Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. August 2010
Aktenzeichen: 19 W (pat) 40/06

(BPatG: Beschluss v. 04.08.2010, Az.: 19 W (pat) 40/06)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H05B des Deutschen Patentund Markenamts vom 31. Mai 2006 aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patentund Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Deutsche Patentund Markenamt -Prüfungsstelle für Klasse H05B -hat die am 14. Dezember 2000 eingereichte Patentanmeldung am Ende der auf den 31. Mai 2006 terminierten Anhörung zurückgewiesen, da der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 vom 8. Juni 2004, eingegangen am 14. Juni 2004, nicht neu sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 21. Juli 2007, eingegangen am selben Tag.

Die Anmelderin hat in der mündlichen Verhandlung einen neuen Patentanspruch 1 vorgelegt, der mit einer eingefügten Merkmalsgliederung wie folgt lautet:

"1. Anzeigevorrichtung mit einem Mikroprozessor zur Erzeugung von Signalen zur Darstellung von Zeichen auf einer Anzeige, mit einem Elektroluminiszenz-Element zur Beleuchtung der Anzeige, 2.

wobei der Mikroprozessor zur Erzeugung eines logischen Signals programmiert ist, und 3.

mit Mitteln zur Umsetzung des logischen Signals in eine Speisespannung für das Elektroluminiszenz-Element, wobei, 4.

das Elektroluminiszenz-Element eine Elektroluminiszenzfolie mit verschiedenen Foliensegmenten ist, 5.

unterschiedliche Ausgangsports des Mikroprozessors verschiedenen Foliensegmenten zugeordnet sind, 6.

jeder der Ausgangsports mit den Steuereingängen jeweils zweier Halbleiterschalter 8,9 verbunden ist, und 7.

eine an einem der jeweils beiden Halbleiterschalter (8,9) anliegende Gleichspannung in eine Wechselspannung als jeweilige Speisespannung umwandelbar ist."

Die Anmelderin beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H05B des Deutschen Patentund Markenamts vom 31. Mai 2006 aufzuheben und das Patent wie folgt zu erteilen: Patentanspruch 1 wie überreicht in der mündlichen Verhandlung und im Übrigen mit anzupassenden Unterlagen.

Zur Begründung ihres Antrags trägt die Anmelderin insbesondere vor, dass weder die bisher als nächstkommender Stand der Technik angesehene WO 99/04382 A1 noch das Abstract der japanischen Patentveröffentlichung JP 08055679 A in Verbindung mit den Figuren der Patentveröffentlichung und der im Internet zur Verfügung stehenden englischen Übersetzung eine mit einer Elektroluminiszenzfolie beleuchtete Anzeigevorrichtung offenbarten, deren Mikroprozessor sowohl die Signale für die Zeichendarstellung bereitstelle als auch Signale für die Erzeugung unterschiedlicher Speisespannungen für die Foliensegmente.

Die japanische Patentveröffentlichung betreffe ein batteriebetriebenes tragbares Gerät, das mit einer anspruchsgemäßen Anzeigevorrichtung für netzgespeiste Hausgeräte nicht vergleichbar sei, die somit neu und auch nicht nahegelegt sei.

II.

Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat mit dem nun geltenden Patentanspruch 1 insoweit Erfolg, als die Sache an das Deutsche Patentund Markenamt zurückzuverweisen war.

Als zuständiger Fachmann ist hier nach Auffassung des Senats ein Elektro-Ingenieur (FH), Vertiefungsrichtung Elektronik, anzusehen mit Berufserfahrung in der Entwicklung und Anwendung elektronischer Anzeigen, insbesondere von Schaltungen für moderne zeichengesteuerte Anzeigevorrichtungen für Hausgeräte.

1. Der geltende Patentanspruch 1 ist in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen offenbart und unterliegt dem im Folgendem angegebenen Verständnis des Fachmanns.

Die Merkmale 1 bis 3 entsprechen dem Wortlaut des ursprünglichen Anspruchs 6, wobei im Hinblick auf die in der zugehörigen Beschreibung (S. 3 Abs. 4 der urspr. Unterlagen) beschriebene Variante mit einer segmentierten Elektroluminiszenzfolie die Angaben "eines (logischen Signals)" im Merkmal 2 bzw. "eine (Speisespannung)" im Merkmal 3 vom Fachmann nicht als Zahlwort verstanden werden, sondern als unbestimmte Angabe.

