Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 16. August 2013
Aktenzeichen: 6 U 18/13

(OLG Köln: Urteil v. 16.08.2013, Az.: 6 U 18/13)

Tenor

I. Die Berufungen der Parteien gegen das am 17.01.2013 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 212/12 - werden zurückgewiesen.

II. Die Kosten der Berufung werden gegeneinander aufgehoben.

III. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die der Vollstreckung ausgesetzte Partei darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die jeweils gegnerische Partei vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. Die Sicherheitsleistung beträgt hinsichtlich der Unterlassung 13.000,00 EUR, hinsichtlich der Kosten für die der Vollstreckung ausgesetzte Partei 110 % des auf Grund der Urteile vollstreckbaren, für die vollstreckende Partei 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien vertreiben in Deutschland im Wege des Online-Handels Erotikartikel an Verbraucher. Zu dem Produktsortiment der Beklagten zählen die im angefochtenen Urteil eingeblendeten, mittels wieder aufladbarer Akkus elektrisch betriebenen vier Intim-Massagegeräte (Vibratoren). Die Geräte selbst sind nicht mit dem CE-Kennzeichen und dem Symbol einer durchgestrichenen Abfalltonne auf Rädern versehen. Derartige Zeichen finden sich allerdings auf den Umverpackungen und den Bedienungsanleitungen der Geräte.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, nach den als Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG einzuordnenden Vorschriften der §§ 7 S. 2 ElektroG, 8 Abs. 1 EMVG müssten die entsprechenden Zeichen auf den Vibratoren selbst aufgebracht sein. Mit der vorliegenden Klage begehrt sie von der Beklagten, es zu unterlassen, Betriebsmittel, die elektromagnetische Störungen verursachen können oder deren Betrieb durch elektromagnetische Störungen beeinträchtigt werden kann, ohne eine CE-Kennzeichnung auf dem Gerät selbst sowie Elektro- und Elektronikgeräte ohne die nach § 7 ElektroG erforderliche Kennzeichnung auf dem Gerät selbst in den Verkehr zu bringen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, soweit sich diese auf eine Zuwiderhandlung gegen § 8 Abs. 1 EMVG gründet. Dagegen hat es die auf einen Verstoß gegen § 7 S. 2 ElektroG gestützte Klage mangels Bewertung der Vorschrift als Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG abgewiesen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlich abgewiesenen Unterlassungsantrag weiter. Sie wiederholt und vertieft ihre erstinstanzliche Ansicht, dass § 7 S. 2 ElektroG wegen der Information des Verbrauchers über die Unzulässigkeit der Entsorgung von Elektrogeräten über den Hausmüll sowie der von ihm dadurch zu vermeidenden Bußgeldpflichtigkeit und möglichen Strafbarkeit eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG darstelle. Zudem enthalte die Beklagte dem Verbraucher mangels Kennzeichnung der Geräte mit dem Symbol der durchgestrichenen Abfalltonne gemäß § 5a Abs. 2 UWG wesentliche Informationen vor.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil, soweit die Klage abgewiesen worden ist. Mit ihrem eigenen Rechtsmittel begehrt sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags die vollständige Abweisung der Klage. In diesem Zusammenhang macht sie erneut geltend, § 8 Abs. 1 EMVG regele ausweislich der zugrunde liegenden europäischen Richtlinie ausschließlich die EU-weite Verkehrsfähigkeit von mit dem CE-Zeichen versehenen elektrischen Betriebsmitteln und stelle daher eine reine Marktzutrittsregelung zur Gewährleistung des freien Warenverkehrs innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums dar. Im Übrigen sei die Ausweisung der CE-Kennzeichnung allein auf den Umverpackungen und in den Bedienungsanleitungen gesetzeskonform, da deren Anbringung auf den Vibratoren selbst aus hygienischen, funktionellen und ästhetischen Gründen ausscheide. Jedenfalls aber gehe die vermeintliche Zuwiderhandlung gegen § 8 EMVG nicht mit einer spürbaren Beeinträchtigung der Interessen der Verbraucher einher, da diese durch die Verpackung und die Bedienungsanleitung hinlänglich mit der CE-Kennzeichnung konfrontiert würden.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit ihrer Klage stattgegeben worden ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO) sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässigen Berufungen der Parteien bleiben in der Sache erfolglos.

