefrist lief mithin mit dem 15. August 2002 ab. Der in Bezug auf diese Ordnungsverfügungen fristbestimmende Schriftsatz vom 31. Oktober 2002 ist am 4. November 2002, also nach Ablauf der Klagefrist, bei Gericht eingegangen.

Die Klageschrift vom 13. August 2002 bezieht sich nur auf die an die Klägerin selbst gerichtete Sperrverfügung der Bezirksregierung E. . Das erkennt das Gericht am Inhalt der Klageschrift. Sie enthält alle notwendigen Elemente im Sinne des § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Danach muss die Klageschrift den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens enthalten. Das ist hier der Fall; deswegen hat der Vorsitzende auch keine Veranlassung gesehen, die Klägerin um Ergänzung oder Klarstellung des Klagebegehrens zu bitten (§ 82 Abs. 2 Satz 1 VwGO). In diesem Falle können innerhalb der vom Vorsitzenden gesetzten Frist notwendige Elemente der Klageschrift nachgeschoben werden, ohne dass einem Kläger insoweit nach Ablauf der Klagefrist die Unzulässigkeit der Klage vorgehalten werden kann.

Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 6. Februar 1990 - 9 B 498.89 - Buchholz 310 § 82 Nr. 13.

Bei der Anfechtungsklage reicht zur Bezeichnung des Klagebegehrens die Angabe des Verwaltungsakts, der angefochten werden soll.

Vgl. Auhlehner, in: Siedan/Ziekow, Nomos- Komm. zur VwGO § 82 Rdnr. 22.

Der Inhalt der Klageschrift ist als prozessuale Willenserklärung nach ihrem erkennbaren objektiven Sinn nach den allgemeinen Grundsätzen gemäß §§ 133 und 157 BGB auszulegen. Dabei sind neben den Formulierungen des Schriftsatzes auch die überreichten Anlagen zur ergänzenden Auslegung heranzuziehen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2004 - 9 B 29.04 -, Quelle: http://bundesverwaltungsgericht.de /media/archive/2091.pdf; Eyermann/Fröhler/Geiger, Komm. zur VwGO, § 82 Rdnr.6; Ortloff, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, Komm. zur VwGO, § 82 Rdnr.6.

Allzu strenge Maßstäbe sind nicht anzulegen.

Vgl. Kopp/Schenke, Komm. zur VwGO, 13. Aufl., § 82 Rdnr. 3.

Zu beachten ist allerdings, dass die Bezeichnung des Streitgegenstandes das Gericht nur in die Lage versetzen soll, den Umfang und natürlich auch die Grenzen seiner Entscheidungsbefugnis zu bestimmen.

Vgl. BFH, Urteil vom 13. Juni 1996 - III R 93/95 - NVwZ-RR 1997, 322 f. zu der gleichlautenden Vorschrift des § 65 FGO.

Sinn und Zweck jener Vorschrift schließen es aus, dass das Gericht den Gegenstand des Klagebegehrens an Hand der ihm vorgelegten Unterlagen selbst ermittelt, auch wenn das damit relativ leicht und zuverlässig möglich wäre.

Vgl. BFH, Urteil vom 13. Juni 1996 - III R 93/95 - a.a.O..

Herr des Verfahrens ist der Kläger. Er allein bestimmt den Umfang des Klagebegehrens. Die Auslegung und die Berücksichtigung beiläufig als Anlage vorgelegter Unterlagen endet mithin, wenn die Klageschrift selbst präzise, keine weiteren Interpretationen bedürftige Formulierungen enthält.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Februar 1990 - 9 B 498/89 - a.a.O..

So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat in der Klageschrift eindeutig formuliert: Sie hat sich auf die Sperrungsverfügung, die an sie selbst ergangen ist, bezogen und unmissverständlich ausgeführt, dagegen richte sich die Klage. Diese Verfügung hat sie mit dem Erlassdatum des 6. Februar 2002 näher beschrieben. Schließlich hat sie den auf ihren, der Klägerin, eingelegten Widerspruch ergangenen Bescheid genannt. An diesem Verständnis ändert der Umstand nichts, dass die Klägerin den mit ihren Kommanditistinnen geschlossenen Umwandlungsvertrag nebst zugehöriger Handelsregistereintragung als Anlage der Klageschrift beigefügt hat. Diese Beifügung ist mangels Erläuterung ohne jegliche Aussagekraft. Gleiches gilt für die Beifügung der an die I. GmbH Telekommunikation gerichteten Bescheide. Insbesondere kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, die Klage solle sich auch gegen die (teilweise anders datierten) Verfügungen richten, die die Bezirksregierung an die B. -Vertriebsgesellschaft, die M. Telekommunikationsgesellschaft M1. mbH, die H. -VertriebsgesellschaftmbH und die T. GmbH Telekommunikation bzw. X2. gerichtet hatte.

Ursprünglicher Klagegegenstand war damit ersichtlich nur die gegen die Klägerin selbst ergangene Ordnungsverfügung der Bezirksregierung E. vom 6. Februar 2002, nicht aber die übrigen unter dem 6. und dem 8. Februar 2002 erlassenen Verfügungen. Diese sind erst mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2002 verspätet Gegenstand des Klagebegehrens geworden.

