Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Mai 2006
Aktenzeichen: 8 W (pat) 346/04

(BPatG: Beschluss v. 18.05.2006, Az.: 8 W (pat) 346/04)

Tenor

Das Patent 101 44 735 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 31, eingegangen am 23. Februar 2005, Beschreibung Absätze 1 bis 73 gemäß Patentschrift sowie 10 Seiten Zeichnungen, Figuren 1 bis 13, wie Patentschrift.

Gründe

I.

Die Patentinhaberin hat das Patent 101 44 735 mit der Bezeichnung:

"Schneideinsätze und Rotations-Umfangsfräser mit austauschbaren Schneideinsätzen"

am 11. September 2001 beim Patentamt angemeldet. Die Patenterteilung wurde am 18. März 2004 veröffentlicht.

Gegen das Patent hat die Firma A... AB in B...

am 17. Juni 2004 Einspruch erhoben.

Die Einsprechende hat ihren Einspruch auf folgende Druckschriften gestützt:

1. DE 36 18 574 A1 2. EP 0 392 729 A2 3. EP 0 392 730 A2 4. DE 100 06 381 A1 5. EP 0 925 863 A2 6. EP 0 799 664 A2 7. EP 0 314 647 A2 8. WO 94/16 849 A1 9. DE 84 08 554 U1 10. I.N. Bronstein: Taschenbuch der Mathematik, 23. Auflage, 1987, S. 199 11. DIN 6581 Seiten 23, 28 - 33.

Die Einsprechende hat in der mündlichen Verhandlung vom 18. Mai 2006 ausgeführt, dass der Patentanspruch 1, der auf einen Schneideinsatz gerichtet ist, und sein Schutzbereich unklar seien, da dieser Anspruch keinen Werkzeughalter oder Fräser mit umfasst. Erst durch die Einbaulage des Schneideinsatzes in einen bestimmten Werkzeughalter werde die Schneidkantengeometrie definiert. Der nebengeordnete Patentanspruch 9 sei unklar und für einen Fachmann nicht ausführbar, da bei einem Schneideinsatz ohne Werkzeughalter ein Freiwinkel nicht definiert sei. Darüber hinaus seien die Gegenstände der Patentansprüche 1, 9 und 27 gegenüber dem Stand der Technik, insbesondere der DE 36 18 574 A1 und der DE 84 08 554 U1 nicht neu.

Die Patentinhaberin hat den Ausführungen der Einsprechenden widersprochen und ausgeführt, dass die Gegenstände der Patentansprüche 1, 9, 27 gegenüber dem aufgeführten Stand der Technik neu und erfinderisch seien. Im Übrigen seien die geltenden Patentansprüche 1 und 9 klar abgefasst, da ein Fachmann einen Schneideinsatz immer in Verbindung mit einem ganz bestimmten Halter sehe, für den er eigens konstruiert worden sei. Daher wiesen die Patentansprüche 1 und 9 alle zur Durchführbarkeit der patentgemäßen Lehre erforderlichen Merkmale auf.

Der geltende, am 23. Februar 2005 eingegangene Patentanspruch 1 lautet:

"Schneideinsatz (20) für einen rotierenden Umfangsfräser (10) zum Seitwärtsfräsen und Bohren mit einem den Schneideinsatz austauschbar aufnehmenden Halter (11), wobei der Schneideinsatz (20) mit mindestens einer Schneidkante (21) ausgebildet ist, die zwischen einer Schneidspanfläche (22) und einer Freiflankenfläche (23) des Schneideinsatzes (20) definiert ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Schneidkante (21) entlang einer dreidimensionalen Raumkurve (30) gekrümmt ist, welche Raumkurve ein Teil einer Schnittkurve (43) zweier Mantelflächen sich durchdringender Körper (41, 42) ist, wobei der erste Körper ein Zylinder (41) ist, der durch die Umdrehungsfläche (12) der Schneidkante (21) am rotierenden Umfangsfräser (10) definiert ist und der zweite Körper ein weiterer Zylinderkörper ist."

