Bundesgerichtshof:
Urteil vom 17. Juni 2014
Aktenzeichen: X ZR 101/11

(BGH: Urteil v. 17.06.2014, Az.: X ZR 101/11)

Tenor

Die Berufung gegen das am 3. März 2011 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des deutschen Patents 44 04 104 (Streitpatents), das am 9. Februar 1994 unter Inanspruchnahme einer japanischen Priorität vom 10. Februar 1993 angemeldet wurde und nach Erlass des angefochtenen Urteils durch Zeitablauf erloschen ist. Patentanspruch 1, auf den ein weiterer Patentanspruch zurückbezogen ist, lautet:

"Anzeigeeinheit, aufweisend:

eine Videoschaltung (11), die angepasst ist zur Anzeige von Videosignalen, die durch die Videoquelle (1) gesendet werden; ein Speicher (9), in welchem zumindest Anzeigeeinheits-Information gespeichert ist, wobei die Anzeigeeinheits-Information eine ID-Nummer zum Identifizieren der Anzeigeeinheit umfasst; und einen Kommunikations-Controller (8), der angepasst ist zum bidirektionalen Kommunizieren mit der Videoquelle (1); wobei der Kommunikations-Controller (8) die Anzeigeeinheits-Information von der Anzeigeeinheit an die Videoquelle (1) sendet und die Anzeigeeinheit ein Signal von der Videoquelle (1) empfängt, welches auf Basis der Anzeigeeinheits-Information erzeugt wird."

Die aus dem Streitpatent in Anspruch genommene Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus und sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in erster Instanz in der erteilten Fassung und hilfsweise in drei geänderten Fassungen verteidigt.

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die weiterhin die Abweisung der Klage erstrebt und das Streitpatent hilfsweise in neun geänderten Fassungen verteidigt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

I. Das Streitpatent betrifft eine Anzeigeeinheit und ihre Steuerung durch eine Videoquelle, insbesondere einen Computer.

1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift haben die zum Prioritätszeitpunkt verfügbaren Bildschirme korrespondierend zu den Videosignalen, die eingegeben und angezeigt werden sollen, eine Vielzahl von Daten betreffend die Position und die Größe der (Bild)Anzeige sowie von Videosignalfrequenzen vorgehalten. Um verschiedene Videosignale handhaben (anzeigen) zu können, sei eine Vielfachabtastanzeige verwendet worden (Beschr. Abs. 2).

Zur Steuerung der Anzeige von Videosignalen, so erläutert die Streitpatentschrift im Folgenden, seien im Stand der Technik zwei Typen von Anzeigeeinheiten bekannt gewesen (Beschr. Abs. 3 bis 7).

Beim ersten Typ erfolge die Einstellung der Bildanzeige über die Anzeigeeinheit selbst. Im Speicher der Anzeigeeinheit seien Informationen zu Positionen und Größen der Bildanzeige für verschiedene Arten von Videosignalen gespeichert. Bei Eingabe eines Videosignals lese ein in der Anzeigeeinheit befindlicher Mikrocomputer die mit diesem Signal korrespondierenden Informationen zu Anzeigeposition und -größe des Bildes aus dem Speicher aus. Auf der Basis dieser Informationen gebe der Mikrocomputer ein Steuersignal aus und die Ablenkungsschaltung der Anzeigeeinheit werde entsprechend gesteuert, um Position und Größe der Bildanzeige zu bestimmen. Nachteilig an dieser Ausgestaltung sei, dass bei Eingabe eines unbekannten Videosignals mangels korrespondierender Informationen im Speicher eine Steuerung der Anzeigeeinheit nicht in der geschilderten Weise möglich sei. Vielmehr müsse der Nutzer in diesem Fall die Bildanzeige über entsprechende Einstellschalter an der Anzeigeeinheit manuell steuern (Beschr. Abs. 3, 4, 5 [Z. 52 bis 56] und 6).