Diese Klage gegen die Ordnungsverfügung der Bezirksregierung E. vom 6. Februar 2002, ist ebenfalls unzulässig. Insoweit fehlt es der Klägerin am Rechtsschutzbedürfnis zur Durchführung des Verfahrens. Die Klägerin besitzt kein schutzwürdiges Interesse an einer Sachentscheidung durch das Gericht. Nach Treu und Glauben kann nur derjenige zulässigerweise um Rechtsschutz nachsuchen, der ein berechtigtes Interesse daran besitzt. Hier fehlt es daran, weil ein zusprechendes Urteil des Gerichts keinerlei Bedeutung für die Klägerin besitzt, ihr nämlich keinen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil vermitteln würde. Sie ist auch bei einer Aufhebung der an sie selbst gerichteten Ordnungsverfügung verpflichtet, den Zugang zu jenen Webseiten zu sperren. Das folgt aus den bestandskräftigen Ordnungsverfügungen, die die Bezirksregierung E. an die Kommanditistinnen und Rechtsvorgängerinnen der Klägerin sowie die von ihr betreute Marke X2. gerichtet hat. Der Übergang der Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers nach § 20 Abs. 1 Abs. 1 UmwG auf den übernehmenden Rechtsträger umfasst auch dessen öffentlichrechtliche Verpflichtungen. Das haben die Vertragsparteien klar stellend in § 2 Nr. 4 des Umwandlungs- und Ausgliederungsvertrages vereinbart. Davon geht schließlich auch die Klägerin selbst aus, denn sonst hätte sie nicht die weiteren Ordnungsverfügungen zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht.

II. Die Klage ist aber auch unbegründet. Die Ordnungsverfügungen der Bezirksregierung E. sind nicht rechtswidrig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zum Zeitpunkt ihres Erlasses waren sie rechtmäßig (1.). Auch das am 1. April 2003 in Kraft getretene neue Recht des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages stützt die Verfügungen der Bezirksregierung (2.).

1. Rechtliche Grundlage des ordnungsbehördlichen Einschreitens war § 22 Abs. 3 MDStV in der Fassung des Art. 3 des Sechsten Staatsvertrages zur Änderung des Mediendienste-Staatsvertrages (6. Rundfunkänderungsstaatsvertrag) vom 20. Dezember 2001 (GV NRW 2001 S. 179), der der Bezirksregierung E. als Sonderordnungsbehörde die Befugnis vermittelte, im Bereich der Mediendienste Aufsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Einschränkungen dieser Befugnis der Länder als Annexkompetenz für den Rundfunk nach Art. 70 Abs. 1 GG sind nicht ersichtlich und folgen besonders nicht aus internationalem oder Völkerrecht. Die Tatbestände, die zum Tätigwerden berechtigen, treten im Inland zu Tage, und ihnen kann auch nur dort entgegen getreten werden. Übernationale Regelungen zur Regulierung des Internets existieren nicht. Deswegen wird die ordnungsrechtliche Kompetenz der Länderbehörden im Bereich der Mediendienste auch nicht verdrängt.

Das Gericht zweifelt im Übrigen nicht daran und sieht sich durch das vorliegende Verfahren veranlasst, dies festzustellen, dass sich die Angebote des Internets nicht im rechtsfreien Raum bewegen, sondern durchaus staatlich kontrollierbar und regulierbar sind. Internationalisierung, Globalisierung und Grenzüberschreitung führen in unterschiedlichsten Rechtsbereichen zwar dazu, dass sich Prozesse verselbstständigen und dem nationalen Recht zu entgleiten scheinen. Sobald indessen, wie hier, tatsächliche Folgen solcher Vorgänge im Inland zu Tage treten und sich ihr Gefahrenpotential hier zeigt, bleibt die Option der ordnungsbehördlichen Aufsicht und des staatlichen Eingriffs zweifellos erhalten. Sie wird nicht durch - hier im Übrigen auch nicht ansatzweise ersichtliche - supranationale Rechtsregeln eingeschränkt oder überlagert. Mit Blick darauf kann das Gericht die zahlreiche und vehemente Kritik an dem Versuch, die Internetangebote staatlich zu regulieren,

vgl. statt vieler Jörg Taus, Mitglied des Deutschen Bundestages und Beauftragter für neue Medien der SPD-Bundestagsfraktion, Stellungnahme zum Vorgehen der Bezirksregierung E. - Sperrungsverfügung gegen Access- Provider, Quelle: http://odem.org/material/verfuegung/Stellungnahme -Sperrungsverfügung-Tauss.pdf,

nicht nachvollziehen.

Bedenken aus der Bundesverfassung greifen nicht.

A.A.: Stadler, Sperrungsverfügungen gegen Access-Provider, MMR 2002, 343 ff..

Insbesondere folgt nicht aus Art. 5 GG, dass der Staat wegen der Nähe des Mediums Internet zum Rundfunk und zur Presse nicht unmittelbar im Wege der Aufsicht gegen Anbieter und zwar sowohl gegen Content- als auch Host- und Access-Provider, vorgehen, sondern nur durch staatsferne Gremien regulierend einschreiten darf.

So aber offenbar Engel, Die Internet-Service- Provider als Geiseln deutscher Ordnungsbehörden, Eine Kritik an den Verfügungen der Bezirksregierung E. , MMR 2003, 1 ff..

Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist ohnehin nur die Vorzensur strikt verboten.

Vgl. Herzog, in: Maunz-Dürig, Komm. zum Grundgesetz, Art. 5 Rdnr. 78.

Im Übrigen liegen die Schranken in den allgemeinen Gesetzen, in den Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre (vgl. Art. 5 Abs. 2 GG). Diese Beschränkungen haben in § 22 MDStV ihren Ausdruck gefunden, der durch besondere Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und der Prüfung der Zumutbarkeit auf den verfassungsrechtlichen Rahmen des Art. 5 Abs. 1 GG hindeutet.

Vgl. Rosenkranz, Sperrungsanordnungen gegen Access-Provider, Quelle: http://www.jrupc.de/aufsatz/ 20030016.htm; zum Problem vgl. auch: Hornig, Möglichkeiten des Ordnungsrechts bei der Bekämpfung rechtsextremistischer Inhalte im Internet, ZUM 2001, 846 ff.; Sieber, Die Bekämpfung von Hass im Internet, ZRP 2001, 97 ff.; Hoeren, Internet und Recht - Neue Paradigmen des Informationsrechts, NJW 1998, 2849 ff..

Zusätzlich gebietet es Verfassungsrecht, § 22 MDStV im Lichte der Grundrechte, also auch des Art. 5 GG, auszulegen und anzuwenden.

Vgl. Rosenkranz a.a.O..

Die Klägerin weist allerdings zu Recht darauf hin, dass der Jugendmedienschutz- Staatsvertrag das Jugendschutz-Modell für Online-Medien erheblich umgestaltet, zunächst auf Selbstkontrolle setzt und letztlich die inhaltliche Kontrolle in die Hand einer Kommission für den Jugendmedienschutz (KJM) legt.

Vgl. dazu Bornemann, Der Jugendmedienschutz- Staatsvertrag der Länder, NJW 2003, 787 ff..

Sinn dieser Regelung war aber neben der Neuregelung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern im Jugendschutz vorrangig, durch die KJM als bundesweit tätige Einrichtung eine bundeseinheitliche Rechtsanwendung herzustellen,

So die Begründung zum Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien, Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucksache 13/3431, S. 1 und 2,

und nicht etwa die Beseitigung einer rechtswidrigen Staatsaufsicht.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein ordnungsbehördliches Einschreiten der Bezirksregierung E. lagen zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidungen vor.

Zur Ermächtigungsgrundlage des 22 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 MDStV hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen OVG NRW) in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren der Klägerin gegen die Bezirksregierung E. in seinem Beschluss vom 19 März 2003 - 8 B 2567/02 -, veröffentlicht u.a. in NJW 2003, 2183, NWVBl. 2003, 304, DÖV 2003, 687 und DVBl. 2003, 1344 (nur Leitsatz), insoweit nicht nur summarisch prüfend, ausgeführt:

„Der Mediendienste-Staatsvertrag findet auf die beiden in Rede stehenden Webseiten Anwendung, weil es sich bei ihnen um Mediendienste und nicht um Teledienste handelt.

aa) Die Anwendbarkeit des Mediendienste-Staatsvertrages bestimmt sich - in Abgrenzung zum Teledienstgesetz (TDG) - nach dem konkreten Inhalt des Internetangebots im Einzelfall (Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 18. Dezember 2002 1 L 258/02 -, S. 4; VG E. , Beschluss vom 19. Dezember 2002 - 15 L 4148/02 - S. 17; VG Aachen, Beschluss vom 5. Februar 2003 - 8 L 1284/=2 -, S. 5; VG Köln, Beschluss vom 7. Februar 2003 - 6 L 2495/02 -, S. 15; Spindler/Volkmann, a.a.O., S. 399 f.; Zimmermann, Polizeiliche Gefahrenabwehr und das Internet, NJW 1999, 3145 (3146); Hoeren, Stellungnahme zur geplanten Sperrungsverfügung der Bezirksregierung E. vom 8. November 2001, S.2).

(1) Der Begriff der Mediendienste umfasst nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Satz 1 MDStV das Angebot und die Nutzung von an die Allgemeinheit gerichteten Informations- und Kommunikationsdiensten in Text, Ton oder Bild, die unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters verbreitet werden. Dazu gehören nach Abs. 2 Nr. 4 dieser Bestimmung insbesondere Abrufdienste, bei denen Text-, Ton- oder Bilddarbietungen auf Anforderung aus elektronischen Speichern zur Nutzung übermittelt werden, mit Ausnahme von solchen Diensten, bei denen der individuelle Leistungsaustausch oder die reine Übermittlung von Daten im Vordergrund steht (Zu „Internet-(Online-)Diensten" vgl. Meier, in Rossnagel, Recht der Multimedia-Dienste, § 2 MDStV Rdnr. 66). Die Bestimmungen des Teledienstgesetzes bleiben unberührt, § 2 Abs. 1 Satz 2 MDStV.

