Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Januar 2005
Aktenzeichen: 33 W (pat) 53/04

(BPatG: Beschluss v. 11.01.2005, Az.: 33 W (pat) 53/04)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat mit seinem Beschluss vom 11. Januar 2005, Aktenzeichen 33 W (pat) 53/04, die Beschwerde der Anmelderin gegen den Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 vom 8. Dezember 2003 aufgehoben.

In der Entscheidung ging es um die Anmeldung der Wortmarke "Freestyle" beim Deutschen Patent- und Markenamt für Dienstleistungen der Klasse 36, wie Versicherungswesen, Finanzwesen, Bank- und Geldgeschäfte, Immobilienwesen, Immobilienfinanzierung und Dienstleistungen einer Bausparkasse.

Die Markenstelle hatte die Anmeldung zurückgewiesen, da die angemeldete Marke ihrer Ansicht nach keine Unterscheidungskraft besitzt. Der Begriff "Freestyle" sei ein Werbewort, das eine flexible Ausgestaltung der angebotenen Produkte beschreibt. Es handele sich um einen aus dem Sport- und Wettkampfbereich stammenden Begriff, der eine Begriffserweiterung erfahren habe und nun für praktisch alle Bereiche des Lebens verwendet werde. Die Markenstelle verwies dabei auf Internetrecherchen, die dies belegten. Nach Ansicht der Markenstelle drückt die angemeldete Marke aus, dass die Bedingungen für die beanspruchten Dienstleistungen frei wählbar sind.

Die Anmelderin legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein und argumentierte, dass der Marke im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen unterschiedliche Bedeutungen zukommen können. Sie könne als freier unkonventioneller Stil im Umgang mit Kunden, als freier Zuschnitt auf die Kundenbedürfnisse und freie Auswahl der Angebote, als Ausdruck eines modernen Zeitgeists oder als Hinweis auf die Einbeziehung moderner Medien wie Onlinebanking verstanden werden. Die Anmelderin war der Ansicht, dass die angemeldete Marke über ausreichende Eigenprägung verfügt und somit Unterscheidungskraft besitzt.

Das Bundespatentgericht kam zu dem Schluss, dass der angemeldeten Marke weder jegliche Unterscheidungskraft noch eine freihaltebedürftige beschreibende Angabe abgesprochen werden kann. Zwar habe der Begriff "Freestyle" eine Begriffserweiterung erfahren und werde in verschiedenen Sportarten und Veranstaltungen verwendet. Jedoch konnten keine Beispiele für eine eindeutig beschreibende Verwendung im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen ermittelt werden. Der Begriff ist zu diffus und vage, um ohne weitere Erläuterungen eine bestimmte Sachaussage über die Dienstleistungen zu vermitteln. Die angemeldete Marke erfüllt somit die Hauptfunktion einer Marke, nämlich die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Dienstleistungen zu gewährleisten.

Zudem konnte das Gericht keine ausreichenden konkreten Anhaltspunkte feststellen, dass die Bezeichnung "Freestyle" derzeit im Verkehr zur Beschreibung von Eigenschaften oder Merkmalen der angemeldeten Dienstleistungen dient oder künftig dienen kann. Daher steht der Eintragung der Marke nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nichts entgegen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 11.01.2005, Az: 33 W (pat) 53/04


Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 vom 8. Dezember 2003 aufgehoben.

Gründe

I Die am 28. Januar 2003 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldete Bezeichnung Freestylesoll für die Dienstleistungen der Klasse 36

"Versicherungswesen; Finanzwesen; Bank- und Geldgeschäfte; Immobilienwesen, Immobilienfinanzierung; Dienstleistungen einer Bausparkasse"

als Wortmarke in das Register eingetragen werden.

Die Markenstelle der Klasse 36 hat die Anmeldung mit Beschluss vom 8. Dezember 2003 zurückgewiesen. Der angemeldeten Marke fehle jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, weil es sich bei "Freestyle" um ein Werbewort zur Bezeichnung einer flexiblen Ausgestaltung der angebotenen Produkte handle. Der ursprünglich aus dem Sport- und Wettkampfbereich stammende Begriff habe im Laufe der Zeit eine Begriffserweiterung erfahren, mit der zunächst auch eine Moderichtung beschrieben wurde. Inzwischen habe eine Übertragung auf praktisch alle Bereiche des Lebens stattgefunden. Hierzu hat die Markenstelle auf die Ergebnisse von Internetrecherchen verwiesen, die dem Beschluss bzw. dem Beanstandungsbescheid beigefügt worden waren. Mit "Freestyle" werde nunmehr eine "Ausrichtung ohne bestimmte vorgeschriebene äußere Formen" beschrieben. In Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen bringe das angemeldete Zeichen damit zum Ausdruck, dass die Bedingungen, zu denen sie abgeschlossen werden, frei wählbar seien.

