Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Februar 2003
Aktenzeichen: 20 W (pat) 701/02

(BPatG: Beschluss v. 24.02.2003, Az.: 20 W (pat) 701/02)

Tenor

Das Patent wird mit den folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 10, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Spalten 1 bis 6 mit 1 Blatt Einschub (überreicht in der mündlichen Verhandlung) in Spalte 2 nach Zeile 25, 2 Blatt Zeichnungen (Figuren 1 und 2) wie Patentschrift.

Gründe

I Im Einspruch wurde behauptet, der Patentgegenstand beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Zur Begründung wurde neben den bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigten Druckschriften

(1) DE 197 28 270 A1

(2) DE 197 02 319 A1

(3) DE 31 46 987 A1

(4) Normentwurf IEC 57/365/CD Committer Draft, IEC 57, 1998, noch folgende Druckschrift genannt:

(5) DE 197 25 115 A1.

Mit Schriftsatz vom 23. Mai 2002 stellt die Patentinhaberin Antrag auf patentgerichtliche Entscheidung nach § 147 Abs. 3 PatG.

Die Einsprechende nimmt mit Schriftsatz vom 28. November 2002 den Einspruch zurück.

Mit Eingabe vom 19. Februar 2003 führt die Patentinhaberin folgende weitere Druckschrift in das Verfahren ein:

(6) GB 2 304 013 A.

In der mündlichen Verhandlung beantragt die Patentinhaberin, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den im Tenor genannten Unterlagen aufrechtzuerhalten.

Der in der mündlichen Verhandlung überreichte Patentanspruch 1 lautet:

"Ankoppelschaltung (2) für eine Datenübertragungseinrichtung (3) an eine Phase (T) eines elektrischen Energieübertragungsnetzes (1), mita) einer Reihenschaltung (9) aus einem Koppelkondensator (17) und einem ersten Überspannungsableiter (19), die zwischen der Phase (T) und einem Bezugspotential (5) des elektrischen Energieübertragungsnetzes (1) angeordnet ist, undb) einer Ableitspule (20), die parallel zum ersten Überspannungsableiter (19) angeschaltet ist und woran die Datenübertragungseinrichtung (3) ankoppelbar ist (6, 7), dadurch gekennzeichnet, daß

c) eine Feinsicherung (15) in der Reihenschaltung (9) an der Phase (T) angeordnet ist und elektrische Kennwerte so aufweist, daß diese weder von einem Strom (Is) der Datenübertragungseinrichtung (3) noch von Überspannungen des elektrischen Energieübertragungsnetzes (1) ausgelöst wird, undd) die elektrischen Kennwerte der Feinsicherung (15) und die Stromtragefähigkeit des ersten Überspannungsableiters (19) so abgestimmt sind, daß im Falle einer Durchlegierung des Koppelkondensators (17) die Feinsicherung (15) bereits von einem anklingenden Kurzschlußstrom (Ik) durch den Überspannungsableiter (19) schnell und sicher ausgelöst wird, wobei der Wert der Stromtragefähigkeit des ersten Überspannungsableiters (19) kleiner ist als der Wert des Kurzschlußnennstromes des elektrischen Energieübertragungsnetzes (1)."

Zum Wortlaut der Patentansprüche 2 bis 10 wird auf die Akte verwiesen.

II Der Einspruch führt zur beschränkten Aufrechterhaltung des Patents.

1. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 10 sind zulässig. Die Merkmale des Patentanspruchs 1 sind aus den ursprünglichen Patentansprüchen 1, 6 und 7 entnehmbar, die mit der erteilten Fassung übereinstimmen.

2. Stand der Technik Aus Druckschrift (4) (S 19 Fig 1; S 21 Fig 3) ist eine Ankoppelschaltung für eine Datenübertragungseinrichtung an eine Phase L3 eines zur Übertragung elektrischer Energie dienenden Mittelspannungsnetzes bekannt, die eine Reihenschaltung aus einem Koppelkondensator (coupling capacitor) und einem Überspannungsableiter Sc aufweist. Die Reihenschaltung ist zwischen der Phase L3 und einem Bezugspotential des elektrischen Energieübertragungsnetzes angeordnet. Außerdem ist eine Ableitspule L vorgesehen, die parallel zum Überspannungsableiter Sc angeschaltet ist und an die die Datenübertragungseinrichtung ankoppelbar ist.

Eine in der Reihenschaltung angeordnete Feinsicherung ist im Unterschied zum Gegenstand des Patentanspruches 1 nicht vorgesehen. Die Stromtragefähigkeit des Überspannungsableiters kann daher auch nicht auf die Kennwerte einer Feinsicherung abgestimmt sein. Stattdessen ist in (4) angegeben, dass der Überspannungsableiter so ausgewählt ist, dass er einen Strom von mindestens 5 kA tragen kann (S 14 le Abs).