Der geltende, am 23. Februar 2005 eingegangene, nebengeordnete Patentanspruch 9 lautet:

"Schneideinsatz (20) für einen rotierenden Umfangsfräser (10) mit einem den Schneideinsatz austauschbar aufnehmenden Halter (11), wobei der Schneideinsatz (20) mit mindestens einer Schneidkante (21) ausgebildet ist, die zwischen einer Schneidspanfläche (22) und einer Freiflankenfläche (23) des Schneideinsatzes (20) definiert ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Keilwinkel (), welcher der durch die Schneidspanfläche (22) und Freiflankenfläche (23) eingeschlossenen Winkel am Ort der Schneidkante (21) ist, im Verlauf der Schneide (21) über deren Länge kleiner wird, wobei der Freiwinkel (), der der zwischen der Drehzylindertangente (83) des Umlaufzylinders (12) der Schneidkante (21) und der Freiflankenfläche (23) eingeschlossene Winkel ist (90¡ - - ), im Verlauf der Schneide (21) über deren Länge größer wird."

Der am 23. Februar 2005 eingegangene, nebengeordnete Patentanspruch 27 betrifft einen

"Rotations-Umfangsfräser (10) mit einem wenigstens einen Schneideinsatz (20) austauschbar aufnehmenden Halter (11), wobei der Schneideinsatz (20) mit mindestens einer Schneidkante (21) ausgebildet ist, die zwischen einer Schneidspanfläche (22) und einer Freiflankenfläche (23) des Schneideinsatzes (20) definiert ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Schneidkante (21) entlang einer dreidimensionalen Raumkurve (30) gekrümmt ist, welche Raumkurve ein Teil einer Schnittkurve (43) zweier Mantelflächen sich durchdringender Körper (41, 42) ist, wobei der erste Körper ein Zylinder (41) ist, der durch die Umdrehungsfläche (12) der Schneidkante (21) am rotierenden Umfangsfräser (10) definiert ist und der zweite Körper ein weiterer Zylinderkörper ist."

Wegen des Wortlauts der geltenden Patentansprüche 2 bis 8, 10 bis 26 und 28 bis 31 gemäß Hauptantrag bzw. Hilfsantrag wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Dem Streitpatent liegt gemäß Absatz 4 der Beschreibung die Aufgabe zugrunde, einen gegenüber dem Stand der Technik hinsichtlich der Standzeit verbesserten Schneideinsatz mit geringerem Verschleiß zur Verfügung zu stellen, bei der die erforderlich Leistungsaufnahme der Fräsmaschine reduziert ist, sowie einen mit diesem Schneideinsatz versehenen Umfangsfräser zu schaffen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent 101 44 735 mit folgenden Unterlagen aufrecht zu erhalten:

Patentansprüche 1 bis 31, eingegangenen am 23. Februar 2005, Beschreibung Absätze 1 bis 73 gemäß Patentschrift sowie 10 Seiten Zeichnungen, Figuren 1 bis 13 gemäß Patentschrift, hilfsweise den Anspruch 2 in den Anspruch 1 aufzunehmen.

Die Einsprechende beantragt, das Patent 101 44 735 zu widerrufen.

Im Prüfungsverfahren sind noch die DE 43 42 557 C2 sowie Kataloge der Hoffmanngruppe, Seite 101 und der Firma C... "3D-Tauch-Bohr-Zirkularfräser Felix 2010" berücksichtigt worden.

Mit Schriftsatz vom 15. Mai 2006, eingegangen am 18. Mai 2006, hat die Patentinhaberin die Teilung des Patents erklärt, ohne jedoch in der mündlichen Verhandlung weiter darauf einzugehen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 1 PatG durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

2. Der Einspruch ist frist- und formgerecht erhoben und auch im Übrigen zulässig.

Er ist jedoch nur insoweit begründet, als er zur Aufrechterhaltung des Patents in beschränktem Umfang führt.

3. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 31 gemäß Hauptantrag sind zulässig.

Die Patentansprüche 1 bis 8, 10 bis 31 gemäß Hauptantrag entsprechen den erteilten Patentansprüchen 1 bis 8, 10, 12 bis 32.

Der Patentanspruch 9 gemäß Hauptantrag enthält die Merkmale der erteilten Patentansprüche 9 und 11.

