Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 19. Mai 1995
Aktenzeichen: 6 U 11/95

(OLG Köln: Urteil v. 19.05.1995, Az.: 6 U 11/95)

Dringlichkeit, Werbung mit Testergebnissen, Marktbeobachtungspflicht UWG § 25; § 3 1. Es besteht grundsätzlich keine Verpflichtung eines Wettbewerbers zur Marktbeobachtung dergestalt, daß er sich - ohne konkreten Anlaß - Werbematerial seines Konkurrenten besorgen müßte, um es gezielt auf einen etwaigen wettbewerbswidrigen Inhalt hin zu untersuchen. 2. Wirbt ein Anbieter von Vor- und Einrichtungen für die Brandbekämpfung in einer Werbebroschüre mit der Angabe, alle ,Basisprodukte" seien durch ein hierzu berufenes Institut geprüft, ist diese Angabe irreführend, wenn gleichzeitig Produkte beworben werden, die nicht ohne weiteres als (bloße) Abwandlungen der tatsächlich geprüften angesehen werden können.

Gründe

Nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien hat

der Senat nicht mehr über den Bestand der einstweiligen Verfügung,

sondern gemäß § 91 a ZPO nur noch über die Kosten des Rechtsstreits

zu befinden. Dabei ist unter Berücksichtigung des bisherigen Sach-

und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Danach

sind die Kosten der Antragsgegnerin aufzuerlegen, weil dies

billigem Ermessen entspricht. Nach dem bisherigen Sach- und

Streitstand wäre die zulässige Berufung nämlich als unbegründet

zurückzuweisen gewesen. Denn der Antrag auf Erlaß einer

einstweiligen Verfügung erweist sich auch unter Berücksichtigung

des bis zu dem Eingang der Erledigungserklärungen abgegebenen

Vortrags der Parteien im Berufungsverfahren als zulässig und

begründet.

Die Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG ist nicht widerlegt,

weil die Antragsgegnerin die Kenntnis der Antragstellerin von dem

Prospekt vor dem Zeitraum, in dem im Juni 1994 in Hannover die

Messe ,Interschutz" stattgefunden hat, nicht glaubhaft gemacht und

die Antragstellerin alsbald nach der Messe am 7.7. 1994 den Antrag

auf Erlaß einer Einstweiligen Verfügung gestellt hat.

Es kann zun"chst nicht als glaubhaft gemacht angesehen werden,

daß die Antragstellerin sich bereits im zeitlichen Zusammenhang mit

dem Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 26.10.1993 in der

Parallelsache 31 O 484/93 LG K"ln über den Inhalt des Prospektes

unterrichtet hat. Allein die Tatsache, daß die Parteien auch damals

schon in wettbewerblichen Auseinandersetzungen zueinander standen,

l"ßt nicht den Schluß zu, daß die Antragstellerin sich nach Erhalt

des Schriftsatzes sogleich um den Erhalt eines Prospektes bemüht

h"tte. Es ist überdies nicht ersichtlich, auf welche Weise sie

damals in den Besitz eines Exemplars h"tte gelangen k"nnen.

Ausweislich des Schriftsatzes waren die Prospekte zu diesem

Zeitpunkt nur gedruckt. Aus dem Schriftsatz ergab sich mithin

nicht, daß sie bereits zur Verteilung gelangt w"ren. Óberdies ist

nicht vorgetragen, von wem die bereits damals mit der

Antragsgegnerin in Auseinandersetzungen stehende Antragstellerin

den Prospekt sollte erhalten haben k"nnen.

Es bestand auch nicht eine dahingehende Pflicht der

Antragsgegenerin zur Beobachtung des Marktes, die es als vorwerfbar

erscheinen ließe, daß sich die Antragstellerin nicht früher um den

Erhalt eines Prospektes bemüht habe. Zum einen gilt auch insoweit,

daß nicht vorgetragen oder ersichtlich ist, von wem die

Antragstellerin angesichts der auch damals schon bestehenden

Auseinandersetzungen den Prospekt h"tte erhalten sollen. Zum

anderen kann jedenfalls nicht eine so weitgehende Verpflichtung zur

Marktbeobachtung angenommen werden, daß es der Antragstellerin

oblegen h"tte, sich - ohne daß bis dahin Anlaß für die Annahme

bestanden h"tte, diese k"nnte einen wettbewerbswidrigen Inhalt

haben - die Werbung der Antragsgegnerin zun"chst zu besorgen, um

sie dann gezielt auf m"gliche Wettbewerbsverst"ße zu untersuchen.

Nach dem Vortrag der Antragstellerin hat zwar im Dezember 1993 ein

Kunde von einem Konkurrenzangebot der Antragsgegnerin berichtet, in

dem - ohne Nennung des Institus der Feuerwehr Sachsen Anhalt (im

Folgenden: ,IdF") - auf feuerwehrtechnische Untersuchungen

hingewiesen worden sei, dies mußte die Antragstellerin aber nicht

zu der Vermutung veranlassen, die Antragsgegnerin k"nnte auch in

dem Prospekt zu Unrecht mit Prüfergebnissen Werbung betreiben.

