Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. April 2001
Aktenzeichen: 29 W (pat) 1/00

(BPatG: Beschluss v. 04.04.2001, Az.: 29 W (pat) 1/00)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Oktober 1999 insoweit aufgehoben, als der angemeldeten Marke die Eintragung für die Dienstleistung "Geschäftsführung" versagt worden ist.

2. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Wortmarke

"WebTel"

soll für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 35, 38, 41 und 42 in das Markenregister eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 21. Oktober 1999 teilweise, nämlich für die Waren und Dienstleistungen

"Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; maschinenlesbare Datenaufzeichnungsträger; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/oder geprägte Karten aus Karton oder Plastik; Werbung und Geschäftsführung; Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, insbesondere für Funk und Fernsehen; Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern, Zeitschriften und anderen Druckerzeugnissen sowie entsprechenden elektronischen Medien (einschließlich CD-ROM und CD-I); Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Vermietung der Zugriffszeiten zu und Betrieb von Datenbanken, sowie Sammeln und Liefern von Daten, Nachrichten und Informationen; Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern; Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikation"

zurückgewiesen.

Zwar sei das Wort derzeit nicht nachweisbar. Beide Bestandteile der Wortzusammensetzung wiesen aber in Bezug auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen unmittelbar beschreibende Bedeutung auf. Das ursprünglich englische Wort "Web" (= Netz) komme in zahlreichen Wortverbindungen im Bereich der Telekommunikation, Elektronik und Kommunikationstechnik in der Bedeutung "World Wide Web" vor. "Tel" sei eine häufig verwendete Kurzform von "Telephon" bzw. "Telekommunikation" In ihrer Gesamtheit werde die Marke daher von den angesprochenen Verkehrskreisen für die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen als rein beschreibender Hinweis darauf verstanden, dass es sich um Geräte handele, die zum Telephonieren im Web, also im Internet, geeignet und bestimmt seien oder um Waren, die das Telephonieren im Web ermöglichen oder das Telephonieren im Web zum Gegenstand haben. In Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen dränge sich diese Bedeutung auf, so dass weitere mögliche Bedeutungen der Wortbestandteile für den Verkehr zurückträten. Da der angemeldeten Marke für die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen bereits die Unterscheidungskraft fehle, könne die Frage des Freihaltungsbedürfnisses dahinstehen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Die angemeldete Marke sei weder freihaltungsbedürftig noch fehle ihr jegliche Unterscheidungskraft. Der von der Markenstelle gefundene begriffliche Inhalt ergebe sich nur nach einer sorgfältigen Analyse. Bei der gebotenen großzügigen Betrachtungsweise sei die fremdsprachige Wortkombination in ihrer Gesamtheit schutzfähig. Es handele sich um eine phantasievoll zusammengesetzte, lexikalisch nicht nachweisbare Wortneubildung, die keine klare und unmittelbar beschreibende Aussage beinhalte, die auch nicht als beschreibende Angabe gebräuchlich sei und die keinen hinreichend konkreten Anlass zur Annahme gebe, sie werde als beschreibende Angabe verstanden oder benötigt. Die Rechtsprechung stelle hohe Anforderungen an den Nachweis der Schutzunfähigkeit, so dass eine Zurückweisung nur im Ausnahmefall möglich sei. Der angemeldeten Marke könne daher weder jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden noch bestehe ein Freihaltungsbedürfnis.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung und auf den Inhalt der Akten, insbesondere auf das Ergebnis einer Internet-Recherche des Senats, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache im wesentlichen keinen Erfolg. Die angemeldete Marke ist für die noch verfahrensgegenständlichen angemeldeten Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme von "Geschäftsführung" von der Eintragung ausgeschlossen, weil für die meisten der zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen ein Freihaltungsbedürfnis besteht und der Marke jedenfalls für sämtliche dieser Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme von "Geschäftsführung" jegliche Unterscheidungskraft fehlt (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 1, § 37 Abs. 1 MarkenG).