Die Druckschrift (5) betrifft einen kapazitiven Niederspannungsphasenkoppler, der auch bei Trennung von zwei Strängen eines elektrischen Niederspannungsnetzes die Übertragung von Daten gewährleisten soll. Hierzu ist ein Koppelkondensator vorgesehen, der in Reihe mit einer Schmelzsicherung geschaltet ist. Die Sicherung löst schon bei einem kleinen Strom und geringer Spannung innerhalb kurzer Zeit aus, um zu verhindern, dass gefährliche elektrische Ausgleichsströme auftreten (Sp 4 Z 11 - 15). Auch ein Defekt des Kondensators führt zum Auslösen der Sicherung (Sp 3 Z 27 - 29). Die Schaltung ist gehäuseartig von einem elektrischen Isolierstoff so umschlossen, dass nur die Anschlüsse (Kontaktmesser) von außen zugänglich sind (Fig 2). Auf beiden Seiten der aus der Sicherung und dem Koppelkondensator bestehenden Reihenschaltung liegt eine Phase des Energieübertragungsnetzes an.

Eine Schaltung zur kapazitiven Ankopplung einer Datenübertragungseinrichtung an ein elektrisches Energieübertragungsnetz wird in (5) dagegen nicht beschrieben. Die Reihenschaltung aus Koppelkondensator und Sicherung ist daher abweichend vom Gegenstand des Patentanspruches 1 nicht zwischen der Phase und einem Bezugspotential des Energieübertragungsnetzes angeordnet, sondern befindet sich zwischen zwei Kontaktmessern, die den Anschluss an zwei Stränge des Energieübertragungsnetzes herstellen.

Die Druckschrift (6) zeigt eine Schaltung zur kapazitiven Ankopplung einer Datenübertragungseinrichtung an ein elektrisches Energieübertragungsnetz, die eine Reihenschaltung aus einer Sicherung 26, F1 einem Koppelkondensator 24, C1 und einer Ableitspule 34, L3 aufweist (Fi 6, 7). Die Reihenschaltung ist zwischen einer Phase und einem Bezugspotential des Energieübertragungsnetzes angeordnet. Im Gegensatz zum Gegenstand des Patentanspruches 1 ist ein Überspannungsableiter nicht vorgesehen. Stattdessen ist die Ableitspule so dimensioniert, dass sie im Fall einer Durchlegierung des Koppelkondensators den Kurzschlussstrom bis zum Auslösen der Sicherung zum Masseanschluss 18 ableiten kann (S 11 Sp 2).

Die Druckschriften (1), (2) und (3) haben in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt und bringen hinsichtlich der Beurteilung der Patentfähigkeit keine neuen Gesichtspunkte.

3. Neuheit Der zweifelsfrei gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruches 1 ist neu, denn keine der Druckschriften zeigt alle seine Merkmale, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zum Stand der Technik ergibt.

4. Erfinderische Tätigkeit Der Gegenstand des Patentanspruches 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Bei der in den Figuren 1 und 3 der Druckschrift (4) gezeigten Schaltung zur kapazitiven Ankopplung einer Datenübertragungseinrichtung an ein elektrisches Energieübertragungsnetz besteht ersichtlich der Nachteil, dass bei einer Durchlegierung des Koppelkondensators der gesamte Kurzschlussstrom solange über den Überspannungsableiter zum Bezugspotential abfließt, bis das Energieübertragungsnetz durch eine übergeordnete Netzschutzeinrichtung abgeschaltet wird. Der Überspannungsableiter muss daher so ausgelegt werden, dass er den gesamten Kurzschlussstrom ableiten kann, was eine verhältnismäßig aufwendige und große Bauform des Überspannungsableiters zur Folge hat.

Der Fachmann, ein Hochschulingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung in Entwicklung und Betrieb von Datenübertragungseinrichtungen, erhält aus keiner Druckschriften einen unmittelbaren Hinweis darauf, wie er zu einer Ankoppelschaltung mit einem weniger aufwendig ausgeführten Überspannungsableiter gelangen kann. Denn lediglich aus Druckschrift (4) ist eine Ankoppelschaltung bekannt, die einen Überspannungsableiter aufweist. Dort ist aber ausdrücklich angegeben, dass der Überspannungsableiter eine große Stromtragefähigkeit, nämlich von mindestens 5 kA, besitzen muss (S 14 le Abs). Die weiteren Druckschriften, die Schaltungen ohne Überspannungsableiter zeigen, können erst recht keinen Hinweis auf die Dimensionierung eines Überspannungsableiters in einer Ankoppelschaltung geben.