A. Soweit die Klägerin von der Beklagten verlangt, den Vertrieb von Elektro- und Elektronikgeräten ohne die Anbringung des in Anhang II zu § 7 S. 2 ElektroG vorgesehenen Symbols einer durchgestrichenen Abfalltonne auf den Geräten selbst zu unterlassen, hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Das Landgericht hat einen Unterlassungsanspruch aus den §§ 8 Abs. 1 S. 1; 3; 4 Nr. 11 UWG rechtsfehlerfrei verneint, da die von der Klägerin als verletzt angesehene Vorschrift des § 7 S. 2 ElektroG nicht als Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG zu bewerten ist.

Eine gesetzliche Vorschrift stellt eine Marktverhaltensregelung im Interesse der Marktteilnehmer im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG dar, wenn sie durch Direktiven zu einer geschäftlichen Handlung auch den Schutz der Belange insbesondere von Verbrauchern und/oder Mitbewerbern (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG) bezweckt; ihre bloß reflexartige Auswirkung zu Gunsten der Marktteilnehmer reicht nicht aus (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Auflage, § 4 Rn. 11.35a, 11.35d). Ebenso wenig genügt der Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsguts wie etwa des Umweltschutzes, sofern damit nicht zugleich auch die Individualinteressen von Marktteilnehmern geschützt werden sollen (vgl. BGH GRUR 2000, 1076 [1079] - Abgasemissionen; GRUR 2007, 162 Rn. 12 - Mengenausgleich in Selbstentsorgergemeinschaft; Köhler a.a.O. Rn. 11.35b).

a) Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, dient § 7 S. 2 des Gesetzes über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (ElektroG) nicht dem Schutz von Verbraucherinteressen.

Durch die im zugehörigen Anhang II vorgesehene Anbringung des Symbols einer durchgestrichenen Abfalltonne auf Rädern soll dem Verbraucher verdeutlicht werden, dass dieser das so gekennzeichnete Elektro- oder Elektronikgerät nicht über die kommunale Abfalltonne entsorgen darf, sondern einer getrennten Verwertung zuführen muss. Diese Information stellt indessen ein bloßes Mittel zur Erreichung des in § 1 Abs. 1 S. 2 ElektroG normierten Gesetzesziels dar, durch die getrennte Einsammlung die Abfälle von Elektro- und Elektronikgeräten der Wiederverwertung zuzuführen, um die zu beseitigende Abfallmenge zu reduzieren und den Eintrag von Schadstoffen aus Elektro- und Elektronikgeräten in Abfälle zu verringern. Demzufolge ist die Vorschrift des § 7 S. 2 ElektroG auf die ökologisch effektive Abfallbewirtschaftung und damit auf das Allgemeininteresse an einem effektiven Umweltschutz ausgerichtet (vgl. Grotelöschen/Karenfort BB 2006, 955 [959]). Der Umstand, dass durch den umweltgerechten Umgang mit natürlichen Ressourcen letztendlich langfristig Gesundheitsgefahren für den Verbraucher vermieden werden, stellt eine dem Allgemeingut des Umweltschutzes immanente, für sich genommen nicht ausreichende Folge dar (vgl. zu § 6 VerpackV i.E. KG GRUR-RR 2005, 359 [360]; v. Jagow in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 3. Auflage, § 4 Nr. 11 Rn. 127).

