Landgericht Heidelberg:
Urteil vom 26. Juli 2006
Aktenzeichen: 12 O 30/06 KfH

(LG Heidelberg: Urteil v. 26.07.2006, Az.: 12 O 30/06 KfH)

Tenor

1. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Heidelberg vom 15. Mai 2006 (Aktenzeichen: 12 O 30/06 KfH) wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass das unter Ziffer 1 lit. h) des Beschlusses vom 15.05.2006 ausgesprochene Verbot der Werbung in Wegfall kommt.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Verfügungskläger (künftig: Kläger) ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden.

Die Verfügungsbeklagte (künftig: Beklagte) wirbt die Internet unter der Domain www....de für das von ihr angebotene Korallenmineralien-Präparat der Firma ... ® mit den in der einstweiligen Verfügung vom 15.05.2006 wiedergegebenen Aussagen (Anlage A2). Wegen deren Wettbewerbswidrigkeit mahnte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 18.04.2006 ab (Anlage A3). Diese reagierte mit Anwaltsschreiben vom 25.04.2006, mit welchem sie die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ablehnte und die angegriffenen Aussagen als richtig rechtfertigte (Anlage A4).

Bei "Sango Calcium" handelt es sich um zu feinem Staub gemahlene Sango- Korallen. Solcher Korallenstaub wird seit geraumer Zeit in der ganzheitlichen Medizin propagiert, z. B. im Artikel "Heilmittel aus der Tiefe" von Frau ... (Anlage A5).

Am 15. Mai 2006 erging auf Antrag des Klägers gemäß §§ 935 ff. ZPO ohne vorherige mündliche Verhandlung folgende

einstweilige Verfügung:

Der Antragsgegnerin wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an der Geschäftsführerin, untersagt,

im geschäftlichen Verkehr für "Sango Calcium" zu werben:

a) "Mit sich tragen sie die bioenergetischen Informationen und wirken damit ernährungsphysiologisch an der Basis:

Nämlich in jeder einzelnen Zelle!",

b) "Das besondere und fantastische an diesem Mineralstoffpräparat ist, dass von seinen Inhaltsstoffen zehn bis achtzehnmal mehrvom Körper aufgenommen werden, weil die Mineralstoffe in diesem Naturprodukt in ionisierter Form vorliegen."

c) "Diese Form garantiert erstens, dass über 90 % dessen, was eingenommen wird, auch wirklich vom Körper verwendet wird."

d) "Zweitens ist die ionisierte Form genau die, die sofort in die Zelle gelangt, um dort ihre vielfältigen, ernährungsphysiologischen und gesunderhaltenden Funktionen auszuüben."

e) "Das Geheimnis der Sango Korallen:

Die Mineralien und Spurenelemente der Sango Korallen werden durch Sonneneinstrahlung und Wellenbewegungen "aktiviert". Hinzu kommen Algen, die in einer Symbiose mit den Korallen zusammenleben, sie energetisieren die Sango Koralle."

f) "Warum gerade Sango Calcium€

Sango Calcium enthält zu 100 % Meereskorallen. Unter 2500 Korallenarten bringt die Sango Koralle diesen basischen und energetischen Nutzen für die Gesundheit mit."

g) "Nur in Meereskorallen finden wir den hohen Anteil an Magnesium."

h) "Es handelt sich bei diesem Produkt um das weltweit einzige patentierte 100 % reine Meereskorallenprodukt aus der Natur, das aus Meereskorallenfossilien gewonnen wird."

i) "Wir möchten besonders darauf hinweisen, dass in den USA und Europa Produkte auf dem Markt sind, die verändert wurden, oder bei denen es sich um Landkorallen handelt."

Hiergegen richtet sich der Widersprich der Beklagten vom 19.06.2006, eingekommen am 04.07.2006.

