Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Dezember 2002
Aktenzeichen: 20 W (pat) 54/01

(BPatG: Beschluss v. 11.12.2002, Az.: 20 W (pat) 54/01)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seiner Entscheidung vom 11. Dezember 2002, Aktenzeichen 20 W (pat) 54/01, den Beschwerdeantrag der Einsprechenden teilweise stattgegeben. Der Beschluss des Patentamts vom 9. August 2001 wurde aufgehoben. Das Patent mit der Nummer 40 41 550 wird daher mit einigen Änderungen aufrechterhalten.

Das Patentamt hatte zuvor das Patent in vollem Umfang aufrechterhalten und argumentiert, dass der Gegenstand des Patents ausführbar und patentfähig sei. Einige Einsprechende hatten jedoch den Antrag gestellt, das Patent zu widerrufen, da sie der Meinung waren, dass der Patentanspruch nicht klar genug sei, nicht ausführbar sei und durch andere Referenzdokumente nahegelegt werde.

Das Bundespatentgericht stimmte jedoch der Zulässigkeit und Patentfähigkeit des Anspruchs 1 zu. Es analysierte verschiedene Merkmale des Anspruchs und kam zu dem Schluss, dass der Fachmann in der Lage sei, die Lehre des Patents auszuführen und dass die Erfindung neu sei. Es wurde auch festgestellt, dass die Erfindung nicht naheliegend sei, da sie nicht offensichtlich aus dem Stand der Technik abgeleitet werden konnte.

Das Gericht erwähnte auch, dass die Ansprüche 2 bis 13 Bestand haben und spezielle Ausführungen der Erfindung betreffen.

Insgesamt wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben und das Patent wurde mit Änderungen aufrechterhalten.

(Die Inhaltsangabe hat mehrere Absätze zur besseren Lesbarkeit.)




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 11.12.2002, Az: 20 W (pat) 54/01


Tenor

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluß des Patentamts vom 9. August 2001 aufgehoben.

Das Patent 40 41 550 wird mit dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentanspruch 1, im übrigen mit den Unterlagen gemäß Patentschrift, beschränkt aufrechterhalten.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Das Patentamt hat das Patent in vollem Umfang aufrechterhalten. Sein Gegenstand sei ausführbar und patentfähig gegenüber D1: DE 39 14 387 A1 D2: DE 38 15 698 A1 D3: Lehrgang Nr. 4718/08.129 "Sicherheit und Zuverlässigkeit bei elektronischen Regelungs- und Steuerungsanlagen", stattgefunden vom 15.-17.10.1980 am Fort- und Weiterbildungszentrum der Technischen Akademie Esslingen D4: DIN V VDE 0801/01.90, "Grundsätze für Rechner in Systemen mit Sicherheitsaufgaben, Stand: Januar 1990 D5: W. Link: "Sichere Identifikation", Fachaufsatz, Veröffentlichungsjahr 1988 D6: Ergänzungsantrag zu IEC 947-5-2 der deutschen Elektrotechnischen Kommission im DIN und VDE (DKE) vom 6.3.1989.

Die Patentinhaberin verteidigt ihr Schutzrecht mit dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Anspruch 1 und den erteilten Ansprüchen 2 bis 13.

Der Anspruch 1 lautet:

1. Sicherheitseinrichtung mit mindestens einem berührungslosen Geber zur Erfassung von mechanischen Bewegungsabläufen einer Vorrichtung, mit - einem Geber (29), der mindestens einen Eingang (10A) und mindestens einen Ausgang (10B) aufweist,

- einer Sicherheitsschaltungsanordnung (6), die einem Eingang (10A) des Gebers (29) mindestens ein gebereingangsseitig auf Ausfall überwachtes Testsignal zuführt, wobei der Geber (29) in verschiedenen Geberzuständen für die Testsignale ein unterschiedliches Übertragungsverhalten aufweist,