Die Kennzeichnungspflicht des § 7 S. 2 ElektroG gewinnt auch nicht dadurch den Charakter einer Vorschrift zum Schutz von Verbraucherinteressen, dass der Verstoß gegen die Entsorgung von Elektro- oder Elektronikgeräten im Hausmüll in diversen kommunalen Satzungen mit einem Bußgeld sanktioniert wird. Der dem § 7 S. 2 ElektroG immanente Gesetzeszweck eines nachhaltigen Umweltschutzes hat sich dadurch nicht geändert. Vielmehr handelt es sich bei dem Umstand, dass der Verbraucher durch die Beachtung der Kennzeichnungspflicht des § 7 S. 2 ElektroG die Verhängung eines Bußgelds und damit wirtschaftliche Nachteile vermeiden kann, um einen bloßen, im ElektroG selbst nicht angelegten Reflex bzw. um eine tatsächliche, von § 7 S. 2 ElektroG nicht unmittelbar bezweckte Auswirkung. Im Übrigen hat das Landgericht zu Recht angeführt, dass die kommunalen Bußgeldvorschriften ihrerseits ebenfalls nicht dem Verbraucherschutz dienen, sondern die unterlassene Trennung der Abfälle von Elektro- und Elektronikgeräten vom Hausmüll ahnden sollen und auf diese Weise ihrerseits dem Umweltschutz dienen. Gleiches gilt für den von der Klägerin angeführten Tatbestand des unerlaubten Umgangs mit Abfällen, der als Straftat gegen die - als Schutzgut im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG nicht ausreichende - Umwelt durch § 326 StGB geahndet wird. Auch bei Ordnungswidrigkeits- und Strafvorschriften ist im Einzelfall an Hand ihres Schutzzwecks zu prüfen, ob sie Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG darstellen (vgl. Köhler a.a.O. Rn. 11.173, 11.179).

b) Die Vorschrift des § 7 S. 2 ElektroG mit ihrer umweltpolitischen Zielsetzung enthält auch keine Regelung zum Schutz der Interessen von Mitbewerbern.

Die darin vorgesehene Pflicht zur Kennzeichnung von Elektro- und Elektronikgeräten wirkt sich zwar auf das Marktverhalten der Hersteller und Vertreiber von Elektro- und Elektronikgeräten aus, da diese nur Geräte mit einem entsprechenden Symbol vertreiben dürfen. Daraus folgt jedoch nicht ohne Weiteres, dass die Kennzeichnungspflicht des § 7 S. 2 ElektroG auch die Interessen der Mitbewerber des kennzeichnungspflichtigen Unternehmens schützen soll. Eine Norm dient dem Interesse der Mitbewerber, wenn sie die Freiheit ihrer wettbewerblichen Entfaltung schützen soll (vgl. BGH GRUR 2010, 654 Rn. 18 - Zweckbetrieb; Köhler a.a.O. Rn. 11.35c). Dafür ist das Interesse der Mitbewerber an der Einhaltung einer Vorschrift durch alle auf dem betreffenden Markt tätigen Unternehmen nicht ausreichend. Denn die Schaffung gleicher Voraussetzungen für alle Mitbewerber und die Gleichbehandlung aller Wettbewerber ist regelmäßig nicht der Zweck, sondern die Folge einer jeden auf die gleichmäßige Anwendung abzielenden gesetzlichen Regelung (vgl. Köhler a.a.O. Rn. 11. 35c; Metzger in: Großkommentar UWG, 2. Auflage, § 4 Nr. 11 Rn. 37). Dass § 7 S. 2 ElektroG über die Gleichheit vor dem Gesetz hinaus auch auf die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen beim Absatz von Elektro- und Elektronikgeräten abzielt, lässt sich dem ElektroG (anders als bei der VerpackV, vgl. BGH GRUR 2007, 162 Rn. 12 - Mengenausgleich in Selbstversorgergemeinschaft; Link in: Ullmann jurisPK-UWG, 3. Auflage, § 4 Nr. 11 Rn. 270) nicht entnehmen.

Der Schutz der Interessen der gesetzestreuen Mitbewerber folgt auch nicht daraus, dass diese im Fall des Verstoßes eines Wettbewerbers gegen die in § 7 S. 2 ElektroG normierte Kennzeichnungspflicht ihrerseits mit wirtschaftlichen Nachteilen zu rechnen hätten. Die mangelnde Kennzeichnung eines Elektro- oder Elektronikgeräts mit dem Symbol der durchgestrichenen Abfalltonne bleibt für die Mitbewerber folgenlos. Insoweit unterscheidet sich die Regelung des § 7 S. 2 ElektroG von derjenigen des § 7 S. 1 ElektroG, bei der im Fall der Verletzung der Pflicht zur Herstellerkennzeichnung die Kollektivgemeinschaft der konkurrierenden Hersteller für die Entsorgung der nicht einem bestimmten Hersteller zuzuordnenden Altgeräte einzustehen hat (vgl. LG Bochum vom 02.02.2010 - 17 O 159/09 - Rn. 36, zitiert nach juris; Grotelüschen/Karenfort a.a.O. S. 958 f.; s. auch Köhler a.a.O. Rn. 11. 154).

