Landgericht Wiesbaden:
Urteil vom 30. März 2012
Aktenzeichen: 13 O 49/11

(LG Wiesbaden: Urteil v. 30.03.2012, Az.: 13 O 49/11)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist ein gemäß § 8 Abs. 3 Ziff. 2 UWG klagebefugter Verein. Die Beklagte vertreibt in Deutschland Lebensmittel, u.a. unter der Handelsmarke €A€ Balsamico Essig aus der Region Modena in Italien.

Auf den Etiketten der durch die Beklagte vertriebenen Essigprodukte befindet sich die Bezeichnung €Aceto Balsamico di Modena I.G.P.€ Ferner befindet sich auf diesen Etiketten jeweils in der oberen linken Ecke ein sog. €Blättersystem€, dessen Skala von 1 bis 4 Blättern reicht. Zur Veranschaulichung wird auf die Anlage B 2 (Anlagenband) Bezug genommen. Das Blättersystem dient jedenfalls auch der Qualitätsbewertung des hiermit gekennzeichneten Balsamico Essigs.

Auf den Etiketten ist ferner jeweils in Faksimile ein Stempel und Unterschrift der CSQA angebracht. Bei der CSQA handelt es sich um eine unabhängige Kontrolleinrichtung, die offiziell vom italienischen Ministerium für Landwirtschaft zur Durchführung der Kontrolle im Rahmen der Verordnung (EG) 583/2009 beauftragt und in Ziffer 4.7 des Anhangs dieser Verordnung als Kontrolleinrichtung benannt wurde. In dem Anhang II Ziff. 4.8 der Verordnung ist geregelt, dass auf den Verpackungen von Aceto Balsamico di Modena zu der vorgenannten Bezeichnung keine weiteren Zusätze, auch nicht in numerischer Form, als die in dieser Produktspezifikation ausdrücklich vorgesehenen Zusätze hinzugefügt werden dürfen. In der Produktspezifikation ist ein Blättersystem nicht vorgesehen.

Der Kläger hat die Beklagte mit Schreiben vom 17.5.2011 abgemahnt und die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verlangt, auf die Anlage K 6 wird Bezug genommen. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 31.5.2011, insoweit wird auf die Anlage K 7 Bezug genommen.

In vorstehendem Sachverhalt sieht der Kläger einen Verstoß der Beklagten gegen die Verordnung (EG) Nr. 583/2009. Indem die Beklagte das Blättersystem verwende, verstoße sie gegen die Verordnung, nach der keine weiteren Zusätze auf den Flaschenetiketten, auch nicht in numerischer Form, zulässig seien. Die Beklagte handele damit wettbewerbswidrig und verstoße insbesondere gegen die §§ 3, 4 Nr. 11 UWG. Die Beklagte sei deshalb gem. § 8 UWG zur Unterlassung verpflichtet und schulde Zahlung der Abmahnkosten.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern der Komplementärin der Beklagten, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr €A Aceto Balsamico di Modena I.G.P.€ unter Verwendung des sog. Blättersystems (Sistema Foglie) der Associazione Assaggiatori Italiani Balsamico (AIB) in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wenn dies geschieht wie auf dem Produktetikett gemäß der Anlage K 2;

an den Kläger 219,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit 14.9.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, gegen die Verordnung (EG) Nr. 583/2009, insbesondere deren Anhang II, nicht zu verstoßen.