- einem ersten und wenigstens einem zweiten Sicherheitsschaltungsteil (25, 26) der Sicherheitsschaltungsanordnung (6), die das Signal am Ausgang (10B) des Gebers (5, 29) überprüfen, mit dem Testsignal am Eingang (10A) des Gebers (29) vergleichen und daraus Abweichungen gegenüber dem Testsignal am Eingang (10A) feststellen, wobei,

- von den beiden Sicherheitsschaltungsteilen (25, 26) festgestellte Abweichungen miteinander verglichen werden und bei Nichtübereinstimmung der Abweichungen eine Fehlermeldung erzeugt wird.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Sie trägt vor, die Lehre des Anspruchs 1 sei ursprünglich nicht offenbart, sie sei im Hinblick auf die vorgenommenen Änderungen unklar, nicht ausführbar und durch D2 und D4 nahegelegt.

II.

Der Anspruch 1 ist rechtsbeständig, sein Gegenstand patentfähig.

1. Der Anspruch 1 ist zulässig, weil damit der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 auf eine besondere in der Patentbeschreibung enthaltene Ausführungsform beschränkt ist.

Daß das Testsignal am Eingang des Gebers auf Ausfall überwacht ist, zeigt die Zeichnung (Fig 2, 5). Unmittelbar am Ausgang des Testsignalgenerators 8, 31 liegen die Überwachungsmonitore 9A, 9B und 52, 54.

Die Überprüfung des Geberausgangssignals, sein Vergleich mit dem eingangsseitig anliegenden Testsignal und die Feststellung der Abweichungen sind in der Beschreibung im einzelnen dargestellt (Sp 5 Z 3 bis 27). Dies deckt sich mit den Ursprungsunterlagen (OS Sp 5 Z 13 bis 39).

2. Der Anspruch 1 ist klar gefaßt, in ihm ist angegeben, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll. Wenn auch das neu aufgenommene Merkmal, wonach ein Sicherheitsschaltungsteil das Signal am Geberausgang mit dem Testsignal an seinem Eingang vergleicht und dabei eine Abweichung zwischen beiden Signalen feststellt, die technische Maßnahme nur allgemein wiedergibt, so verbindet doch der Fachmann damit bestimmte technische Vorstellungen. Elektrische Signale miteinander auf Übereinstimmung zu vergleichen, gehört zum technischen Rüstzeug eines Elektroingenieurs, der Näherungsschalter entwickelt. Wie er bei dem Vergleich auch eine Überprüfung anstellen soll, sagt ihm das letzte Merkmal des Anspruchs 1. Hiernach wird bei Nichtübereinstimmung der Abweichungen beider Sicherheitsschaltungsteile ein Fehler gemeldet.

3. Der Fachmann kann die Lehre ausführen. Eine Realisierungsmöglichkeit ist anhand einer bevorzugten Ausführungsform in der Patentschrift dargestellt (Fig 5).

4. Die Erfindung gilt als neu.

Der selbstprüfende, kapazitive Näherungsschalter nach D2 enthält nur eine einzige Prüfschaltung 20. Außerdem wird nur das Geberausgangssignal überwacht. Wird eine Funktionsstörung angezeigt, so kann das Ausgangssignal der Prüfungspulsquelle 18 oder die Übertragungsfunktion fehlerhaft sein.

Der Sicherheits-Näherungsschalter nach D1 vergleicht die Ausgangssignale zweier Sensoren.

Die Literaturstelle D4 betrifft keine Näherungsschalter, sondern Grundsätze für Rechner in Systemen mit Sicherheitsaufgaben.

Die übrigen Entgegenhaltungen haben in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt. Sie ergeben auch keine neuen Gesichtspunkte.

