Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Februar 2009
Aktenzeichen: 30 W (pat) 45/07

(BPatG: Beschluss v. 09.02.2009, Az.: 30 W (pat) 45/07)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Eingetragen am 12. August 2004 unter der Nummer 304 04 776 für die Waren und Dienstleistungen mit Zeitrang vom 5. September 2003:

probiotische Substanzen für medizinische oder veterinärmedizinische Zwecke; Mikroorganismen und deren Komponenten für medizinische und veterinärmedizinische Zwecke; pharmazeutische und veterinärmedizinische Präparate; diätetische Substanzen für medizinische und veterinärmedizinische Zwecke; biologische und chemische Präparate und Reagenzien für medizinische und veterinärmedizinische Zwecke, Fermente für medizinische und veterinärmedizinische Zweckeist die Wortmarke PROTRACT.

Widerspruch wurde erhoben aus der am 11. März 1983 unter der Nummer 1 045 887 für die Waren Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse, nämlich Hormonpräparateeingetragenen Wortmarke Profact, deren Benutzung im Verfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt bestritten wurde. Nachdem die Widersprechende Benutzungsunterlagen für den Zeitraum 2001 bis 2004 vorgelegt hat, hat die Markeninhaberin den Einwand der Nichtbenutzung im dortigen Verfahren aufrechterhalten.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentund Markenamts hat den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr der Marken zurückgewiesen. Bei teils identischen, teils enger ähnlichen Waren und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft sowie zu berücksichtigenden breiten Verkehrskreisen sei ein deutlicher Markenabstand zu fordern, der eingehalten sei. Die Vergleichsmarken unterschieden sich in der zweiten Worthälfte am Silbenbeginn in der angegriffenen Marke durch den klangstarken Konsonanten und Sprenglaut "T" sowie den Fließlaut "R" und in der Widerspruchsmarke durch den Reibelaut "F". Wegen der beschreibenden Bedeutung von "Pro" werde der weitere Markenteil nicht vernachlässigt, auf dem unterscheidenden zweiten Wortteil liege auch die Betonung. Verwechslungshindernd sei auch der unterschiedliche Sinngehalt der Marken, weil "PROTRACT" auf eine verzögerte Wirkung hinweise, die Widerspruchsmarke erinnere hingegen an "fact" für "Fakt". Eine schriftbildliche Ähnlichkeit könne wegen der typischen Umrisscharakteristik von "-TR-" gegenüber "-F-" ausgeschlossen werden.

Hiergegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt und im Wesentlichen ausgeführt, sollte der Verkehr überhaupt die Begriffsgehalte der Elemente "Pro", "Fact" und "Tract" erkennen, müsse dies dazu führen, dass die Bestandteile gleichwertig nebeneinander wahrgenommen würden. Eine Verlagerung der Aufmerksamkeit auf die Endsilben sei somit nicht anzunehmen. In klanglicher Hinsicht bestehe Übereinstimmung in sechs von sieben bzw. acht Buchstaben sowie in der Vokalfolge, der Silbentrennung und im Sprechrhythmus. Dagegen werde die Abweichung in den Konsonanten "TR" bzw. "F" in der Wortmitte nicht deutlich genug wahrgenommen und der unterschiedliche Begriffsgehalt vom hier zu berücksichtigenden Durchschnittsverbraucher nicht erkannt werden. Auch schriftbildlich bestehe Verwechslungsgefahr.

Sie beantragt, den Beschluss des Deutschen Patentund Markenamtes vom 28. März 2007 aufzuheben und die Löschung der Marke 304 04 776 anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie nimmt in der Sache Bezug auf die Ausführungen im Beschluss der Markenstelle.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke 1 045 887 besteht nicht die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Absatz 1 Nr. 2 MarkenG, so dass die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen war.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH in st. Rspr. vgl. GRUR 2005, 513 -MEY/Ella May; GRUR 2004, 865, 866 -Mustang; GRUR 2004, 598, 599 -Kleiner Feigling; GRUR 2004, 783, 784 -NEURO-VIBO-LEX/NEURO-FIBRAFLEX).

Nach diesen Grundsätzen ist hier die Gefahr von Verwechslungen zu verneinen.

