Kammergericht:
Beschluss vom 7. März 2006
Aktenzeichen: 9 W 45/05

(KG: Beschluss v. 07.03.2006, Az.: 9 W 45/05)

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschlussdes Landgerichts Berlin vom 30. Dezember 2004 - 27 O 658/04 - wirdauf ihre Kosten nach einem Beschwerdewert von 2.000,00 EURzurückgewiesen.

Gründe

I.

Wegen eines am 6. August 2004 in einer von der Antragsgegnerin verlegten Tageszeitung erschienenen Artikels, der sich unter anderem mit dem Antragsteller befasste, mahnte dieser durch zwei Anwaltsschreiben vom 11. August 2004 unter der Adresse der Antragsgegnerin sowohl diese als auch den Autor des Artikels ab. Er erwirkte alsdann vor dem Landgericht Berlin gegen die Antragsgegnerin am 12. August 2004 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine Unterlassungsverfügung. Nachdem er die Privatanschrift des Autors in Erfahrung gebracht hatte, erwirkte der Antragsteller gegen ihn vor dem Landgericht Berlin (27 O 667/04) am 17. August 2004 eine weitere nahezu gleichlautende einstweilige Verfügung.

Mit Anwaltsschreiben vom 31. August 2004 und 4. Oktober 2004 gaben die Antragsgegnerin und der Autor hinsichtlich der beanstandeten Äußerungen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Mit dem Anwaltsschreiben vom 4. Oktober 2004 lehnten sie jedoch die Erstattung der Abmahnkosten des Antragstellers ab und verlangten von ihm, den Verzicht auf den Titel aus der einstweiligen Verfügung zu erklären. Mit Anwaltsschreiben vom 19. Oktober 2004 teilte der Antragsteller mit, dass er auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung nicht verzichte, da deren Inhalt auch die Kostenüberbürdung sei und dass nach Abgabe der Unterlassungserklärung und des Abschlusses eines Unterlassungsverpflichtungsvertrages nunmehr weitergehende Ansprüche aus dem Titel nicht abgeleitet würden.

Nach Einlegung des Widerspruchs gegen die einstweilige Verfügung vom 12. August 2004 durch die Antragsgegnerin haben die Parteien das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Kosten des Verfahrens hat das Landgericht gemäß § 91 a ZPO der Antragsgegnerin auferlegt.

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der sofortigen Beschwerde. Die Unzulässigkeit der Berichterstattung vom 6. August 2004 ist zwar außer Streit. Sie meint jedoch, der Antragsteller habe die Kosten des Verfahrens zu tragen, da die einstweilige Verfügung wegen Rechtsmissbräuchlichkeit nicht habe ergehen dürfen. Der Antragsteller habe die Abmahnungen und Verfahren gegen sie und den Autor des Artikels auf Passivseite ohne sachlichen Grund in zwei verschiedene Verfahren getrennt und dadurch die Kostenbelastung für sie gegenüber einem einheitlichen Verfahren um fast 100 % verteuert, da sie den Autor von den Kosten aus arbeitsrechtlichen Gründen freistellen müsse. Unabhängig davon seien ihr jedenfalls die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu Unrecht auferlegt worden.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 91 a Abs. 2 S.1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO), aber unbegründet.

1. Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung zu Recht erlassen. Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs war nicht rechtsmissbräuchlich.

7Die Antragsgegnerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass es im Rahmen des wettbewerbsrechtlichen Missbrauchsverbots des § 8 Abs. 4 UWG anerkannt ist, dass eine gesonderte Inanspruchnahme verschiedener Schuldner in verschiedenen Verfahren rechtsmissbräuchlich sein kann (vgl. dazu BGH WRP 2000, 1263/1265 - Neu in Bielefeld I).

8Diese Rechtsprechung ist jedoch schon deshalb nicht auf die Unterlassung persönlichkeitsrechtsverletzender Veröffentlichungen von Presseerzeugnissen übertragbar, weil es in diesem Bereich an einer dem § 8 Abs. 4 UWG vergleichbaren gesetzlichen Regelung fehlt.