Beim zweiten Typ werde der Anzeigezustand nicht über die Anzeigeeinheit, sondern vom Computer gesteuert und geändert, indem einem Videosignal ein Unterscheidungsimpuls überlagert und die Ablenkfrequenz der Anzeigevorrichtung auf der Basis dieses Unterscheidungsimpulses geändert werde (Beschr. Abs. 5). Nachteilig an dieser Ausgestaltung sei, dass das Bild nicht entsprechend den Vorgaben des Nutzers eingestellt, die Anzeige von nicht für den Nutzer bestimmten Informationen nicht unterdrückt werde und der Leistungsverbrauch nicht auf das notwendige Maß beschränkt werden könne. Schließlich sei die Steuerung nur in einer Richtung, nämlich vom Computer zur Anzeigevorrichtung angelegt, während in umgekehrter Richtung keine Daten übermittelt würden, so dass ein Ausfall des Systems nicht verhindert werden könne (Beschr. Abs. 7).

Ziel der Erfindung sei es, eine Anzeigeeinheit bereitzustellen, die durch eine Videoquelle identifiziert werden könne. Dabei solle der Computer des Informationsausgabesystems in der Lage sein, die Anzeigeeinheit auf verschiedene Weise zu steuern. Ferner solle das System geeignet sein, unter bestimmten Voraussetzungen Informationen nicht auf der Anzeigeeinheit anzuzeigen, um so "das Informationsgeheimnis zu wahren", sowie den Leistungsverbrauch zu vermindern. Schließlich solle das Informationsausgabesystem zur Vereinfachung der Wartung den Computer über den Betriebszustand der Anzeigevorrichtung informieren (Beschr. Abs. 10 und 11).

2. Mit Patentanspruch 1 schlägt das Streitpatent eine Anzeigeeinheit vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (Gliederungspunkte des Patentgerichts in eckigen Klammern):

1. Die Anzeigeeinheit weist auf 1.1 eine Videoschaltung zur Anzeige von durch eine Videoquelle gesendeten Videosignalen [B-2; B-2.1], 1.2 einen Speicher [B-3], in dem Anzeigeeinheits-Information gespeichert ist [B-3.1], 1.2.1 die eine ID-Nummer zum Identifizieren der Anzeigeeinheit umfasst [B-3.1.1], und 1.3 einen Kommunikations-Controller [B-4] zum bidirektionalen Kommunizieren mit der Videoquelle [B-4.1].

2. Der Kommunikations-Controller sendet die Anzeigeeinheits-Information von der Anzeigeeinheit an die Videoquelle [B-4.1.1].

3. Die Anzeigeeinheit empfängt ein Signal von der Videoquelle [B-4.1.2], 3.1 welches auf der Basis der Anzeigeeinheits-Information erzeugt wird [B-4.1.2.1].

3. Die Beklagte macht geltend, dass sich das Streitpatent vor allem durch die ID-Nummer im Sinne des Merkmals 1.2.1 und durch die Signalerzeugung auf Basis der Anzeigeeinheits-Information gemäß Merkmal 3.1 vom Stand der Technik abgrenze. Diese Merkmale bedürfen daher näherer Erörterung:

