Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. März 2000
Aktenzeichen: 9 W (pat) 56/99

(BPatG: Beschluss v. 02.03.2000, Az.: 9 W (pat) 56/99)

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Antragsteller hat für das Verfahren seiner am 20. März 1998 eingereichten Patentanmeldung 198 12 342.6 mit der Bezeichnung "elektroenergetischregenerative Nutzdämpfung der Radachsen (geländegängiger) Elektromobile" am 26. März 1998 Verfahrenskostenhilfe sowie die Beiordnung eines Patentanwalts beantragt. Dazu hat er eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgegeben sowie - auf eine entsprechende Aufforderung des Deutschen Patentamts vom 14. August 1998 - einen Patentanwalt seiner Wahl benannt. Die ebenfalls angeforderte Erklärung des benannten Patentanwalts über dessen Einverständnis mit der Beiordnung wurde nicht beigebracht. Statt dessen hat der benannte Patentanwalt die Vertretung unmittelbar übernommen.

Auf Grund der vom Antragsteller vorgelegten Erklärung über seine wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse hat die Patentabteilung 11 des Deutschen Patent- und Markenamts seine Bedürftigkeit als nachgewiesen angesehen. Mit Zwischenbescheid vom 18. Januar 1999 hat sie dem Antragsteller mitgeteilt, daß mit einer Zurückweisung seines Antrags wegen Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§ 114 ZPO) zu rechnen sei. Er habe bis zum Anmeldetag mehr als 55 Schutzrechtsanmeldungen auf den verschiedensten technischen Gebieten eingereicht und hierfür Verfahrenskostenhilfe beantragt. Seitdem habe er bereits wieder 23 Verfahrenskostenhilfeanträge gestellt. Durch die Verfahrenskostenhilfe solle ein bedürftiger Anmelder beim Zugang zum gewerblichen Rechtsschutz und im Rechtsstreit einem vermögenden Anmelder gleichgestellt werden, jedoch solle ihm nicht auf Kosten der Allgemeinheit eine Prozeßführung ermöglicht werden, von der ein Vermögender bei vernünftiger Einschätzung seiner Sach- und Rechtslage absehen würde. Mutwilligkeit sei auch anzunehmen, wenn die Verwertung des erstrebten Schutzrechts als nicht aussichtsreich erscheine, weil bisherige Verwertungsversuche erfolglos waren oder dem Deutschen Patent- und Markenamt die Verwertung nicht bekannt gegeben worden sei, eine Fremdnutzung an der fehlenden Aufnahmebereitschaft des Marktes und eine Eigennutzung an den fehlenden Finanzmitteln des Schutzrechtsinhabers scheitere. In einem solchen Fall sei die Erstreitung des Schutzrechts im Ergebnis nutzlos und deshalb nicht sinnvoll. Das der Öffentlichkeit gegenüber verantwortliche Deutsche Patent- und Markenamt könne es sich auf Dauer nicht leisten, unbegrenzt öffentliche Mittel und unverhältnismäßig viel Zeit und Arbeit in eine Flut möglicherweise zwar patentfähiger, jedoch ersichtlich wirtschaftlich nicht verwertbarer Erfindungen zu investieren, von denen ein sozialer Nutzen und ein Rückfluß der eingesetzten Geldmittel in die öffentlichen Kassen nicht zu erwarten sei.

Der Antragsteller hat daraufhin mit Schreiben vom 27. Februar 1999 u. a. geltend gemacht, seine Erfindungen stießen durchaus auf Interesse in der Industrie. Hierzu verweist er auf Unterlagen, mit denen er seine Teilnahme an der "Internationalen Messe für Erfindungen" in Genf im Jahre 1997, seine Bemühungen um Lizenzvergabe für verschiedene Erfindungen ("automatische Aneisungspräventierung von KFZ-Scheibenwischern - im Stand - bei externem Frostklima", "Abbrechklingen-Messer", "Weiterfahrsignalisierungssystem für im Autobahnstau schlafruhende Fahrzeugführer") sowie Kontakte mit Erfinder-Förderstellen und Firmen belegen will.

Mit Beschluß vom 14. April 1999 hat die Patentabteilung den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe wegen Mutwilligkeit der Anmeldung zurückgewiesen. Zur Begründung heißt es in dem Beschluß, es liege kein Interesse an den Erfindungen des Anmelders vor. Daraus ergebe sich, daß er am Markt vorbei erfunden habe.

Dagegen richtet sich der Beschluß des Antragstellers, der sinngemäß den Antrag stellt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben, ihm die beantragte Verfahrenskostenhilfe zu gewähren sowie einen Patentanwalt als Vertreter beizuordnen.

Zur Begründung verweist der Antragsteller u. a. auf die Schwierigkeiten bei der Vermarktung von Erfindungen, die üblicherweise mehr Zeit in Anspruch nehme als die Patentabteilung zugestehe. Ernsthafte Lizenzverhandlungen würden seitens der Industrie häufig erst im Anschluß an die Patenterteilung geführt. Der Antragsteller ist außerdem der Auffassung, das Deutsche Patent- und Markenamt habe dadurch, daß es mit seinem Schreiben vom 14. August 1998 zur Benennung eines zur Übernahme bereiten Patenanwalts aufgefordert habe, bereits sein Einverständnis mit der Beiordnung zum Ausdruck gebracht. Darin liege praktisch eine Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe, die nachträglich nicht mehr in Frage gestellt werden dürfe.

