Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Dezember 2005
Aktenzeichen: 34 W (pat) 16/04

(BPatG: Beschluss v. 08.12.2005, Az.: 34 W (pat) 16/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Das am 4. Juni 1992 angemeldete und am 5. November 1998 veröffentlichte Patent 42 18 354 betrifft eine Transporteinheit.

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:

"Transporteinheit, bestehend aus einer Mehrzahl zu einem quaderförmigen Stapel (1) geschichteter, plattenförmig ausgebildeter, jeweils eine Ebene bildender Mineralwolle-Dämmstoffplatten, wobei an der Unterseite des Stapels quer zu seiner Längserstreckung mindestens ein streifenförmig ausgebildeter, sich über die Gesamtbreite des Stapels erstreckender, aus druckfester Mineralwolle bestehender Auflagekörper (4, 5) angeordnet ist, jeder Auflagekörper mit dem Stapel durch eine den Stapel umgebende, ein- oder mehrlagige Folie verbunden ist, die so geführt ist, dass sie zumindest an einem Teil der Oberseite und zumindest an einem Teil der beiden Längsseiten des Stapels sowie an den beiden Stirnseiten und der Unterseite des Auflagekörpers anliegt."

Zwanzig Unteransprüche kennzeichnen Ausgestaltungen der Transporteinheit nach Anspruch 1. Wegen ihres Wortlauts wird auf die Patentschrift verwiesen.

Die Einsprechende hat am 4. Februar 1999 gegen das Patent Einspruch erhoben und den Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht. Sie stützt sich dazu im Beschwerdeverfahren u. a. auf eine von der Fa. DOW Sverige AB herausgegebene Hauszeitschrift "Nordic News", Ausgabe Dezember 1991 (Bl. 54 GA). Drei weitere Unternehmen hatten ebenfalls Einspruch erhoben. Sie haben ihre Einsprüche im Zuge des Einspruchsverfahrens zurückgenommen.

Die Patentabteilung 27 des Deutschen Patent- und Markenamts hat das Patent nach Prüfung der vier Einsprüche mit Beschluss vom 15. Dezember 2003 widerrufen mit der Begründung, die Transporteinheit nach Anspruch 1 ergebe sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus der DE 31 17 929 A1 in Verbindung mit seinem vorauszusetzenden Fachwissen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde der Patentinhaberin. Sie ist der Ansicht, der Gegenstand des Patents sei durch den druckschriftlich nachgewiesenen Stand der Technik weder vorweggenommen noch nahegelegt. Sie bestreitet, dass die genannte Hauszeitschrift der DOW Sverige AB zum druckschriftlichen Stand der Technik zählt oder ihr Inhalt durch mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit vor dem Anmeldetag des Patents der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist.

Die Patentinhaberin verteidigt das Patent in der erteilten Fassung, hilfsweise mit einem neugefassten Hauptanspruch, der folgenden Wortlaut hat:

"Transporteinheit, bestehend aus einer Mehrzahl zu einem quadenförmigen Stapel (1) geschichteter, plattenförmig ausgebildeter, jeweils eine Ebene bildender Mineralwolle-Dämmstoffplatten, wobei an der Unterseite des Stapels quer zu seiner Längserstreckung zwei streifenförmig ausgebildete, sich über die Gesamtbreite des Stapels erstreckende, aus druckfester Mineralwolle bestehende und mit Abstand voneinander angeordnete Auflagenkörper (4, 5) angeordnet sind, jeder Auflagekörper mit dem Stapel durch eine den Stapel umgebende, ein- oder mehrlagige Folie verbunden ist, die so geführt ist, dass sie zumindest an einem Teil der Oberseite und zumindest an einem Teil der beiden Längsseiten des Stapels sowie an den beiden Stirnseiten und der Unterseite des Auflagekörpers anliegt."

Die Patentinhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent aufrechtzuerhalten, hilfsweise das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 21 gemäss Hilfsantrag, der Beschreibung und Zeichnung gemäß Patentschrift beschränkt aufrechtzuerhalten.

Die Einsprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Gegenstand des Patents sei in der erteilten wie in der hilfsweise verteidigten Fassung gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik nicht patentfähig.

Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung die Teilung des Patents erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Der Einspruch war ebenfalls zulässig.

A) Zum Hauptantrag:

1.) Ausgehend von einer Transporteinheit, bei der ein Stapel von Mineralwolle-Dämmstoffplatten mittels Spannbändern und Kantenschutzelementen auf einer Palette gehalten wird, beschäftigt sich das Patent mit dem Problem, eine Transporteinheit zu schaffen, bei der aus ökonomischen und ökologischen Gründen der Aufwand für die Transportverpackung erheblich vermindert ist (vgl. Spalte 1 bis Spalte 2 Zeile 27 der Patentschrift).

Mit dem erteilten Anspruch 1 wird zur Lösung dieses Problems - entsprechend der von der Patentinhaberin vorgelegten Anspruchsgliederung - vorgeschlagen eine Transporteinheit, bestehend ausa) einer Mehrzahl Mineralwolle-Dämmstoffplatten, wobeiaa) jede Mineralwolle-Dämmstoffplatte eine Ebene bildet;

ab) die Mineralwolle-Dämmstoffplatten plattenförmig ausgebildet sind;

ac) die Mineralwolle-Dämmstoffplatten zu einem quaderförmigen Stapel geschichtet sind;

b) mindestens einem Auflagekörper, wobeiba) der Auflagekörper an der Unterseite des Stapels angeordnet ist;

bb) der Auflagekörper sich quer zur Längserstreckung des Stapels erstreckt;

bc) der Auflagekörper sich über die gesamte Breite des Stapels erstreckt;

bd) der Auflagekörper aus druckfester Mineralwolle besteht;

be) der Auflagekörper streifenförmig ausgebildet ist;

c) einer ein- oder mehrlagigen Folie, dieca) den Auflagekörper und den Stapel umgibt;

cb) den Auflagekörper mit dem Stapel verbindet;

cc) zumindest an einem Teil der Oberseite und zumindest an einem Teil der beiden Längsseiten des Stapels anliegt undcd) an den beiden Stirnseiten und der Unterseite des Auflagekörpers anliegt.

Nach den Ausführungen in der Patentschrift, Spalte 2 Zeilen 30 bis 34, ergibt sich damit eine Transporteinheit, bei welcher praktisch sämtliche Teile der Transportverpackung auf der Baustelle verwendbar sind, auch die Folien, die Dichtungszwecken dienen können oder anderweitig benutzbar sind.

2.) Die Lehre des Hauptanspruchs bedarf zu ihrem Verständnis der Auslegung unter Heranziehung der Beschreibung und der Zeichnung.

Das Merkmal, wonach die Mineralwolle-Dämmstoffplatten "jeweils eine Ebene" bilden (entsprechend Merkmal aa) der vorstehenden Gliederung), schließt im Hinblick auf die Figuren des Ausführungsbeispiels in der Patentschrift ohne Zweifel auch eine Ausführungsform ein, bei der jede Lage des quaderförmigen Stapels von einer einzigen Dämmstoffplatte gebildet ist. Die Ansicht der Patentinhaberin, die Lehre des Patents beschränke sich auf diese Ausführungsform und schließe Varianten aus, bei denen die Lagen jeweils aus mehreren Dämmstoffplatten gebildet seien, hält der Senat indes für unzutreffend. Der Wortlaut des Anspruchs 1 schließt nämlich auch Ausführungsformen ein, bei denen mehrere (z. B. zwei oder drei) Dämmstoffplatten in einer Lage angeordnet sind und dort gemeinsam "jeweils eine Ebene" bilden.