Die Gestaltung der Etiketten stehe in Einklang mit den Regelungen der Verordnung. Es liege nämlich ein Übersetzungsfehler in der deutschen Fassung der Verordnung vor, da nur qualifizierende Adjektive hätten verboten werden sollen, nicht aber solche, wie sie die Beklagte verwendet. Es gebe Balsamico Essig in sehr unterschiedlichen Qualitäten zu sehr unterschiedlichen Preisen. Deshalb bestünde ein Bedürfnis auf dem Markt, den Verbraucher über die Merkmale der verschiedenen Produkte zu informieren. Wenn auch ein System wie das von der Beklagten verwendete Blättersystem unzulässig sei, könne sich der Verbraucher nicht mehr über höhere Qualitätsstufen, die aus der Verwendung besserer Zutaten und verfeinerter Herstellungs- und Lagerungsverfahren resultierten, informieren. Dies entspreche weder Zweck noch Wortlaut der Vorschriften. Demgemäß sei es marktüblich, die unterschiedlichen Qualitätsstufen und auch Geschmacksrichtungen von Balsamico Essig auf den jeweiligen Flaschenetiketten anzuzeigen. Hierzu seien unterschiedliche Systeme üblich, wie z.B. das Adlersystem, das Fässersystem oder auch das Wappenschildsystem, wobei die Hersteller jeweils zwischen einem und vier der jeweiligen Symbole auf dem Etikett abdrucken. Teilweise werde dieses vier-Qualitäten-System dadurch gekennzeichnet, dass die Grundfarbe des Etikettes geändert wird. Auf das Anlagenkonvolut B 3 (Anlagenband) wird ergänzend Bezug genommen. Die CSQA habe, wie aus den Etiketten ersichtlich, die verschiedenen €A€- Erzeugnisse geprüft und ausdrücklich freigegeben. Hierauf dürfe sich die Beklagte auch verlassen. Jedenfalls habe die Beklagte keine Sorgfaltspflichten verletzt. Aus der Stellungnahme des Consorzio Aceto Balsamico vom 19.1.2011 (Anl. B 6) folge die Zulässigkeit des hier verwendeten Blättersystems. Dieses Consorzio habe die Regeln für den Aceto Balsamico di Modena aufgestellt Aus dem Rundschreiben der Regione Emilia-Romania vom 1.2.2011 (Anl. B 7), die unstreitig die örtliche zuständige Überwachungsbehörde ist, ergebe sich ebenfalls, dass das verwendete Blättersystem zulässig sei. Insoweit sei nämlich zu berücksichtigen, dass mit den Kennzeichnungssystemen, auch dem Blättersystem, lediglich objektiv messbare Kriterien wiedergegeben würden, wie Farbe, Dichte und Säure des Essigs und nicht in der Spezifikation untersagte Behauptungen abgegeben würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte nicht zu. Die Beklagte hat sich nicht wettbewerbswidrig i.S.d. § 4 Ziff. 11 UWG verhalten.

Nach dem Wortlaut der hier einschlägigen Verordnung (EG) Nr. 583/2009, Anhang II Ziff. 4.8 folgt zwar, dass auf den Verpackungen des Essigs keine weiteren Zusätze, auch nicht in numerischer Form, als die in dieser Produktspezifikation ausdrücklich vorgesehenen hinzugefügt werden dürfen. Auch geht das Gericht davon aus, dass es sich bei der Verwendung eines Kennzeichnungssystems, das aus einem bis vier Symbolen besteht, die je nach in der Flasche enthaltener Essigqualität aufgedruckt werden, um einen Zusatz in numerischer Form handelt.

Allerdings ist der Tatbestand des § 4 Nr. 11 UWG nicht erfüllt, wenn ein Marktverhalten durch einen Verwaltungsakt ausdrücklich erlaubt worden ist und der Verwaltungsakt nicht nichtig ist (vgl. BGH, Urt. v. 23.6.2005, Az. I ZR 194/02; Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 30. Aufl. 2012,

