Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. Juni 2009
Aktenzeichen: 3 Ni 31/06

(BPatG: Beschluss v. 02.06.2009, Az.: 3 Ni 31/06)

Tenor

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Gründe

I.

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 22. Oktober 1994 unter Inanspruchnahme der Priorität DE 43 41 229 vom 3. Dezember 1993 angemeldeten und unter anderem für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 0 656 229 B1, mit der Bezeichnung "Pipettensystem", welches 13 Patentansprüche umfasst und dessen Patentanspruch 1 lautet:

1. Manuelles Pipettensystem mit einer einen Befestigungsabschnitt (6) und einen Spritzenkolben (17) aufweisenden Spritze (7) und einer Handpipette (1), die in einem Pipettengehäuse (2) eine Aufnahme (5) für den Befestigungsabschnitt (6) und in einem Aufnahmekörper (19) eine Kolbenaufnahme (18) für den Spritzenkolben (17), Befestigungseinrichtungen (26, 36) zum reversiblen Fixieren von Befestigungsabschnitt und Spritzenkolben in ihren Aufnahmen und Kolbenstelleinrichtungen (56, 23) zum Verschieben des Aufnahmekörpers (19) im Pipettengehäuse (2) aufweist, wobei Befestigungsabschnitt (6) und Spritzenkolben (17) durch Axialöffnungen (9, 20) ihrer Aufnahmen (5, 18) axial in ihre Befestigungspositionen schiebbar sind, die Befestigungseinrichtungen (26, 36) manuell betätigbare, radial zustellbare Greifeinrichtungen (28, 36) zum Fixieren des Befestigungsabschnittes (6) und des Spitzenkolbens (17) in den Befestigungspositionen haben, die Greifeinrichtungen (28, 36) schwenkbar im Pipettengehäuse (2) gelagerte Spritzengreifhebel (28) und im Aufnahmekörper (19) schwenkbar gelagerte Kolbengreifhebel (36) haben, die Spritzengreifhebel (26) und die Kolbengreifhebel (36) zweiarmig mit einem Greifarm (29, 38) und einem Betätigungsarm für die manuelle Betätigung (30, 39) ausgeführt sind, und wobei die Spritzengreifhebel (26) an den Innenseiten ihrer Betätigungsarme (30) Kontaktstellen (33) aufweisen, die durch Betätigen ihrer Betätigungsarme (30) außen gegen die Betätigungsarme (39) der Kolbengreifhebel (36) schwenkbar sind und die Kolbengreifhebel (36) betätigen.

Die Kläger haben hiergegen Nichtigkeitsklage erhoben mit dem Antrag, das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für teilweise nichtig zu erklären und zwar insoweit, als sein Gegenstand über die folgende Fassung des Patentanspruchs 1 hinausgeht:

"Handpipette (1), die in einem Pipettengehäuse (2) eine Aufnahme (5) für den Befestigungsabschnitt (6) einer Spritze und in einem Aufnahmekörper (19) eine Kolbenaufnahme (18) für den Spritzenkolben (17) einer Spritze, Befestigungseinrichtungen (26, 36) zum reversiblen Fixieren von Befestigungsabschnitt und Spritzenkolben in ihren Aufnahmen, und Kolbenstelleinrichtungen (56, 23) zum Verschieben des Aufnahmekörpers (19) im Pipettengehäuse (2) aufweist, wobei Befestigungsabschnitt (6) und Spritzenkolben (17) durch Axialöffnungen (9, 20) ihrer Aufnahmen (5, 18) axial in ihre Befestigungspositionen schiebbar sind, die Befestigungseinrichtungen (26, 36) manuell betätigbare, radial zustellbare Greifeinrichtungen (28, 36) zum Fixieren des Befestigungsabschnittes (6) und des Spritzenkolben (17) in den Befestigungspositionen haben, die Greifeinrichtungen (28, 36) schwenkbar im Pipettengehäuse (2) gelagerte Spritzengreifhebel (28) und im Aufnahmekörper (19) schwenkbar gelagerte Kolbengreifhebel (36) haben, die Spritzengreifhebel (26) und die Kolbengreifhebel (36) zweiarmig mit einem Greifarm (29, 38) und einem Betätigungsarm für die manuelle Betätigung (30, 39) ausgeführt sind, und wobei die Spritzengreifhebel (26) an den Innenseiten ihrer Betätigungsarme (30) Kontaktstellen (33) aufweisen, die durch Betätigen ihrer Betätigungsarme (30) außen gegen die Betätigungsarme (39) der Kolbengreifhebel (36) schwenkbar sind und die Kolbengreifhebel (36) betätigen."