Von einem Mediendienst ist demnach auszugehen, wenn der Dienst der allgemeinen Meinungsbildung dienen soll, also die redaktionelle Gestaltung im Vordergrund steht. Unter redaktioneller Gestaltung ist das Sammeln und Aufbereiten von verschiednen Informationen oder Meinungen mit Blick auf den potentiellen Empfänger zu verstehen. Die inhaltliche, sprachliche, graphische oder akustische Bearbeitung eines Angebotes muss zur Einwirkung auf die öffentliche Meinungsbildung oder der Information zu dienen bestimmt sein (Vgl. Gounalakis/Rhode, Elektronische Kommunikationsangebote zwischen Telediensten, Mediendiensten und Rundfunk, in CR 1998, 487, 490; Spindler, in Roßnagel, a.a.O., § 2 TDG Rdnr. 31).

(2) Demgegenüber gelten nach § 2 Abs. 1 TDG die Bestimmungen dieses Gesetzes für alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, die für eine individuelle Nutzung von kombinierbaren Daten wie Zeichen, Bilder oder Töne bestimmt sind und denen ein Übermittlung mittels Telekommunikation zugrunde liegt. In diesem Fall sind die elektronisch erbrachten Leistungen auf ein konkretes Individualverhältnis zwischen dem Nutzer und dem Anbieter - z.B. Telebanking nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 TDG - bezogen oder haben die reine Informationsvermittelung - z.B. Datendienst nach § 2 Abs., 2 Nr. 2 TDG - zum Ziel (Vgl. Gounalakis/Rhode, a.a.O., § 2 TDG Rdnr. 31 und 33 f.). Entscheidend für die Abgrenzung ist danach, ob bei einer Gesamtschau der Dienst an die Allgemeinheit gerichtet ist oder ob der individualkommunikative Charakter im Vordergrund steht.

bb) Nach diesen Grundsätzen sind beide in Rede stehenden Webseiten Mediendienste. Es handelt sich nicht nur um reine Informationsangebote i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 TDG. Beide Seiten zielen auf Meinungsbildung ab. Sie weisen hinreichend publizistische Elemente auf und sind erkennbar auf Propaganda ausgerichtet.

Die Webseite www.stormfont.org eröffnet mit dem Schriftzug Whitepride/Worldwide. Die Verfasser stellen sich als eine Organisation für die „mutigen Männer und Frauen" vor, die die weiße westliche Kultur, die Ideale und die Meinungsfreiheit verteidigten sowie politische und soziale Gruppen bildeten, um „den Sieg sicherzustellen". Die nachfolgenden Artikel, so z.B. „Schafft befreite Zonen!", „Zentrale Thesen des dritten Weges" mit ihren jeweiligen Untertiteln und die dargestellten Hakenkreuz-Symbole sind auf die Meinungsbildung eines nicht bestimmten Nutzerkreises gerichtet.

Auch die Webseite www.nazilaucknsdapoa.com ist redaktionell ausgestaltet. Auf der Eingangsseite findet sich ein Foto von Gary M2. mit Hitlerfrisur und Schnurrbart, bekleidet mit einem khaki- braunen Uniformhemd und Hakenkreuzbinde um den Arm, der vor einer Hakenkreuzfahne am Schreibtisch sitzt. Es wird ausgeführt, dass die NSDAP/AO Zeitschriften in zwölf Sprachen sowie diverses Propagandamaterial wie z.B. Hakenkreuzaufkleber und Bücher über den Nationalsozialismus herausgebe. Auf den nachfolgenden Seiten werden Politiker und Persönlichkeiten verunglimpft, indem ihnen rechtsradikale Lieder und Gedankengut in den Mund gelegt werden. Im Folgenden können diverse Naziartikel bestellt werden. Des Weiteren finden sich Aufrufe zur Unterstützung des nationalsozialistischen Gedankenguts sowie zum Verschicken von Solidaritätsschreiben an „inhaftierte Kameraden". Darüber hinaus werden Anleitungen gegeben, wie das Internet zur nationalsozialistischen Propaganda genutzt werden kann. Dass unter anderem auch Nazi-Artikel bestellt werden können, steht der Zuordnung als Mediendienst nicht entgegen. Die Angebote sind eingebettet in entsprechende nationalsozialistische Propaganda und werden mit entsprechenden Begleittexten versehen (vgl. z.B. zum Film „Der Ewige Jude"). Nach dem gesamten Erscheinungsbild der Webseite steht die „journalistische" Ausgestaltung zur Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts für die Allgemeinheit im Vordergrund (Vgl. VG E. , a.a.O., S. 17; VG Gelsenkirchen, a.a.O., S. 5; VG Köln, a.a.O., S. 15 f.; VG Aachen, a.a.O., S. 5 f.; Greiner, Sperrungsverfügungen als Mittel der Gefahrenabwehr im Internet, CR 2002, 620)."

Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht in vollem Umfange an und fügt ergänzend und eingehend auf das weitere Vorbringen der Klägerin hinzu:

Die in Rede stehenden Internetseiten als reine Devotionalienangebote oder Souvenirläden zu charakterisieren bedeutet, die Augen vor der Realität zu verschließen und die dort geübte nationalsozialistische Hetze zu verharmlosen. So enthält beispielsweise die Seite www.stormfront.org eine Unterseite für Kinder (www.kids. stormfront.org) mit einem Link zu einer „history of white race" (www.stormfornt.org/ whitehistory) und einer die historischen Tatsachen verdrehenden und verherrlichenden Darstellung der Person I2. (www.stormfront.org/whitehistory/hwr64.html). Es ist augenscheinlich und bedarf keiner weiteren Erörterung, dass damit journalistische Zwecke, nämlich übelste nationalsozialistische Propaganda, verfolgt werden.

