Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. April 2007
Aktenzeichen: 29 W (pat) 272/03

(BPatG: Beschluss v. 19.04.2007, Az.: 29 W (pat) 272/03)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden gegen den Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die farbige Wort-Bildmarke 301 38 304 Grafik der Marke 30138304.9 wurde am 5. September 2001 in den Farben Blau und Gelb für die Waren und Dienstleistungen "Datenverarbeitungsgeräte, Computer; Telekommunikation; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" der Klassen 9, 38 und 42 eingetragen.

Dagegen wurde unbeschränkt Widerspruch erhoben aus der am 19. Oktober 1999 für die Waren und Dienstleistungen

"Computer, Datenverarbeitungs- und Rechengeräte; Apparate zur Verwendung mit den vorstehend genannten Computern oder Rechengeräten; Material zur Datenspeicherung und Datenpräsentation; Teile und Zusatzteile für alle vorstehend genannten Waren; Computer-Software; nicht in Bezug auf medizinische Informationen und/oder die pharmazeutische Industrie; Handbücher sowie Lehr- und Unterrichtsmaterialien, andere als Apparate; Material zur Datenspeicherung und Datenpräsentation; alle vorstehend genannten Waren zur Verwendung im Zusammenhang mit Computersoftware und Finanzsystemen; nicht in Bezug auf medizinische Informationen und/oder die pharmazeutische Industrie; Geschäftsführung und Unternehmensberatung; Zusammenstellung und Bereitstellung von Geschäftsinformationen; Informationsvertrieb und -management; ausgenommen alle Dienstleistungen in Bezug auf Import, Export und Repräsentation; nicht in Bezug auf medizinische Informationen und/oder die pharmazeutische Industrie; Zusammenstellung und Bereitstellung von Finanzinformationen; Vertrieb und Management von Finanzinformationen: Finanz- und Bankberatungsdienste; Erstellung von Finanzberichten; Anlagenmanagement; computergestützte Dienste im Bankwesen, Handel, Wertpapierhandel, in Versicherungen, Kapitalanlagen und anderen Finanzleistungen; Börsenkursnotierungen; nicht in Bezug auf medizinische Informationen und/oder die pharmazeutische Industrie; Kommunikation mittels Computer; Bereitstellung von Informationen in Bezug auf Telekommunikation; Vertrieb und Verwaltung von Informationen über Telekommunikation; Anfertigung von Berichten im Zusammenhang mit Telekommunikation und Kommunikation zwischen Computern; nicht in Bezug auf medizinische Informationen und/oder die pharmazeutische Industrie; Veröffentlichung von Texten, Büchern und Druckereierzeugnissen; Ausbildung und Unterricht in Bezug auf Computer, Computeranwendungen und Bürotechnologie; Bereitstellung von Ausbildungseinrichtungen für Computer und Computeranwendungen; Veranstaltung und Durchführung von Seminaren für Computer und Computeranwendungen; Bildungsdienstleistungen im Zusammenhang mit Bankwesen, Handel, Rechnungswesen, Rechnungsprüfung und Finanzwirtschaft; nicht in Bezug auf medizinische Informationen und/oder die pharmazeutische Industrie; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Design und Entwicklung von Computersoftware; Vermietung von Zugriffszeit auf eine Computerdatenbank; Analyse von Computersystemen und Beratung; Bereitstellung einer Telephon-Hotline; technische und Computerberatungen; Vermietung von Computern und Software; Vernetzung von Computern; Installation, Pflege und Support von Computersoftware; Projektmanagement; Informationsvertrieb und -management; nicht in Bezug auf medizinische Informationen und/oder die pharmazeutische Industrie"