4. Das Patent offenbart die Erfindung nach dem Patentanspruch 1 so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

Der Patentanspruch 1 ist auf einen Schneideinsatz für einen rotierenden Umfangsfräser mit einem den Schneideinsatz austauschbar aufnehmenden Halter gerichtet. Der Fachmann, ein Diplomingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit besonderen Kenntnissen auf dem Gebiet der Werkzeugkonstruktion, weiß durchaus, dass ein Schneideinsatz immer für einen ganz bestimmten Werkzeughalter konstruiert ist und dass ein oder mehrere gleichartige Schneideinsätze gemeinsam mit dem Werkzeughalter funktionsfähige Schneidwerkzeuge, im vorliegenden Fall Rotations-Umfangsfräser, ergeben. Durch die im Anspruch 1 angegebenen Merkmale hinsichtlich der besonderen Krümmung der Schneidkante, wonach "... der erste Körper ein Zylinder ist, der durch die Umdrehungsfläche der Schneidkante am rotierenden Umfangsfräser definiert ist ...", ergibt sich für den Fachmann, dass die entlang einer dreidimensionalen Raumkurve gekrümmte Schneidkante auf der Mantelfläche eines geraden Kreiszylinders liegen muss. Der Fachmann ist somit ohne weiteres in der Lage, beim Vorliegen eines Schneideinsatzes mit einer vorgegebenen, entlang einer dreidimensionalen Raumkurve gekrümmten Schneidkante, diesen Schneideinsatz relativ zu einem gedachten Halter eines Umfangsfräsers derart anzuordnen, dass seine Schneidkante exakt auf der Mantelfläche des geraden Kreiszylinders mit einem bestimmten (vorgegebenen) Durchmesser liegt, der durch die Umdrehungsfläche der Schneidkante am rotierenden Umfangsfräser definiert ist.

Somit enthält der Patentanspruch 1 alle notwendigen Merkmale, die zur Ausführung der streitpatentgemäßen Lehre erforderlich sind.

Im Übrigen ist es das Recht eines Patentanmelders, den Schutz nicht nur auf einen Rotations-Umfangsfräser, bestehend aus einem Halter und einem Schneideinsatz, zu richten, sondern auch auf ein wesentliches Bauteil des Rotations-Umfangsfräsers, beispielsweise auf den austauschbaren Schneideinsatz.

5. Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag, der zweifellos gewerblich anwendbar ist, ist neu. Aus keiner der Entgegenhaltungen ist - wie die nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit im Einzelnen zeigen - ein Schneideinsatz für einen rotierenden Umfangsfräser bekannt, der das Merkmal aufweist, dass die Schneidkante aus einer Schnittkurve zweier Mantelflächen von sich durchdringenden Zylinderkörpern gebildet ist.

6. Der Patentgegenstand nach dem Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die DE 36 18 574 A1 zeigt einen Schneideinsatz für ein rotierendes Schneidwerkzeug zum Seitwärtsfräsen und Bohren mit einem den Schneideinsatz austauschbar aufnehmenden Halter (102), wobei der Schneideinsatz (116) mit mindestens einer Schneidkante (126) ausgebildet ist, die zwischen einer Schneidspanfläche und einer Freiflankenfläche des Schneideinsatzes definiert ist.

Die Hauptschneidkante (36) der DE 36 18 574 A1 wird entsprechend den Ausführungen auf Seite 31 in Verbindung mit den entsprechenden Figuren 23 bis 26 ganz offensichtlich durch den Schnitt eines Hyperboloids mit einer ebenen, geneigten Fläche gebildet. Somit liegt die Hauptschneidkante (36) immer auf einer Ebene. Der Fachmann erhält somit aus der DE 36 18 574 A1 keinerlei Hinweise, dass die Hauptschneidkante wie beim Streitpatentgegenstand entlang einer dreidimensionalen Raumkurve zu krümmen ist, wobei die Raumkurve ein Teil einer Schnittkurve zweier Mantelflächen sich durchdringender Körper ist und wobei der erste Körper ein Zylinder ist, der durch die Umdrehungsfläche der Schneidkante am rotierenden Umfangsfräser definiert ist und der zweite Körper ein weiterer Zylinderkörper ist.