1.

Bei seiner Entscheidung hat der Senat mangels anderer Anhaltspunkte eine normale Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit zugrunde gelegt. Diese ist trotz des beschreibenden Charakters der Erstsilbe "pro" (= "für, je, zum Zwecke von"), die insbesondere auf dem Arzneimittelsektor auch oft verwendet wird, um eine Vorstufe anzuzeigen (vgl. Proenzym, Prodrug, Prohormon) und die in zahlreichen Arzneimittelbezeichnungen auch in Kombination mit nicht unmittelbar beschreibenden Bezeichnungen enthalten ist, noch ausreichend phantasievoll, um die Waren eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden, da das kennzeichnende Gewicht auf der hier keinen erkennbar beschreibenden Bezug aufweisenden Silbe "-fact" von "factum" (lateinisch = gemacht) liegt.

Trotz eines beschreibenden Anklangs eines einzelnen Bestandteils ist die Widerspruchsmarke in ihrer Kombination ohne konkrete Aussage und insgesamt hinreichend phantasievoll zusammengefügt, so dass hier jedenfalls keine ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche der Gesamtmarke angenommen werden kann.

2.

Fragen der Benutzung, insbesondere ob eine ausreichende Glaubhaftmachung auch für den nach § 43 Absatz 1 Satz 2 Markengesetz maßgebenden Benutzungszeitraum durch die im Verfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt vorgelegten Unterlagen gegeben ist, können dahinstehen, da ein noch ausreichender Zeichenabstand vorliegt.

Nach der (bei unterstellter Benutzung) maßgeblichen Registerlage können die beiderseitigen Marken auch zur Kennzeichnung identischer und enger ähnlicher Waren verwendet werden. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass bei den vorliegenden pharmazeutischen und veterinärmedizinischen Präparaten der angegriffenen Marke eine Rezeptpflicht im Warenverzeichnis nicht festgeschrieben ist, so dass wie für die übrigen Vergleichswaren allgemeine Verkehrskreise uneingeschränkt zu berücksichtigen sind. Dabei ist aber davon auszugehen, dass grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware unterschiedlich hoch sein kann (vgl. BGH GRUR 2000, 506 -ATTACHÉ/TISSERAND) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl. BGH GRUR 1995, 50 -Indorektal/Indohexal).

3.

Der unter diesen Umständen gebotene deutliche Markenabstand wird von der angegriffenen Marke noch eingehalten. Die vorhandenen Unterschiede reichen nach Auffassung des Senats aus, um Verwechslungen der Marken mit hinreichender Sicherheit ausschließen zu können.

Die Ähnlichkeit von Wortzeichen ist anhand ihres klanglichen und schriftbildlichen Eindrucks sowie ihres Sinngehalts zu ermitteln. Dabei kommt es auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen an. Dies entspricht dem Erfahrungssatz, dass der Verkehr Marken regelmäßig in der Form aufnimmt, in der sie ihm entgegentreten und sie nicht einer analysierenden, zergliedernden, möglichen Bestandteilen und deren Bedeutung nachgehenden Betrachtung unterzieht. Dabei bleibt auch ein beschreibender Bestandteil bei der Feststellung des Gesamteindrucks nicht außer Betracht, sondern ist mit zu berücksichtigen. Zudem ist bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr grundsätzlich mehr auf die gegebenen Übereinstimmungen der zu vergleichenden Zeichen als auf die Unterschiede abzustellen (vgl. BGH a. a. O. NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die sich gegenüberstehenden Marken in ihrem klanglichen Gesamteindruck ausreichende Unterschiede aufweisen.

So stimmen die Marken zwar bei gleicher Silbenzahl sowie gleichem Sprechund Betonungsrhythmus in der Anfangssilbe "Pro-" sowie dem Vokal "a" und nachfolgenden Schlusskonsonanten "-(c)kt-" der zweiten Silbe überein. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Übereinstimmung in dem Anfangsbestandteil "Pro-" bei der Beurteilung des jeweiligen Gesamteindrucks und der Markenähnlichkeit weniger ins Gewicht fällt, als dies bei einem reinen Phantasiebestandteil der Fall wäre.