Die erkennende Kammer schließt sich auch ausdrücklich den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in dem zitierten Beschluss vom 19. März 2003 an, die sich auf die offenkundig unzulässigen Inhalte der Webseiten im Sinne des § 22 MDStV beziehen. Der 8. Senat des OVG NRW hat dort ausgeführt:

„Die Webseite „www.stormfront.org" verstößt gegen strafrechtliche Bestimmungen (§ 12 Abs. 1 Nr.1 MDStV). Der Tatbestand des § 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB wird auf mehreren Seiten durch die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Hakenkreuzdarstellungen etc.) verwirklicht. Auch dürfte voraussichtlich der Tatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt sein. In dem gesamten Internetangebot wird rechtsextremes Gedankengut verbreitet. Insbesondere mit dem Text: „Schafft befreite Zonen" wird zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufgestachelt bzw. zu Gewalt und Willkürmaßnahmen aufgefordert. Nach der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in vergleichbaren Fallkonstellationen tritt der zum Tatbestand gehörende Erfolg bei der Verbreitung im Internet auch im Inland (§ 9 Abs. 1 Alt. 3 StGB) ein (Vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2000 - 1 StR 184/00, NJW 2001, S. 624 ff.). Zudem ist das Angebot offensichtlich geeignet, Kinder und Jugendliche sittlich zu gefährden (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 MDStV).

Auf den Seiten von www.nazilaucknsdapao.com werden die Juden auf zynische Weise verunglimpft. Es wird zum Hass und zur Vernichtung der Juden und anderen „Volksfeinden" aufgerufen, wodurch zumindest der Tatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt ist. Ferner wird die Judenverfolgung gebilligt, wodurch der qualifizierte Tatbestand des § 130 Abs. 3 StGB verwirklicht ist. Auf dem gesamten Seitenangebot werden Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verwendet, § 86 a Abs. 1 Nr. StGB. Darüber wird mit dem Gesamtangebot der Webseite auch der Krieg verherrlicht (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 MDStV). Insgesamt besteht offensichtlich die Eignung, Kinder und Jugendliche sittlich schwer zu gefährden (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 MDStV)."

Die Kammer fügt ergänzend hinzu, dass es namentlich unter der Internet- Adresse www.stormfront.org/whitehistory/hwr64.html verdrehte Darstellungen der Geschichte erkennt, die (auch und gerade mit Blick auf ihre mehr oder weniger subtile Form) geeignet sind, Kinder und Jugendliche in ihrer sittlichen Entwicklung auf schwerste Weise zu gefährden, indem Geschichtsklitterung betrieben und unter der Überschrift „Marsch der Titanen - Eine Geschichte der weißen Rasse" geschichtliche Größe der Person Adolf I2. vorgegaukelt wird. Es wird behauptet, I3. sei eine herausragende Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts und vielleicht des 21. Jahrhunderts, über die ernsthaft gestritten werde („Adolf I3. is without question the one towering figure over the 20th Century - and perhaps even of the 21st, even if measured only in the reaction against him. Because of this fame, or infamy, I3. and the Third Reich remain one of the most controversial topics of contemporary history"). Der verbrecherische Charakter des nationalsozialistischen Systems, das unzähliges Leid über ganz Europa und große Teile der Welt gebracht hat, wird tunlichst verschwiegen. Statt dessen ergeht sich die „Geschichtsdarstellung" über die absurde Frage, ob I3. anlässlich der Olympiade in Berlin 1936 dem farbigen Leichathleten und mehrfachen Olympiasieger Jesse P. die Hand gereicht habe.

Einen Verstoß der Verwaltungsentscheidungen durch die Bezirksregierung gegen Art. 5 GG zu Lasten der Klägerin kann das Gericht nicht erkennen. Die Grundrechte auf Meinungsfreiheit, auf Pressefreiheit sowie auf Rundfunkfreiheit und das Zensurverbot schützen Akte der Meinungsverbreitung, auf die sich jene Personen berufen können, die ihre eigene Meinung äußern oder fremde Meinungen verbreiten. Ungeachtet der Frage, ob die Klägerin als juristische Person das Grundrecht aus Art. 5 GG überhaupt in Anspruch nehmen kann,

vgl. zum Problem: Herzog in Maunz-Dürig, Kommentar zum Grundgesetz Art. 5 Rdnr 210,

nimmt sie für sich selbst gar nicht in Anspruch, eine Meinung äußern oder verbreiten zu wollen, indem sie Inhalte aus dem Internet vermittelt. Im Gegenteil - sie verwahrt sich strikt dagegen und trägt dazu vor, sie stelle lediglich den technischen Zugang zum Netz her. Das Grundrecht auf jene Freiheiten schützt nicht etwa den Rezipienten der Meinungsäußerung. Er wird bei einer Zensurmaßnahme allenfalls in seiner Informationsfreiheit betroffen. Beschränkungen der Meinungsfreiheit wirken sich auf ihn nur als Reflex aus.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 1969 - 1 BvR 30/66 -, BVerfGE 27, 88, 102; Herzog, in: Maunz-Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 5 Rdnr. 201.