Auch die aus der EP 0 392 729 A2 oder der EP 0 392 730 A2 bekannten Schneideinsätze gehen nicht über das hinaus, was bereits aus der DE 36 18 574 A1 bekannt ist, da dort nach den Ausführungen zu Figur 17 die Schneidkanten der Schneideinsätze durch die Schnittkurve einer Ebene (plane 42) und eines Zylinders gebildet sind.

Gleiches gilt auch für den Inhalt der EP 0 925 863 A2, wozu auf die Ausführungen in Absatz 93 verwiesen wird. Daher können auch diese drei europäischen Druckschriften keine Anregung geben, einen Schneideinsatz zu gestalten, bei dem die Schneidkante wie beim Streitpatentgegenstand entlang einer dreidimensionalen Raumkurve gekrümmt und die Raumkurve ein Teil einer Schnittkurve zweier Mantelflächen sich durchdringender Körper ist, wobei der erste Körper ein Zylinder ist, der durch die Umdrehungsfläche der Schneidkante am rotierenden Umfangsfräser definiert ist und der zweite Körper ein weiterer Zylinderkörper ist.

Aus der DE 84 08 554 U1 ist ein Fräser mit einem auswechselbaren Schneideinsatz bekannt, wobei der Schneideinsatz eine Schneidkante aufweist, die schraubenförmig ist. Durch das Wort "schraubenförmig" ist jedoch nicht festgelegt, ob die Schneidkante, wie es beim Patentgegenstand der Fall ist, eine auf einem Kreiszylinder liegende Schraubenform aufweist oder ob sich der Radius im Verlauf der Schneidkante ändert. Im Übrigen liegt der DE 84 08 554 U1 das Problem zugrunde, die sonst übliche reibschlüssige Klemmbefestigung von Schneideinsätzen am Fräskörper mittels Keilen bzw. Federn so zu verbessern, dass ein Auswurf, d.h. eine radiale Verschiebung des Schneideinsatzes während des Betriebs vermieden wird. Zur Lösung schlägt die DE 84 08 554 U1 entsprechend ihren kennzeichnenden Merkmalen des Anspruchs 1 vor, dass jedes Schneidblatt mit nur zwei ebenen Berührungsflächen derart versehen ist, dass es gegen entsprechende Oberflächen in der Ausnehmung (des Fräskörpers) anstößt und dass jede Schneidkante schraubenförmig ist. Die DE 84 08 554 U1 hat also eine völlig andere Problemstellung zum Inhalt als das Streitpatent, bei dem es um die Reduzierung des Verschleißes am Schneideinsatz geht. Aus diesem Grund kann der Fachmann bei sachgerechter Würdigung des Offenbarungsgehaltes der DE 84 08 554 U1 keinerlei Hinweise erhalten, den Verschleiß am Schneideinsatz zu verringern und somit die Leistungsaufnahme der Fräsmaschine zu reduzieren, indem er entsprechend der Lehre des Patentanspruchs 1 des Streitpatents die Schneidkante entlang einer dreidimensionalen Raumkurve gekrümmt ausführt, wobei die Raumkurve ein Teil einer Schnittkurve zweier Mantelflächen sich durchdringender Körper ist und beide Körper Zylinderkörper sind.

Auch das Vorbringen der Einsprechenden mit allgemeinem Hinweis auf das o. g. Taschenbuch der Mathematik (D10), wonach der Verlauf der Mantelfläche eines Zylinderkörpers beliebig geformt sein kann, vermag nicht zu überzeugen, da der Fachmann durch keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften eine Anregung erhält, die Schneidkante entsprechend den kennzeichnenden Merkmalen des Anspruchs 1 auszuführen.

Die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften sind in der mündlichen Verhandlung von der Einsprechenden bezüglich des Streitpatentgegenstandes nach Anspruch 1 nicht mehr aufgegriffen worden. Die Überprüfung durch den Senat hat ergeben, dass sie weiter ab liegen und dem Streitpatentgegenstand nach Anspruch 1 nicht patenthindernd im Weg stehen.

Somit konnte der entgegengehaltene Stand der Technik weder für sich genommen noch in einer Zusammenschau betrachtet einem Fachmann den Patentgegenstand nach Anspruch 1 nahe legen.

Der Patentanspruch 1 hat daher in seiner beschränkten Fassung gemäß Hauptantrag Bestand.