Der Kläger macht geltend,

Die Ausführungen von Frau ... welche in wesentlichen Teilen von der Beklagten übernommen würden, hätten mit der Wirklichkeit wenig zu tun. Bei Korallen handele es sich um Skelette riesiger Polypenkolonien, welche dadurch entstünden, dass jedes einzelne kleines Lebewesen einer solchen Kolonie Kalk absondere, wodurch im Laufe vieler Tausend Jahre die heute zu beobachtenden Riffe entstünden. Diese Skelette bestünden aus nichts anderem als Kalk (CaCO3). Dieser komme in vielerlei Formen vor, beispielsweise als pulverisierter Kalkstein, Marmormehl, Kalkspat, Muscheln, Eierschalen und Kreide (Anlagen A6, A7). Danach finde CaCO3zwar Anwendung bei Gastritis, Diarrhöen und ähnlichen Magenkrankheiten, eine allgemeine gesundheitsfördernde Wirkung, wie sie hier beworben werde, geschweige denn gegen Tumorerkrankungen, komme Calciumcarbonat indes nicht zu. Es existierten keinerlei Nachweise der von Frau ... und der Beklagten ausgelobten Wirkungen. So schreibe Frau ... stets nur von ihren "eigenen Erfahrungen", angeblich "ganzheitlichen Beobachtungen" und "hypothetischen Denkanstößen". Der Artikel schließe damit, dass "deutliche Hinweise" auf die zukünftige Behandlung mit Korallen-Mineralien existierten. Wenn allerdings selbst nach einer aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "raum&zeit " jeder Nachweis für die angepriesenen ganzheitlichen Behandlungen fehle, sei somit ein solcher von deren Anhängern wohl auch in Zukunft nicht zu erwarten. Auch sei es mit gesundem Menschenverstand nicht vorstellbar, dass sich die Wellen- und Gezeitenenergien in totes Kalksediment einspeichern und ihrer Energien später wieder abgeben könnten. Eine solche Speicherfunktionen sei wissenschaftlich unbekannt.

Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vom 2.07.2006 die Hauptsache gemäß Ziffer 8 des Antrags des Klägers bzw. gemäß Ziffer 1 lit. h) der einstweiligen Verfügung vom 15.5.2006 mit wechselseitigen Kostenanträgen übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger stellt den Antrag,

die einstweilige Verfügung vom 15. Mai 2006 zu bestätigen und den gegen diese gerichteten Widerspruch der Verfügungsbeklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung des Landgerichts Heidelberg vom 15.5.2006, Aktenzeichen 12 O 30/06KfH, aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Sie macht geltend,

die beanstandeten Werbeaussagen seien nachweislich war. Die Inhaltsstoffe von Sango Calcium hätten aufgrund ihrer ionisierten Form die Fähigkeit, direkt in die Zellen zu gelangen. "Ionisierende Form" bedeute dabei nicht "zu Pulver zermahlen", wie dies der Kläger vortrage, sondern sei in chemisch-physikalischem Sinne zu verstehen. Bei Ionen handele es sich um "geladene" Atome (Anlage B1). Diese Tatsache sei durch eine umfangreiche wissenschaftliche Studie (Anlage B1, B6) eindeutig belegt. Die international anerkannten Wissenschaftler, die in dieser Studie genannt würden, hätten sich seit vielen Jahren mit der Wirkung von ionisiertem Calcium und anderen ionisierten Mineralstoffen und Spurenelementen beschäftigt, z. B. Dr. ..., ... (The Calcium Factor, Anlage B2; Coral calcium, Anlage B8), ... (Anlage B4, Professor ... und ... (Wissenschaftliche Informationen zu Sango Calcium, Anlage B3, sowie Anlage B10). Dies und die vollständige Löslichkeit von Sango Calcium folge auch aus der gutachterlichen Stellungnahme des ... Instituts (Anlage B5).

Für die Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die einstweilige Verfügung war mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe aufrecht zu erhalten, weil die Beklagte nicht glaubhaft machen konnte, dass die beanstandeten Aussagen wissenschaftlich erwiesen sind.

Gemäß § 5 Abs. 2 Ziffer 1 UWG sind bei der Beurteilung der Frage, ob eine Werbung irreführend ist, alle ihre Bestandteile zu berücksichtigen, insbesondere in ihr enthaltene Angaben über die Zwecktauglichkeit und Verwendungsmöglichkeit oder die von der Verwendung zu erwartenden Ergebnisse. Bei Angaben über Heilwirkungen gilt ein strenger Maßstab. Wird in der Werbung auf die Gesundheit Bezug genommen, geltend besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen (BGH GRUR 2002, 182). Dies rechtfertigt sich durch die Bedeutung des Rechtsguts Gesundheit und die hohe Werbewirksamkeit gesundheitsbezogene Aussagen. Ist die gesundheitsfördernde Wirkung der Produkte wissenschaftlich umstritten, verbietet sich die Bewerbung dieses Umstandes (BGH GRUR 2002, 273). Ebenso verhält es sich, wenn der Werbende die wissenschaftliche Absicherung seiner Aussage nicht dartun kann (BGH GRUR 1991, 848). Irreführend ist in diesem Fall nicht die Unrichtigkeit der Werbeaussage, sondern der Umstand, dass sie jeder Grundlage entbehrt (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Auflage, UWG § 5, Rdnr. 4.181, 4.183). Wer sich auf die Wirksamkeit gewisser Bestandteile beruft, die wissenschaftlich umstritten ist, muss die Richtigkeit seiner Auffassung glaubhaft machen bzw. beweisen (OLG Köln, GRUR 2000, 154).

