Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Juni 2008
Aktenzeichen: 30 W (pat) 52/06

(BPatG: Beschluss v. 23.06.2008, Az.: 30 W (pat) 52/06)

Tenor

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Am 8. September 2003 unter der Nummer 303 28 700 in das Markenregister eingetragen und am 10. Oktober 2003 veröffentlicht worden istapotheke am dmmit folgendem Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen:

"Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, insbesondere Hautpflegemittel; medizinische, pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse, insbesondere Salben, Cremes, Tinkturen, Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke, medizinische Tees, insbesondere medizinische Kräutertees, Verbandsmaterial, Pflaster; Dienstleistungen eines Apothekers, insbesondere Beratung zu Arzneimitteln, zur Wund- und Heilbehandlung, zur Gesundheitsvorsorge, zur Ernährung, zur Inkontinenz- und Stomaversorgung, zum Reise- und Impfschutz, zur Körper- und Schönheitspflege, zur Naturheilkunde, zur Homöopathie und zur Therapiebegleitung".

Gegen die Eintragung ist am 17. November 2003 Widerspruch erhoben worden aus der älteren, am 11. Oktober 2001 für zahlreiche Waren und Dienstleistungen eingetragenen Wort-/Bildmarke (farbig, blau, gelb, rot) 301 49 137 Grafik der Marke 30149137.2 Das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen lautet auszugsweise:

"...Mittel zur Körper- und Schönheitspflege auch Gesichtsmasken, Desodoriermittel für den persönlichen Gebrauch (Parfümeriewaren), Rasiermittel, Reinigungsmittel für Zahnprothesen, .....; pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege für medizinische Zwecke und für die Intimpflege, ..., Pflaster, medizinische Kräutertees, Verbandsmaterial, Schlankheitstees für medizinische Zwecke, ...; Entwicklung von fotografischen Filmen; Entwicklung und Übertragung digitaler Bilder bzw. Daten".

Die Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Gefahr von Verwechslungen bejaht und die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke angeordnet. Zur Begründung ist im Wesentlichen darauf Bezug genommen, dass - ausgehend von identischen und ähnlichen Waren und ähnlichen Waren und Dienstleistungen - dem Bestandteil "dm" innerhalb beider Marken eine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung zukomme.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat Beschwerde eingelegt. Sie hält mit näheren Ausführungen ihre Marke für einen Gesamtbegriff, so dass eine Prägung durch den Bestandteil "dm" nicht in Betracht komme; bei Vergleich der Marken in ihrer Gesamtheit sei Verwechslungsgefahr zu verneinen. Ferner meint sie, dass es an der Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen fehle.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. Januar 2006 aufzuheben.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält mit näheren Ausführungen den Beschluss der Markenstelle für zuteffend. Sie macht ferner erhöhte Kennzeichnungskraft ihrer Marke geltend; sie regt an, der Inhaberin der angegriffenen Marke die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist nicht begründet. Es besteht auch nach Auffassung des Senats Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr hat nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen. Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von den Marken erfaßten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (ständige Rechtsprechung z. B. EuGH GRUR 2006, 237, 238 (Nr. 18 f.) - PICASSO; EuGH GRUR 2005, 1042, 1044 (Nr. 27) - THOMSON LIFE; BGH WRP 2006, 92, 93 (Nr. 12) - coccodrillo; vgl. auch BGH GRUR 2004, 865, 866 - Mustang; BGH GRUR 2006, 859, 860 (Nr. 16) - Malteserkreuz; BGH WRP 2008, 232, 234 (Nr. 20) - INTERCONNECT/T-InterConnect).

Der Senat geht mangels anderweitiger Anhaltspunkte davon aus, dass der Widerspruchsmarke von Haus aus eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft und damit ein normaler Schutzumfang zukommt. Wie die Markenstelle bereits ausgeführt hat, kann insbesondere nicht festgestellt werden, dass "dm" als Hinweis auf die Abkürzung "DM" für die nicht mehr gültige Währung "Deutsche Mark" verstanden und aus diesem Grund als beschreibende Angabe und nicht als Herkunftshinweis erachtet wird; dem schließt sich der Senat an. Ob der Widerspruchsmarke der geltend gemachte erhöhte Schutzumfang zuerkannt werden kann, bedarf hier keiner Entscheidung, da auch auf der Grundlage eines normalen Schutzumfangs Verwechslungsgefahr zu bejahen ist.