2. Die Klägerin vermag einen Anspruch auf Unterlassung des Inverkehrbringens von Elektro- und Elektronikgeräten ohne Anbringung des Symbols der durchgestrichenen Abfalltonne auf dem Gerät selbst auch nicht aus den §§ 8 Abs. 1 S. 1; 3; 5a Abs. 2 UWG herzuleiten. Bei der Verletzung der Informationspflicht des § 5a Abs. 2 UWG handelt es sich um einen Tatbestand, der mangels Erfordernisses einer Irreführung eher dem Rechtsbruchtatbestand des § 4 Nr. 11 UWG als der Irreführung nach den §§ 5, 5a Abs. 1 UWG zuzuordnen ist (vgl. Köhler/Bornkamm a.a.O. § 5a Rn. 5, 29), und der darum mit einem Unterlassungsanspruch wegen Verletzung einer Marktverhaltensregelung einen einheitlichen Streitgegenstand bildet (vgl. BGH GRUR 2012, 184 Rn. 15 - Branchenbuch Berg; GRUR 2013, 401 Rn. 24 - Biomineralwasser).

Durch die mangelnde Anbringung des Symbols der durchgestrichenen Abfalltonne auf den Vibratoren selbst enthält die Beklagte dem Verbraucher keine für diesen wesentliche Information vor. Eine Information ist im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG wesentlich, wenn sie für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers erhebliches Gewicht hat und deren Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann (vgl. BGH GRUR 2012, 1275 Rn. 36 - Zweigstellenbriefbogen). Die Anbringung des auf eine getrennte Entsorgung hinweisenden Symbols auf dem Vibrator selbst zählt nicht hierzu. Die Entsorgung des Geräts im Anschluss an die Vertragsabwicklung und den Gebrauch der Vertragsware stellt als solche keine geschäftliche Entscheidung dar. Dass der Verbraucher der Frage, auf welchem Wege der erworbene Vibrator zur Vermeidung rechtlicher Nachteile zu entsorgen ist, im Rahmen seiner Kaufentscheidung, bei der er den verpackten Vibrator ohnehin nicht wahrnimmt, und/oder im Rahmen der Vertragsdurchführung ein besonderes Gewicht beimisst, kann nicht angenommen werden.

B. Soweit die Klägerin von der Beklagten verlangt, Betriebsmittel wie die vier streitgegenständlichen Vibratoren, die elektromagnetische Störungen verursachen können oder deren Betrieb durch elektromagnetische Störungen beeinträchtigt werden kann, nicht ohne eine auf den Geräten selbst angebrachte CE-Kennzeichnung in den Verkehr zu bringen, hat das Landgericht das Klagebegehren rechtsfehlerfrei aus den §§ 8 Abs. 1 S. 1; 3 Abs. 1; 4 Nr. 11 UWG; 8 Abs. 1 EMVG für gerechtfertigt erachtet.

1. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass § 8 Abs. 1 EMVG gemäß § 4 Nr. 11 UWG eine Marktverhaltensregelung im Interesse der Verbraucher darstellt.

a) Die in § 8 Abs. 1 des Gesetzes über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln (EMVG) in Verbindung mit Anlage 2 enthaltene Regelung, dass auf den vom EMVG erfassten Geräten die CE-Kennzeichnung aufzubringen ist, stellt keine Marktzutritts-, sondern eine Marktverhaltensregelung dar. Eine reine Marktzutrittsregelung liegt vor, wenn Personen der Marktzutritt aus Gründen verwehrt wird, die nicht mit ihrem Marktverhalten, also der Art und Weise des Agierens am Markt, zu tun haben (vgl. BGH GRUR 2010, 654 Rn. 23 - Zweckbetrieb; Köhler a.a.O. Rn. 11.44).

