Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. März 2004
Aktenzeichen: 25 W (pat) 115/02

(BPatG: Beschluss v. 04.03.2004, Az.: 25 W (pat) 115/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Das Zeichen DASYRIN ist am 11. März 1997 unter der Nummer 39639810 für die Waren

"pharmazeutische Erzeugnisse, mit Ausnahme von Präparaten und Substanzen gegen Malaria und Parasiten, Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsmittel, diätetische Erzeugnisse und Nahrungsmittelzusätze für nichtmedizinische Zwecke (soweit in Klasse 30 enthalten)"

in das Markenregister eingetragen worden.

Dagegen hat die Inhaberin der für die Waren "Arzneimittel, chemische Produkte für medizinische und hygienische Zwecke, pharmazeutische Drogen und Präparate, Pflaster, Verbandstoffe, Tier- und Pflanzenvertilgungsmittel, Desinfektionsmittel, Konservierungsmittel für Lebensmittel" geschützten Marke Nr 310044 Satyrin Widerspruch eingelegt.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit zwei Beschlüssen vom 18. April 2000 und vom 13. Februar 2002, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, die Eintragung der Marke Nr 39639810 wegen des Widerspruchs aus der Marke 310044 gelöscht.

Die Waren könnten sich auf identischen Waren im Arzneimittelbereich begegnen, und es gebe keine Rezeptpflicht, so dass Endverbraucher uneingeschränkt zu berücksichtigen seien. Im übrigen bestehe enge Warenähnlichkeit. Bei der Widerspruchsmarke sei von normaler Kennzeichnungskraft auszugehen. Daher müssten überdurchschnittliche Anforderungen an den Abstand der Marken gestellt werden, denen die angegriffene Marke in klanglicher Hinsicht nicht gerecht werde. Die Reihenfolge der Laute "s" und "d"/"t" in den ersten beiden Silben der beiden Zeichenwörter, die Fantasiebezeichnungen seien, könne nicht immer genau erinnert werden. Auch wenn berücksichtigt werde, dass die übereinstimmende Endung -rin im Arzneimittelbereich weit verbreitet und damit nur kennzeichnungsschwach sei, könne sie für den klanglichen Gesamteindruck nicht völlig vernachlässigt werden. Ob darüber hinaus auch Verwechslungen in schriftbildlicher Hinsicht zu besorgen seien, könne dahinstehen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat Beschwerde eingelegt und beantragt sinngemäß, die Beschlüsse der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. April 2000 und vom 13. Februar 2002 aufzuheben und den Widerspruch aus der Marke 310044 zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die Marken in klanglicher Hinsicht einen ausreichenden Abstand aufwiesen. Die Marken vermittelten aufgrund der markanten Unterschiede im Konsonantenaufbau und insbesondere aufgrund des Unterschieds zwischen dem Zischlaut "s" gegenüber "t" bzw "d" einen hinreichend verschiedenen Gesamteindruck. Die Schlusssilbe sei der weniger beachtete Zeichenteil und habe damit nur eine geringe Bedeutung für die Prägung des Gesamteindrucks. In den besonders beachteten Wortanfängen bestünden markante Unterschiede. Auch schriftbildlich sei der Abstand in allen üblichen Wiedergabeformen ausreichend.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Marken seien unmittelbar klanglich verwechslungsfähig. Das Publikum habe die Marken nicht zum unmittelbaren Vergleich vor sich, sondern entscheide aus der Erinnerung heraus. Bei der bestehenden möglichen Warenidentität oder engen Warenähnlichkeit bestehe eine Verwechslungsgefahr.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat in der Sache keinen Erfolg, Die Markenstelle hat zu Recht eine Verwechslungsgefahr (§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG) bejaht.

Sie ist zutreffend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen, was die Inhaberin der angegriffenen Marke auch nicht angreift.

Die sich gegenüberstehenden Waren sind teilweise identisch. So werden die angegriffenen Warenbegriffe "pharmazeutische Erzeugnisse, mit Ausnahme von Präparaten und Substanzen gegen Malaria und Parasiten" von den "Arzneimitteln, pharmazeutischen Präparate" der Widerspruchsmarke mit umfasst. "Präparate für die Gesundheitspflege" können mit den Waren "chemische Produkte für medizinische und hygienische Zwecke" der Widerspruchsmarke identisch sein. Auch kann es sich bei "Nahrungsmittelzusätze für nichtmedizinische Zwecke (soweit in Klasse 30 enthalten)" der angegriffenen Marke um "Konservierungsmittel für Lebensmittel" handeln, wofür die Widerspruchsmarke ebenfalls Schutz genießt. Lebensmittelzusatzstoffe sind solche Stoffe, die Lebensmittel bewusst zugesetzt werden, um mit ihnen einen bestimmten positiven Effekt (Verbesserung von Geschmack, Struktur, Haltbarkeit, Nährwert usw) zu erzielen, und die mitgegessen werden können (Täufel, Lebensmittel-Lexikon, Bd 2, 3. Aufl, 1998, S. 58). Bei diesen Zusatzstoffen kann es sich auch um Konservierungsstoffe handeln.