a) Ob es sich bei der ID-Nummer der Anzeigeeinheit um eine ID-Nummer handelt, die eine konkrete Anzeigeeinheit individualisiert oder eine Anzeigeeinheit lediglich dem Typ nach bestimmt, wird in der Beschreibung nicht näher erläutert. Das Patentgericht ist dieser Frage ebenfalls nicht nachgegangen, sondern unterscheidet lediglich zwischen einer nicht näher spezifizierten Identifizierungsfunktion und der Passwortfunktion der ID-Nummer. Im allgemeinen Teil der Beschreibung wird lediglich ausgeführt, dass der Computer mit der Anzeigeeinheit kommuniziert, wenn entweder die vom Computer an die Anzeigeeinheit übermittelte ID-Nummer mit der in der Anzeigeeinheit zur Identifizierung des Computers gespeicherten ID-Nummer, oder die von der Anzeigeeinheit an den Computer übermittelte ID-Nummer mit der im Computer zur Identifizierung der Anzeigeeinheit gespeicherten ID-Nummer übereinstimmt (Beschr. Abs. 12 und 14). In der Beschreibung des ersten Ausführungsbeispiels kann die nach Feststellung der Übereinstimmung der ID-Nummern mögliche Kommunikation zwischen Computer und Anzeigeeinheit darin bestehen, dass der Computer die Anzeigeeinheit durch externe Steueranweisungen steuern kann, indem er die Größe, Position, Helligkeit oder den Kontrast der Anzeige ändert (Beschr. Abs. 41). Es ist aber auch möglich, dass der Computer weitere Einstellungen vornimmt, die durch die Anzeigevorrichtung durchgeführt werden können, so beispielsweise auch werkseitige Voreinstellungen (Beschr. Abs. 42 i.V.m. Abs. 38 Z. 65 f.). Zwar erfolgt dies im Ausgangsfall des ersten Ausführungsbeispiels auf der Basis der ID-Nummer des Computers, die dieser an die Anzeigeeinheit übersendet und die dort mit der im Speicher der Anzeigeeinheit gespeicherten ID-Nummer des Computers verglichen wird. Jedoch ist nach der Beschreibung auch der "umgekehrte Fall" möglich, in dem die ID-Nummer von der Anzeigeeinheit an den Computer gesendet und von diesem mit der in seinem Speicher hinterlegten ID-Nummer abgeglichen wird (Beschr. Abs. 44).