§ 4 UWG, Rdnr. 11.20, jeweils m.w.N.). Ein derartiger Verwaltungsakt liegt hier vor. Ausweislich der zitierten Verordnung, Anhang II Ziff. 4.7 ist Kontrolleinrichtung für die Durchführung der Kontrolle im Rahmen der Verordnung die CSQA. Dass der Kläger diese Tatsache bestritten hat, ist unbeachtlich, da sich das aus der Verordnung selbst ergibt. Die Beklagte hat vorgetragen und durch Vorlage der von ihr verwendeten Etiketten (Anlagenkonvolut B 2) substantiiert, dass die Etiketten durch die CSQA sämtlich geprüft und ausdrücklich freigegeben wurden. Zwar hat der Kläger auch diese Tatsache bestritten, das Bestreiten ist jedoch offensichtlich ins Blaue hinein erfolgt und damit unerheblich. Die entsprechenden Prüfvermerke befinden sich auf den Etiketten der von der Beklagten vertriebenen Flaschen. Der Kläger hat nicht dargelegt, aufgrund welcher Umstände, wenn nicht durch Prüfung und Freigabe, die betreffenden Stempel auf die Flaschen gekommen sein können. Insbesondere hat der Kläger nicht vorgetragen, die Beklagte habe die entsprechenden Freigaben gefälscht oder sei sonst wie rechtswidrig in deren Besitz gelangt. Damit liegt aber ein Verwaltungsakt der zuständigen Prüfbehörde vor, wonach das Marktverhalten der Beklagten, nämlich Verwendung der Etiketten, ausdrücklich erlaubt wurde. Schon aus diesem Grund steht fest, dass sich die Beklagte durch die Verwendung der Etiketten nicht wettbewerbswidrig verhalten kann.

Es kommt hinzu, dass die Beklagte durch Vorlage der Stellungnahmen des Consorzio Aceto Balsamico (Anl. B 6) und des Rundschreibens der Regione Emilia-Romana vom 1.2.2011 (Anl. B 7) dargetan hat, dass auch die zuständigen Kontrollbehörden davon ausgehen, dass die Verwendung des Blättersystems und ähnlicher Systeme zulässig ist. Die Beklagte hat deshalb nicht gegen ihre fachlichen Sorgfaltspflichten verstoßen (vgl. hierzu auch OLG Frankfurt, Urteil vom 25.3.2010, Az. 6 U 219/09). Vielmehr durfte sie sich auf die vorgenannten Stellungnahmen verlassen. Auch hat die Beklagte durch Vorlage des Anlagenkonvoluts B 3 dargelegt, dass Systeme wie das von ihr verwendete Blättersystem so oder in vergleichbarer Form marktüblich sind. Insoweit ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass Mitbewerber der Beklagten teilweise ein System verwenden, bei dem die Etikettenfarbe in vier unterschiedlichen Varianten verwendet wird, um die gleichen Kennzeichnungen vorzunehmen, wie sie auch die Beklagte anstrebt. Die Verwendung unterschiedlicher Etikettenfarben ist jedoch nach dem Wortlaut der Verordnung nicht verboten. Es gibt deshalb auch aus diesem Grund keinen Anlass, der Beklagten ein System wie das hier verwendete, das letztlich keinen anderen Aussagewert hat, als die Verwendung unterschiedlicher Etikettenfarben, zu verbieten. Schließlich kommt hinzu, dass auch eine Irreführung des Verbrauchers durch das Verhalten der Beklagten nicht zu besorgen ist. Die Beklagte hat im Einzelnen dargelegt, dass Aceto Balsamico di Modena in sehr unterschiedlichen Qualitätsstufen angeboten wird und deshalb auch unterschiedlichen Verwendungszwecken dient. Es ist im Übrigen gerichtsbekannt, dass Balsamico Essig sowohl in Discountqualität zu sehr niedrigen Preisen angeboten wird, andererseits derartiger Essig auch als Delikatesse zu dreistelligen EURO-Beträgen erhältlich ist. Es besteht deshalb ein objektives Bedürfnis, den Verbraucher darüber zu informieren, welche Qualitätsstufe der Essig aufweist, den er erwerben möchte. Anderenfalls wären schon die Preisunterschiede für den Verbraucher nicht transparent und nicht erklärbar. Das Vorgehen der Beklagten dient mithin der Aufklärung des Verbrauchers und führt nicht zu dessen Irreführung.

Da sich die Beklagte nach alledem nicht wettbewerbswidrig verhalten hat, ist die durch den Kläger ausgesprochene Abmahnung ins Leere gegangen und der Kläger kann Abmahnkosten gem. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG nicht verlangen.

Als unterlegene Partei hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen,

§ 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.






LG Wiesbaden:
Urteil v. 30.03.2012
Az: 13 O 49/11


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