1. Die angemeldete Marke stellt eine Wortzusammensetzung dar, deren Verwendung zwar derzeit nicht nachweisbar ist, die aber als beschreibende Angabe für viele der zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen dienen kann, von den angesprochenen breiten Verkehrskreisen insoweit als rein beschreibende Angabe verstanden und vom inländischen Verkehr in der Zukunft benötigt wird (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Zwar ist "WebTel" nicht klar als beschreibende Angabe, sondern vor allem als Teil einer Firmenbezeichnung und als Bezeichnung für ein Computerprogramm nachweisbar. Der die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen unmittelbar beschreibende Gehalt drängt sich den angesprochenen Verkehrskreisen, die mit dem Internet, der Telekommunikation und den Begriffen auf diesen Gebieten vertraut sind, jedoch auf. "Tel" ist die allgemein gebräuchliche Abkürzung u. a. für "Telephon" und "Telekommunikation" bzw. die entsprechenden englischen Wörter und ist auch ohne den üblicherweise eine Abkürzung kennzeichnenden Punkt nachweisbar (vgl. Peter Wennrich, International Dictionary of Abbreviations and Acronyms, Bands 2, K. G. Saur 1992). Das Kurzwort "Tel" ist vor allem durch seine Funktion zur Angabe von Telephonnummern vielfach im Alltagsleben verbreitet (Duden, Wörterbuch der Abkürzungen, 4. Aufl.; vgl. auch HABM R338/99-1, 9.12.99, "easyTel" veröffentlicht auf PAVIS CD-ROM Markenentscheidungen, 2000). "Web" ist das Kurzwort für "World Wide Web" und wird u.a. auch in der Bedeutung "Internet" in vielen Wortverbindungen verwendet, so etwa bei den zusammengesetzten Begriffen "web server, WebBox, Web Copy, webmaster, web terminal, Webseite, Website" (vgl. Rosenbaum, Online-Lexikon, 1998 sowie zur Bedeutung von "Web..." Wahrig, Fremdwörter--Lexikon, 1999, Wahrig, Deutsches Wörterbuch). Hinzu kommt, dass der Senat bei einer Internet-Recherche mit der angemeldeten Wortzusammensetzung vergleichbare Begriffsbildungen nachweisen konnte. Es lassen sich Begriffe wie "Webphone, webphoning, Web Telephony" belegen, die sowohl Hardware als auch die Möglichkeit des Telephonierens über das Internet betreffen (http://www.microsoft.com/windows2000/library/howitworks/communications/t.../webtel.as;http://www.treenet.ch/bookstore/webphone.htm;http://www.ruebliland.ch/Dossier/a13comqx_13comkurze1000_3.htm). Es liegt für den Verkehr deshalb äußerst nahe, die angemeldete Marke "WebTel" als "über Internet funktionierendes Telephon bzw. Telephonieren" oder als "Internet-Telephon" und damit als Synonym für "Webphone" oder jedenfalls als eine Abkürzung für den existierenden Begriff "Web Telephony" (deutsch: Web-Telephonie, Internet-Telephonie) zu verstehen. Auch solche Wortneubildungen, die Sachverhalte beschreiben, für die es bereits Bezeichnungen gibt, können freihaltungsbedürftig (oder nicht unterscheidungskräftig) sein (vgl BGH GRUR 1970, 416, 418 "Turpo"). Die o.g. Bedeutung drängt sich in Verbindung mit den meisten der beanspruchten Waren und Dienstleistungen geradezu auf. Bei diesen handelt sich um Geräte und hauptsächlich um Dienstleistungen, die mit der Übermittlung von Daten auf elektronischem Wege und über das Internet (die in der Regel über das Telephonnetz erfolgt), in engem sachlichen Zusammenhang stehen können und für die die angemeldete Wortkombination als unmittelbar beschreibende Angabe geeignet ist. Vor allem ist in diesem Zusammenhang an die von Mobilfunkunternehmen immer stärker angebotenen und beworbenen Telephonendgeräte und Zusatzgeräte samt Software sowie die entsprechenden Dienstleistungen (Mehrwertdienste des Telekommunikationsbereichs) zu denken, die es etwa ermöglichen, "mit dem WAP-Handy zu bezahlen" (vgl. Internetsite http://www.wapweb.de/main/news.htm), d. h. das Handy, sofern es die entsprechende technische Ausstattung hat, und die Mobilfunkverbindung sowohl im elektronischen Zahlungsverkehr als auch für das Telephonieren zu verwenden und außerdem Informationen - etwa über Aktienkurse, Nachrichten oder E-Mails - über das Handy zu erhalten sowie Kauforders, Bestellungen, Reservierungen usw. zu tätigen. Schon lange ist es üblich, dass Telephon- und Internetdienstleister elektronische Mailboxen auf ihrem Server zur Verfügung stellen, Nachrichten bereitstellen, Anrufe weiterschalten, Werbung verbreiten etc.. Im übrigen werden die Grenzen zwischen Computern und Telekommunikationsgeräten sowie den Angeboten der Telephon- und der Internetanbieter nicht zuletzt durch das WAP-Handy und ähnliche mobile multifunktionale elektronische Datenverarbeitungs- und Kommunikationsmittel (Notebook als "mobiles Büro", das über Mobiltelephon und Internet Daten austauschen kann) und die Möglichkeit der Internet-Telephonie immer fließender. Indessen liegen solche konkret beschreibenden Zusammenhänge für einige Waren wie das Zubehör von Teilnehmerendgeräten und Drucker oder Dienstleistungen wie "Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern" weniger nahe, so dass man daran zweifeln kann, ob noch eine unmittelbare Beschreibung für solche angemeldeten Waren und Dienstleistungen vorliegt und insofern ein ernsthaftes Freihaltungsbedürfnis jedenfalls zweifelhaft ist. Dies kann hier jedoch dahingestellt bleiben.

