Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. Oktober 2006
Aktenzeichen: 14 W (pat) 16/04

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Mit dem angefochtenen Beschluss vom 24. November 2003 hat die Patentabteilung 45 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent 198 40 497 mit der Bezeichnung

"Mineralfasern"

widerrufen.

Dem Beschluss liegen die erteilten Patentansprüche 1 bis 15 zu Grunde, von denen Anspruch 1 wie folgt lautet:

"Mineralfasern hergestellt aus einer Zusammensetzung, die zu mehr als 80 M.-% die Oxide SiO2, Al2O3, CaO und MgO umfasst, mit folgenden molaren Verhältnissen:

- [SiO2 + Al2O3] zu [CaO + MgO] zwischen 0,75 und 1,68,

- [SiO2] zu [CaO + MgO] zwischen 0,54 und 1,23,

- [A2O3] zu [CaO + MgO] zwischen 0,21 und 0,45,

- [SiO2 + Al2O3] zu [CaO] zwischen 1,23 und 2,54,

- [SiO2 + Al2O3] zu [MgO] zwischen 1,96 und 4,94."

Zum Wortlaut der auf diesen Anspruch unmittelbar rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 15 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Der Widerruf ist im Wesentlichen damit begründet, aus jeder der Entgegenhaltungen

(1) WO 96/14 274 A2 und

(2) WO 90/02 713 A1 seien bereits Mineralfasern mit allen Merkmalen des erteilten Anspruchs 1 bekannt. Damit habe Anspruch 1 mangels Neuheit keinen Bestand.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin. Sie ist der Auffassung, der Ansatz der Patentabteilung sei rechtlich fehlerhaft und beruhe auf falscher Anwendung der vom BPatG und BGH entwickelten Rechtsprechung zur Neuheit. Keine der Entgegenhaltungen gebe eine Entstellungsregel für die Oxidzusammensetzung von Mineralfasern unter Berücksichtigung der molaren Verhältnisse von Netzwerkbildnern zu Netzwerkwandlern. Nur zwei von 27 Beispielen in der (1) offenbarten Gewichtsprozentangaben, die in Molprozent umgerechnet, innerhalb der Bereiche des Anspruches 1 lägen. Damit werde aber keine Einstellungsregel offenbart, vielmehr handle es sich um nicht neuheitsschädliche Zufallstreffer. Aus einem in (2) aufgeführten Vergleichsbeispiel, das nicht die in (2) gegebene Lehre betreffe, habe die Patentabteilung ausschließlich unter Anwendung einer mathematischen Manipulation auf das im Anspruch 1 festgelegte Molverhältnis kommen können. Ferner sei eindeutig, dass (1) nur Rohstoffanalysen beinhalte, was ggf. auch durch Vorlage eines Gutachtens von Prof. A... untermauert werden könne. Nach den mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2006 vorgelegten Anlagen BM 2 Untersuchungsbericht A 007/4133/06 der Firma ARP/ECV GesmbH, A-Leoben und BM 3 zugehöriger Prüfbericht 849/06 des Department Allgemeine, analytische und physikalische Chemie an der Montanuniversität Leobensowie dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Versuchsbericht, betreffend analytische Untersuchungen an Rohstoff- und Faserzusammensetzungen der Entgegenhaltung

(20) WO 98/15 503 A1 fänden bei der Herstellung vom Rohstoff bis zur Faser vielfältige Veränderungen statt in Abhängigkeit von der Beschaffenheit der Rohstoffe aus unterschiedlichen Abbaugebieten, dem für das Aufschmelzen verwendeten Ofentyp, der Ofenauskleidung, der Schmelztemperatur, der Schmelzdauer, der sich einstellenden Viskosität der Schmelze und dem letzten Schritt der Faserherstellung. Damit stehe aber die Nacharbeitbarkeit der patentgemäßen Mineralfasern nicht in Frage, denn der Fachmann könne durch Änderung der Verfahrensparameter in mehreren empirischen Versuchen die geeigneten Bedingungen ermitteln. Die Zusammenhänge im Einzelnen in der Beschreibung darzulegen, würde den Rahmen einer Patentanmeldung bei weitem übersteigen.

Die Patentinhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent im erteilten Umfang aufrecht zu erhalten.

Die Einsprechenden beantragen übereinstimmend, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie bestreiten weiterhin die Neuheit der Fasern nach Anspruch 1 und sind der Auffassung, dass die empirischen Versuche zur Einstellung der geforderten molaren Verhältnisse in der Mineralfaser einen unzumutbaren Aufwand erforderten.

Wegen weiterer Einzelheiten des schriftlichen Vorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig, kann aber nicht zu dem von ihr beantragten Ergebnis führen.

1. Die erteilten Patentansprüche sind zulässig.

Patentanspruch 1 geht inhaltlich auf die ursprünglichen Ansprüche 1 bis 5 zurück. Die erteilten Ansprüche 2 bis 15 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 6 bis 19.