Auf eine Beschränkung der Meinungs-, Rundfunk- oder Pressefreiheit kann er sich nicht berufen. Ebenso verhält es sich mit der Klägerin. Beschränkungen der Vermittlung von Inhalten über eine Webseite berühren den Rechtskreis der Klägerin nur als Rechtsreflex. Ihr ist es verwehrt, eine Verletzung des Art. 5 Abs. 1 GG geltend zu machen. Gleiches gilt für die Informationsfreiheit. Auch insoweit wirken sich Beschränkungen nicht unmittelbar zu Lasten der Klägerin aus. Ihr Rechtskreis wird nur reflexartig berührt. Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz setzt aber eigene Rechtsbetroffenheit voraus, die die Klägerin in Bezug auf Art. 5 GG nicht geltend machen kann.

Ohne Rechtsverstoß hat die Bezirksregierung E. auch die Klägerin und ihre Rechtsvorgängerinnen als Anbieterinnen von fremden Inhalten nach § 22 Abs. 3 MDStV in Anspruch genommen. Dazu kann die Kammer auf die zutreffenden und erschöpfenden Ausführungen des OVG NRW in seinem Beschluss vom 19. März 2003 verweisen. Das Gericht hat dort ausgeführt:

„Nach § 22 Abs. 3 MDStV können Maßnahmen zur Sperrung auch gegen einen Diensteanbieter von fremden Inhalten nach den §§ 7 bis 9 MDStV gerichtet werden.

Die Antragstellerin ist als Zugangsvermittlerin Diensteanbieterin im Sinne von § 7 MDStV. Diese Bestimmung gilt nach ihrem Wortlaut für Diensteanbieter, die fremde Informationen in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang vermitteln. Die Antragstellerin stellt unstreitig den Zugang zu fremden Informationen im Internet her. Auch die amtliche Überschrift des § 7 MDStV: ‚Durchleitung von Informationen€ macht deutlich, dass die bloße Zugangsvermittlung von der (haftungsprivilegierenden) Bestimmung erfasst sein soll. Zudem ist auch der allgemeinen Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 1 MDStV (auch) Diensteanbieter im Sinne des MDStV, wer fremde Mediendienste zur Nutzung bereit hält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt.

Die Entstehungsgeschichte stützt dieses Normverständnis. § 7 MDStV geht zurück auf Art. 12 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (‚Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr€) - Abl. L 178 vom 17. Juli 2000, S. 1 ff. -. Art. 12 der Richtlinie regelt die Verantwortlichkeit von Zugangsvermittlern und lässt nach Abs. 3 insbesondere die Möglichkeit einer Sperrverfügung gegen einen Diensteanbieter, der lediglich den Zugang vermittelt, ausdrücklich zu. Die §§ 7 bis 9 des MDStV setzen die Art. 12 bis 15 der Richtlinie über den elektronischen Rechtsverkehr um (Vgl. dazu Greiner, Die Verhinderung verbotener Internetinhalte im Wege polizeilicher Gefahrenabwehr, Hamburg 2001, S. 181 f.; Bornemann, Der Sechste Rundfunkänderungsstaatsvertrag - ein Überblick, K & R 2002, 301 (304 f.); Begründung der Bayerischen Staatsregierung zum Sechsten Staatsvertrag zur Änderung des Rundfunkstaatsvertrages, des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages und des Mediendienste- Staatsvertrages (Sechster Rundfunkänderungsstaatsvertrag), Bayerischer Landtag, Drs. 14/8628, S. 11 (21)). Soweit zu § 18 Abs. 3 MDStV a.F. die Auffassung vertreten wurde, dass eine Sperrverfügung nicht an einen Zugangsvermittler gerichtet werden könne, weil ‚Anbieter von fremden Inhalten nach § 5 Abs. 3€ nur Anbieter von Navigationshilfen, Hyperlinks bzw. Suchmaschinen seien (vgl. zum Streitstand Greiner, Die Verhinderung verbotener Internetinhalte im Wege polizeilicher Gefahrenabwehr, S. 73 ff.; zu § 3 TDG: Sieber, Verantwortlichkeit im Internet, München 1999, RdNr. 262), besteht jedenfalls nunmehr angesichts des Wortlauts und der dargestellten Entstehungsgeschichte des § 22 Abs. 3 bzw. des § 7 MDStV kein Zweifel daran, dass auch Access-Provider als Nichtverantwortliche im Sinne des § 7 MDStV Adressaten einer Sperrverfügung gemäß § 22 MDStV sein können.

Auch der Einwand, die Tätigkeit eines Access-Providers falle grundsätzlich in den Anwendungsbereich des Telekommunikationsgesetzes, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Vermittlung des Zugangs und damit der Kenntnisnahme von Inhalten im Internet ist zwar grundsätzlich als Telekommunikationsdienstleistung einzuordnen. Dies schließt es nach dem eindeutigen Wortlaut des § 22 Abs. 3 MDStV und des § 7 MDStV aber nicht aus, ihn zugleich als Diensteanbieter von fremden Inhalte im Sinne des MDStV zu verstehen (Vgl. Meier, in: Roßnagel, a.a.O., § 3 MDStV, Rdnr. 18; Vesting, in Roßnagel, a.a.O., § 18 MDStV Rdnr. 38 ff.; Spindler/Volkmann, a.a.O., S. 399; Zimmermann, a.a.O., S. 3149; Holznagel/Kussel, Möglichkeiten und Risiken bei der Bekämpfung rechtsradikaler Inhalte im Internet, MMR 2001 347, 351); a.A. Hoeren, a.a.O., S. 2; Koenig/Loetz, a.a.O., Stadler, S. 344)."