Hinsichtlich des "streifenförmig ausgebildeten" Auflagekörpers (Merkmal be) der Anspruchsgliederung) hat die Patentinhaberin vorgetragen, dieser Begriff übermittle dem auf diesem Gebiet tätigen Fachmann eine Dimension, bei der zwar die Länge des Auflagekörpers wesentlich größer als seine Dicke sei, seine Breite sich aber allenfalls unwesentlich von seiner Dicke unterscheide (vgl. Seite 6 letzter Satz bis Seite 7 Satz 1 der Beschwerdebegründung). Diese Ansicht der Patentinhaberin ist im Hinblick auf die Ausführungen in der Patentschrift zur Breite des streifenförmigen Auflagekörpers offensichtlich unzutreffend; denn in Spalte 2 Zeilen 62 bis 66 der Patentschrift wird ausgeführt, dass die in Figur 1 mit einem Dicken-Breiten-Verhältnis von etwa 1:4 bis 1:5 gezeichneten Auflagekörper (4, 5) einen rechteckigen Querschnitt haben (also nicht einen etwa quadratischen, wie die Patentinhaberin meint) und dass die Höhe (8) der Auflagekörper vorteilhafterweise etwa der Dicke einer Dämmstoffplatte (2, 3) des aufliegenden Stapels (1) entspricht. Ferner beträgt bei dem mit Maßangaben versehenen Ausführungsbeispiel in Spalte 6 Zeilen 1 bis 16 die "Mindestbreite der jeweils 1,2 m langen Hauptauflagerkörper 0,39 m"; unter Bezugnahme auf die übrigen Maßangaben zur Höhe des Stapels und eine Ausführungsform, wie sie in Figur 1 der Patentschrift dargestellt ist, beträgt die Höhe des Auflagerkörpers aber nur etwa 9 bis 10 cm.

Die Patentinhaberin hat ferner vorgetragen, die Mineralwolle-Dämmstoffplatten seien anders aufgebaut als der/die Auflagekörper; erstere seien nachgiebig und weich, während letztere gemäß Merkmal bd) druckfest und hart seien müssten. Diese Ansicht der Patentinhaberin findet im Streitpatent keine Stütze. Zum einen enthält der Hauptanspruch des Patents keinen Hinweis, wonach die Mineralwolle-Dämmstoffplatten nachgiebig und weich sein müssten. Zum anderen werden in der Patentschrift Ausführungsbeispiele der patentgemäßen Transporteinheit beschrieben, bei der die Platten und Auflagekörper aus dem selben Material bestehen (Spalte 3 Absatz 2) oder mit gleicher Druckfestigkeit hergestellt worden sind (Spalte 4 Absatz 2). Die Lehre des Anspruchs 1 schließt daher auch Ausführungsformen der patentgemäßen Transporteinheit ein, bei denen sowohl der Aufbau als auch die Druckfestigkeit der Dämmstoffplatten und der Auflagekörper identisch sind.

3.) Die Transporteinheit nach dem so verstandenen erteilten Hauptanspruch ist nicht patentfähig.

Sie ist neu, was die Einsprechende jedenfalls in der mündlichen Verhandlung nicht mehr in Abrede gestellt hat. Sie ist offensichtlich auch gewerblich anwendbar. Sie beruht aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil sie sich für den Fachmann - einen Diplom-Ingenieur (FH) für Verpackungswesen mit mehrjähriger beruflicher Erfahrung in der Entwicklung, Herstellung und Verwendung von Transporteinheiten - am Anmeldetag des Patents in naheliegender Weise aus dem nachgewiesenen Stand der Technik ergab.

Die Patentabteilung hat im angefochtenen Beschluss im Ergebnis zu Recht dargelegt, dass der Fachmann - ausgehend von einer Transporteinheit, wie sie in der DE 31 17 929 A1 als "Verpackung für eine Ladung ohne Palette" gezeigt und beschrieben wird - im Rahmen fachüblicher Maßnahmen den Gegenstand nach Anspruch 1 des Patents auffinden konnte, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen. Verwendet er bei dieser bekannten Verpackung als zu verpackende Gegenstände anstelle der dort ohnehin nur beispielhaft genannten Zementsäcke druckfeste Mineralwolle-Dämmstoffplatten, so erhält er eine Verpackung in der Form einer Transporteinheit, die in folgender Weise mit den Einzelmerkmalen der vorstehenden Gliederung von Anspruch 1 des Patents übereinstimmt:

- Die Transporteinheit besteht aus einer Mehrzahl (vgl. Satz 1 der Beschreibung des Ausführungsbeispiels in der DE 31 17 929 A1, nachstehend kurz DE-A1 genannt) von Mineralwolle-Dämmstoffplatten entsprechend Merkmal a).