2. Der angemeldeten Marke fehlt jedenfalls für sämtliche zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen (mit Ausnahme von "Geschäftsführung") jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Kann einer Wortmarke ein für die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst um einen verständlichen Ausdruck der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, der vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solcher und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so fehlt ihm die Unterscheidungskraft (vgl. BGH WRP 1999, 1169, 1171 "FOR YOU"; WRP 1999, 1167, 1168 "YES"). Dies ist hier der Fall. Wie oben ausgeführt eignet sich die angemeldete Wortkombination als Hinweis auf die Beschaffenheit oder Bestimmung der zurückgewiesenen Waren und der meisten Dienstleistungen. Die angemeldete Marke nimmt damit auf eine konkrete vorteilhafte Eigenschaft aller zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen der angemeldeten Marke in werbeüblicher, leicht verständlicher Form Bezug und wirkt wegen dieses im Vordergrund stehenden sachbezogenen Begriffsinhalts für sämtliche dieser beanspruchten Waren und Dienstleistungen nur als Sachhinweis, nicht als Hinweis auf einen bestimmten Geschäftsbetrieb. Dies gilt auch für die Waren und Dienstleistungen, die nicht unmittelbar und konkret beschrieben werden, weil zu diesen Waren und Dienstleistungen jedenfalls ein enger sachlicher Bezug besteht. So ist das Zubehör zu Telekommunikationsgeräten regelmäßig an diese angepasst und speziell für die Geräte eines bestimmten Typs bestimmt und geeignet. Auch können "Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern" auf die entsprechenden Geräte und Einrichtungen abgestimmt sein.

3. Diesem Ergebnis kann nicht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Beschwerdekammern des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt entgegengehalten werden. Zum einen handelt es sich bei der Marke - anders als bei den zitierten Entscheidungen - um eine für die entscheidungserheblichen Waren und Dienstleistungen klare, unmissverständliche Sachangabe, die keine noch so geringe Unterscheidungskraft besitzt. Solche Marken aber sind auch nach Auffassung des Bundesgerichtshofs und des HABM schutzunfähig, wie etwa auch die Gemeinschaftsmarkenanmeldung "easyTel" (vgl. HABM R338/99-1, 9.12.99, veröffentlicht auf PAVIS CD-ROM Markenentscheidungen, 2000). Zweitens ist die Frage der Schutzfähigkeit nicht anhand von Entscheidungen über Drittzeichen, sondern jeweils im Einzelfall zu beurteilen (vgl. zur ähnlichen Problematik von Paralleleintragungen BGH GRUR 1989, 420, 421 "KSÜD"; BlPMZ 1998, 248 "Today").

4. In Bezug auf die Dienstleistung "Geschäftsführung" kann der Senat an der angemeldeten Wortmarke weder ein Freihaltungsbedürfnis (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) feststellen noch fehlt ihr insoweit jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), denn die Marke stellt insoweit keinen hinreichend konkret und eindeutig beschreibenden Hinweis auf eine hinreichend eng mit der Dienstleistung zusammenhängende Eigenschaft dar. Zwar benötigt ein Unternehmen, das "Webtelephonie" betreibt oder entsprechende Geräte vertreibt, Geschäftsführung. Der Senat konnte jedoch nicht feststellen, dass diese Dienstleistungen speziellen Erfordernissen genügen und besondere Eigenschaften aufweisen müssen, die sie von für andere Zwecke verwendeten Dienstleistungen grundsätzlich unterscheiden und für die eine Beschreibung mit "WebTel" denkbar ist. Die angemeldete Wortkombination weist darum insoweit nicht auf verkehrswesentliche Eigenschaften unmittelbar hin und wird auch nicht als reine Sachangabe verstanden werden.

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Az: 29 W (pat) 1/00


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