Verfassungsrechtliche Bedenken, insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, gegen die Inanspruchnahme von Access-Providern als Zugangsvermittler bestehen nicht. Für den Fall, dass die Access-Provider als Störer im ordnungsrechtlichen Sinne zu qualifizieren sind, rechtfertigen sich Eingriffe, sofern sie verhältnismäßig sind, aus der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG). Sieht man die Zugangsvermittler ordnungsrechtlich als Nichtstörer an, kann auf die Möglichkeit des Schadensersatzes nach § 39 OBG NRW zurück gegriffen werden,

vgl. auch Stadler, Sperrungsverfügung gegen Access-Provider, MMR 2002, S. 343 (346, 347),

so dass ein entschädigungsloser Eingriff nicht vorliegt.

Schließlich greifen die Bedenken der Klägerin gegen die Bestimmtheit der Verfügungen (vgl. insoweit § 37 VwVfG NRW) nicht, weil sie das Ziel des ordnungsrechtlichen Einschreitens, nämlich die Sperrung der genannten Web- Seiten, eindeutig bezeichnen. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Bezirksregierung der Klägerin und ihren Rechtsvorgängerinnen überlassen hat, mit welchen (im Übrigen detailliert beschriebenen) Maßnahmen die Sperrung letztlich durchgeführt wird. Insoweit hat die Klägerin schließlich auch keine Probleme bei der vorgenommenen Sperrung der Seiten gesehen.

Ermessensfehler oder Defizite bei der Begründung der Ermessensentscheidung sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Bezirksregierung ins Einzelne gehend dargelegt, warum sie sich überhaupt zu einem ordnungsbehördlichen Einschreiten veranlasst gesehen hat. Das reicht zur Begründung des „Entschießungsermessens" aus. Erhöhte Anforderungen an eine Begründung dieser Ermessensform zu stellen, ist ohnehin mit Blick auf die zu schützenden Rechtsgüter überzogen (so offensichtlich auch das OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2003 - 8 B 2567/02 - a.a.O.).

Die Sperranordnungen erweisen sich als verhältnismäßig.

Dass sie technisch möglich sind, bedarf keiner weiteren Darlegung, weil die Klägerin der Verfügung bereits (vorläufig) nachgekommen ist und die beiden näher bezeichneten Domains gesperrt hat. Die Sperrung ist auch zumutbar. Der Aufwand betrug nach eigenen Angaben der Klägerin zwei Mann-Stunden. Im Verhältnis zu den in Rede stehenden Rechtsgütern, nämlich dem Schutz der Menschenwürde und dem Schutz der Jugend vor rechtsextremistischen Umtrieben, stellt sich dieser Aufwand als unbedeutend dar. Bei dieser Bewertung kann das Gericht nur die konkret geforderten Maßnahmen in den Blick nehmen, weil nur diese Gegenstand des Verfahrens sind. Die Frage, wie die Zumutbarkeit bei der Sperrung aller als rechtsextremistisch beurteilten Web-Seiten beurteilt wird, muss deswegen offen bleiben.

Der Maßnahme fehlt es auch nicht an der Eignung. Ziel des ordnungsbehördlichen Vorgehens der Bezirksregierung ist nicht etwa, wovon die Klägerin in ihrer Argumentation ausgeht, die weltweite Beseitigung rechtsextremer Web-Seiten. Es ging vielmehr darum, im Zuständigkeitsbereich der Bezirksregierung E. , also in Nordrhein-Westfalen, zu verhindern, dass über die dort ansässigen Zugangsvermittler der Aufruf jener Web-Seiten möglich ist. Dabei ist natürlich offensichtlich und auch rechtlich nicht anders denkbar, dass die außerhalb dieses Landes ansässigen Provider nicht in Anspruch genommen werden können. Dass diese einen hohen Marktanteil besitzen, kann sicher nicht dazu führen, dass die Aufsichtsbehörden in Nordrhein-Westfalen die Hände in den Schoß legen und die dargelegten offensichtlichen Rechtsverstöße ergeben hinnehmen (vgl. insoweit schon den Beschluss der Kammer vom 6. Dezember 2002 in dem Aussetzungsverfahren 13 L 1848/20). Der Bezirksregierung kann jedenfalls nicht vorgeworfen werden, Provider (vielleicht mit unbedeutenden, von ihr nicht in den Blick genommenen Ausnahmen) in ihrem Zuständigkeitsbereich geschont zu haben. Das engagierte und umfassende Vorgehen der Behörde widerlegt jedenfalls einen solchen Verdacht. Die Sperrung wird auch nicht dadurch unverhältnismäßig, weil technische Umgehungsmöglichkeiten im Internet angeboten werden oder technisch versierte Nutzer Wege finden können, um die gesperrten Seiten zu erreichen.