Die Antragsgegnerin hat durch die vorgelegten eidesstattlichen

Versicherungen auch nicht glaubhaft zu machen vermocht, daß die

Antragstellerin bereits im M"rz 1994 anl"ßlich einer Besprechung

mit Herrn Dr. P. von dem IdF Kenntnis von dem Prospekt erlangt

h"tte. Die vor dem Termin zur mündlichen Berufungsverhandlung am

28.4.1995 vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen von Herrn

Dipl.-Ing. W. vom 13.12.1994 und von Herrn B. vom 16.12.1994

sprechen zwar für die Richtigkeit der Behauptung der Beklagten, sie

sind jedoch angesichts der Gesamtumst"nde und der von der

Antragstellerin vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen

letztlich nicht ausreichend, um diesen Vortrag als glaubhaft

gemacht ansehen zu k"nnen.

Die Antragsgegnerin hat zun"chst eine eidesstattliche

Versicherung des Zeugen Dr. P. selbst nicht vorgelegt, sondern

beruft sich auf die eidesstattlichen Versicherungen von Teilnehmern

an einem sp"teren Gespr"ch im Juli 1994, bei dem Herr Dr. P.

berichtet habe, bei einem Gespr"ch etwa 3-4 Monate vorher sei mit

dem Gesellschafter der Antragstellerin anhand des

streitgegenst"ndlichen Prospektes die Frage einer feuertechnischen

Untersuchung auch der Produkte der Antragstellerin er"rtert worden.

Diesen eidesstattlichen Versicherungen mag insbesondere angesichts

der ebenfalls versicherten Rückfrage bei Herrn Dr. P. über die

Richtigkeit der entscheidenden Passagen über das fragliche Gespr"ch

einiges Gewicht zukommen, sie stehen andererseits im Gegensatz zu

den eidesstattlichen Versicherungen des Gesellschafters der

Antragstellerin K. und seiner Ehefrau vom 13.3.1995 und 17.2.1995,

ausweislich derer Herr K. überhaupt nur im Dezember 1993 bei dem

IdF gewesen und damals nicht über den Prospekt gesprochen worden

ist und Herr K. den Prospekt bis zur Messe ,Interschutz" nicht

kannte.

Jedenfalls ohne daß sich der Senat einen eigenen Eindruck von

der Glaubwürdigkeit der Zeugen gemacht hat, kann nicht von einer

Glaubhaftmachung durch die von der Antragsgegnerin vorgelegten

eidesstattlichen Versicherungen ausgegangen werden. Dies ist indes

- abgesehen davon, daß im vorliegenden Eilverfahren der

Einstweiligen Verfügung ohnehin nur pr"sente Zeugen h"tten

vernommen werden k"nnen - mit Rücksicht auf die Tatsache nicht mehr

m"glich, daß nach der übereinstimmend abgegebenen

Erledigungserkl"rung gem"ß § 91 a ZPO bei der verbleibenden

Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits auf den bisherigen

Sach- und Streitstand abzustellen ist und daher insbesondere

Beweis- erhebungen einschließlich solcher zur Glaubhaftigkeit von

Parteivorbringen nicht mehr zul"ssig sind. Aus diesem Grunde vermag

der Senat auch die 3 erst im Termin zur mündlichen Verhandlung,

also nach übereinstimmender Erledigungserkl"rung, vorgelegten

eidesstattlichen Versicherungen der Eheleute B. und von Herrn

Gallo, die indes die behauptete frühe Kenntnis der Antragstellerin

auch nicht belegen, seiner Entscheidung nicht zugrundezulegen.

Im übrigen ist auch nicht ohne weiteres verst"ndlich, aus

welchem Grunde gerade der Prospekt der Antragsgegnerin bei einer

Er"rterung der M"glichkeit, die Produkte der Antragstellerin in dem

IdF einer Prüfung zu unterziehen, eine Rolle gespielt haben sollte.

Bis auf die Tatsache, daß dort mit der sp"ter angegriffenen Passage

auf Untersuchungen des IdF verwiesen worden ist, steht der Prospekt

mit einer m"glichen Untersuchung auch der Produkte der

Antragstellerin nicht im Zusammenhang. Sehr viel einleuchtender

w"re es, wenn stattdessen das Protokoll über die Brand- und

L"schversuche an den Produkten der Antragsgegnerin vom 28.4.1993

er"rtert worden w"re, weil sich daraus Einzelheiten über die

angestellten Untersuchungen ergaben. Es erscheint danach nicht

ausgeschlossen, daß Herr Dr. P. bei der Besprechung im Juli 1994

nicht den Prospekt, sondern dieses Protokoll gemeint haben k"nnte,

zumal das angebliche Gespr"ch damals schon 3-4 Monate

zurücklag.