9Entgegen der sofortigen Beschwerde kann die Entscheidungspraxis zu § 8 Abs. 4 UWG auch nicht ohne weiteres über § 242 BGB auf Ansprüche wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Presseorgane übertragen werden. Der Grund für die Bejahung des Missbrauchstatbestandes in bestimmten Fällen der subjektiven Klagehäufung auf Passivseite liegt sehr wohl in wettbewerbsrechtlichen Besonderheiten. Dadurch soll insbesondere verhindert werden, dass klagende Gläubiger neben ihrem Interesse an einer Untersagung des Wettbewerbsverstoßes die Absicht verfolgen können, den Schuldner durch eine - der Sache nach unnötige - Belastung mit Kosten und Gebühren zu schädigen und ihn dadurch im Wettbewerb zu behindern (vgl. BGH a. a. O.). Maßgeblich war für die im UWG angelegte einschneidende Begrenzung der Gläubigerbefugnisse nicht allein der Schutz des Schuldners, sondern vor allem auch die Erwägung, dass die extensive Mehrfachverfolgung das System des deutschen Wettbewerbsrechts zu sprengen droht, wonach die auch im allgemeinen Interesse liegende Durchsetzung der wettbewerbsrechtlichen Normen einer Vielzahl von Anspruchsberechtigten anvertraut ist (vgl. BGH NJW 2002, 1494/1495 - Missbräuchliche Mehrfachabmahnung).

Demgegenüber stehen Antragsteller und Antragsgegnerin nicht in einem Wettbewerbsverhältnis. Im Bereich des Schutzes des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann es auch keinen Rechtsmissbrauch wie im Markenrecht geben. Deshalb ist der Hinweis der Antragsgegnerin u.a. auf die Entscheidung des OLG Stuttgart (GRUR-RR 2002, 381) verfehlt; abgesehen davon hält das OLG Stuttgart sogar für die Verletzung eines Markenrechts die Annahme eines Rechtsmissbrauchs durch die Inanspruchnahme einer Vielzahl von Verletzern nur in Ausnahmefällen für denkbar.

Ein eigenes Interesse des Antragstellers, die Antragsgegnerin durch eine möglichst hohe Belastung mit Kosten und Gebühren zu schädigen (vgl. dazu auch BGH NJW 2001, 371/374), lässt sich auch sonst nicht feststellen. Ob vorliegend ein anwaltliches Gebühreninteresse an einer gesonderten Rechtsverfolgung im Vordergrund stand oder ob, wie der Antragsteller plausibel geltend macht, sachliche Gründe dafür sprachen, kann dahinstehen. Es entspräche jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem keinerlei Anhaltspunkte für einen sonstigen Rechtsmissbrauch bestehen, nicht billigem Ermessen, wenn ein Gebühreninteresse seines Verfahrensbevollmächtigten zu Lasten des Antragstellers ginge.

2. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens hat das Landgericht ebenfalls zu Recht der Antragsgegnerin auferlegt; auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses wird Bezug genommen. Die Beschwerdebegründung rechtfertigt kein anderes Ergebnis.

Aus dem Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers an die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 19. Oktober 2004 ergibt sich hinreichend deutlich, dass der Antragsteller auf den materiell-rechtlichen Teil des Titels verzichtet und er lediglich wegen des Kostentenors nicht auf den ganzen Titel verzichten wollte. Zu dieser Vorgehensweise hatte er Anlass, weil Antragsgegnerin und Autor offensichtlich keine seiner Kosten tragen wollten. Schließlich hat die Antragsgegnerin den Widerspruch nicht - wie es möglich gewesen wäre - auf die Kostenentscheidung beschränkt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.






KG:
Beschluss v. 07.03.2006
Az: 9 W 45/05


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