Die Kennzeichnungsvorschrift des § 8 Abs. 1 EMVG regelt eine Verhaltenspflicht des Herstellers im Zusammenhang mit dem Vertrieb bestimmter Betriebsmittel. Dies folgt schon daraus, dass dem Hersteller die regelmäßige Anbringung der CE-Kennzeichnung auf den von ihm zu vertreibenden, dem EMGV unterfallenden Geräten vorgeschrieben wird. Zudem dürfen Betriebsmittel im Sinne des § 1 Abs. 1 EMVG nach § 6 Abs. 1 S. 2 EMVG nur in Verkehr gebracht werden, wenn die Anforderungen des § 8 Abs. 1 EMVG erfüllt sind. Ohne die Anbringung der CE-Kennzeichnung sind die Geräte daher nicht verkehrsfähig. Die entsprechende Regelung beinhaltet demnach eine produktbezogene Absatzbeschränkung und betrifft damit das Verhalten auf dem Markt bei dem Absatz von Waren (vgl. BGH GRUR 2006, 82 Rn. 22 - Betonstahl; GRUR 2010, 754 Rn. 20 ff. - Golly Telly).

b) Die Vorschrift des § 8 Abs. 1 EMVG schreibt die Anbringung der CE-Kennzeichnung im Interesse der Marktteilnehmer vor. Die Regelung dient zwar auch der Förderung der freien Verkehrsfähigkeit von elektromagnetisch verträglichen Betriebsmitteln im europäischen Wirtschaftsraum (so zur Marktverhaltensregelung des § 6 Abs. 1 MPG BGH GRUR 2010, 169 Rn. 21 - CE-Kennzeichnung; GRUR 2010, 754 Rn. 25 - Golly Telly). Daneben ist die Kennzeichnungspflicht des § 8 Abs. 1 EMVG aber dazu bestimmt, die Belange der mit dem erworbenen Betriebsmittel in Kontakt kommenden Marktteilnehmer zu wahren. Eine derartige Zielrichtung muss nicht der einzige und noch nicht einmal der primäre Zweck einer Marktverhaltensregelung sein (vgl. Köhler a.a.O. Rn. 11.33).

Gemäß § 8 Abs. 1 EMVG in Verbindung mit Anlage 2 bescheinigt die auf einem Gerät angebrachte CE-Kennzeichnung gegenüber dem Abnehmer des derart gekennzeichneten Betriebsmittels, dass das vom Hersteller in Verkehr gebrachte Gerät den anerkannten Regeln der Technik entspricht sowie die elektromagnetische Verträglichkeit gewährleistet ist (§ 4 Abs. 1 EMVG) und deshalb unbedenklich seinem Zweck entsprechend verwendet werden kann. Demgemäß wird eine auf dem Gerät angebrachte CE-Kennzeichnung, mit der der Hersteller die Konformität des Produkts mit den jeweils zu Grunde liegenden EU-Bestimmungen bestätigt, als eine Art Güteoder Qualitätssiegel angesehen (vgl. Köhler/Bornkamm a.a.O. Anh zu § 3 III Rn. 2.2). Damit dient die Regelung auch dem Interesse der Marktteilnehmer an der dauerhaften Aufklärung darüber, dass sie das im Einsatz befindliche, mit der CE-Kennzeichnung versehene Betriebsmittel ungestört und funktionsgerecht gebrauchen können. Im Hinblick auf § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG sind auch Interessen der Verbraucher zu berücksichtigen, die durch den Gebrauch der erworbenen Ware im Zuge der Vertragsdurchführung berührt werden (vgl. Köhler a.a.O. Rn. 11.35d).