Das Patentgericht geht zwar insoweit davon aus, dass beim "umgekehrten Fall" des ersten Ausführungsbeispiels, in dem die Anzeigeeinheit eine ID-Nummer an den Computer übermittelt, im Vergleich zum Ausgangsfall nur die Senderichtung und der Ort des Abgleichs der gesendeten mit der gespeicherten ID-Nummer sozusagen spiegelverkehrt sein sollen, nicht aber auch die Art der ID-Nummer, so dass nach Auffassung des Patentgerichts auch hier wie im Ausgangsfall die ID-Nummer des Computers und nicht die ID-Nummer der Anzeigeeinheit gemeint sei. Dem kann indessen nicht beigetreten werden. So ist im allgemeinen Teil der Beschreibung ausgeführt, dass entweder eine Speichereinrichtung zum Speichern der ID-Nummer des Computers vorher der Anzeigeeinheit hinzugefügt ist oder eine Speichereinrichtung zum Speichern der ID-Nummer der Anzeigeeinheit im Computer montiert ist (Beschr. Abs. 12). Bei der letzteren Variante übersendet die Anzeigeeinheit ihre ID-Nummer an den Computer. Der "umgekehrte Fall" des ersten Ausführungsbeispiels ist daher zwanglos als Ausführungsform der in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten Anzeigeeinheit zu lesen, bei der der Kommunikations-Controller die gespeicherte ID-Nummer an den Computer als Videoquelle sendet. Anders als im zweiten Ausführungsbeispiel, wo die ID-Nummer offensichtlich jedenfalls auch der Prüfung der Berechtigung dient, bestimmte Informationen auf der Anzeigeeinheit angezeigt zu bekommen, ist dies beim ersten Ausführungsbeispiel nicht der Fall. Dort geht es - wie bei dem angeführten Stand der Technik - lediglich um die Steuerung der Bildanzeige im technischen Sinn. Sowohl hierfür als auch für das Verhindern des versehentlichen oder unberechtigten Löschens oder Überschreibens der werkseitigen Einstellungen reicht eine Identifizierung der Anzeigeeinheit nach dem Typ aus, so dass entgegen der Auffassung der Beklagten eine ID-Nummer im Sinne des Merkmals 1.2.1 auch in einer Typenbezeichnung oder aus sonstigen technischen Parametern bestehen kann.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Beschreibung der Figur 5 des dritten Ausführungsbeispiels (Beschr. Abs. 53 bis 55). Zwar dient die dort beschriebene ID-Nummer auch der Identifizierung eines konkreten Monitors unter mehreren Monitoren. Jedoch kann der Auffassung der Beklagten, dass der Begriff der ID-Nummer im Streitpatent einheitlich auszulegen und daher in Anbetracht der Erläuterungen zum dritten Ausführungsbeispiel unter dem Begriff der "ID-Nummer zum Identifizieren der Anzeigeeinheit" im Sinne des Merkmals 1.2.1 stets eine individuelle ID-Nummer zu verstehen sei, die die Funktion habe, die Anzeigeeinheit nicht nur dem Typ nach, sondern konkret als Individuum zu identifizieren, nicht beigetreten werden. Bereits die Annahme der Beklagten, der Begriff der ID-Nummer sei im Streitpatent einheitlich im Sinne einer Individualisierung auszulegen, findet im Streitpatent keine Grundlage. In der Beschreibung des Streitpatents ist von unterschiedlichen Arten von ID-Nummern die Rede. So wird zwischen ID-Nummern zur Identifikation des Computers, der Anzeigeeinheit oder des Nutzers unterschieden, die wiederum unterschiedliche Funktionen haben können, wie die Identifizierung nach technischen Merkmalen, um die Eignung, bestimmte Videosignale empfangen oder anzeigen zu können, feststellen zu können, oder die Sicherstellung, dass (werkseitige) Voreinstellungen nicht versehentlich oder unberechtigterweise gelöscht oder überschrieben werden, und schließlich die Prüfung der Berechtigung, bestimmte Informationen abfragen zu können. Vor diesem Hintergrund kann entgegen der Auffassung der Beklagten nicht angenommen werden, dass der Begriff der ID-Nummer in Anbetracht der ihr im dritten Ausführungsbeispiel zugedachten Funktion im Streitpatent durchgängig als eine ID-Nummer zur Individualisierung zu verstehen ist. Vielmehr ergibt sich aus der Darstellung des dritten Ausführungsbeispiels lediglich, dass die ID-Nummer im Sinne des Streitpatents auch diese Funktion haben und dementsprechend dazu dienen kann, von mehreren an einen Computer angeschlossenen Anzeigeeinheiten konkret eine bestimmte anzusteuern. Nichtsdestoweniger setzt aber auch die dem dritten Ausführungsbeispiel zugrunde liegende Konstellation voraus, dass zunächst ein Abgleich der ID-Nummern, wie im allgemeinen Teil der Beschreibung erläutert (vgl. Beschr. Abs. 12 und 14), stattfindet, um es dem Computer unter technischen Gesichtspunkten zu ermöglichen, die Anzeigeeinheiten überhaupt zu steuern, bevor in einem weiteren Schritt die konkrete Anzeigeeinheit angesteuert wird.

b) Das Patentgericht hat ausgehend von der Prämisse, dass das Streitpatent zwischen dem Steuern der Anzeigevorrichtung auf der Basis von Steueranweisungen und dem vorangehenden Vergleich der gesendeten mit der gespeicherten ID-Nummer unterscheide, Merkmal 3.1 dahin erläutert, dass der Inhalt des Signals, das die Anzeigeeinheit von der Videoquelle empfange, von der Anzeigeeinheits-Information bestimmt werde und nicht durch den Vergleich der gesendeten Identifikationsnummer mit der gespeicherten Identifikationsnummer. Dem kann nicht beigetreten werden. Nach Merkmal 1.2.1 umfasst die Anzeigeeinheits-Information eine ID-Nummer zum Identifizieren der Anzeigeeinheit. Wenn nunmehr auf der Basis dieser Anzeigeeinheits-Information in der Videoquelle ein Signal erzeugt wird (Merkmal 3.1), das die Anzeigeeinheit empfängt (Merkmal 3), ist weder ausgeschlossen, dass dies auch auf Basis der ID-Nummer der Anzeigeeinheit geschieht, noch, dass insoweit in der Videoquelle ein Vergleich mit dort gespeicherten Daten stattfindet und auf dieser Basis das an die Anzeigeeinheit zu sendende Signal erzeugt wird. Merkmal 1.2.1 ist dahin zu verstehen, dass einerseits die ID-Nummer den Mindestinhalt der Anzeigeeinheits-Information bildet, andererseits aber auch nicht erforderlich ist, dass die Anzeigeeinheits-Information außer der ID-Nummer noch weitere Daten beinhaltet. Dementsprechend ist Merkmal 3.1 - anders als die Klägerin meint - nicht erst dann erfüllt, wenn das Signal, das auf der Basis der Anzeigeeinheits-Information erzeugt wird, auch inhaltlich von dieser beeinflusst wird. Vielmehr reicht es nach Merkmal 3.1 aus, wenn die Anzeigeeinheits-Information in Gestalt der ID-Nummer den Anstoß für die Erzeugung des Signals gibt, weil sie mit der im Computer gespeicherten ID-Nummer übereinstimmt.