5. Die Erfindung ergab sich am Anmeldetag nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

Der Fachmann mag zwar unter Beachtung von D4 (S 37 Abs 1 und 2, S 38 Abs 2 Satz 1 und Ziffer 6.1.1. c)) in dem bekannten Näherungsschalter nach D2 (Fig 1) das Geberausgangssignal auf der Leitung L1 mit Hilfe von zwei Sicherheitsschaltungsteilen überwachen. Er mag auch noch, da ihm an Fehlersicherheit gelegen ist, die Taktsignale der Prüfungspulsquelle 18 gebereingangsseitig auf dem Weg zur Sensorelektrode E auf Ausfall überwachen. Es fehlt aber der Anstoß, das Signal am Ausgang des Gebers mit dem Testsignal an seinem Eingang zu vergleichen und sich dabei ergebende Abweichungen für eine Fehlermeldung heranzuziehen. Denn D2 zeigt nicht mehr als das in D4 (S 91 letzter Abs) dargestellte Prinzip, den Vergleich mit einem Erwartungswert. Die Prüfschaltung 20 liefert an ihrem Ausgang P dann eine Fehlermeldung, wenn innerhalb eines Zeitfensters, welches dem zeitlichen Abstand der Prüfimpulse entspricht, keine Pegeländerung auftritt (Sp 3 Z 63 bis Sp 4 Z 16). Mit einer Pegeländerung als Erwartungswert kann aber allenfalls dann eine Abweichung des Geberausgangssignals vom Testsignal festgestellt werden, wenn bei nicht ausfallendem Testsignal die Übertragungsfunktion fehlerbehaftet ist: das zeitlich sich ändernde Testsignal nicht zu einer Pegeländerung des Ausgangssignals führt.

Auf einen Vergleich des Geberausgangssignals mit dem Testsignal an seinem Eingang kommt es dabei nicht an. Damit fehlt aber auch die gedankliche Brücke zu der Maßnahme, die Abweichungen, welche bei dem Vergleich zwischen Geberausgangssignal und Testsignal am Gebereingang auftreten, als Kriterium für ein fehlerfreies Arbeiten des Näherungsschalters zu nutzen.

Die Druckschrift D1 als Ausgangspunkt der Überlegungen gewählt, führt zu keinem anderen Ergebnis, obwohl in dem redundant aufgebauten Sicherheits-Näherungsschalter nach D1 in jedem seiner beiden Kanäle ein Vergleich des Sensorausgangssignals UA1, UA2 mit einem Taktsignal T1, T2 stattfindet, dabei Abweichungen UAS1, UAS2 festgestellt werden und auch noch bei Nichtübereinstimung der Abweichungen eine Fehlermeldung erzeugt wird (Fig 2, 3).

Wie die Patentbeschreibung zutreffend ausführt, weist dieser Sicherheitsschalter (Fig 1, 2) zwei Oszillatorspulen auf, die je an eine einen Oszillator enthaltende Schalterelektronik angeschlossen sind, welche über getrennte Kanäle mit einer Auswerteeinheit zu verbinden sind. Die Oszillatoren haben unterschiedliche Frequenzen und die beiden Oszillatorspulen sind auf einem gemeinsamen Kern angeordnet.

Damit die Geber wechselweise schwingen, ist jedem Gebereingang ein Taktsignal UB1, UB2 zugeführt (Fig 2, 3), das somit funktionswesentlich, im Sinne des Patentgegenstandes als Testsignal aufzufassen ist und auch je nach Geberzustand ein unterschiedliches Übertragungsverhalten bedingt (Fig 3 Pulsverlauf UL1, UC1, UA1; UL2, UC2, UA2).

Das Ausgangssignal UA1, UA2 eines jeden Gebers wird in einer Aufbereitungsschaltung 139, 140 - zwei Sicherheitsschaltungsteilen - mit dem Taktsignal T1, T2 verglichen, das in fester Beziehung zum Testsignal UB1, UB2 steht (Sp 4 Z 46 bis 56 iVm Fig 3 und Sp 3 Z 40 bis 48). Bei diesem Vergleich werden Abweichungen UAS1, UAS2 des Geberausgangssignals UA1, UA2 vom Taktsignal T1, T2 und damit auch vom Testsignal UB1, UB2 festgestellt: Sie springen auf einen hohen Pegel, wenn die Impulse des Taktsignals T1, T2 mit einem hohen Pegel des Ausgangssignals UA1, UA2 zusammenfallen (Sp 4 Z 56 bis 67).