Die Bewertung des § 8 Abs. 1 EMVG als Schutzvorschrift zu Gunsten der Verbraucher findet Bestätigung durch die Richtlinie 2004/108/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die elektromagnetische Verträglichkeit, deren Umsetzung das EMVG dient und die in Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang V ebenfalls die Pflicht zur regelmäßigen Anbringung der CE-Kennzeichnung auf einem Gerät zwecks Bescheinigung der Übereinstimmung mit in Anhang I der Richtlinie vorgesehenen Anforderungen an die elektromagnetische Verträglichkeit vorsieht. Hierzu ist in den Erwägungsgründen (3) und (5) der Richtlinie 2004/108/EG zwar vorgesehen, dass die Harmonisierung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zum Schutz gegen elektromagnetische Störungen den freien Verkehr von elektrischen und elektronischen Geräten ermöglichen und die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln so geregelt werden soll, dass der freie Warenverkehr innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums gewährleistet ist. Des Weiteren wird in Erwägungsgrund (15) allerdings ausgeführt, dass ein Gerät nur in Verkehr gebracht werden darf, wenn der Hersteller durch eine Untersuchung der elektromagnetischen Verträglichkeit seines Geräts nachgewiesen hat, dass dieses gemäß den Anforderungen dieser Richtlinie ausgelegt und hergestellt wurde, sowie des Weiteren, dass die in Verkehr gebrachten Geräte die CE-Kennzeichnung, mit der die Übereinstimmung mit der Richtlinie bescheinigt wird, tragen sollen.

Dann aber kann die Information des Verbrauchers über die elektromagnetische Verträglichkeit eines Geräts nicht als bloßer reflexartiger Nebeneffekt der gesetzlichen Pflicht zur Anbringung der CE-Kennzeichnung auf Betriebsmitteln angesehen werden, sondern stellt neben der Gewährleistung des freien Warenverkehrs innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums einen weiteren Schutzzweck von Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/108/EG in Verbindung mit Anhang V sowie von § 8 Abs. 1 EMVG in Verbindung mit Anlage 2 dar. Demzufolge kommt es nicht mehr darauf an, dass der von der Beklagten angeführte weitere Normzweck der Sicherstellung eines freien Verkehrs von elektrischen und elektronischen Geräten die Freiheit der wettbewerblichen Entfaltung der Mitbewerber schützt und damit deren Interessen dient.

2. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin gegen § 8 Abs. 1 EMVG in Verbindung mit Anlage 2 verstoßen hat, indem sie die CE-Kennzeichnung nicht auf den (unstreitig kennzeichnungspflichtige Betriebsmittel im Sinne des § 1 Abs. 1 EMVG darstellenden) Vibratoren selbst, sondern nur auf deren Verpackungen und in den zugehörigen Bedienungsanleitungen angebracht hat.

Die in § 8 Abs. 1 EMVG vorgeschriebene Kennzeichnung darf nach Anlage 2 nur dann allein auf der Verpackung oder auf den Begleitunterlagen angebracht werden, wenn eine Anbringung auf dem Gerät selbst wegen dessen Beschaffenheit nicht möglich ist. Das Landgericht hat eine solche Ausnahme zutreffend verneint. Dabei kann offen bleiben, ob die von der Beklagten angeführten, nicht an die Beschaffenheit, sondern an den Verwendungszweck der Vibratoren anknüpfenden hygienischen, funktionellen und ästhetischen Aspekte in rechtlicher Hinsicht überhaupt relevant sein können. Ebenso bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob im Hinblick auf die Regelung in Anhang V zu Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/108/EG die Ausweisung der CE-Kennzeichnung allein auf der Verpackung oder der Bedienungsanleitung im Wege der richtlinienkonformen Auslegung des § 8 Abs. 1 EMVG auch dann zulässig sein kann, wenn deren Anbringung auf dem Gerät selbst wegen dessen Beschaffenheit nicht sinnvoll erscheint. Jedenfalls hat das Landgericht mit eingehender und überzeugender Begründung, der sich der Senat zustimmend anschließt, aufgezeigt, dass eine dauerhafte Anbringung der CE-Kennzeichnung in der vorgeschriebenen Mindesthöhe an unauffälliger Stelle auch unter Einbeziehung der Art der Benutzung der Vibratoren ohne Weiteres möglich und zweckmäßig ist. Dabei hat das Landgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass die sichtbare Anbringung der CE-Kennzeichnung wenn auch möglicherweise nicht in Gestalt der Einprägung, so doch jedenfalls in Form ihrer Einarbeitung in die glatte Oberfläche, etwa durch ihren Aufdruck mit unlöslicher Farbe, erfolgen kann. Hierfür hat das Landgericht zutreffend die farbliche und teils dekorative Ausgestaltung der Vibratoren sowie die dortige Anbringung der Marke der Beklagten herangezogen. Dieser Argumentation ist die Beklagte im Berufungsverfahren weder substantiiert entgegengetreten, noch hat sie ihre erstinstanzliche Behauptung, der Aufdruck einer dauerhaften Kennzeichnung sei wegen des Kontakts mit anderen Stoffen unmöglich, unter Beweis gestellt.