A.A.: Rosenkranz a.a.O., der deswegen für eine umfassende Revision der Medienaufsicht eintritt.

Vielmehr ist zur Zweckerreichung aus der Sicht des Gerichts schon ausreichend, dass der Zugang für den normalen Nutzer erschwert wird. Das ist hier augenscheinlich der Fall.

Ohne Erfolg wendet die Klägerin im Hinblick auf die Ermessensausübung der Bezirksregierung schließlich ein, ihre Inanspruchnahme sei nicht erforderlich. Dabei ist klar, dass es im Wege des ordnungsbehördlichen Einschreitens nicht möglich ist, gegen die Content- oder die Host-Provider vorzugehen, weil sich diese im Ausland, namentlich in den USA, befinden und Hilfestellungen ausländischer Regierungen zur Durchsetzung nordrheinwestfälischen Landesrechts nicht zu erwarten sind. Das zeigen die vielfältigen Bemühungen der Bezirksregierung. Auch freiwillige Selbstkontrolle ersetzt in diesem Falle nicht die ordnungsrechtliche Option. Der Verweis der Klägerin auf die Erfolge der durch die obersten Landesjugendbehörden eingerichteten gemeinsamen Stelle Jugendschutz aller Länder („jugendschutz.net"), der gemäß § 18 JMStV organisatorisch an die KJM angeschlossen ist, hilft hier nicht weiter, denn offensichtlich ist auf Betreiben von „jugendschutz.net" eine Sperrung der hier umstrittenen Seiten nicht erfolgt. Außerdem schätzt die Klägerin selbst die Zahl der potentiell zu sperrenden Web-Seiten auf 6.000, während demgegenüber die Zahl der freiwilligen Sperrungen zwar erfreulich, aber offensichtlich im Verhältnis zur Gesamtzahl eher unbedeutend ist und nicht ausreichend erscheint.

2. Auch bei einer rechtlichen Bewertung zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am heutigen Tage erweisen sich die angefochtenen Ordnungsverfügungen als rechtmäßig.

Sie sind als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zu qualifizieren. Die Sperranordnungen erschöpfen sich nicht in der einmaligen Aufforderung, die erforderliche Programmierung der Rechner der Klägerin bzw. ihrer Kommanditistinnen vorzunehmen. Wesentlicher Bestandteil ist vielmehr auch deren Beibehaltung und Neuprogrammierung bei einer erforderlich werdenden Änderung der Konfiguration des Servers. Infolgedessen hat die Behörde, gegebenenfalls auf Antrag des Betroffenen, zu kontrollieren, ob das Gesetz die Verfügungen nach wie vor trägt oder ob eine andere Entscheidung getroffen werden muss.

Im vorliegenden Fall hat sich an der Eingriffsermächtigung in der Sache nichts geändert. Auch der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, der in den hier interessierenden Teilen den Mediendienste-Staatsvertrag abgelöst hat, ermächtigt die zuständige Behörde zur Sperrung der umstrittenen Web-Seiten. Im Hinblick auf den Jugendschutz erklärt er in § 4 Abs. 2 Nr. 3 JMStV Angebote für unzulässig, die offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit unter Berücksichtigung der besonderen Wirkungsform des Verbreitungsmediums schwer zu gefährden. Damit sind als Generalklausel alle Angebote erfasst, die die vorbezeichneten Wirkungen haben können.

Vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages, Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucksache.13/3431, S. 12.

Der Inhalt der Norm entspricht damit § 12 Abs. 1 Nr. 5 des Mediendienste- Staatsvertrages, wonach alle Angebote unzulässig sind, die offensichtlich geeignet sind, Kinder oder Jugendliche sittlich schwer zu gefährden. Die weiteren von der Bezirksregierung E. herangezogenen Tatbestände der unzulässigen Angebote finden sich inhaltlich in § 4 Abs. 1 JMStV wieder. Namentlich sind dies u.a. die Verwendung nationalsozialistischer Symbole, Kriegsverherrlichung, Aufruf zum Rassenhass und Aufstachelung zu Gewalt gegen bestimmte Volksgruppen. Es kann keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, dass die umstrittenen Webseiten in diesem Sinne unzulässig sind.

Anlass, die als Organ für die Beklagte tätige Kommission für Jugendmedienschutz einzuschalten (vgl. dazu § 20 Abs. 4, § 17 JMStV), bestand bislang nicht, so dass die neuen Verfahrensregeln des Jugendmedienschutz- Staatsvertrages keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Ordnungsverfügungen besitzen.

Schließlich spielt für die Rechtmäßigkeit der Verfügungen der Bezirksregierung E. keine Rolle, dass der neue Staatsvertrag in erster Linie auf Kooperation und Selbstkontrolle setzt und die Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle stärkt.

Vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages, Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucksache.13/3431, S. 2.

Denn für den Fall des Scheiterns der Selbstkontrolle bleibt die Option des ordnungsrechtlichen Vorgehens erhalten.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich derjenigen Kosten, die der Bezirksregierung E. entstanden sind (§ 154 Abs. 1 VwGO).






VG Arnsberg:
Urteil v. 26.11.2004
Az: 13 K 3173/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/ed3b0fdcbc70/VG-Arnsberg_Urteil_vom_26-November-2004_Az_13-K-3173-02




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