Anspruch 1 bedarf indessen der Auslegung, weil sich die Charakterisierung "mit folgenden molaren Verhältnissen: ..." sprachlich sowohl auf "Zusammensetzung, die ... umfasst" (Auffassung der Einsprechenden I) als auf "Mineralfasern" (Auffassung der Patentinhaberin) bzw. auf beides (Auffassung der Einsprechenden II) beziehen lässt.

Der Senat macht sich hier die Auffassung der Patentinhaberin zu eigen. Die Unteransprüche 2 bis 11, bei denen mit dem Wortlaut "Mineralfasern nach Anspruch 1, bei denen das molare Verhältnis ... beträgt" jeweils ein molares Verhältnis nach Anspruch 1 weiter eingeschränkt ist, lassen nämlich einen Bezug auf die zur Herstellung verwendete Zusammensetzung nicht zu.

Mineralfasern nach dem erteilten Anspruch 1 sind auch eindeutig identitizierbar, denn es ist anhand analytischer Methoden nachprüfbar, ob Mineralfasern sämtliche im Anspruch 1 festgelegten molaren Verhältnisse aufweisen oder nicht.

2. Die beanspruchten Fasern sind in der Streitpatentschrift nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann in die Lage versetzt wird, sie in die Hand zu bekommen.

Die Patentinhaberin selbst hat - wenn auch in anderem Zusammenhang, nämlich zur Frage des Offenbarungsgehalts der Entgegenhaltung (1) - anhand der Anlagen BM 2 und BM 3 sowie der analytischen Befunde zum Dokument 20 näher ausgeführt, dass auf Grund des Herstellungsweges und der vielfältigen Einflussgrößen wie - Beschaffenheit der Ausgangsrohstoffe - zum Aufschmelzen verwendeter Ofentyp (Drehrohrofen, Kupolofen, elektrisch betriebener oder gasbeheizter Ofen)

- Ofenauskleidung - Führung der Schmelztemperatur - Schmelzdauer - Viskositätsverlauf der Schmelze - Zerfaserung der Schmelzekein definierter Zusammenhang zwischen Rohstoffzusammensetzung und Faserzusammensetzung besteht.

Bezogen auf das Streitpatent argumentiert sie jedoch, der Fachmann (Entwickler von Mineralfasern) könne durch mehrere empirische Versuche herausfinden, welche Bedingungen zu verändern wären, um das im Anspruch 1 definierte Produkt zu erhalten. Dem kann der Senat jedoch nicht folgen. Gerade die zu Dokument 20 eingereichten Analysenergebnisse zeigen (für 3 Beispiele mit den gleichen Rohstoffen Basalt, Dolomit, Schlacke und Bauxit (Ghana), vgl. (20) S. 9/10) einen Anstieg der Prozentgehalte in der Faserzusammensetzung, bezogen auf die Rohstoffzusammensetzung, von 123 bis 129 % bei SiO2, von 113 bis 123 % bei Al2O3, von 113 bis 121 % bei CaO und von 110 bis 125 % bei MgO, wobei der höchste Anstieg von SiO2 im Beispiel B einhergeht mit dem geringsten Anstieg von Al2O3, CaO und MgO, der maximale Anstieg von Al2O3 im Beispiel A verbunden ist mit dem minimalen Anstieg von SiO2 und die maximalen Zuwächse für Ca und MgO im Beispiel C festgestellt werden, in dem für SiO2 und Al2O3 jeweils der Medianwert bestimmt wurde. Es gibt somit für den Fachmann keinen Anhaltspunkt, wie er gezielt die gemäß Anspruch 1 geforderten molaren Verhältnisse beeinflussen könnte.

Bereits ein einziges Ausführungsbeispiel in der Beschreibung, bei dem der Herstellungsweg von der Rohstoffzusammensetzung über die Schmelzbedingungen zur Zerfaserung der Schmelze in für den Fachmann nacharbeitbarer Weise beschrieben wäre, hätte den Vorwurf mangelnder Ausführbarkeit ausräumen können. Ein solches Beispiel ist jedoch nicht angegeben. Vielmehr sind in der Beschreibung (S 3 Z 24 ff.) lediglich die Molverhältnisse zweier Faserproben A und B aufgeführt, von denen im Folgenden weitere Bestandteile sowie geometrische Daten genannt sind und an denen weiterhin die Durchführung und Ergebnisse von in - vitro - und in - vivo - Tests dargestellt sind.

Auf welchem Weg die Faserproben A und B hergestellt worden sind, ist der Beschreibung nicht zu entnehmen. Die noch angegebene Oxidanalyse (S. 3 Z. 3 bis 19) zeigt lediglich Werte im üblichen Bereich, die sich weitgehend z. B. mit den aus (1) bekannten Bereichen überschneiden, und kann dem Fachmann keinen Hinweis vermitteln, in welcher Richtung er zur Einstellung der geforderten molaren Verhältnisse vorgehen könnte. Somit übersteigen die zur Verwirklichung der patentgemäßen Lehre erforderlichen Versuche den dem Fachmann zumutbaren Aufwand.






BPatG:
Beschluss v. 31.10.2006
Az: 14 W (pat) 16/04


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