Das von der Beklagten stattdessen im Berufungsverfahren vorgelegte Gutachten der J vom 15.02.1013 ist zum Nachweis, dass die Anbringung der CE-Kennzeichnung auf zwei der vier streitgegenständlichen Vibratoren unmöglich oder nicht sinnvoll ist, ungeeignet. Das Dokument kann nach den §§ 529 Abs. 1 Nr. 2; 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO schon aus prozessualen Gründen keine Berücksichtigung mehr finden. Die Beklagte hätte sich bei umsichtiger Prozessführung bereits in erster Instanz um die Beschaffung eines aussagekräftigen Beweismittels bemühen müssen, zumal die Klägerin schon in der dortigen Replik auf den fehlenden Beweisantritt der Beklagten für die angebliche Beeinträchtigung von Hygiene, Qualität und Design der Geräte durch die Aufbringung der CE-Kennzeichnung hingewiesen hat. Dass sie die J bereits mehrere Monate zuvor mit der erst am 15.02.2013 erfolgten Begutachtung beauftragt hat, hat die Beklagte nicht dargelegt.

Im Übrigen erschöpft sich die pauschale Kurzstellungnahme der J in der thesenartigen Einschätzung, dass die Erzeugnisse "O" und "N" von einer Art seien, die die Anbringung des CE-Zeichens auf dem Erzeugnis nicht notwendig mache. Auf welche Ermittlungen und tatsächlichen Feststellungen die J ihre Pauschalbeurteilung gestützt hat, lässt sich dem eingereichten Dokument nicht entnehmen. Insoweit ist im Übrigen auch eine besondere Fachkompetenz der J nicht erkennbar. In ihrer Funktion als benannte Stelle im Sinne des § 10 EMVG ist das Unternehmen gemäß § 7 Abs. 4 EMVG für die Überprüfung der in § 4 Abs. 1 EMVG festgelegten grundlegenden Anforderungen und die Bestätigung der diesbezüglichen Konformität zuständig. Dagegen kommt der benannten Stelle nicht die Aufgabe zu, den Ort der CE-Kennzeichnung vorzugeben, und ist sie darum nicht zur Anwendung des Anhangs V zu Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/108/EG berufen. Die von der J vorgenommene, mangels näherer Begründung nicht nachvollziehbare Anwendung dieser Regelung auf die von der Beklagten vorgelegten Geräte stellt demzufolge keine abweichende Auslegung einer europäischen Vorschrift dar, die zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung in der Europäischen Union die von der Beklagten angeregte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof angezeigt erscheinen lassen könnte.

3. Der Verstoß gegen § 8 Abs. 1 EMVG in Verbindung mit Anlage 2 ist geeignet, die Interessen der einen Vibrator erwerbenden Verbraucher im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG spürbar zu beeinträchtigen.