Die Beklagte konnte die Richtigkeit der beanstandeten Aussagen nicht glaubhaft machen. Zum einen sind die von ihr vorgelegten Studien, Artikel und Berichte nicht in deutscher Sprache verfasst. Da die Gerichtssprache gemäß § 184 GVG deutsch ist, konnten die nicht in deutscher Sprache vorgelegten Abhandlungen nicht berücksichtigt werden. Zum andern erbringen die wenigen in deutscher Sprache vorgelegten Artikel nicht den Beweis der wissenschaftlichen Anerkennung der enthaltenen Aussagen. Es sind zunächst nur einzelne Wissenschaftler, hauptsächlich aus USA und Japan, die über entsprechende Erfahrungen berichten. Frau ... und Herr ... nehmen in den vorgelegten Abhandlungen selbst nicht in Anspruch, dass ihre Erkenntnisse wissenschaftlich anerkannt seien. Es ist darüber hinaus gerichtsbekannt, dass es zahlreiche Stimmen in der Wissenschaft gibt, die die behaupteten Wirkungen mit wissenschaftlichen Argumenten deutlich in Abrede stellen.

Zu den Aussagen gemäß lit. a) und lit. e) der einstweiligen Verfügung hat die Beklagte nicht glaubhaft gemacht, dass die Vitalstoffe bioenergetische Informationen mit sich tragen und damit an der Basis wirken bzw. dass die Mineralien und Spurenelemente der Sango Korallen durch Sonneneinstrahlung und Wellenbewegungen aktiviert und durch Algen energetisiert werden. Es ist nicht evident, dass die Energie der Gezeiten und der Wellenbewegungen im Calcium abgespeichert und an die Körperzellen abgegeben werden. Es ist nicht glaubhaft gemacht, dass die hierfür benannten Autoren den Stand der Wissenschaft vertreten und ihre Theorien wissenschaftlich anerkannt sind. Die Aussagen gemäß lit. b), lit. c) und lit. d) sind nicht durch die Aussage des LEFO-Berichts (Anlage B5), dass sich Sango Calcium vollständig auflöse, glaubhaft gemacht. Denn ein Zusammenhang mit der ionisierten Form der Minerale wird nicht hergestellt. Im Übrigen gilt auch hier, dass nicht glaubhaft gemacht ist, dass die hierfür benannten Autoren den Stand der Wissenschaft vertreten und ihre Theorien wissenschaftlich anerkannt sind. Aus denselben Gründen ist zu lit. f) nicht glaubhaft gemacht, dass gerade die Sango-Koralle, die wie die anderen auch "nur" aus Kalk besteht, über die angegebenen Besonderheiten verfügt. Die Unterscheidung zwischen Landkorallen und Meereskorallen (vgl. hierzu Anlage B5) gemäß lit. g) und lit. i) der einstweiligen Verfügung ist unzutreffend, weil es von der Entstehung her keine Landkorallen gibt, und begründet zusammen mit den übrigen Aussagen eine Irreführung des Verbrauchers.

Gemäß §§ 936, 925 Abs. 2 ZPO war die einstweilige Verfügung - soweit nicht in der Hauptsache erledigt - aufrecht zu erhalten.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 91a ZPO. Hinsichtlich des übereinstimmend erledigten Einzelpunktes (lit. h) entsprach es in Anwendung des Kostengrundsatzes des § 92 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO billigem Ermessen, die Kosten auch insoweit der Beklagten aufzuerlegen, weil es sich um einen streitwertmäßig untergeordneten Punkt des Gesamtantrags handelte.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 6 ZPO.






LG Heidelberg:
Urteil v. 26.07.2006
Az: 12 O 30/06 KfH


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