Die Nichtigkeitsbeklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Auf Hinweis des Senats, dass ein derartig beschränkter Antrag, der die Fassung des angegriffenen Patentanspruchs festlegt, unzulässig ist, hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 17. Juni 2008 beantragt, das Patent teilweise im Umfang des Patentanspruchs 1 für nichtig zu erklären, die Nichtigkeitsbeklagte hat ihren Antrag auf Klageabweisung aufrecht erhalten. Nach weiterer Erörterung der Sachund Rechtslage haben die Kläger die Klage zurückgenommen, die Beklagte hat Kostenantrag gestellt.

II.

Nach Rücknahme der Klage haben die Kläger gemäß § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Kostenfolge war auf Antrag der Beklagten auszusprechen (§ 269 Abs. 4 ZPO).

1. Eine von der Kostenlast des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO abweichende Kostenverteilung ist nicht deshalb geboten, weil die Klägerinnen die Nichtigerklärung des Streitpatents ursprünglich nur mit einer bestimmten eingeschränkten Fassung des allein angegriffenen Patentanspruchs 1 beantragt und damit zu erkennen gegeben haben, dass sie diesen Anspruch nur insoweit angreifen, als er über die beantragte Fassung hinausgeht.

In einem solchen Fall kann es zwar dann, wenn der Patentinhaber den angegriffenen Patentanspruch im Laufe des Nichtigkeitsverfahrens entsprechend dem ursprünglichen Klageantrag beschränkt und der Kläger darauf hin seine Klage insoweit teilweise zurücknimmt, gemäß § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG aus Billigkeitsgründen geboten sein, dem Kläger abweichend von der gesetzlich bestimmten Kostenpflicht des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO keine anteilige Kostenlast aufzubürden. Die Berücksichtigung von Billigkeitsgründen ist im Hinblick darauf gerechtfertigt, dass es dem Kläger nach den vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung "Schwenkhebelverschluss" (BGH GRUR 1997, 272) geäußerten Bedenken im Patentnichtigkeitsverfahren verwehrt ist, einen Patentanspruch in der Weise beschränkt anzugreifen, dass der Inhaber des Streitpatents durch eine in den Klageantrag aufgenommene Neufassung des angegriffenen Patentanspruchs festgelegt wird. Es ist vielmehr ausschließlich Sache des Patentinhabers, den erteilten Patentanspruch in einer von ihm neu gefassten zulässig eingeschränkten Fassung zu verteidigen, wenn er dessen vollständige Nichtigerklärung vermeiden will (BGH GRUR 2007, 309 -Schussfädentransport). Änderungen der Fassung des erteilten Patentanspruchs gegen den Willen des Patentinhabers dürfen nicht erfolgen (vgl. zum Einspruchsund Einspruchsverfahren BGH GRUR 2007, 862 -Informationsübermittlungsverfahren II m. w. H.). Es besteht deshalb für den Nichtigkeitskläger keine Möglichkeit, den Gegenstand der Klage durch bestimmte, die Beschränkung des Klageziels deutlich machende Fassungen des Patentanspruchs von vorneherein zu begrenzen und einen darüber hinausgehenden Klageantrag, der auf die erteilte Fassung des Patentanspruchs gerichtet sein muss (BGH a. a. O. -Schwenkhebelverschluss), zu vermeiden.

Dem beschränkten Antragsrecht des Klägers kann aber bei der Kostenentscheidung durch Heranziehung der Billigkeitsgründe des § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG Rechnung getragen werden. So hat der Senat beispielsweise auch in einem Fall, in dem das Streitpatent erstmals im Laufe des Nichtigkeitsverfahrens hilfsweise mit neugefassten Patentansprüchen zulässigerweise beschränkt verteidigt worden war und der Kläger sich hiermit sofort einverstanden erklärt und die Klage zurückgenommen hatte, dem Beklagten die Kosten auch insoweit gemäß § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG aus Billigkeitsgründen auferlegt.

2. Hiervon zu unterscheiden ist aber der vorliegende Sachverhalt einer vollständigen Klagerücknahme, ohne dass der Patentinhaber dem ursprünglichen (unzulässigen) Klagebegehren durch eine entsprechende Beschränkung des angegriffenen Patentanspruchs nachgekommen wäre. Verfolgt der Kläger die aus seiner Sicht notwendige Selbstbeschränkung des Patentanspruchs durch den Patentinhaber nicht weiter und bleibt das Streitpatent infolge der vollständigen Klagerücknahme in seinem Bestand unberührt, besteht nach Auffassung des Senats kein Raum für eine von § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO abweichende Kostenentscheidung aus Billigkeitsgründen gemäß § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG. In diesem Fall bleibt es bei der nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO im Regelfall bestimmten Kostentragung durch den Kläger.

Dr. Schermer Dr. Lange Engels Pr






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Beschluss v. 02.06.2009
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