Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Juli 2004
Aktenzeichen: 32 W (pat) 356/02

(BPatG: Beschluss v. 28.07.2004, Az.: 32 W (pat) 356/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die am 22. Oktober 1998 angemeldete und am 30. November 1998 für Sammeln/Beschaffen/Versenden juristischer Literatur und veröffentlichter Informationeneingetragene Wortmarke ADVOFAX ist Widerspruch erhoben aus der seit 20. Mai 1985 für Computerunterstützte elektronische Text- und Datenspeicherung und -übermittlung durch den Betrieb von Datenverarbeitungsanlagen, insbesondere von Sprachspeicher- und Bildschirmtextsystemeneingetragenen Wortmarke 1 077 216 Advobox.

Die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in einem Erstbeschluss den Widerspruch mangels Glaubhaftmachung der bestrittenen Benutzung der Widerspruchsmarke zurückgewiesen. Auf Erinnerung wurde dieser Beschluss aufgehoben und die angegriffene Marke wegen Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchsmarke gelöscht. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die sich gegenüberstehenden Dienstleistungen recht beachtlich ähnlich seien. Bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke seien die Marken zu ähnlich, um Verwechslungen auszuschließen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie erhält ihre Nichtbenutzungseinrede aufrecht und ist daneben der Auffassung, dass keine Verwechslungsgefahr bestehe. Sie hält die Dienstleistungen nicht für ähnlich. Hierzu könne bereits die unterschiedliche Klasseneinteilung als Indiz herangezogen werden. Es gehe bei der Dienstleistung der angegriffenen Marke "Sammeln/Beschaffen/Versenden juristischer Literatur und veröffentlichter Informationen" gerade nicht um die für die Klasse 42 typische Unterhaltung einer Datenbank, sondern um einen Dokumentenlieferdienst, bei dem ein bestelltes Dokument in der Bibliothek beschafft und mit Fax zugeschickt werde. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die Marken nicht ähnlich seien. Die Silbe "Advo-" sei kennzeichnungsschwach, wie sich aus einer Vielzahl von "Advo-"Marken, die im entsprechenden Dienstleistungsgebiet benutzt werden, ergebe. Die übrigen Markenbestandteile "-fax" und "box" seien im Gesamteindruck deshalb deutlich unterschiedlich. Dies gelte sowohl in schriftbildlicher, als auch in klanglicher Hinsicht. Des weiteren sei zu berücksichtigen, dass die Verwechslungsgefahr durch den unterschiedlichen Sinngehalt von "fax" und "box" ausgeschlossen werde. Hinzu komme, dass die angesprochenen Verkehrskreise ein juristisch gebildetes Fachpublikum sei, das regelmäßig gewohnt sei, sorgfältig zu prüfen und auch kleinste Unterschiede bei Marken zu beachten.

Die Markeninhaberin beantragt, den Erinnerungsbeschluss der Markenstelle für Klasse 41 aufzuheben unddie Beschwerdegebühr zurückzubezahlen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie legt weitere Benutzungsunterlagen vor und bezieht sich zur Verwechslungsgefahr auf die Argumentation der Markenstelle.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg; die angegriffene Marke ist wegen Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchsmarke zu löschen.

Nach § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn und soweit wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Dienstleistungen, sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke (st. Rspr., vgl BGH GRUR 2002, 626, 627 - IMS).

1. Dienstleistungsähnlichkeit Ist die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten, so dürfen bei der Entscheidung nur diejenigen Dienstleistungen berücksichtigt werden, für die die Benutzung glaubhaft gemacht worden ist (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG). Die Markeninhaberin hat die Benutzung der Widerspruchsmarke zuletzt mit Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 4. Oktober 2002 bestritten. Ist Widerspruch erhoben, hat die Widersprechende glaubhaft zu machen, dass sie innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Eintragung der Marke, gegen die sich der Widerspruch richtet, gemäß § 26 benutzt worden ist. Die angegriffene Marke wurde am 7. Januar 1999 veröffentlicht. Da die Widerspruchsmarke bereits seit 1985 eingetragen ist reicht der Benutzungszeitraum des § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG vom 7. Januar 1994 bis zum 7. Januar 1999.