- Jede Platte bildet - gemeinsam mit den übrigen Platten der jeweiligen Lage - eine Ebene entsprechend Merkmal aa).

- Die Aussage von Merkmal ab), wonach Mineralwolle-Dämmstoffplatten plattenförmig ausgebildet sind, ist schon rein sprachlich eine Selbstverständlichkeit.

- Die verpackten Gegenstände sind entsprechend Merkmal ac) auch zu einem quaderförmigen Stapel geschichtet, was ohne weiteres den Figuren der DE-A1 entnommen werden kann.

- Es ist entsprechend dem Mindesterfordernis von Merkmal b) auch ein Auflagekörper vorhanden, der in der DE-A1 als "verkleinerte Lage 2" bezeichnet wird.

- Dieser Auflagekörper wird zwar während der Herstellung der Transporteinheit an der Oberseite des Stapels angeordnet, nach dessen bestimmungsgemäßer Drehung um 180 Grad, wie in Absatz 3 der Beschreibung des Ausführungsbeispiels der DE-A1 erwähnt wird, ist er aber an dessen Unterseite angeordnet, womit auch Merkmal ba) der Anspruchsgliederung verwirklicht ist.

- Wie den Figuren 1 und 2 der DE-A1 in Verbindung mit der zugehörigen Beschreibung ohne weiteres entnehmbar ist, erstreckt sich dieser Auflagekörper auch quer zur Längserstreckung des Stapels und über dessen gesamte Breite entsprechend den Merkmalen bb) und bc).

- Die Verwirklichung des Merkmals bd) ergibt sich aus der Verwendung von druckfester Mineralwolle als zu verpackendem Gegenstand.

- Ferner ist der Auflagekörper entsprechend Merkmal be) auch streifenförmig im vorstehend verstandenen Sinn ausgebildet.

- Schließlich besteht die Verpackung nach der DE-A1 auch aus einer Folie (Umhüllung 7 in Form einer Kunststoff-Schrumpffolie, vgl. Absatz 2 der Figurenbeschreibung der DE-A1), die Auflagekörper und Stapel umgibt und verbindet und an den Oberseiten und den beiden Längsseiten des Stapels sowie an den beiden Stirnseiten und der Unterseite des Auflagekörpers anliegt. Damit sind auch die Merkmale c) bis cd) der Merkmalsgliederung verwirklicht.

Mit der Verwendung von druckfesten Mineralwolle-Dämmstoffplatten als zu verpackenden Gegenständen bei der Verpackung nach der DE-A1 erhält der Fachmann somit eine Transporteinheit nach Anspruch 1 des Patents. Schwierigkeiten oder technische Fehlvorstellungen, die der Fachmann zu überwinden gehabt hätte, um am Anmeldetag des Patents die bekannte Verpackung auch zur Verwendung für druckfeste Mineralwolle-Dämmstoffplatten vorzuschlagen, sind für den Senat nicht ersichtlich, zumal es sich bei diesen Platten auch, wie bei den beispielhaft in der DE-A1 genannten Zementsäcken, um Baustoffe handelt, die üblicherweise an den selben Empfänger geliefert werden.

Der Anspruch 1 des Patents hat aus diesen Erwägungen keinen Bestand.

Zu dem selben Ergebnis konnte der Fachmann am Anmeldetag des Patents auch ohne erfinderisches Zutun gelangen, wenn er die in der Hauszeitschrift der Fa. DOW Sverige vom Dezember 1991 auf den Seiten 10 und 11 beschriebene Transporteinheit zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen gemacht hätte.

Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin zählte diese am Anmeldetag des Patents zum druckschriftlichen Stand der Technik.