Für die Beurteilung der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit ist auf Seiten der Widerspruchsmarke die Registerlage maßgeblich. Die Marken können sich bei den Waren "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse, Verbandsmaterial, Pflaster" schon nach der Fassung der Warenverzeichnisse auf identischen Waren begegnen; auch zwischen den Waren "medizinische Erzeugnisse" einerseits und "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege für medizinische Zwecke" andererseits ist wegen möglicher Übereinstimmungen in Beschaffenheit und Verwendungszweck wie auch Herstellungsbetrieben Identität möglich; soweit als eigenständige Ware überhaupt beansprucht, ist bei den medizinischen Teewaren Identität, im Übrigen engere Ähnlichkeit möglich zwischen den Waren "Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke, medizinische Tees, insbesondere medizinische Kräutertees" einerseits und "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege für medizinische Zwecke; medizinische Kräutertees, Schlankheitstees für medizinische Zwecke" andererseits.

Die "Dienstleistungen eines Apothekers" sind ausdrücklich nicht im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthalten. Jedoch ist Ähnlichkeit zwischen diesen Dienstleistungen der jüngeren Marke und den Waren "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege für medizinische Zwecke" der Widerspruchsmarke zu bejahen, da die Waren und Dienstleistungen regelmäßig in Kombination angeboten werden und die Dienstleistungen genau auf diese speziellen Waren abgestimmt sein können und regelmäßig auch abgestimmt sind. Deshalb kann der Verkehr zu der Auffassung gelangen, die miteinander in Berührung kommenden Waren und Dienstleistungen könnten auf einer Tätigkeit desselben oder eines wirtschaftlich verbundenen Unternehmens beruhen, so dass er einer unzutreffenden Vorstellung über die betriebliche Zuordnung unterliegen kann (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 9 Rdn. 84 m. w. N).

Diese bestehende Warenidentität bzw. Warenähnlichkeit bzw. Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass sich - nach Ausführungen der Inhaberin der angegriffenen Marke - die aktuellen wirtschaftlichen Betätigungsfelder und Vertriebsstrukturen der beiden Verfahrensbeteiligten voneinander unterscheiden. So mag es zwar sein, dass das Warenangebot der Inhaberin der angegriffenen Marke hauptsächlich aus spezialisierten und verschreibungspflichtigen Produkten besteht, während das der Widersprechenden an den medizinisch nicht vorgebildeten Endverbraucher gerichtet ist und - jedenfalls zum Teil - über Drogeriemärkte vertrieben wird. Im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren ist jedoch von den jeweils für die Marken eingetragenen Waren und Dienstleistungen auszugehen und nicht von denen, für welche die Marken tatsächlich im Verkehr eingesetzt werden (vgl. BGH GRUR 1999, 164, 166 - JOHN LOBB; GRUR 1999, 245, 247 - LIBERO).

Unter Zugrundelegung all dieser Umstände, die teils in strengen, im Übrigen zumindest zu erhöhten Anforderungen an den Markenabstand führen, hält die angegriffene Marke den zur Vermeidung von Verwechslungen notwendigen Abstand zur Widerspruchsmarke nicht ein.

Für die Beurteilung der Ähnlichkeit der Marken kommt es entscheidend darauf an, wie die Marken auf den Durchschnittsverbraucher der in Frage stehenden Art von Waren und Dienstleistungen wirken, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der betreffenden Waren/Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (vgl. EuGH GRUR Int. 1999, 734, 736 (Nr. 25) - Lloyd; GRUR Int. 2004, 843, 845 (Nr. 29) - MATRATZEN CON-CORD; BGH GRUR 2006, 60, 62 (Nr. 17); EuGH a. a. O. - PICASSO). Nach dem Verbraucherleitbild des EuGH ist auf einen normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen (EuGH GRUR 2004, 943, 944 (Nr. 24) SAT.2), dessen Aufmerksamkeit je nach Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann, der jedoch allem, was mit der Gesundheit zu tun hat, aufmerksamer begegnet als bei vielen anderen Produkten des täglichen Lebens (vgl. BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal; Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdn. 122).

Davon ist bei den hier maßgeblichen, den Bereich der Gesundheit betreffenden Produkten und Dienstleistungen auszugehen. Dem Erwerb geht in der Regel eine an den individuellen Bedürfnissen der Kunden ausgerichtete Beratung voraus oder der Kunde beansprucht die Produkte bzw. Dienstleistungen nach Vorinformation und Prüfung. Von daher ist mit einer größeren Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise selbst bei Laien zu rechnen. Dies gilt auch bezüglich der "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege". Zwar sind hier auch niedrigpreisige Produkte des täglichen Bedarfs in die Betrachtung einzubeziehen; angesichts der immer häufiger auftretenden allergischen Reaktionen aufgrund verwendeter Substanzen und zunehmender Anfälligkeit von Verbrauchern ist aber auch hier von Überprüfung und angemessener Aufmerksamkeit beim Erwerb auszugehen.