Die Abweichungen werden in einem Vergleicher 141 verglichen, bei Nichtübereinstimmung erfolgt eine Fehlermeldung, nämlich dann, wenn dies länger als eine halbe Taktperiode der Fall ist (Sp 5 Z 6 bis 11).

Gleichwohl ist der Senat nicht mit Sicherheit davon überzeugt, daß der Fachmann am Anmeldetag, von D1 ausgehend, einen gangbaren Weg zur Erfindung erblickte. Dies erforderte eine Reihe von Gedankenschritten.

Er mag zwar daran denken, im bekannten Näherungsschalter den gebereingangsseitig angeordneten Taktgenerator 122 auf Ausfall zu überwachen, weil ihm eine zentrale Bedeutung zukommt. Er mag als weiteren Schritt in Erwägung ziehen, den Aufbereitungsschaltungen 139, 140 das Testsignal UB1, UB2 selbst und nicht das davon abgeleitete Taktsignal T1, T2 zuzuführen. Auch mag er - für sich genommen - aus Sparsamkeitsgründen die Einzelmaßnahme ins Auge fassen, den Näherungsschalter nicht vollständig redundant aufzubauen, wie dies D1 veranschaulicht, sondern vielmehr, der Lehre des Anspruchs 1 gemäß, den beiden Sicherheitsschaltungsteilen in der Auswerteeinheit 121 das Ausgangssignal eines einzigen Sensors zuzuführen.

Der Senat hat aber erhebliche Zweifel, ob der zuletzt genannte Gedankenschritt in Verbindung mit den beiden erstgenannten im Blickfeld des Fachmanns lag.

Wenn der bekannte Sicherheits-Näherungsschalter dahingehend geändert wird, daß er nur einen einzigen Sensor enthält, so fehlt auch eine der beiden auf dem Sensorkern 102 angeordneten Oszillatorspulen 103, 104. Damit gibt es auch keine auf zwei unterschiedliche Frequenzen abgestimmte Schwingkreise, die im Wechsel für die Dauer eines Testsignals ein- und ausgeschaltet sind: Dann wäre es aber nur folgerichtig, wenn der Fachmann auch den Taktgenerator 122 wegließe, denn es kommt ersichtlich nicht mehr darauf an, daß die Ausgangssignale des Sensors jeweils mit dem Auftreten eines Taktsignals ausgewertet werden. Und das Taktsignal wird auch nicht mehr gebraucht, um den Schwingkreis ein- und auszuschalten (Fig 2 Teil 109, 110). Er kann ständig, unbeeinflußt von außen oder durch äußere Einflüsse bedämpft, schwingen.

D4 und D2 brachten den Fachmann in seinen Überlegungen nicht weiter: Bei dem Näherungsschalter nach D2 ist die Prüfungspulsquelle 18 nur für die Fehlererkennung, nicht aber für den eigentlichen Funktionsablauf erforderlich. D4 bringt nicht mehr als D1 und D2.

Die Ansprüche 2 bis 13 betreffen besondere Ausführungen der Sicherheitseinrichtung nach dem Anspruch 1 und haben gleichfalls Bestand.

Namentlich der Anspruch 4 eröffnet die Möglichkeit, durch den Geber dergestalt auf das Testsignal einzuwirken, daß die festgestellten Abweichungen Rückschlüsse auf den räumlichen Abstand zwischen Sensor und dem sich ihm nähernden Gegenstand zulassen (Sp 2 Z 28 bis 33).

Die Beschreibung genügt PatG § 34.

Dr. Anders Obermayer Kalkoff Martensbr/Ko






BPatG:
Beschluss v. 11.12.2002
Az: 20 W (pat) 54/01


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