Es handelt sich um eine in erster Linie für die Mitarbeiter eines schwedischen Unternehmens herausgegebene Zeitschrift (Hauszeitung). Die Artikel sind entweder in schwedischer oder englischer Sprache abgefasst. Ihnen ist eine Zusammenfassung in der jeweils anderen Sprache beigefügt, damit die Artikel auch von Mitarbeitern der DOW-Gruppe, die der schwedischen Sprache nicht mächtig sind, verstanden werden. Die Schrift weist zahlreiche farbige Fotos auf und soll nach Inhalt und Aufmachung auch die Bindung der Mitarbeiter an ihr Unternehmen stärken. So stellt die Zeitschrift DOW-Jubilare mit 15-, 10- und 5-jähriger Betriebszugehörigkeit vor. Mit dem Foto einer DOW-Mannschaft wird eine Kanuregatta geschildert. Es wird von Besuchern berichtet, so jeweils mit Bild von einer Gruppe von Vertretern schwedischer Chemiefirmen und von schwedischen Studenten. Mehrere Fachartikel (darunter auf den Seiten 10 und 11 der entgegengehaltene Bericht) und ein eher unterhaltsamer, mit witzigen Zeichnungen versehener Artikel über Chemie in der Welt des Sports bilden weitere inhaltliche Schwerpunkte.

Diese Zeitschrift ist nach der Überzeugung des Senats vor dem Anmeldetag des Patents, dem 4. Juni 1992, der Öffentlichkeit zugänglich gewesen. Sie wendet sich zwar zunächst und in erster Linie an die Mitarbeiter (nicht nur an die Leitungsebene, wie die Patentinhaberin behauptet) und damit an einen noch eingrenzbaren Personenkreis. Nach der Lebenserfahrung sind die Mitarbeiter jedoch nicht gehalten, eine derart gestaltete Zeitschrift nur im Bereich des Betriebes zu halten und vertraulich zu behandeln. Sie werden sie ihrer Familie und Freunden zeigen, etwa wenn sie selbst darin abgebildet sind. An dieser ihrer Einstellung ändert sich auch dann nichts, wenn in einer derart aufgemachten Zeitschrift ein Fachartikel von stattgefundenen Versuchen mit der Verpackung von gebündelten Styrofoamplatten berichtet. Auch wenn es um eine Entwicklung einer erst in Auftrag gegebenen Versuchsanlage geht, wird der Mitarbeiter als Leser sich nicht gehalten fühlen, das in dieser Form und Umgebung Gelesene geheim zu halten. Vielmehr wird er nach der Lebenserfahrung dann, wenn er Kontakt zu Kunden seines Unternehmens hat, bei sich bietender Gelegenheit werbend auf eine solche Entwicklung hinweisen. Dabei kann er auch die Zeitschrift selbst zeigen oder weitergeben.

Nach der Lebenserfahrung erhalten auch die in der Zeitschrift abgebildeten Besucher zur Erinnerung und Dokumentation ein Exemplar übersandt.

Damit war die Mitarbeiterzeitschrift als eine schriftliche Beschreibung einem nicht mehr eingrenzbarem Personenkreis und damit der Öffentlichkeit zugänglich, PatG § 3 Abs. 1 Satz 2, und zwar zu dem auf der Titelseite genannten Erscheinungszeitpunkt "Dezember 1991", also mehrere Monate vor dem Anmeldetag des Patents. Darüber hinaus bestand die nicht entfernte Möglichkeit, dass Mitarbeiter der DOW-Gruppe Kenntnisse, die sie aus der Lektüre des Artikels auf den Seiten 10 und 11 dieser Schrift gewonnen hatten, an Dritte weitergeben konnten, etwa an Kunden, wie oben ausgeführt.

Eine Vernehmung der angebotenen Zeugen war nicht erforderlich. Der Senat konnte, gestützt auf Art und Inhalt der in der mündlichen Verhandlung im Original vorgelegten Mitarbeiterzeitschrift unter Heranziehung der Grundsätze des Anscheinsbeweises von einem typischen Geschehensablauf ausgehen, bei dem nach der Lebenserfahrung auf ein bestimmtes Ergebnis, die öffentliche Zugänglichkeit der Zeitschrift, geschlossen werden kann (vgl. dazu BPatGE 32, 109 m.w.N.). In dieser Lage wäre es Sache der Patentinhaberin gewesen, konkrete Tatsachen vorzutragen, aus denen sich die ernsthafte und nicht nur vage Möglichkeit eines anderen ungewöhnlichen Verlaufs hätte ergeben können. Dies hat sie nicht getan. Bloße unsubstantiierte Bedenken sind nicht geeignet, den Anscheinsbeweis zu entkräften. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzukommen, die einen anderen Geschehensablauf als ernsthafte Möglichkeit nahe legen (BPatGE a.a.O.).

