Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Juli 2009
Aktenzeichen: 30 W (pat) 7/09

(BPatG: Beschluss v. 30.07.2009, Az.: 30 W (pat) 7/09)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Um Schutz in der Bundesrepublik Deutschland sucht die international registrierte Marke TRAIN GUARD nach; das Warenverzeichnis lautet:

"Appareils et equipements pour le contr™le et la securite de la circulation ferroviaire, pour la transmission de l'information entre postes fixes et vehicules, et pour le contr™le et la programmation de circuits ferroviaires, equipements electriques auxiliaires, equipements d'alimentation electriques et installations de c‰bles electriques; parties et accessoires pour les produits susmentionnes, compris dans cette classe. Montage, entretien et reparation d'appareils et equipements pour le contr™le et la securite de la circulation ferroviaire, pour la transmission de l'information entre postes fixes et vehicules, et pour le contr™le et la programmation de circuits ferroviaires, ainsi que d'equipements electriques auxiliaires et equipements d'alimentation electriques, et d'installations de c‰bles. Conception, mise à jour de logiciels pour le contr™le et la securite de la circulation ferroviaire, pour la transmission de l'information entre postes fixes et vehicules et pour le contr™le et la programmation de circuits ferroviaires, ainsi que consultation y relative (support)."

Die Markenstelle für Klasse 9 IR des Deutschen Patentund Markenamts hat der Marke in zwei Beschlüssen, einer davon ist im Erinnerungsverfahren ergangen, den nachgesuchten Schutz wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses verweigert. Die Anmeldung sei ein beschreibender Sachhinweis im Sinne einer Zweckbestimmung darauf, dass die damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen eine Schutzoder Sicherheits/Sicherungsvorrichtung für Züge darstellen bzw. die Sicherheit von Zugverkehr gewährleisten sollten oder darauf ausgerichtet seien. Trotz möglicher anders lautender Fachbegriffe sei auch für Fachleute die im Vordergrund stehende beschreibende Aussage erkennbar. Die Erinnerungsprüferin hat zusätzlich ausgeführt, "train guard" sei ein feststehender Begriff für Zugpersonal, dessen Aufgaben neben der Sicherheit der Fahrgäste auch die Sicherheit der technischen Anlagen umfasse. Im Übrigen seien Personifizierungen von Produkten und Dienstleistungen weit verbreitet. Wegen der Verbreitung, Geläufigkeit und Erschließbarkeit der Kombination "train guard" werde auch der Fachverkehr die Marke "TRAIN GUARD" im oben genannten Sinne verstehen.

Hiergegen hat die Markeninhaberin Beschwerde eingelegt und ausgeführt, das Markenwort sei nicht beschreibend, da anders lautende Fachbegriffe für Zugsicherungssysteme existierten. Es sei auf einen eng eingrenzbaren Kreis von hoch qualifizierten Fachleuten abzustellen, die mit der Frage der Sicherungsund Leittechnik für den Zugverkehr in Berührung kämen sowie deren Fachsprache. Diese Fachleute verwendeten für die hier beanspruchten Sicherungssysteme andere Fachbegriffe. Da der Begriff "guard" im Sinne eines menschlichen Wächters verstanden werde, werde der Verkehr die Zusammensetzung "train guard" in der Bedeutung "Zugwächter, Zugwache" verstehen, die Verwendung dieses Begriffs für technische Produkte sei somit originell. Aber auch wenn das Wort "guard" im technischen Sinne verstanden werde, ergebe sich ein breiter Spielraum von hiervon möglicherweise erfassten Waren und Dienstleistungen. Es könnten insbesondere solche Waren umfasst sein, die die Funktionen des Zuges oder den Fahrgastraum überwachen könnten. Hinsichtlich der von der IR-Marke "TRAIN GUARD" beanspruchten Waren und Dienstleistungen verwende der Fachverkehr hingegen den Begriff "control". Eine beschreibende Bedeutung von "TRAIN GUARD" könne sich daher allenfalls für Schaffnerdienstleistungen und Fahrgastraumüberwachungssysteme und Dienstleistungen des Personenund Innenraumschutzes ergeben, nicht aber für die hier beanspruchten Systeme der Eisenbahnsicherungs und -leittechnik.

Die IR-Markeninhaberin beantragt, die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 IR des Deutschen Patentund Markenamtes vom 27. Juli 2006 und vom 20. August 2008 aufzuheben und der Marke den Schutz für die Bundesrepublik Deutschland zu gewähren.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten und die der Markeninhaberin in einem Zwischenbescheid übersandten Hinweise Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der IR-Markeninhaberin ist in der Sache ohne Erfolg. Bei der schutzsuchenden IR-Marke "TRAIN GUARD" handelt es sich um eine für den Wettbewerb freizuhaltende, beschreibende Angabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, Art. 6 quinquies B Nr. 2 PVÜ, weshalb ihr der Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu Recht von der Markenstelle verweigert worden ist (§§ 107, 113, 37 Abs. 1 MarkenG, Art. 5 Abs. 1 MMA).

1. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geographischen Herkunft oder sonstiger Merkmale der Waren und Dienstleistungen dienen können.

Auch Wortneubildungen kann der Eintragungsversagungsgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstehen, wenn sie sprachüblich gebildet sind und ihr beschreibender Aussagegehalt so deutlich und unmissverständlich ist, dass sie ihre Funktion als Sachbegriffe erfüllen können. Dies ist dann der Fall, wenn sich den angesprochenen Abnehmern eine konkret beschreibende Angabe ohne die Notwendigkeit besonderer Denkprozesse unmittelbar erschließt, wobei auch bei der Kombination fremdsprachiger Wörter die Verständnisfähigkeit des inländischen Publikums vor allem durch den gemeinsamen europäischen Markt nicht zu gering veranschlagt werden darf (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 413 (Nr. 26) -Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2001, 1047, 1049 -LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER; GRUR 2001, 735, 736 -Test it). Dabei nimmt der Verkehr Kennzeichen von Waren und Dienstleistungen regelmäßig in der Form auf, wie sie ihm entgegentreten und ist erfahrungsgemäß wenig geneigt, sie begrifflich zu analysieren, um beschreibende Bedeutungen herauslesen zu können, so dass die angemeldete Wortfolge in ihrer Gesamtheit der Beurteilung zugrunde zu legen und keine zergliedernde Analyse vorzunehmen ist (vgl. BGH GRUR 2001, 162 -164 -RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

Insbesondere hat eine Marke, die sich aus einem Wort oder einer Wortfolge mit mehreren Bestandteilen zusammensetzt, von deren Inhalt jeder Merkmale der beanspruchten Waren beschreibt, selbst einen die genannten Merkmale beschreibenden Charakter im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, es sei denn, dass ein merklicher Unterschied zwischen dem Wortinhalt und der bloßen Summe des Inhalts seiner Bestandteile besteht. Dabei führt die bloße Aneinanderreihung solcher beschreibenden Bestandteile ohne Vornahme einer ungewöhnlichen Änderung, insbesondere syntaktischer oder semantischer Art, nur zu einer Marke, die ausschließlich aus beschreibenden Zeichen oder Angaben besteht (EuGH GRUR Int. 2004, 410, 413 -BIOMILD; EuGH GRUR Int. 2004, 500, 507 -KPN-Postkantoor).

Auf die Frage der Mehrdeutigkeit der Wortzusammensetzung kommt es bei § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG regelmäßig nicht an. Ein Wortzeichen ist nämlich auch dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (vgl. EuGH MarkenR, 2003, 450 -DOUBLEMINT). Dabei spielt es keine Rolle, ob es Bezeichnungsalternativen, nämlich Synonyme oder gebräuchlichere Zeichen oder Angaben zur Bezeichnung dieser Merkmale gibt, da es nicht erforderlich ist, dass diese Zeichen oder Angaben die ausschließliche Bezeichnungsweise der fraglichen Merkmale sind (vgl. EuGH a. a. O. S. 410, 412 -BIO-MILD; EuGH a. a. O. S. 500, 507 -Postkantoor).

Es ist zudem nicht erforderlich, dass die Zeichen oder Angaben, aus denen die Marke besteht, zum Zeitpunkt der Anmeldung bereits tatsächlich zu beschreibenden Zwecken für Waren oder Dienstleistungen wie die in der Anmeldung aufgeführten verwendet werden. Es genügt, wie sich schon aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ergibt, dass die Zeichen oder Angaben zu diesem Zweck "dienen können".

Es ist auch unerheblich, wie groß die Zahl der Mitbewerber ist, für die eine beschreibende Verwendung in Betracht kommt, weil beschreibende Angaben und Zeichen jedermann zur freien Benutzung verfügbar bleiben müssen (vgl. EuGH GRUR Int. 2004, 410, 413 -BIOMILD; EuGH GRUR Int. 2004, 500, 507 -KPN-Postkantoor).

2. In diesem Sinn ist die Marke "TRAIN GUARD" eine beschreibende, freihaltebedürftige Angabe, die im Verkehr zur Bezeichnung der von der Marke erfassten Waren und Dienstleistungen dienen kann.