Bei dem Wortelement "Pro-" handelt es sich um ein häufig verwendetes und verbrauchtes - auch für die allgemeinen Verkehrskreisen erkennbar beschreibendes -Element bei Arzneioder Heilmittelbezeichnungen (vgl. BPatG E 32, 75, 77 -Probiox/BIOX).

Auch wenn derartige beschreibende und kennzeichnungsschwache Zeichenelemente bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nach dem Gesamteindruck angemessen mit zu berücksichtigen sind, kann allein die Übereinstimmung in solchen kennzeichnungsschwachen Bestandteilen eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr nicht begründen. Vielmehr wird der Verkehr in solchen Fällen die nachfolgenden Wortbestandteile stärker beachten und diese nicht als bloße Endsilben, sondern als für die Identifikation und Kennzeichnung der Produkte wesentliche Bestandteile ansehen. Im vorliegenden Fall liegt zudem die Betonung auf den Endsilben "-trakt" und "-fact", so dass die hier vorhandenen Unterschiede um so eher wahrgenommen werden.

Die Unterschiede in den Anfangskonsonanten "-tr-" und "-f-" der zweiten Silbe der Vergleichsmarken sind trotz des gemeinsamen Vokals "a" hinreichend deutlich, da es sich um vergleichsweise kurze Wortelemente handelt, bei denen nicht nur die Härte bzw. Weichheit der Aussprache von "t" und "f", sondern auch der zusätzliche Konsonant entsprechend bemerkt wird. Somit sorgt auch der in der angegriffenen Marke zusätzliche Konsonant "r" für ein ausreichend unterschiedliches Klangbild zur Widerspruchsmarke.

Auch wenn eine klangliche Annäherung beider Marken nicht zu verkennen ist, so reicht vor dem Hintergrund der Kennzeichnungsschwäche des Bestandteils "Pro" der durch die vorgenannte klangliche Abweichung hervorgerufene Unterschied im Gesamtklangbild beider Marken aus, um auch bei Berücksichtigung einer nicht zeitgleichen oder in unmittelbarer zeitlicher Abfolge erfolgenden Wahrnehmung und eines erfahrungsgemäß häufigen undeutlichen Erinnerungsbildes (vgl. dazu EuGH MarkenR 1999, 236, 239 -Lloyd/Loints) und strenger Anforderungen an den Markenabstand eine Verwechslungsgefahr im markenrechtlich relevanten Umfang auszuschließen.

In schriftbildlicher Hinsicht halten die Vergleichsmarken in allen üblichen Wiedergabeformen ebenfalls einen noch ausreichenden Abstand ein. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Marken im Schriftbild erfahrungsgemäß mit etwas größerer Sorgfalt wahrgenommen werden als im eher flüchtigen Klangbild, das häufig bei mündlicher Benennung entsteht (vgl. BPatG GRUR 2004, 950, 954 -ACELAT/Acesal). Zudem steht beim schriftlichen Markenvergleich der Fachverkehr, der aufgrund seiner beruflichen Praxis und Erfahrung im Umgang mit Arzneimittelmarken über ein erhöhtes Unterscheidungsvermögen verfügt, im Vordergrund (vgl. BGH a. a. O. Indorektal/Indohexal). Unter diesen Voraussetzungen reichen auch bei einer schriftlichen Wiedergabe die Abweichungen aus, um eine Unterscheidbarkeit der Marken zu gewährleisten.

Wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, trägt zur Unterscheidbarkeit der Marken schließlich der auch für den allgemeinen Verkehr erkennbare Anklang in der angegriffenen Marke an das englische Wort "protract" (= verzögern, verlängern) bei, das hinsichtlich der Wirkungsweise von medizinischen Stoffen einen Hinweis geben kann. Demgegenüber enthält die Widerspruchsmarke einen -abweichenden -erkennbaren Anklang an das englische "fact" oder das lateinische "factum".

Anhaltspunkte dafür, dass aus sonstigen Gründen die Gefahr von Verwechslungen bestehen könnte, sind nicht dargelegt und auch nicht ersichtlich.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

Dr. Vogel von Falckenstein Paetzold Hartlieb Cl






BPatG:
Beschluss v. 09.02.2009
Az: 30 W (pat) 45/07


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