4. Die Angaben in der Beschreibung zu dem, was mit der Erfindung erreicht werden soll, gehen demnach über das technische Problem hinaus, das durch den Gegenstand des Patentanspruchs 1 tatsächlich gelöst wird. Denn in diesem sind keine Mittel angegeben, die es erlaubten, das Informationsgeheimnis in der Weise zu wahren, dass die Anzeigeeinheit einem unberechtigten Nutzer keine Informationen anzeigt. Patentanspruch 1 sieht in Merkmal 1.2.1 lediglich eine ID-Nummer zum Identifizieren der Anzeigeeinheit vor. Das "Informationsgeheimnis" kann demgegenüber, wie auch in der Beschreibung erläutert wird, nur durch das Festlegen einer ID-Nummer für einen spezifischen Benutzer geschützt werden (Beschr. Abs. 76). Eine derartige ID-Nummer verlangt Patentanspruch 1 wiederum nicht. Das vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 gelöste Problem kann hiernach (lediglich) darin gesehen werden, eine Anzeigeeinheit bereitzustellen, die durch eine Videoquelle nach ihren technischen Parametern identifiziert werden kann.

II. Das Patentgericht hat angenommen, der Gegenstand von Patentanspruch 1 gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus, und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Anmeldeunterlagen offenbarten dem Fachmann, einem berufserfahrenen und mit der Konzeption von Videoschnittstellen zur Ansteuerung von Bildschirmen betrauten Diplomingenieur der Elektrotechnik mit Fachhochschulabschluss, nicht unmittelbar und eindeutig, dass zum Gegenstand der Erfindung auch eine Anzeigeeinheit zähle, in deren Speicher Anzeigeeinheits-Information umfassend eine ID-Nummer zum Identifizieren der Anzeigeeinheit abgespeichert sei und die ein auf Basis der Anzeigeeinheits-Information erzeugtes Signal von einer Videoquelle empfange.