II.

Die zulässige Beschwerde erweist sich als unbegründet, da die Versagung der beantragten Verfahrenskostenhilfe durch den angefochtenen Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts im Ergebnis rechtens war.

Gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 PatG i.V.m. § 114 ZPO erhält im Verfahren zur Erteilung eines Patents jeder Anmelder, der die Kosten für eine Patentanmeldung nicht aufbringen kann, auf Antrag Verfahrenskostenhilfe, wenn hinreichende Aussicht auf Patenterteilung besteht und die beabsichtigte Rechtsverfolgung (d. h. das Erteilungsbegehren) nicht mutwillig erscheint.

Aus dem Schreiben des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. August 1998 kann der Antragsteller keinen Anspruch herleiten. Dieses Schreiben entspricht der gesetzlichen Regelung (§ 133 PatG i.V.m. § 121 Abs. 4 ZPO), wonach es in erster Linie Sache des Antragstellers ist, vor der Entscheidung über seinen Antrag auf Beiordung eines Patentanwalts einen zur Übernahme der Vertretung bereiten Patentanwalt zu benennen. Eine Bewilligung der Beiordnung (oder der Verfahrenskostenhilfe insgesamt) kann darin nicht gesehen werden.

Die Patentabteilung hat im Ergebnis zu Recht - wenn auch mit unzutreffender Begründung - angenommen, daß die Inanspruchnahme der Verfahrenskostenhilfe im vorliegenden Fall mutwillig erscheint.

1. Der Senat hat sich in seinem zur Veröffentlichung vorgesehenen Beschluß vom 20. Dezember 1999 im Verfahren 9 W (pat) 59/98 ausführlich zu den von der angefochtenen Entscheidung der Patentabteilung aufgeworfenen, die Auslegung des Merkmals "Mutwilligkeit" betreffenden Rechtsfragen geäußert. An seinen damals vertretenen Auffassungen hält der Senat auch im vorliegenden Zusammenhang fest. Danach können zwar mangelnde Aussichten für die wirtschaftliche Verwertung eines Patents im Einzelfall die Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung begründen. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn gravierende, gegen eine wirtschaftliche Verwertung sprechende Anhaltspunkte vorhanden sind, die im Ergebnis nicht entkräftet werden können. Bloße Zweifel an der Verwertbarkeit sind für eine Versagung nicht ausreichend. Ebenso wie für die Annahme von Mutwilligkeit die Gewinnaussichten nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden müssen, bedarf es umgekehrt für den Ausschluß der Mutwilligkeit nicht eines exakten Nachweises, daß das angestrebte Patent wirtschaftlich verwertbar sein wird.

2. Nach Auffassung der Patentabteilung verhält sich der Antragsteller mutwillig, weil es keine Hinweise gebe, daß auch nur eine seiner bisherigen Erfindungen wirtschaftlich verwertet worden sei. Soweit danach die Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe ausschließlich auf Umstände gestützt wird, die nicht das jetzige Verfahren, vielmehr andere Erfindungen bzw. Anmeldungen des Antragstellers betreffen, kann dem nicht zugestimmt werden.

Zwar kann für die Prüfung, ob die Rechtsverfolgung im konkret vorliegenden Fall mutwillig ist, durchaus von Bedeutung sein, daß ein Antragsteller mit seinen zahlreichen bisherigen Anmeldungen keinen wirtschaftlichen Erfolg erzielen konnte. Dies kann nach der Lebenserfahrung ein Indiz dafür sein, daß auch mit der konkreten verfahrensgegenständlichen Anmeldung keine Verwertungsaussichten verbunden sind.

Die von der Patentabteilung vollzogene automatische Schlußfolgerung von dem bisherigen Anmeldeverhalten des Antragstellers und von seiner wirtschaftlichen Erfolglosigkeit auf die Mutwilligkeit der jetzigen Anmeldung ist jedoch mit dem im Verfahren der Prozeß- und Verfahrenskostenhilfe geltenden Amtsermittlungsgrundsatz nicht vereinbar. Die Patentabteilung durfte sich daher nicht mit der bloßen Feststellung begnügen, der Antragsteller habe bislang, trotz seiner zahlreichen Schutzrechtsanmeldungen und Verfahrenskostenhilfeanträge, noch keine Verwertungserfolge gehabt. Wie der Senat in seinem zitierten Beschluß vom 20. Dezember 1999 ausgeführt hat, kann die Verfahrenskostenhilfe auch in solchen Fällen nur mit Gründen abgelehnt werden, die den Schluß rechtfertigen, daß auch der aktuellen Anmeldung voraussichtlich kein wirtschaftlicher Erfolg beschieden sein wird. Diese Gründe können sich aus dem Erfindungsgegenstand ebenso ergeben wie aus der Person oder dem Verhalten des Antragstellers oder aus objektiven Gegebenheiten des Marktes. Die Patentabteilung muß aber auch den Gesichtspunkten nachgehen, die geeignet sind, das sich aus der bisherigen wirtschaftlichen Erfolglosigkeit ergebende Indiz zu entkräften. Bei offensichtlich besonders erfolgversprechenden Anmeldungen ist die Annahme von Mutwilligkeit z. B. stets fehl am Platz.