Die in der Hauszeitschrift gezeigte Transporteinheit besteht aus einer Mehrzahl zu einem quaderförmigen Stapel geschichteter, jeweils eine Ebene bildender Schaumstoff-Dämmstoffplatten, wobei an der Unterseite des Stapels quer zu seiner Längserstreckung mindestens ein streifenförmig ausgebildeter, sich über die Gesamtbreite des Stapels erstreckender Streifen aus dem selben Schaumstoff als Auflagekörper angeordnet ist. Jeder Auflagekörper ist mit dem Stapel durch eine den Stapel umgebende Folie verbunden, die - wie der Abbildung auf Seite 10 entnehmbar ist - an einem Teil der Oberseite und an einem Teil der beiden Längsseiten des Stapels sowie an den beiden Stirnseiten und der Unterseite des Auflagekörpers anliegt.

Um von dieser bekannten Transporteinheit zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents zu gelangen, brauchte der Fachmann lediglich die Schaumstoff-Dämmstoffplatten durch druckfeste Mineralwolle-Dämmstoffplatten zu ersetzen, was eine Maßnahme darstellt, die nach Ansicht des Senats fachübliches Handeln nicht übersteigt. Schwierigkeiten oder technische Fehlvorstellungen, die der Fachmann dabei hätte überwinden müssen, sind für den Senat auch hier nicht zu erkennen.

Der erteilte Anspruch 1 hat auch aus diesen Erwägungen keinen Bestand.

Mit dem Hauptanspruch fallen auch die auf ihn rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 21, da nach ständiger Rechtssprechung über einen Antrag auf Aufrechterhaltung eines Patents nur als Ganzes entschieden werden kann. Im übrigen hat der Senat weder in den Unteransprüchen noch in der Beschreibung einen erfinderischen Überschuss erkennen können. Von einer senatsseitigen Anregung, das Patent mit neugefassten Ansprüchen beschränkt zu verteidigen, ist daher abgesehen worden.

B) Zum Hilfsantrag:

Die Lehre des Anspruchs 1 des Hilfsantrags unterscheidet sich von der des Hauptantrags dadurch, dass an Stelle von "mindestens einem" nun "zwei" Auflagekörper vorgesehen und "mit Abstand voneinander angeordnet" sind.

Der mit dem Hilfsantrag verteidigte Hauptanspruch ist zulässig. Er beschränkt die Transporteinheit nach dem erteilten Anspruch 1 auf eine Ausführungsform mit zwei Auflagekörpern, die mit Abstand voneinander angeordnet sind. Offenbart ist dieser Gegenstand im beschriebenen Ausführungsbeispiel nach Figur 1 der Patentschrift.

Nach Ansicht des Senats gehört es aber zum fachmännischem Wissen und Können, bei Transporteinheiten beispielsweise wegen deren Länge und der dadurch bedingten mangelnden Formsteifigkeit oder Standfestigkeit nicht nur einen, sondern mindestens einen weiteren Auflagekörper vorzusehen und diesen mit Abstand von dem anderen anzuordnen. Zum Nachweis dieses Fachwissens wird auf Figur 4 der auf der Titelseite der Patentschrift zitierten FR 2 540 836 verwiesen. Eine erfinderische Tätigkeit kann in dieser Maßnahme nicht gesehen werden, auch nicht in Verbindung mit den übrigen Merkmalen des Anspruchs 1.

Der Patentanspruch 1 des Hilfsantrags hat daher ebenfalls keinen Bestand.

Auch hier teilen die auf ihn rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 21 das Schicksal des Hauptanspruchs.

Ipfelkofer Hövelmann Barton Ihsen Hu






BPatG:
Beschluss v. 08.12.2005
Az: 34 W (pat) 16/04


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