Für die Kommunikation zwischen Computer und Informationsausgabevorrichtung und die dafür erforderliche Identifizierung der Geräte offenbare der allgemeine Teil der Beschreibung der Anmeldung folgende zwei Alternativen: Im ersten Fall sende der Computer seine ID-Nummer an die Informationsausgabevorrichtung, wo sie mit der in der dortigen Speichereinrichtung bereits vorher gespeicherten ID-Nummer des Computers verglichen werde. Bei Übereinstimmung der gesendeten mit der gespeicherten ID-Nummer steuere die Steuerungsverarbeitungseinrichtung die Informationsausgabevorrichtung auf der Basis von Steueranweisungen des Computers. Im zweiten Fall sende die Informationsausgabevorrichtung ihre ID-Nummer an den Computer, wo sie mit der in der dortigen Speichereinrichtung bereits vorher gespeicherten ID-Nummer der Informationsausgabevorrichtung verglichen werde. Stimme die gesendete ID-Nummer mit der gespeicherten überein, kommuniziere der Computer mit der Informationsausgabevorrichtung. Die Variante, die Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung sei, wonach im Speicher der Anzeigeeinheit eine ID-Nummer der Anzeigeeinheit gespeichert werde und die Anzeigeeinheit ein Signal von einer Videoquelle empfange, das auf Basis der Anzeigeeinheits-Nummer erzeugt werde, werde dem Fachmann dagegen weder in der allgemeinen Beschreibung noch in den Ausführungsbeispielen der ursprünglichen Anmeldeunterlagen offenbart. Zwar werde im ersten Ausführungsbeispiel als "umgekehrter Fall" des Ausgangsfalls eine Variante geschildert, in der die Anzeigeeinheit eine ID-Nummer an den Computer sende, die dort mit der im Computer gespeicherten ID-Nummer verglichen werde. Da jedoch der Darstellung des ersten Ausführungsbeispiels kein Hinweis darauf entnommen werden könne, dass es sich bei der ID-Nummer des "umgekehrten Falls" um eine andere ID-Nummer als im Ausgangsfall handle, sei auch für den "umgekehrten Fall" davon auszugehen, dass die in Rede stehende ID-Nummer die ID-Nummer des Computers und nicht diejenige der Anzeigevorrichtung sei. Damit offenbare der "umgekehrte Fall" des ersten Ausführungsbeispiels lediglich eine Änderung der Senderichtung und des Vergleichsorts der ID-Nummer des Computers, nicht jedoch zugleich eine Änderung des Bedeutungsgehalts des Begriffs ID-Nummer in dem Sinne, dass an dieser Stelle statt der "ID-Nummer des Computers" die "ID-Nummer der Anzeigevorrichtung" gemeint sei.

Schließlich werde dem Fachmann weder im allgemeinen Teil der Beschreibung noch in den Erläuterungen zu den Ausführungsbeispielen der Begriff der Videoquelle im Sinne des Merkmals 1.1 offenbart. Dort sei lediglich von durch einen Computer gesendeten Signalen die Rede.

Unteranspruch 2 und die mit Hilfsantrag I verteidigte Fassung gingen in gleicher Weise wie der erteilte Patentanspruch 1 über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus.

Hinsichtlich der mit Hilfsantrag II verteidigten Fassung fehle es an einer Ursprungsoffenbarung der Merkmale 1.2.1 und 3.1.

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags III stelle gegenüber der erteilten Fassung ein aliud dar. Das zusätzlich aufgenommene Merkmal, wonach das Signal, das die Anzeigeeinheit vom Computer empfängt, erzeugt werden soll, "wenn die Anzeigeeinheits-Information mit der im Computer registrierten ID-Nummer der Anzeigeeinheit übereinstimmt", setze eine andere Lehre an die Stelle der ursprünglich geschützten und sei in der Beschreibung des Streitpatents nicht als zu der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Erfindung gehörig zu erkennen.

III. Diesen Ausführungen kann in Anbetracht der bei der Beurteilung der Nichtigkeit des Streitpatents zugrunde zulegenden Auslegung nicht in vollem Umfang gefolgt werden. Ob die Ursprungsoffenbarung des Gegenstands von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung gleichwohl zu verneinen ist, kann dennoch dahinstehen. Denn er ist jedenfalls nicht patentfähig (§ 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG). Dies gilt auch für die zulässigerweise hilfsweise eingeschränkt verteidigten Fassungen des Patentanspruchs. Die Berufung der Beklagten muss daher ohne Erfolg bleiben.

1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung ist nicht neu.

Die europäische Patentanmeldung 456 923 (NK4a) offenbart ein Bildanzeigesystem, das ein Anzeigegerät, eine Anzeigeadapterschaltung und einen Ausgangsanschluss umfasst. Die Anzeigeadapterschaltung erzeugt Video- und Synchronisationssignale, die sie über die Ausgangsschaltung an das Anzeigegerät sendet, das auf der Basis dieser Daten in die Lage versetzt wird, eine Bildanzeige zu generieren (Sp. 3 Z. 16 bis 19). Damit ist Merkmal 1.1 des Patentanspruchs 1 offenbart.