Der vom Landgericht herangezogene Aspekt, dass ein Verstoß gegen eine der Sicherheit der Verbraucher dienende Vorschrift stets keinen Bagatellverstoß darstellt (vgl. BGH GRUR 2006, 82 Rn. 28 - Betonstahl; Köhler a.a.O. Rn. 11.146), greift dabei allerdings nicht vorrangig. Die Regelungen des EMVG stellen nicht die Sicherheit des Verbrauchers, sondern den von elektromagnetischen Störungen unbeeinträchtigten bestimmungsgemäßen Betrieb von Betriebsmitteln im Vordergrund. Dies ergibt sich sowohl aus den in § 4 Abs. 1 EMVG festgelegten grundlegenden Anforderungen an die Verkehrsfähigkeit eines Betriebsmittels als auch aus Erwägungsgrund (10) der Richtlinie 2004/108/EG, wonach die Richtlinie nicht die - durch andere Rechtsvorschriften geregelte - Sicherheit von Betriebsmitteln regeln soll. Im Übrigen stellt auch die Klägerin nicht in Abrede, dass die Vibratoren der Beklagten den grundlegenden Anforderungen des § 4 Abs. 1 EMVG genügen.

Ungeachtet dessen werden die Interessen der einen Vibrator erwerbenden Verbraucher spürbar beeinträchtigt, wenn sie die CE-Kennzeichnung nicht auf dem Gerät selbst vorfinden, sondern mit dieser nur auf der Verpackung und in der Bedienungsanleitung konfrontiert werden. Die Vibratoren sind nicht auf einen einmaligen Gebrauch, sondern auf eine wiederholte Nutzung über einen längeren Zeitraum angelegt. Dabei kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Geräte durchweg nach jedweder Benutzung wieder in den Karton verpackt oder erst nach erneutem Studium der Bedienungsanleitung in Gebrauch genommen werden. Der Verbraucher hat jedoch ein berechtigtes Interesse daran, während der Nutzungsdauer des Geräts darüber unterrichtet zu sein, dass der Vibrator keine elektromagnetischen Störungen verursacht, die den Betrieb von anderen - im Laufe der Gebrauchszeit ggf. wechselnden - Funk-, Telekommunikationsgeräten und/oder anderen Betriebsmitteln (Herzschrittmachern€) beeinträchtigt (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 EMVG). Dies zeigt sich auch daran, dass die Anlage 2 zu § 8 Abs. 1 EMVG ebenso wie der Anhang V zu Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/ 108/EG die Anbringung der CE-Kennzeichnung auf dem Gerät selbst als Regelfall vorsieht und eine entsprechende Kennzeichnung allein auf der Verpackung oder auf den Begleitunterlagen nur in bestimmten Ausnahmefällen zulässt. Im Rahmen des § 3 Abs. 1 UWG sind im Hinblick auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG auch Verbraucherinteressen im Zuge der Durchführung eines Vertrags, so etwa im Zusammenhang mit dem Umgang eines erworbenen Produkts, zu berücksichtigen (vgl. BGH GRUR 2010, 754 Rn. 20 f. - Golly Telly; Köhler a.a.O. § 3 Rn. 121).

Die Spürbarkeit kann auch nicht deshalb verneint werden, weil die J in ihrem Kurzgutachten bei zwei der streitgegenständlichen vier Vibratoren die Anbringung der CE-Kennzeichnung auf der Verpackung oder in den zugehörigen Dokumentationen als ausreichend erachtet hat. Wie bereits erörtert, ist dieses Unternehmen nicht für die Festlegung der Stelle, an der die CE-Kennzeichnung anzubringen ist, zuständig. Im Übrigen ist die Rechtsauffassung selbst einer zuständigen Verwaltungsbehörde für die Beurteilung der objektiven Rechtswidrigkeit und der Unlauterkeit eines Verhaltens nicht maßgeblich (vgl. BGH GRUR 2006, 82 Rn. 21 - Betonstahl; GRUR 2010, 1026 Rn. 19 - Photodynamische Therapie; Köhler a.a.O. § 4 Rn. 11.18).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung weder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ab noch hat die Sache über die Rechtsanwendung auf den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 ZPO). Der zu entscheidende Sachverhalt ist im Wege der tatrichterlichen Anwendung gesetzlicher und höchstrichterlich geklärter Rechtsgrundsätze zur Einstufung einer Norm als Marktverhaltensregelung unter Berücksichtigung der individuellen Einzelfallumstände zu beurteilen.






OLG Köln:
Urteil v. 16.08.2013
Az: 6 U 18/13


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