Schließlich ist auch das Argument des Landgerichts, das auf dem

Eingangssatz des Schreibens des Direktors des IdF vom 21.6.1994 an

die Antragsgegnerin beruht, nicht von der Hand zu weisen. Danach

ist die ,kritische Anfrage" an das Institut bezüglich der Werbung

der Antragsgegnerin durch die Messe Interschutz in Hannover

ausgel"st worden. Wenn sich die Antragstellerin aber bereits damals

darauf berufen hat, (erst) auf dieser Messe Kenntnis von dem

Prospekt erlangt zu haben, spricht das für die Richtigkeit dieser

Behauptung. Denn es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grunde sie

in jenem frühen Verfahrensstand eine frühere Kenntnisnahme von dem

Prospekt gegenüber dem IdF verschwiegen haben sollte. Dies gilt

umso eher, als die Gesellschafter der Antragstellerin juristische

Laien sind und daher als Grund hierfür die Kenntnis über die Gefahr

des Dringlichkeitsverlustes in Wettbewerbssachen durch Zuwarten

jedenfalls mangels entsprechendem Vortrag der Antragsgegnerin

ausscheidet.

Ist nach alledem nicht glaubhaft gemacht worden, daß die

Antragstellerin durch ein Gespr"ch im M"rz 1994 oder durch andere

Umst"nde vor der Messe im Juni 1994 Kenntnis von dem Inhalt des

Prospektes hatte, so ist die Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG

nicht erschüttert.

Es besteht auch der Verfügungsanspruch aus § 3 UWG, weil die

angegriffene Werbeaussage irreführend ist.

Dies ergibt sich daraus, daß entgegen der Werbeaussage gerade

nicht alle ,Basisprodukte" durch das IdF geprüft worden sind.

Dabei kann dahinstehen, was die angesprochenen Verkehrskreise in

dem vorliegenden Zusammenhang unter Basisprodukten verstehen m"gen.

Denn die durchgeführte Prüfung hat sich schon nach dem Vortrag der

Antragsgegnerin selbst nicht auf alle Basisprodukte erstreckt. Die

Antragsgegnerin will, wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem

Landgericht erl"utert hat, unter Basisprodukten Dachsperren,

Strecksperren, Tor- und Laibungssperren sowie

Kanaldeckelabdeckungen verstanden wissen. Tats"chlich enth"lt indes

ihr Prospekt eine Anzahl derartiger Produkte, auf die sich die

Prüfung durch das IdF nicht erstreckt hat.

Geprüft worden sind die Auslaufsperren BL/BED, BL/BST, BL/BTL

und die Kanaleinlauf-Abdeckung BL/KSP. Zus"tzlich finden sich

demgegenüber in dem Prospekt die Modelle BL/BDD und BL/BED-KB,

sowie BL/BVV, BL/BEX, BL/BAP u.a., die jedenfalls nicht alle als

Abwandlungen der geprüften Produkte bezeichnet werden k"nnen. So

haben insbesondere die Modelle BL/BVV, BL/BHS, BL/BAP und BL/BSF

eine Ausgestaltung, die derart von denen der geprüften Modelle

verschieden ist, daß diese nicht mehr als Basisprodukte für jene

angesehen werden k"nnen, zumal der "ußeren Form und der - ebenfalls

unterschiedlichen - Umgebung der Auslaufsperren eine erhebliche

Bedeutung für deren Dichtheit zukommen dürfte. Schließlich ist, was

die Kanaldeckelabdichtungen angeht, nur das Modell BL/KSP geprüft

worden, das ausdrücklich mit dem Zusatz ,neue Technik" beworben

wird, w"hrend der Prospekt außerdem noch die Modelle BL/KMS, BL/KEG

anpreist. Auch diese k"nnen - zumindest mangels jeglichem Vortrag

der Antragsgegnerin hierzu - nicht als Modelle angesehen werden, zu

denen das geteste Modell BL/KSP die Basis w"re.

Erstreckte sich damit die Prüfung schon nach dem Vortrag der

Antragsgegnerin nicht auf alle beworbenen Basisprodukte, so ist die

Irreführung bereits unabh"ngig von der Frage zu bejahen, ob die

angesprochenen Verkehrskreise, auf deren Verst"ndnis es allein

ankommt, nicht ohnehin die Werbung dahin verstehen, daß jedenfalls

alle abgebildeten Ger"te durch das Institut geprüft worden

seien.

Ist daher auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der

Antragsgegnerin im Berufungsverfahren die Einstweilige Verfügung zu

Recht ergangen, so entspricht es billigem Ermessen, nach der

Erledigung des Rechtsstreites in der Hauptsache dessen gesamten

Kosten der Antragsgegnerin aufzuerlegen.

Streitwert: Bis zum 3.4.1995: 60.000 DM, anschließend: 18.000 DM






OLG Köln:
Urteil v. 19.05.1995
Az: 6 U 11/95


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