Der Speicher des Anzeigegeräts ist als nicht flüchtiger Speicher (Non-Volatile Memory) ausgestaltet und in einen Programmspeicherbereich und in einen persönlichen Speicherbereich aufgeteilt (Sp. 3 Z. 47 bis 49). Im persönlichen Speicherbereich sind Identifikationscodes gespeichert, die die mit dem Anzeigeadapter verbundene Anzeigeeinheit gegenüber dem Anzeigesystem spezifizieren (Sp. 3 Z. 50 bis 53). Somit offenbart die NK4a auch das Merkmal 1.2.

Die im Speicher der Anzeigeeinheit abgelegten Identifikationscodes umfassen funktional jedenfalls auch die ID-Nummer zum Identifizieren der Anzeigeeinheit im Sinne des Merkmals 1.2.1. Die Identifikationscodes fallen nach der NK4a unter den Oberbegriff der Steuerdaten (control data, Sp. 2 Z. 9). Denn der Anzeigeadapter erzeugt die Datensignale auf eine Weise, die durch die Steuerdaten bestimmt wird, wobei die Steuerdaten für die Anzeigeeinheit spezifisch (unique) sind (Sp. 2 Z. 9). Wie sich aus der Figur 2 der NK4a und ihrer Beschreibung ergibt, antwortet die in der Anzeigeeinheit enthaltene Gerätelogik auf einen Lesebefehl der im Anzeigeadapter enthaltenen Adapterlogik mit einem Antwortcode. Der Antwortcode kann dabei unter anderem auch aus einem aus dem persönlichen Speicherbereich ausgelesenen Identifikationscode bestehen, was von der Ausgestaltung des Lesebefehls abhängt (Sp. 4 Z. 43 bis 46). Der über die serielle Verbindung an den Anzeigeadapter gesendete Identifikationscode bildet die Grundlage für die Erzeugung der Videosignale, die durch den Anzeigeadapter an die Anzeigeeinheit zu Steuerungszwecken gesendet werden. Dass die Identifikationscodes neben einer bloßen Identifizierung der Anzeigeeinheit noch weitere Daten wie ihrerseits codierte Zeitsteuerungs-Parameter enthalten, die Informationen über Synchronisationspulsbreiten, aktive Videoperioden, Austastlücken und Angaben über die maximale Verarbeitungskapazität der in der Anzeigeeinheit implementierten Gerätelogik enthalten, ist unschädlich. Denn jedenfalls dienen die Identifikationscodes auch der Identifikation der Anzeigeeinheit gegenüber dem Computersystem, das die Anzeigeeinheit steuert. Keine andere Funktion hat die in Merkmal 1.2.1 vorgesehene ID-Nummer nach der Lehre des Streitpatents.

Die in der Anzeigeeinheit enthaltene Gerätelogik (device logic) bewirkt die Steuerung der Kommunikation mit dem Computersystem, indem sie Steuerbefehle des Computers verarbeitet und Antwortnachrichten erzeugt und an das Computersystem versendet (Sp. 4 Z. 40 bis 42). Die Gerätelogik entspricht damit dem Kommunikations-Controller nach Merkmal 1.3 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents.

Der durch die Gerätelogik gebildete Kommunikations-Controller ist auch im Sinne des Merkmals 1.3 zum bidirektionalen Kommunizieren mit einer Videoquelle angepasst, weil er die vom Computer an ihn übermittelten Steuerbefehle verarbeiten und umgekehrt Antwortcodes der Anzeigeeinheit senden kann. Der Kommunikations-Controller sendet unter anderem auch den Identifikationscode (Sp. 4 Z. 43 f.) und damit eine Anzeigeeinheits-Information von der Anzeigeeinheit an das Computersystem, womit auch Merkmal 2 offenbart ist.

Schließlich empfängt die Anzeigeeinheit ein Signal von dem zum Computersystem zählenden Anzeigeadapter, der auf der Basis der Identifikationscodes passende Videound Synchronisationssignale generiert, um so die Anzeigeeinheit korrekt anzusteuern (Sp. 2 Z. 28 bis 32). Damit ist auch die Merkmalsgruppe 3 offenbart.