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Marken ist maßgeblich auf den von den Marken hervorgerufenen Gesamteindruck unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente abzustellen. Der Durchschnittsverbraucher der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen nimmt eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (vgl. EuGH a. a. O. - MATRATZEN CONCORD; GRUR 2006, 413, 414 (Nr. 19) - ZIRH/SIR; BGH a. a. O. (Nr. 17) - coccodrillo). In ihrer Gesamtheit betrachtet unterscheidet sich die angegriffene Marke apotheke am dm unverwechselbar durch die zusätzlichen Worte apotheke am bildlich, klanglich und begrifflich von der Widerspruchsmarke dm.

Unmittelbare Verwechslungsgefahr kommt damit nur in Betracht, wenn dem Bestandteil "dm" der angegriffenen Marke apotheke am dm eine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung beigemessen werden könnte und die weiteren Markenteile "apotheke am" für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden könnte (vgl. EuGH a. a. O. (Nr. 29) - THOMSON LIFE; BGH a. a. O. (Nr. 16) - Malteserkreuz).

Davon ist hier auszugehen. Der Markenbestandteil "Apotheke" bezeichnet einen Ort, an dem Medikamente verkauft, geprüft und auch hergestellt werden, wobei auch die Beratung im Mittelpunkt steht und wird in diesem Zusammenhang stets verwendet; "am" (= "an dem") ist ein ortsbezogener Hinweis. Es ist daher damit zu rechnen, dass bei den vorliegenden Waren und Dienstleistungen beachtliche Verkehrskreise bei der angegriffenen Marke diese Bestandteile in diesem Sinn wahrnehmen. Für den weiteren Markenbestandteil "dm" läßt sich demgegenüber ein Bedeutungsgehalt nicht feststellen. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Angaben "apotheke am" für maßgebliche Teile der angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können und die eigentliche Kennzeichnung in "dm" gesehen wird. Eine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung ist damit allein dem Bestandteil "dm" beizuessen. Demgegenüber kann die Inhaberin der angegriffenen Marke nicht mit Erfolg einwenden, es handele sich bei ihrer Marke um einen Gesamtbegriff, der eine Orientierung an nur einem Markenbestandteil ausschließe. Ein Gesamtbegriff liegt schon deshalb nicht vor, weil - wie ausgeführt - nicht erkennbar ist, dass dem Markenbestandteil "dm" inhaltlich eine Bedeutung zukommt; unter diesen Umständen kann nicht von einem mit Sinngehalt behafteten Gesamtbegriff der Marke apotheke am dm ausgegangen werden. Ein bloß formaler Bezug reicht jedenfalls für eine solche Annahme nicht aus (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdn. 270 f. m. w. N.).

Die Widerspruchsmarke enthält neben den Buchstaben "dm" zwar ein grafisches Element. Auch hier geht der Senat davon aus, dass maßgebliche Teile der angesprochenen Verkehrskreise die eigentliche Kennzeichnung in "dm" sehen; denn innerhalb der Widerspruchsmarke wirkt das unterhalb der Buchstaben "dm" angeordnete Bildelement wie eine Unterstreichung; solche Unterstreichungen sind in der Werbung auch in farblicher Darstellung häufig anzutreffen und wirken nicht kennzeichnend. Eine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung ist damit in der Widerspruchsmarke allein dem Bestandteil "dm" beizumessen.

In dem für die Kollision allein in Betracht kommenden Bestandteil "dm" stimmen die Marken überein. Unter Berücksichtigung einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und identischen Waren wie auch ähnlichen Waren und Dienstleistungen besteht eine markenrechtlich beachtliche Verwechslungsgefahr, die selbst dann noch vorläge, wenn zu Gunsten der Inhaberin der angegriffenen Marke zum Teil nur von entfernterer Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen auszugehen wäre.

Es bestand kein Anlass, einer der Beteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aus Billigkeitsgründen aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 MarkenG). Der diesbezüglichen Anregung der Widersprechenden vermag der Senat nicht zu entsprechen. Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr sind viele Faktoren maßgeblich, die in einer Gesamtwürdigung in Betracht zu ziehen sind. Unter diesen Umständen kann die Einlegung der Beschwerde hier jedenfalls nicht als mutwillig angesehen werden, auch wenn die Beschwerde im Ergebnis ohne Erfolg bleibt.

Dr. Vogel von Falckenstein Winter Richterin Hartlieb ist an der Unterschrift wegen Krankheit verhindert.

Dr. Vogel von Falckenstein Hu






BPatG:
Beschluss v. 23.06.2008
Az: 30 W (pat) 52/06


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/e935dcd67f6b/BPatG_Beschluss_vom_23-Juni-2008_Az_30-W-pat-52-06




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share