Die Wortmarke "TRAIN GUARD" stellt eine Zusammensetzung aus zwei zum englischen Grundwortschatz gehörenden Begriffen dar. Das englische Wort "train" bedeutet im Deutschen "Zug", der englische Begriff "guard" bedeutet neben "Schaffner, Zugbegleiter, Zugführer, Wächter" im technischen Sinn auch "Schutz, Schutzvorrichtung, Sicherung" (vgl. LEO -Online Wörterbuch der TU München). Der Bestandteil "guard" wird in der Bedeutung "Sicherung" auch in Zusammensetzungen mit dem zu sichernden Objekt verwendet wie z. B. in "neckguard" für "Nackenschutz" oder "opencircuit guard" für "Leitungsbruchsicherung" (vgl. LEO -Online Wörterbuch der TU München). Die Zusammensetzung "train guard" ist daher neben der allgemeinen Bedeutung "Zugbegleiter" im technischen Sinn auch als "Zugsicherung, Schutzvorrichtung für den Zug" zu verstehen.

Die aus beschreibenden Bestandteilen sprachüblich zusammengesetzte Wortfolge "TRAIN GUARD" in ihrer Gesamtheit enthält damit keinen Aussagegehalt, der über die Bedeutung ihrer einzelnen Bestandteile hinausgeht (vgl. EuGH GRUR 2006, 229, Rn. 29 -BioID).

Entgegen der Ansicht der Markeninhaberin entnehmen auch die angesprochenen fachlich informierten Verkehrskreise der sprachüblich gebildeten Kombination ohne weiteres die Bedeutung "Zugsicherung". Wie die Erinnerungsprüferin zutreffend festgestellt hat und wie auch aus dem der Markeninhaberin übersandten Hinweis ersichtlich ist, sind insbesondere in der Werbesprache Personifizierungen üblich, so dass die allgemeine Bedeutung im Sinne von "Zugwächter" auch die Bedeutung im Sinne einer technischen Zugsicherung bzw. eines Zugsicherungssystems mitumfasst (vgl. auch EuG, T-0297/07 v. 15.10.2008 -Intelligent Voltage Guard in Zusammenfassung auf PAVIS PROMA CD-ROM; HABM, R0933/08-4 v.

3.11.2008 -GREASE GUARD in Zusammenfassung auf PAVIS PROMA CD-ROM).

In Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen die durchweg die Sicherung des Zugbetriebs sowie die Planung, Herstellung und Unterhalt solcher Anlagen betreffen, ergibt die schutzsuchende Marke "TRAIN GUARD" die zur Beschreibung geeignete, naheliegende Sachaussage, dass es sich nach Art und Beschaffenheit um Waren oder Dienstleistungen handelt, die ein Zugsicherungssystem oder Teile hiervon darstellen oder hierfür bestimmt sind oder dort Verwendung finden. Die Dienstleistungen können sich hierauf beziehen.

Entgegen der Ansicht der Markeninhaberin lässt sich damit ein eindeutig beschreibender Begriffsgehalt für alle beanspruchten Waren und Dienstleistungen feststellen. Denn zum einen setzt eine beschreibende Benutzung als Sachangabe für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht voraus, dass die Bezeichnung feste begriffliche Konturen erlangt hat und sich eine einhellige Auffassung zum Sinngehalt herausgebildet hat, zum anderen kann von einem die Waren und Dienstleistungen beschreibenden Begriff auch dann auszugehen sein, wenn das Markenwort verschiedene Bedeutungen hat (vgl. BGH GRUR 2008, 900 -903 -SPA II; EuGH a. a. O. -DOUBLEMINT).

Entgegen der Ansicht der Markeninhaberin steht einer beschreibenden Eignung der sprachüblich verwendeten und ohne weiteres verständlichen Kombination "TRAIN GUARD" nicht entgegen, dass der eng begrenzte Fachverkehr für die hier beanspruchten Zugsicherungund -leitsysteme oder auch für Aufgaben der Fahrgastsicherung anderslautende Fachbegriffe verwendet. Die Angabe eines Ausstattungsmerkmals bzw. einer Bestimmungsoder Inhaltsangabe der beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist eine wichtige Sachinformation, die auch unabhängig davon, ob möglicherweise andere Angaben zur Bezeichnung dieser Merkmale gebräuchlich sind, den Mitbewerbern zur Beschreibung ihrer Waren und Dienstleistungen zur Verfügung stehen muss. Maßgeblich ist der objektiv beschreibende Charakter und das darauf beruhende Allgemeininteresse an der ungehinderten Verwendbarkeit als Sachangabe. Insoweit können bereits die Bedürfnisse eines relativ kleinen Teils des Gesamtverkehrs der Markeneintragung unter dem Gesichtspunkt des Allgemeininteresses entgegenstehen (vgl. EuGH a. a. O. -KPN-Postkantoor; BGH GRUR 2005, 578, 580 -LOKMAUS).

Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

Dr. Vogel von Falckenstein Paetzold Hartlieb Cl






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Az: 30 W (pat) 7/09


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