2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist auch in den hilfsweise verteidigten Anspruchsfassungen nicht patentfähig.

a) Nach Hilfsantrag I soll der Begriff "Anzeigeeinheits-Information" dahingehend konkretisiert werden, dass er nicht mehr nur die ID-Nummer "umfasst", sondern, dass die "Anzeigeeinheits-Information" die ID-Nummer "ist".

Hilfsantrag II setzt auf der Fassung des Hilfsantrags I auf und macht darüber hinaus Patentanspruch 2 der erteilten Fassung zum Gegenstand des einzigen Anspruchs, indem im erteilten Patentanspruch 1 das Merkmal "Videoquelle" durch "Computer" ersetzt wird.

Hilfsantrag III geht ebenfalls von Hilfsantrag I aus und präzisiert Merkmal 3.1 des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung dahingehend, dass das Signal, das die Anzeigeeinheit von der Videoquelle empfängt, auf Basis der Anzeigeeinheits-Information erzeugt wird, "wenn die Anzeigeeinheits-Information mit der in der Videoquelle registrierten ID-Nummer der Anzeigeeinheit übereinstimmt".

Hilfsantrag IV kombiniert die Hilfsanträge II und III und konkretisiert Merkmal 3.1 des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung dahingehend, dass das Signal, das die Anzeigeeinheit vom Computer empfängt, auf Basis der Anzeigeeinheits-Information erzeugt wird, "wenn die Anzeigeeinheits-Information mit der im Computer registrierten ID-Nummer der Anzeigeeinheit übereinstimmt".

Hilfsantrag V setzt wiederum auf Hilfsantrag I auf und präzisiert darüber hinaus das Merkmal 3.1 des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung dahingehend, dass die Anzeigeeinheit das Signal von der Videoquelle empfängt, "nachdem die Videoquelle die gesendete ID-Nummer mit einer in der Videoquelle registrierten ID-Nummer verglichen hat und wenn die gesendete ID-Nummer in der Videoquelle registriert ist".

Hilfsantrag VI kombiniert die Hilfsanträge II und V und präzisiert Merkmal 3.1 des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung dahingehend, dass die Anzeigeeinheit das Signal vom Computer empfängt, "nachdem der Computer die gesendete ID-Nummer mit einer im Computer registrierten ID-Nummer verglichen hat und wenn die gesendete ID-Nummer im Computer registriert ist".

Die Hilfsanträge IIa; IVa und VIa unterscheiden sich von den Hilfsanträgen II, IV und VI lediglich durch das zusätzlich aufgenommene Merkmal, dass die Anzeigeeinheit mit einem externen Computer verbunden ist, wobei Anzeigeeinheit und Computer ein Informationsausgabesystem bilden.

b) Sämtliche Hilfsanträge dienen erkennbar dem Zweck, dem Einwand mangelnder Ursprungsoffenbarung der Merkmale 1.1 (Videoquelle), 1.2.1 (Identifikationsnummer zum Identifizieren der Anzeigeeinheit) sowie 3.1 (Erzeugung des von der Videoquelle gesendeten Signals auf der Basis der Anzeigeeinheits-Information) zu begegnen. Der grundsätzliche Ablauf der Steuerung der Anzeigeeinheit durch die Videoquelle bzw. den Computer wird durch die hilfsweise beanspruchten Fassungen nicht in einer Weise geändert, dass dies nicht schon durch die Entgegenhaltung NK4a vorweggenommen wäre, so dass die hilfsweise verteidigten Anspruchsfassungen aus den gleichen Gründen wie Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung als nicht patentfähig anzusehen sind.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 97 Abs. 1 ZPO.

Meier-Beck Gröning Richter Dr. Grabinski kann wegen Urlaubsabwesenheit nicht unterschreiben.

Meier-Beck Deichfuß Kober-Dehm Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 03.03.2011 - 2 Ni 26/09 -






BGH:
Urteil v. 17.06.2014
Az: X ZR 101/11


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