der Klassen 9, 16, 35, 36, 38, 41 und 42 eingetragenen Gemeinschaftswortmarke 108 902 MIDAS.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 17. Oktober 2003 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass trotz der Identität der sich gegenüberstehenden IT- und TK-spezifischen Waren und Dienstleistungen und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke keine Verwechslungsgefahr bestehe. Nach dem Gesamteindruck bestünden zwischen der angegriffenen farbigen Mehrwort-Bildmarke und der Widerspruchsmarke, die nur aus einem Wort bestehe, durch den Wort- und den Bildbestandteil der jüngeren Marke in jeder markenrechtlich relevanten Hinsicht ausreichende Unterschiede. Es sei zwar davon auszugehen, dass sich die angesprochenen Verkehrskreise nach dem Grundsatz "Wort vor Bild" unter Vernachlässigung der glatt beschreibenden Sachaussage "Computer" am Wortbestandteil "MiDRAX" der jüngeren Marke orientieren werden. Aber auch bei einem Aufeinandertreffen von "MiDRAX" und "MIDAS" sei der erforderliche Abstand gewahrt. Aufgrund der Konsonantenunterschiede sowohl in der Wortmitte als auch am Wortende unterschieden sich die jeweils nur zweisilbigen Vergleichswörter hinreichend deutlich. Das "R" in der Wortmitte von "MiDRAX" sorge für eine Silbenzäsur, das "X" bzw. das "S" an den Wortenden seien in Anbetracht der jeweiligen Wortkürze derart klangauffällig, dass auch im flüchtigen Geschäftsverkehr nicht ernstlich mit der Gefahr des Verhörens gerechnet werden müsse. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Zeichen höherpreisige Waren und Dienstleistungen beträfen, die in der Regel von fachkundigen Abnehmern erworben würden, die den Marken mit größerer Aufmerksamkeit und Sorgfalt begegneten. Aufgrund der grafischen Gestaltung der jüngeren Marke scheide eine (schrift-)bildliche Verwechslungsgefahr aus. Ebenso bestehe keine begriffliche oder mittelbare Verwechslungsgefahr.

Gegen diese Zurückweisung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Auffassung, dass Verwechslungsgefahr bestehe. Es müsse berücksichtigt werden, dass die angegriffene Marke zwar farbig eingetragen sei, aber im Verkehr aus den verschiedensten Gründen auch schwarzweiß wiedergegeben werden könne. In diesem Falle erscheine sie aus einer normalen Leseentfernung betrachtet als "MIDAX Computer", da der Buchstabe "R" aufgrund seiner Farbgebung nahezu verschwinde, ebenso bei einer farbigen Wiedergabe auf einem leicht gelblichen Hintergrund. Schließlich sei es auch bei korrekter Wiedergabe naheliegend, die in gleicher Farbe ausgeführten Namen als zusammenhängendes Wort zu erkennen, so dass wiederum "MIDAX Computer" gelesen würde. Nachdem "Computer" ausschließlich warenbeschreibenden Charakter habe und das Wort "MIDAX" durch Größe und grafische Gestaltung deutlich hervortrete, stünden sich die Zeichenworte "MIDAX" und "MIDAS" gegenüber, die sich lediglich in dem vom Verkehr wenig beachteten letzten Buchstaben minimal unterschieden. "... daks" und "... das" seien kaum auseinanderzuhalten. Außerdem stelle die in gelber Farbe gehaltene Grafik keineswegs wirklich den Buchstand "R" dar, sondern lediglich einen Teil eines solchen Buchstaben, der wegen seiner anderen Farbgebung auch als anderweitiges grafisches Element erkannt werden könne.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 vom 17. Oktober 2003 aufzuheben und die Löschung der Marke 301 38 304 anzuordnen.

Der Markeninhaber hat sich im Beschwerdeverfahren weder geäußert noch Anträge gestellt und auch nicht an der mündlichen Verhandlung teilgenommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, Die Markenstelle hat den Widerspruch zu Recht zurückgewiesen (§§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 43 Abs. 2 S. 2 MarkenG). Die Gefahr, dass die einander gegenüberstehenden Marken i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG miteinander verwechselt werden, besteht unter keinem Gesichtspunkt.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und der Identität oder Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; EuGH GRUR 1998, 387 - Sabèl/Puma; GRUR Int. 1998, 875, 876 f. - Canon; BGH GRUR 2004, 598, 599 - Kleiner Feigling; GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder; GRUR 2006, 60 ff. - Rn. 12 - coccodrillo; GRUR 2006, 859 ff. - Rn. 16 - Malteserkreuz).