Die Anmelderin hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt und beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Zur Begründung trägt sie vor, der angegriffenen Marke könne im Hinblick auf die im einzelnen angegebene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Das Begriffsverständnis von "Freestyle" könne in Bezug auf die in Frage stehenden Dienstleistungen unterschiedliche Bedeutungen haben und sowohl als freierer unkonventioneller Stil im Umgang mit Kunden, als freier Zuschnitt auf die Kundenbedürfnisse und freie Auswahl der Angebote, als Ausdruck eines modernen Zeitgeists oder als Hinweis auf die Einbeziehung moderner Medien wie Onlinebanking verstanden werden. Die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten in Verbindung mit den Dienstleistungen der Anmeldung belegten offensichtlich die Mehrdeutigkeit des angemeldeten Zeichens. Der Bedeutungsgehalt sei jedenfalls zu unscharf, um einen eindeutig beschreibenden Inhalt erkennen zu lassen. Aus der Sicht der einschlägigen Verkehrskreise verfüge das Zeichen "Freestyle" in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen über eine ausreichende Eigenprägung, so dass nicht von einer fehlenden Unterscheidungskraft ausgegangen werden könne. Auch handele es sich bei dem Wort "Freestyle" im Bereich der angemeldeten Dienstleistungen nicht um einen Fachbegriff, der zur unmittelbaren Beschreibung dieser Leistungen benötigt werde und deshalb freigehalten werden müsste.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Der angemeldeten Marke fehlt weder jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs 2 Nr. 1 MarkenG noch ist sie als freihaltebedürftige beschreibende Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung in das Markenregister ausgeschlossen.

1. Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Denn Hauptfunktion der Marke ist es, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Dabei nimmt der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in der Regel so auf, wie es ihm entgegentritt und unterzieht es keiner analysierenden Betrachtungsweise. Jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht demnach aus, um das Schutzhindernis zu überwinden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs fehlt einer Wortmarke jegliche Unterscheidungskraft, wenn sie einen im Vordergrund stehenden Begriffsinhalt aufweist, mit dem die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen bzw. deren Merkmale beschrieben werden können oder wenn die angemeldete Marke mit Blick auf das den absoluten Schutzhindernissen zugrunde liegende Allgemeininteresse der freien Verfügbarkeit aus sonstigen Gründen nicht entzogen werden soll, etwa weil es sich um ein gebräuchliches Wort handelt, das vom Verkehr stets nur in seinem Wortsinn bzw. als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (st.Rspr. vgl. zuletzt BGH, Beschl. v. 12. August 2004 - I ZB 19/01 - Stabtaschenlampe "MAGLITE" m.w.N. sowie GRUR 2003, 1050 - Cityservice und GRUR 2002, 64 - INDIVIDUELLE; EuGH GRUR Int 2003, 641 (Rdn 52) - Libertel; MarkenG 2004, 99, 108 (Rdn 86) - KPN/Postkantoor).

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann der angemeldeten Marke nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

Die Markenstelle hat zwar zutreffend festgestellt, dass das Wort "Freestyle" über die ursprünglichen Sportbereiche des Schwimmens und des Ringens hinaus (vgl. z.B. PONS Collins Großwörterbuch Deutsch/Englisch 1997, 1161) eine Begriffserweiterung in Bezug auf andere Sportarten wie Skifahren, Snowboarden und Wasserskisprung und auf Hundewettbewerbe sowie Tanz- und Musikveranstaltungen erfahren hat. Auch kann davon ausgegangen werden, dass die Bezeichnung "Freestyle" von den angesprochenen inländischen Kreisen im Sinne von "Freistil, Kür, freie Improvisation" verstanden wird. Allerdings betreffen die Gebiete, auf denen "Freestyle" nach den Recherchen des Senats beschreibend und nicht als Produktkennzeichnung verwendet wird, sportliche oder musikalische Veranstaltungen, bei denen der Eventcharakter oder der Gesichtspunkt des Wettbewerbs im Vordergrund steht (wie z.B. www.freestyle.ch the event portal. Biggest freestyle event in europe. The world best snowboard, skateboard, bmx, fmx and freeski riders flying high; www.frisbee.com The Freestyle Frisbee Page - Instructional Tips, Animations and Tournament News covering the exciting new sport of Freestyle Frisbee; www.caninefreestyle.org. A not to be missed freestyle event (Hundesport); www.freestylesession.com; www.freestylekayaker.com - The World Championships 2001; www.dogplay.com/musical.html - Musical Freestyle - New Sport for Dogs; www.fisski.com/freestyle. Freestyle. Latest Results; www.swissski.ch. Freestyle. News.Events ... Leistungssport; www.svl.ch/crawl/freestyle.html - Swimming technique: Learn the more efficient freestyle swimming technique. Schwimmtechnik: Lerne effizient Crawl zu schwimmen; www.laze.net/papers/freestyle.s.html - Freestyle as a Structured Part of Hip-Hop Culture; www. alphamusic.de - Greatest Freestyle Hits; Rapper Battles).