Gleichzeitig endet ein Zeitraum von fünf Jahren am Tag der Entscheidung über den Widerspruch in der Beschwerde, so dass sich ein weiterer Benutzungszeitraum von 1999 bis 2004 gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG ergibt. Mit eidesstattlicher Versicherung des Geschäftsführers der Widersprechenden in Verbindung mit den mit Schriftsatz vom 21. August 2003 und mit Schriftsatz vom 25. Januar 2001 eingereichten Anlagen ist glaubhaft gemacht, dass die Marke "Advobox" zur Kennzeichnung eines Internetinformationsangebots für Anwälte, Rechts- und Patentabteilungen verwendet wird. Es handelt sich dabei, um eine "computerunterstützte elektronische Text- und Datenspeicherung durch den Betrieb von Datenverarbeitungsanlagen" im Sinne des Dienstleistungsverzeichnisses der Widerspruchsmarke. Damit stehen sich diese Dienstleistungen und die von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen des Sammelns, Beschaffens, Versendens juristischer Literatur und veröffentlichte Informationen gegenüber. Diese Dienstleistungen sind zwar nicht identisch, sie sind jedoch als durchschnittlich ähnlich einzustufen. Dienstleistungen sind dann als ähnlich anzusehen, wenn sie unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie mit identischen Marken gekennzeichnet sind. Beteiligte Verkehrskreise sind hier Rechts- und Patentanwälte sowie Patent- und Rechtsabteilungen, so dass auf deren Auffassungen abzustellen ist. Das Verhältnis beider Dienstleistungen zueinander kennzeichnet, dass es sich um juristische Informationssysteme im weiteren Sinne handelt. Auf seiten der angegriffenen Marke erfolgt dies durch Übersenden von Informationen, auf seiten der Widerspruchsmarke handelt es sich um eine Datenbank, auf die zugegriffen werden kann. Die gemeinsame Einordnung als Informationsdienst ist so erheblich, dass von einer starken Beziehung zwischen dem sich gegenüberstehenden Dienstleistungen auszugehen ist, weshalb eine durchschnittliche Dienstleistungsähnlichkeit gegeben ist.

2. Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist durchschnittlich. Weder erlaubt die von der Widersprechenden vorgetragene Anzahl der Zugriffe auf ihr Internetinformationsangebot die Annahme einer erhöhten Kennzeichnungskraft, noch ist die Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit beschreibend oder durch die Benutzung ähnlicher Drittmarken geschwächt. "Advobox" ist eine selbständige Wortschöpfung. Die Vorsilbe "Advo" ist - wie der Markeninhaberin zuzugeben ist - sehr schwach, weil sie an die veraltete Form "Advokat" für "Rechtsanwalt" angelehnt ist und damit für rechtsberatende Dienstleistungen im weitestens Sinne einen beschreibenden Anklang enthält. Dem entsprechend findet sie auch in vielen Drittkennzeichen Verwendung. Die Zusammenfügung mit dem Markenbestandteil "box" führt zu einem neuen eigenständigen Markenbegriff. Dieser ist nicht auf den ersten Blick erkennbar beschreibend, da "box" - soweit feststellbar - für ein Datenbankangebot eine ungebräuchliche Bezeichnung darstellt.

3. Markenähnlichkeit Die sich gegenüberstehenden Marken sind durchschnittlich ähnlich. Sie stimmen in den ersten zwei von drei Silben überein, haben die identische Länge und denselben übereinstimmenden auffälligen Schlußvokal "x". Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin kann der identische Markenteil "Advo-" beim Vergleich der Marken nicht unberücksichtigt bleiben. Es entspricht insbesondere der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass ein übereinstimmender beschreibender Bestandteil, der trotz seines beschreibenden Charakters zum Gesamteindruck sich gegenüberstehender Wortzeichen beiträgt, bei einer Bestimmung der Ähnlichkeit der Zeichen zu berücksichtigen ist (vgl. BGH Urteil vom 6. Mai 2004 - I ZR 223/01 - Neuro-Fibolex/Neuro-Fibraflex). Bei der Feststellung des klanglichen Gesamteindrucks ist der Erfahrungssatz zu beachten, dass der Verkehr Wortanfänge stärker beachtet, als die folgenden Markenbestandteile. Dies ist zwar im vorliegenden Fall nicht als allein entscheidend anzusehen, da der beschreibende Inhalt von "Advo-" das Gewicht des Markenanfangs herabsetzt. Die unterschiedlichen Buchstaben "fa" und "bo" führen jedoch trotzdem zu keiner ganz entfernten Ähnlichkeit oder gar Unähnlichkeit der Marken, da es angesichts der gleichen Silbenzahl, der Silbengliederung und Länge sowie der Betonung der beiden Zeichen bei so vielen Gemeinsamkeiten bleibt, dass von einer durchschnittlichen Ähnlichkeit der Marken auszugehen ist.

Bei durchschnittlicher Dienstleistungsähnlichkeit, Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und durchschnittlicher Markenähnlichkeit kann die Gefahr von Verwechslungen nicht ausgeschlossen werden.

4. Für eine Auferlegung von Kosten (§ 71 Abs. 1 MarkenG) besteht kein Anlass, genauso wenig wie für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 MarkenG). Ein Abweichen von der Regel, dass ein Beschwerdeführer die erfolgsunabhängige Beschwerdegebühr zu bezahlen hat, setzt Billigkeitserwägungen voraus. So ist eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitserwägungen unter anderem für den Fall anerkannt, dass der Markenstelle bei der Anwendung des materiellen Rechts grobe Fehler unterlaufen sind, mit der Folge, dass für die Entscheidung schlechthin unvertretbare Erwägungen maßgebend waren. Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall. Die Markenstelle hat vielmehr die von der Rechtsprechung aufgestellten Faktoren ausreichend und zutreffend geprüft.

Winkler Viereck Sekretaruk Pü






BPatG:
Beschluss v. 28.07.2004
Az: 32 W (pat) 356/02


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