Zwar mag der Fachmann in Erwägung ziehen, eine Feinsicherung in der Reihenschaltung anzuordnen, denn Reihenschaltungen aus einem Koppelkondensator und einem Sicherungselement sind ihm aus den Druckschriften (5) und (6) bekannt. Die Druckschrift (6) führt jedoch in eine andere Richtung, denn bei der dort beschriebenen Schaltung ist ein Überspannungsableiter nicht vorgesehen. Stattdessen fließt der bei einer Durchlegierung des Koppelkondensators auftretende Kurzschlussstrom über eine Ableitspule zur Masse. Der Fachmann kann daher aus (6) allenfalls entnehmen, dass bei Einsatz eines Sicherungselements ein Überspannungsableiter nicht notwendig ist. Die Druckschrift (5) betrifft keine Ankoppelschaltung für eine Datenübertragungseinrichtung an ein Energieübertragungsnetz und liegt daher noch weiter ab.

Der Fachmann gelangt daher nur durch erfinderische Tätigkeit zu einer Ankoppelschaltung mit der Gesamtheit der im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale. Hierzu bedarf es nämlich einer Reihe von Schritten, die aufeinander aufbauen und voneinander abhängig sind. So muss er zunächst erkennen, dass eine Feinsicherung in der Reihenschaltung an der Phase angeordnet werden muss. Dabei müssen die elektrischen Kennwerte der Feinsicherung so gewählt sein, dass diese weder durch den Strom der Datenübertragungseinrichtung noch durch Überspannungen des Energieübertragungsnetzes ausgelöst wird.

In einem weiteren Schritt müssen die elektrischen Kennwerte der Feinsicherung und die Stromtragefähigkeit des Überspannungsableiters aufeinander abgestimmt werden. Dabei neigt der Fachmann in seinem Bestreben nach einer zuverlässig funktionierenden Schaltung dazu, diese Kennwerte so festzulegen, dass die Feinsicherung erst bei Stromwerten ausgelöst wird, die so hoch sind, dass eine Fehlauslösung sicher vermieden wird. Es liegt daher für ihn nicht ohne weiteres nahe, die elektrischen Kennwerte der Feinsicherung und die Stromtragefähigkeit des Überspannungsableiters so aufeinander abzustimmen, dass die Feinsicherung für den Fall einer Durchlegierung des Koppelkondensators bereits von einem anklingenden Kurzschlussstrom durch den Überspannungsableiter schnell und sicher ausgelöst wird. Erst durch die dadurch erfolgte Begrenzung des Kurzschlussstroms auf einen niedrigen Wert wird es möglich, in einem letzten Schritt den Überspannungsableiter so zu dimensionieren, dass der Wert seiner Stromtragefähigkeit kleiner ist als der Wert des Kurzschlussnennstromes des elektrischen Energieübertragungsnetzes.

Auch ausgehend von Druckschrift (6) gelangt der Fachmann nur durch erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Patentanspruches 1. Denn bei der Ankoppelschaltung nach Druckschrift (6) reicht die Ableitspule aus, um den durch eine Durchlegierung des Koppelkondensators auftretenden Kurzschlussstrom zur Masse abzuleiten. Der Fachmann sieht daher keine Veranlassung, bei der aus (6) bekannten Ankoppelschaltung in der Reihenschaltung aus Koppelkondensator und Sicherungselement zusätzlich noch einen parallel zur Ableitspule geschalteten Überspannungsableiter vorzusehen.

Auch wenn einzelne Merkmale der im Patentanspruch 1 beanspruchten Ankoppelschaltung wie beispielsweise ein Sicherungselement in Verbindung mit einem Koppelkondensator bereits bekannt sind und einzelne Maßnahmen, wie das Dimensionieren der Feinsicherung oder des Überspannungsableiters, für sich gesehen in fachmännischen Überlegungen wurzeln, so gibt der Stand der Technik dem Fachmann dennoch keine Anregungen zu der beanspruchten Merkmalsgesamtheit. Er gelangt somit auch unter Berücksichtigung seines Fachkönnens und Fachwissens nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Patentanspruches 1.

Der Gegenstand des nebengeordneten Patentanspruchs 6 ist ebenfalls patentfähig. Der Patentanspruch 6 ist auf eine Koppeleinheit gerichtet, die eine Ankoppelschaltung nach einem der vorangegangenen Patentansprüche enthält. Nachdem die Ankoppelschaltung nach den Patentansprüchen 1 bis 5 neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist auch die Koppeleinheit nach Patentanspruch 6, die neben den Merkmalen der Ankoppelschaltung nach einem der Patentansprüche 1 bis 5 noch zusätzliche Merkmale umfasst, ebenfalls neu und erfinderisch.

5. Die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5 und die auf den Patentanspruch 6 rückbezogenen Patentansprüche 7 bis 10 haben Bestand. Sie betreffen über das Selbstverständliche hinausgehende Ausgestaltungen der Gegenstände der Patentansprüche 1 und 6.

6. Die Beschreibung genügt den an sie nach § 34 PatG zu stellenden Anforderungen.

Dr. Anders Kalkoff Martens Dr. Zehendner Be






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