1. Benutzungsfragen spielen im vorliegenden Verfahren keine Rolle, so dass für die Frage der Identität oder Ähnlichkeit der einander gegenüber stehenden Waren- und Dienstleistungen von der Registerlage auszugehen ist.

Die Waren "Computer, Datenverarbeitungs- und Rechengeräte; nicht in Bezug auf medizinische Informationen und/oder die pharmazeutische Industrie" der Widerspruchsmarke und die von der angegriffenen Marke beanspruchten "Datenverarbeitungsgeräte, Computer" sind identisch. Ebenfalls identisch sind die Dienstleistungen "Telekommunikation; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" der jüngeren Marke und die Dienstleistung "Kommunikation mittels Computer; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Design und Entwicklung von Computerprogrammen" der Widerspruchsmarke.

2. Die Widerspruchsmarke "MIDAS" ist für die für sie eingetragenen Waren und Dienstleistungen uneingeschränkt als Herkunftshinweis geeignet. Sie verfügt daher über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Umstände, die zu einer Reduzierung oder Erhöhung führen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

3. Den danach erforderlichen großen Abstand zur Widerspruchsmarke hält die jüngere Marke aber in jeder Hinsicht ein.

Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Marken ist nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Maßgeblich für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist grundsätzlich der Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen (BGH a. a. O. - Malteserkreuz Rn. 17), weil auch der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf verschiedene Einzelheiten achtet. Auszugehen ist dabei vom Gesamteindruck der Marken in ihrer registrierten Form.

Nach diesen Grundsätzen besteht vorliegend keine Verwechslungsgefahr.

3.1. In (schrift-)bildlicher Hinsicht besteht keine Ähnlichkeit. Die angegriffene Marke unterscheidet sich von der Widerspruchsmarke grafisch in mehrfacher Hinsicht: Zum einen handelt es sich um ein Mehrwortzeichen, das im Gesamteindruck in seiner Gesamtlänge durch den in der Widerspruchsmarke nicht vorhandenen Bestandteil "Computer", der unterhalb von "MiDRAX" angeordnet ist, erheblich und deutlich erkennbar abweicht. Dieser geht trotz seines beschreibenden Aussagegehalts im optischen Gesamteindruck schon aufgrund seiner besonderen Ausgestaltung mit der schattierten Schrift nicht unter, die dieses Gestaltungselement des Bestandteils "MiDRAX" aufnimmt und fortführt.