Die Merkmale 4 und 5 sind auf Seite 3, Absatz 4 der ursprünglichen Beschreibung als besondere Ausführungsform offenbart. Da die Lichtemission von Elektroluminiszenz-Elementen von der Speisespannung abhängig ist (vgl. S. 3 Abs. 2 und 3 der urspr. Unterlagen), versteht der Fachmann Merkmal 5 als eine individuelle Zuordnung jedes Foliensegments zu einem der Ausgangsports des Mikroprozessors zur Erzeugung einer individuellen Speisespannung.

Wie erfindungsgemäß eine einzelne Speisespannung vom Signal eines einzelnen Ausgangsports erzeugt wird, ist in der ursprünglichen Beschreibung in Zusammenhang mit Figur 2 offenbart. Dort entnimmt der Fachmann als erstes erfindungswesentliches Merkmal (MM 6), dass der Ausgangsport -d. h. für den Fall segmentierter Folien jeder Ausgangsport -des Mikroprozessors mit den Steuereingängen jeweils zweier Halbleiterschalter verbunden ist (S. 5 Abs. 2 der urspr. Unterlagen).

Das zweite erfindungswesentliche Merkmal (MM 7) ist in der Figur 2 in Verbindung mit den Absätzen 5 und 6 auf Seite 5 der ursprünglichen Beschreibung offenbart, die jeweils auf eine an einem der Halbleiterschalter anliegende Gleichspannung verweisen.

Weitere Merkmale der anhand von Figur 2 beschriebenen Mittel zur Erzeugung einer Speisespannung brauchten in den geltenden Anspruch nicht aufgenommen zu werden. Denn die Figur 2 zeigt als Blockschaltbild (vgl. S. 4 Z. 7 der u. U.) ohnehin nur einzelne Schaltungsbestandteile, die der Fachmann aus seinem Fachwissen heraus zu einer funktionsfähigen Schaltung ergänzt. Und mit der Angabe, dass zwei Halbleiterschalter vorhanden sein müssen, die gemeinsam vom Signal eines der Ausgangsports angesteuert werden, ist dem Fachmann der Hinweis gegeben, mit jeweils einem der Halbleiterschalter eine der beiden Halbwellen der als Speisespannung von Elektroluminiszenzfolien erforderlichen Wechselspannung zu erzeugen, wie es auch im Zusammenhang mit Figur 2 beschrieben ist.

2. Die Speisung von segmentierten Elektroluminiszenzfolien durch individuelle Speisespannungen, wie sie Gegenstand des nun geltenden Anspruchs 1 sind, war ersichtlich noch nicht Gegenstand des bisherigen Prüfungsverfahrens.

Abgesehen davon, dass keiner der ursprünglichen Ansprüche auf die Ansteuerung segmentierter Elektroluminiszenzfolien gerichtet war, lassen auch weder die beiden Prüfungsbescheide noch das Anhörungsprotokoll erkennen, dass die sachkundige Prüfungsstelle eine solche -bisher lediglich in der Beschreibung offenbarte -Anzeigevorrichtung in ihre Recherche einbezogen und/oder den entgegengehaltenen Stand in dieser Richtung ausgewertet hat.

Insoweit kann der Senat schon nicht erkennen, dass die Prüfungsstelle eine Anzeigevorrichtung mit den nun geltenden Merkmalen als durch den im Verfahren bisher genannten Stand der Technik vorweggenommen oder sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus diesem Stand der Technik ergebend angesehen hat.

Aufgrund der mit dem geltenden Anspruch 1 einhergehenden wesentlichen Änderung und Beschränkung des Patentbegehrens hält der Senat es deshalb für geboten, die Sache an das Deutsche Patentund Markenamt zurückzuverweisen (§ 79 Abs. 3 Nr. 1 PatG). Denn es ist sachgerechter, mit der Durchführung des weiteren Verfahrens nicht das Kollegium des Senats, sondern den Prüfer zu betrauen (Schulte, PatG, 8. Aufl., § 79 Rdn. 16).

Bertl Dr. Kaminski Dr. Scholz Merzbach Pü






BPatG:
Beschluss v. 04.08.2010
Az: 19 W (pat) 40/06


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