Dagegen konnten auf den Dienstleistungsgebieten der Anmeldung keine Beispiele für eine eindeutig beschreibende Verwendung ermittelt werden. Ein unmittelbar beschreibender Begriffsinhalt ist für den angesprochenen Verkehr jedenfalls in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen mit der Bezeichnung "Freestyle" auch nicht naheliegend. Denn die Gebiete des Versicherungs-, Finanz-, Bank-, Immobilien- und Bausparwesens werden zwar vom Wettbewerb, nicht aber durch sportlichen Wettkampf oder neue Sportartstile geprägt. Aber auch soweit mit "Freestyle" das von Regeln Befreite, Legere und Trendige zum Ausdruck gebracht werden soll (vgl. z.B. Urban Freestyle Soccer ... Kicken ohne Regeln - www.salzburg.com/jugend/spiele02/sony/urban.html; Aerobicfreestyle: Cardiotraining ohne Choreographie - www.hochschulsport.unibonn.de/aerfree.htm; Moussaka Freestyle: Rezept - eigene Kreation; Gesundheit: Freestyle-Tour; Das Freestyle-Magazin - cool, trendy und informativ), ist der Aussagegehalt zu diffus und vage, um dem Verkehr ohne weiteres als reine Sachaussage über bestimmte Eigenschaften oder Vorzüge der angemeldeten Dienstleistungen zu dienen. Es wären zusätzliche Gedankenschritte, Überlegungen und Erläuterungen erforderlich, um der angemeldeten Bezeichnung für diese eine eindeutig beschreibende Bedeutung beizumessen. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch an den Recherchebeispielen, die die Markenstelle herangezogen hat. Sie treten dem angesprochenen breiten Publikum als kennzeichnende Angebotsvariante entgegen und/oder bedürfen der ausdrücklichen Erklärung bzw. weiterer Erläuterungen (www.sparkasseschongau.de/youngsster/con/geld/p_giro_freestyle.htm: youngster/geld/giro freestyle. Je früher, umso besser, Giro freestyle, Girokonto mit 1,50% Guthabenzinsen; www.spkgoettingen.de/privatkunden: Onlinebanking Freestyle für Ihre Kontoführung ... Sie benötigen ein für Onlinebanking freigeschaltetes Girokonto bei der Sparkasse Göttingen; (Computerprogramm) Freestyle: Ist das gewählt, kann der Anwender selbst entscheiden, welche Funktion in welcher Reihenfolge auftauchen soll, z.B. zuerst ein Text, dann eine Grafik etc.; Freestyle Cruising heißt das innovative Konzept für Ihre Kreuzfahrt ohne Grenzen und festen Zeitplan. Essen Sie wann, wo und mit wem Sie möchten. Freestyle Dining ... speisen in legerer Kleidung oder Gala. Sie allein entscheiden ... - www.travelinfo.de/kreuzfahrten.asp€ SchiffsID=146; s.a. ARS Electronica Prix. Was ist "u 19-freestyle computing€"... Bei der Verwendung der Tools gibt es keine Beschränkung - freestyle computing eben - www.aec.at/de/rpix/u 19/index.asp).

Die Übertragung des Begriffs "Freestyle" auf die beanspruchten Dienstleistungen ist auch deshalb als hinreichend eigenartig anzusehen, weil die Bezeichnung bei den hier betroffenen, von gesetzlichen Vorschriften und sonstigen Bestimmungen geregelten Dienstleistungsgebieten nur diffuse, unbestimmte Vorstellungen und Anklänge hervorzurufen vermag. Die angemeldete Bezeichnung ist daher geeignet, die Hauptfunktion einer Marke zu erfüllen, nämlich die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Dienstleistungen zu gewährleisten und vom Verkehr nicht lediglich als Sachbezeichnung aufgefasst zu werden.

2. Der angemeldeten Marke steht auch nicht das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen, nachdem keine ausreichenden konkreten Anhaltspunkte festgestellt werden konnten, dass die Bezeichnung "Freestyle" derzeit im Verkehr zur Beschreibung von Eigenschaften oder Merkmalen der angemeldeten Dienstleistungen dient oder künftig dienen kann.

Winkler Kätker Pagenberg Cl






BPatG:
Beschluss v. 11.01.2005
Az: 33 W (pat) 53/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/ea31867c3126/BPatG_Beschluss_vom_11-Januar-2005_Az_33-W-pat-53-04




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