7. Das Patent offenbart die Erfindung nach dem Patentanspruch 9 so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

Der Patentanspruch 9 ist auf einen Schneideinsatz für einen rotierenden Umfangsfräser mit einem den Schneideinsatz austauschbar aufnehmenden Halter gerichtet. Wie bereits den entsprechenden Ausführungen zu Patentanspruch 1 zu entnehmen ist, muss ein Schneideinsatz immer in Verbindung mit dem Halter gesehen werden, für den er eigens ausgelegt worden ist, so dass der Fachmann sowohl den Umlaufzylinder als auch die Drehzylindertangente zu dem Umlaufzylinder und somit auch den Freiwinkel dem Schneideinsatz zuordnen kann.

Sofern es, wie die Einsprechende meint, mehrere Möglichkeiten gibt, den Schneideinsatz an dem Halter zu befestigen, ist das keine Frage der mangelnden Ausführbarkeit, sondern allenfalls eine Frage der Neuheit bzw. der erfinderischen Tätigkeit.

Auf die entsprechenden Ausführungen zum Patentanspruch 1 wird verwiesen.

Auch der von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung beanstandete Ausdruck "im Verlauf der Schneide" ist nicht unklar, wie die Einsprechende meint. Vielmehr ist für den Fachmann völlig klar, dass diese Richtungsangabe immer in Bezug auf das Eingreifen des Werkzeugs bezüglich des Werkstückes zu sehen ist, so dass der Schneidenverlauf immer von der Werkzeugspitze in Richtung zunehmender Schneidtiefe zum Schaft des Werkzeugs hin definiert ist.

8. Der Gegenstand nach Patentanspruch 9 gemäß Hauptantrag, der zweifellos gewerblich anwendbar ist, ist neu. In keiner der Entgegenhaltungen ist - wie die nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit im Einzelnen zeigen - ein Schneideinsatz für einen rotierenden Umfangsfräser gezeigt, dessen Keilwinkel im Verlauf der Schneide über deren Länge kleiner wird und gleichzeitig der Freiwinkel im Verlauf der Schneide über deren Länge größer wird.

9. Der Patentgegenstand nach dem Patentanspruch 9 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die DE 36 18 574 A1 zeigt einen Schneideinsatz für ein rotierendes Schneidwerkzeug. In den gesamten Unterlagen ist jedoch kein Hinweis angegeben, dass sich der Freiwinkel des Schneideinsatzes über den Verlauf der Schneidkante überhaupt ändern könnte. In den entsprechenden Textstellen zur den Figuren 30 bis 34 auf Seite 35 Mitte ist durchaus erwähnt, dass der Spanwinkel abnimmt. Ein Hinweis, ob und wie sich der Freiwinkel ändert, ist einer Textstelle dieser Druckschrift nicht zu entnehmen. Die Schnittdarstellung nach Figur 32 deutet jedoch darauf hin, dass der Freiwinkel im Verlauf der Schneide gleich bleibt. Auch die Schnittdarstellung nach Figur 34 lässt erkennen, dass der Keilwinkel im Verlauf der Schneide zunimmt und nicht wie der Keilwinkel beim Streitpatentgegenstand abnimmt. Somit gibt diese Schrift dem Fachmann keine Anregungen einen Schneideinsatz zu gestalten, dessen Keilwinkel im Verlauf der Schneide über deren Länge kleiner wird und gleichzeitig der Freiwinkel im Verlauf der Schneide über deren Länge größer wird.

Bei dem Schneideinsatz nach EP 0 392 729 A2 bleibt gemäß den Ausführungen auf Seite 5, Zeile 55 bis Seite 6, Zeile 5 der Freiwinkel im Verlauf der Schneide gleich. Gleiches gilt für die EP 0 392 730 A2, die weitgehend inhaltsgleiche Beschreibungsteile aufweist. Daher können die Inhalte dieser Druckschriften den Fachmann nicht dazu anregen, einen Schneideinsatz für ein rotierendes Schneidwerkzeug zu gestalten, dessen Freiwinkel im Verlauf der Schneide über deren Länge größer wird.