Aber selbst wenn man davon ausgeht, dass der Bestandteil "Computer" wegen fehlender Unterscheidungskraft aus Rechtsgründen am Zeichenvergleich nicht teilnimmt (vgl. BGH GRUR 2004, 778 - Urlaub direkt), besteht zwischen dem verbleibenden Bestandteil "MiDRAX" in der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke "MIDAS" keinerlei bildliche Ähnlichkeit. "MIDAS" genießt als Wortmarke zwar Schutz in jeglicher Schreibweise, die aber auf verkehrsübliche Wiedergabeformen beschränkt ist, und die von der jüngeren Marke verwendete Grafik nicht umfasst. Diese besteht überwiegend aus Versalien, während das "i" klein geschrieben ist. Die Großbuchstaben M, D, R, A und X sind stilisiert, wobei vor allem der Buchstabe "M" durch seine brücken- oder torartige Ausgestaltung mit einer Art Mittelpfeiler, das unvollständige "R" und das als links oben offenes Dreieck ausgeführte "A" sowie das aus zwei mittig aneinander gefügten Halbkreisen bestehende "X" den auffälligen Gesamteindruck bestimmen, der in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung hat. Hinzu kommt als weitere grafische Besonderheit der angegriffenen Marke, dass der von dem mittleren Bestandteil des "M" zu dessen Querbalken freigelassene Abstand zusammen mit dem Zwischenraum vom unteren Teil des "i" zum I-Punkt und der Öffnung im geraden Balken des "D" eine Linie bildet. Schließlich weist die jüngere Marke noch eine besondere Farbgebung auf: Während die Buchstaben "MiD" und "AX" sowie das Wort "Computer" in Blau gehalten sind, sticht das "R" durch seine gelbe Farbe hervor, die in deutlichem Kontrast zu den blauen Teilen der Marke steht. Entgegen der Auffassung der Widersprechenden führt auch der Umstand, dass in schwarzweißer Wiedergabe das "R" unter Umständen optisch schlecht oder nicht wahrnehmbar sein könnte, nicht dazu, dass im jüngeren Zeichen das Wort "MIDAX" zu erkennen wäre. Denn durch den dann fehlenden Bestandteil "R" wird der erste Bestandteil in zwei durch einen Zwischenraum getrennte Bestandteile zerlegt, nämlich einmal in "MiD" und einmal in "AX". Die dann entstehende Lücke steht der Annahme entgegen, die erkennbar bleibenden Teile werden allein wegen ihrer Farbgebung trotz der Unterbrechung als ein Wort wahrgenommen. Dazu kommt, dass die drei ersten Buchstaben durch die oben beschriebene Linie und die Rundung des "D" zu einer Einheit zusammen gefasst werden, von der sich die Buchstabenfolge "AX" auch durch ihre andere Grafik eigenständig abhebt. Danach würden sich nicht "MiDAX" und "MIDAS" gegenüber stehen, sondern "MiD" und "AX" und "MIDAS". Dies würde auch für den anderen von der Widersprechenden angenommenen Fall gelten, dass das "R" wegen des Fehlens seines linken Balkens nicht als Buchstabe, sondern als bloßes grafisches Element aufgefasst wird. Dass der unvollständige Buchstabe "R" nicht als solcher erkannt wird, ist aber schon deshalb nicht wahrscheinlich, weil die angesprochenen Verkehrskreise aufgrund der besonderen Grafik des angegriffenen Zeichens dieses intensiver betrachten und den fehlenden Bestandteil des gelb hervorgehobenen Buchstabens daher wahrnehmen werden. Danach besteht auch in diesen Fällen keine bildliche Ähnlichkeit.

3.2. In klanglicher Hinsicht besteht aus den von der Markenstelle im angefochtenen Beschluss genannten Gründen, denen sich der Senat in vollem Umfang anschließt, keine Verwechslungsgefahr. Dies gilt auch, wenn man die von der Widersprechenden angenommene fehlende optische Wahrnehmbarkeit des Buchstaben "R" berücksichtigt. Denn dies würde wegen der dann bestehenden Trennung von "MiD" und "AX" dazu führen, dass der Widerspruchsmarke "MIDAS" entweder "Mid-Aiks" oder "emideeaiks" gegenüberstünden, die klanglich nicht miteinander verwechselbar sind. Dies gilt auch für die weitere Möglichkeit, dass das angegriffene Zeichen "Mid-Aks" ausgesprochen wird. Aufgrund des wahrgenommenen Zwischenraums zwischen den Bestandteilen "Mid" und "AX" entsteht eine deutliche vernehmbare Zäsur nach dem "D". Demgegenüber wird das Widerspruchszeichen als ein Wort gesprochen.

3.3. Für begriffliche oder mittelbare Verwechslungsgefahr bestehen keine Anhaltspunkte.

4. Eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen war nicht veranlasst, § 71 Abs. 1 MarkenG.






BPatG:
Beschluss v. 19.04.2007
Az: 29 W (pat) 272/03


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