3. Im Ergebnis wurde dem Antragsteller die beantragte Verfahrenskostenhilfe jedoch zu Recht versagt, da sich aus dem der jetzigen Anmeldung zugrundeliegenden Erfindungsgegenstand gravierende Anhaltspunkte im Sinne mutwilligen Verhaltens ergeben.

In den Anmeldungsunterlagen wird eine Vorrichtung beschrieben, mit deren Hilfe beim Betrieb von Elektrofahrzeugen die Rückgewinnung von Energie möglich sein soll. Hierzu wird eine Federbewegung des Elektrofahrzeugs über eine Zahnstange oder einen Riemenantrieb auf den Rotor eines Generators übertragen. Der Generator wird entsprechend der im Rad gemessenen Beschleunigungen so gesteuert, daß sich insgesamt eine Federungscharakteristik ergibt, die der der konventionellen Gasdruckdämpfer entspricht.

Diese Vorrichtung ist jedoch offensichtlich nicht geeignet, nennenswerte Effekte im Sinne der angestrebten Energierückgewinnung in wirtschaftlich sinnvoller Weise zu bewirken und damit der vom Antragsteller gestellten Aufgabe gerecht zu werden. Es ist ohne weiteres erkennbar, daß die Energiemenge, die mit Hilfe einer derartigen Vorrichtung zu gewinnen ist, lediglich einen sehr geringen Umfang haben kann. Dies ergibt sich bereits daraus, daß die in den Stoßdämpfern umgewandelte Energie nicht zu einer nennenswerten Aufheizung der Stoßdämpfer führt, im Gegensatz etwa zu der sehr starken Aufheizung der Bremsscheiben beim Abbremsen eines Fahrzeuges. Die geringe Energiemenge steht auch im Gegensatz zu dem zu ihrer Gewinnung erforderlichen hohen konstruktiven Aufwand. Dieser besteht insbesondere darin, daß im Bereich jedes Rades jeweils ein Getriebe, ein Generator und ein Regler eingesetzt werden müssen. Bislang hat sich bei Kraftfahrzeugen noch nicht einmal die Rückgewinnung der Bremsenergie durchgesetzt. Der im Vergleich hierzu wesentlich höhere technische Aufwand bei der hier in Rede stehenden Erfindung sowie die geringe dadurch gewinnbare Energiemenge lassen eine wirtschaftliche Verwertung der angemeldeten Erfindung als sehr unwahrscheinlich erscheinen, zumal sich die Überlegungen des Anmelders noch im eher theoretischen Stadium befinden und zur Realisierung dieser Ideen noch ein erheblicher Entwicklungsaufwand betrieben werden müßte.

Die übrigen erfinderischen Aktivitäten und das daraus erwachsene bisherige Anmeldeverhalten des Antragstellers können zwar die Mutwilligkeit der Verfahrenskostenhilfe im hier zu beurteilenden Fall alleine nicht begründen (s. o. 2), jedoch sind sie durchaus geeignet, die aus dem Erfindungsgegenstand der vorliegenden Anmeldung hergeleitete Annahme der Mutwilligkeit zu untermauern. Die etwa 85 bisherigen Anmeldungen des Antragstellers betreffen die unterschiedlichsten technischen Gebiete, darunter den Landmaschinen- und Fahrzeugbau sowie Schneidewerkzeuge. Wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, befanden sich unter diesen Anmeldungen auch "perpetua mobilia". Dieses Anmeldeverhalten spricht nicht dafür, daß der Antragsteller sich konsequent um die Entwicklung eines Gedankens bis hin zur wirtschaftlichen Verwertbarkeit bemüht. Vielmehr begründet es die Gefahr, daß er sich in der Vielfalt seiner Einfälle verliert und diese aus einem teilweise noch unausgegorenen Anfangsstadium nicht herauskommen.

Auch die Ausführungen des Antragstellers in der Beschwerdebegründung sowie in seiner Einlassung vom 3. März 1999 vermögen die Annahme mutwilligen Verhaltens nicht zu entkräften. Insbesondere werden dort keinerlei Angaben zur Verwertung der hier verfahrensgegenständlichen Erfindung gemacht. Auch die Hinweise des Antragstellers auf Kontakte und - noch wenig konkrete - Lizenzgespräche bezüglich anderer Erfindungen sind nicht geeignet, seine Erfindertätigkeit und die mit ihr verbundenen Gewinnaussichten in einem anderen Licht erscheinen zu lassen.

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BPatG:
Beschluss v. 02.03.2000
Az: 9 W (pat) 56/99


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