Bei der WO 94-16849 A1 bleibt der Spanwinkel gemäß den Ausführungen auf Seite 4, Zeilen 25 ff. konstant, währenddessen der Freiwinkel mit zunehmender Schneidtiefe abnimmt. Somit weist diese Druckschrift in eine andere Richtung als der Streitpatentgegenstand nach Anspruch 9, dessen Freiwinkel im Verlauf der Schneide über deren Länge größer wird.

Bei der EP 0 925 863 A2, die einen Schneideinsatz für ein Fräswerkzeug zeigt, soll gemäß den Ausführungen in Absatz 44, letzter Satz, sowie hinsichtlich eines weiteren Ausführungsbeispiels gemäß den Ausführungen in Absatz 50, letzter Satz, der Keilwinkel über die Länge der Schneidkante im Wesentlichen gleich bleiben. Daher kann diese Druckschrift den Fachmann nicht dazu anregen, einen Schneideinsatz für ein rotierendes Schneidwerkzeug zu gestalten, dessen Keilwinkel im Verlauf der Schneide über deren Länge kleiner wird.

Sofern, wie die Einsprechende in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, jeder Schneideinsatz, dessen Keilwinkel im Verlauf der Schneidkante über deren Länge kleiner wird, so in einen Halter eingebaut werden kann, dass der Freiwinkel im Verlauf der Schneide über deren Länge größer wird, ist das für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit unbeachtlich, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Einsprechende keinen Stand der Technik aufzeigt, bei dem dieses Merkmal auch tatsächlich verwirklicht ist.

Die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften sind in der mündlichen Verhandlung von der Einsprechenden bezüglich des Streitpatentgegenstandes nach Anspruch 9 nicht mehr aufgegriffen worden. Die Überprüfung durch den Senat hat ergeben, dass sie weiter ab liegen und dem Streitpatentgegenstand nach Anspruch 9 nicht patenthindernd im Weg stehen.

Somit konnte der entgegengehaltene Stand der Technik weder für sich genommen noch in einer Zusammenschau betrachtet einem Fachmann den Patentgegenstand nach Anspruch 9 nahe legen.

Der Patentanspruch 9 hat in seiner beschränkten Fassung gemäß Hauptantrag Bestand.

10. Der Gegenstand des Patentanspruchs 27 gemäß Hauptantrag, der aufgrund seiner Zweckbestimmung ohne Zweifel gewerblich anwendbar ist, hat als neu zu gelten, da keine Druckschrift seine Merkmale in ihrer Gesamtheit zeigt. Er beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Wie bereits bei der Beurteilung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ausgeführt, ist aus dem Stand der Technik kein Schneideinsatz für einen rotierenden Umfangsfräser zum Seitwärtsfräsen und Bohren bekannt oder nahe gelegt, dessen Schneidkante entlang einer dreidimensionalen Raumkurve gekrümmt ist, welche Raumkurve ein Teil einer Schnittkurve zweier Mantelflächen sich durchdringender Körper ist, wobei der erste Körper ein Zylinder ist, der durch die Umdrehungsfläche der Schneidkante am rotierenden Umfangsfräser definiert ist und der zweite Körper ein weiterer Zylinderkörper ist. Da der auf einen Rotations-Umfangsfräser mit einem wenigstens einen Schneideinsatz austauschbar aufnehmenden Halter gerichtete Patentanspruch 27 im Wesentlichen auch diejenigen Merkmale aufweist, die in dem Patentanspruch 1 aufgeführt sind, ist das Vorliegen von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit übereinstimmend zu beurteilen. Auf die entsprechenden Ausführungen wird verwiesen.

Mithin hat der Patentanspruch 27 gemäß Hauptantrag Bestand.

11. Die Unteransprüche 2 bis 8, 10 bis 26 und 28 bis 31 betreffen zweckmäßige Ausgestaltungen der Gegenstände der Patentansprüche 1, 9 bzw. 27, die über Selbstverständlichkeiten hinausreichen. Die Unteransprüche 2 bis 8, 10 bis 26 und 28 bis 31 sind daher ebenfalls bestandsfähig.

Bei dieser Sachlage war das Patent in beschränktem Umfang aufrechtzuerhalten.

Nachdem dem Hauptantrag stattgegeben wurde, ist über den Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden.






BPatG:
Beschluss v. 18.05.2006
Az: 8 W (pat) 346/04


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