Im übrigen sind die Waren ähnlich. Eine Ähnlichkeit ist zu bejahen, wenn Waren und/oder Dienstleistungen unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen - insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte und Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe - so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein können, sie stammten aus demselben oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie mit identischen Marken gekennzeichnet sind, wobei vom größten Schutzumfang der älteren Marke auszugehen ist (Ströbele/ Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdn 57). Für die Annahme dieser Ursprungsidentität kommt es dabei weniger auf die Feststellung örtlich identischer Herkunftsstätten an; entscheidend ist vielmehr, ob der Verkehr erwarten kann, dass die beiderseitigen Waren/ Dienstleistungen unter der Kontrolle desselben Unternehmens hergestellt oder vertrieben bzw erbracht werden, welches für ihre Qualität verantwortlich ist (Ströbele/ Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdn 58). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Markenstelle eine Ähnlichkeit zutreffend bejaht.

Die Waren "diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsmittel, diätetische Erzeugnisse für nichtmedizinische Zwecke (soweit in Klasse 30 enthalten)" der angegriffenen Marke stehen den "Arzneimitteln" der Widerspruchsmarke nahe (vgl Richter/ Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl S 108). Die Waren können gleich aussehen, da die Abgabeform gleich sein kann. Sie können sich auch in den Inhaltsstoffen nahe kommen und sich unter Umständen lediglich in deren Dosierung unterscheiden. Die Grenzziehung zwischen Arzneimitteln und den genannten Waren der angegriffenen Marke kann im Einzelfall sogar schwierig sein. So hat der BGH in einer Entscheidung vom 11. Juli 2002 (Az: I ZR 273/99), ZLR 2002, 660 ausgeführt,

"daß für die Einordnung eines Produkts als Arzneimittel (§ 2 AMG) oder Lebensmittel (§ 1 LMBG) seine an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung entscheidend ist, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher darstellt, wobei die Verkehrsanschauung regelmäßig an eine schon bestehende Auffassung über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihre Anwendung anknüpft (BGH GRUR 2000, 528, 529 - L-Carnitin). Die Vorstellung der Verbraucher von der Zweckbestimmung eines Produkts könne weiter durch die Auffassung der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft beeinflußt sein, ebenso durch die dem Mittel beigefügten oder in Werbeprospekten enthaltenen Indikationshinweise und Gebrauchsanweisungen sowie die Aufmachung, in der das Mittel dem Verbraucher allgemein entgegentrete (BGH GRUR 2000, 528, 529 f. - L-Carnitin, m.w.N.)......Allerdings bewirke die Bezeichnung eines Produkts als diätetisches Lebensmittel auf der Verpackung für sich genommen noch nicht, daß es als Lebensmittel einzustufen sei. Umgekehrt seien weder die Darreichungsform noch die Verpackung noch auch der Vertrieb allein über Apotheken ein ausreichender Hinweis auf ein Arzneimittel."

Bei somit identischen oder sehr ähnlichen Waren ist ein deutlicher Markenabstand erforderlich, um Verwechslungen bei den angesprochenen Verkehrskreisen, zu denen mangels Festschreibung einer Rezeptpflicht insbesondere auch Laien gehören, zu verhindern.

In klanglicher Hinsicht reichen die Unterschiede hierfür nicht aus, auch wenn im Gesundheitsbereich mit einer größeren Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise zu rechnen ist. Die Lautfolgen "DASYRIN" und "Satyrin" stimmen in Silbenzahl, Vokalfolge und Sprech- und Betonungsrhythmus überein. Auch bei den Konsonanten gibt es in beachtlichem Maße Annäherungen. In der letzten Silbe sind sie identisch. Die Anfangskonsonanten der Vergleichswörter, nämlich der Sprenglaut "D" bzw der Zischlaut "S", klingen zwar deutlich verschieden, jedoch kommt dem wegen der übrigen vorhandenen Gemeinsamkeiten kein entscheidendes Gewicht zu. Außerdem ist zu berücksichtigen dass diese Anfangslaute in den Marken identisch ("S") oder klangähnlich ("D" bzw "T") lediglich an vertauschter Stelle stehen. Die Konsonanten "D" und "T" differieren nur in der Härte der Aussprache. Hinzu kommt, dass der Konsonant "T" im Innern der Widerspruchsmarke häufig nicht sehr akzentuiert ausgesprochen wird, so dass die unterschiedliche Härte der Aussprache im Gesamtklangbild nicht auffällt. Zudem betonen weite Verkehrskreise regelmäßig die letzte Silbe, die identisch ist und es handelt sich um Fantasiezeichen, die den angesprochenen Laien keine begrifflichen Merkhilfen bieten. Das Gesamtklangbild ist durch die vorhandenen Übereinstimmungen und Annäherungen so ähnlich, dass bei den sich vorliegend gegenüberstehenden Waren aus der ungenauen Erinnerung heraus mit noch erheblichen Verwechslungen zu rechnen ist.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

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BPatG:
Beschluss v. 04.03.2004
Az: 25 W (pat) 115/02


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