Oberlandesgericht Karlsruhe:
Urteil vom 26. September 2012
Aktenzeichen: 6 U 126/11

(OLG Karlsruhe: Urteil v. 26.09.2012, Az.: 6 U 126/11)

Das Recht zur Inanspruchnahme einer Diensterfindung ist kein Anwartschaftsrecht, sondern ein Recht eigener Art. Es handelt sich dabei um ein höchstpersönliches Recht des Arbeitgebers, das als solches nicht übertragbar, verpfändbar oder pfändbar ist, und damit nicht in die Insolvenzmasse fällt.

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 07.10.2011 - 7 O 203/10 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsrechtszugs trägt der Kläger.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger ist mit Beschluss des AG Hechingen vom 30.06.2010 zum Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der in S. ansässigen X. Maschinenbau GmbH (Schuldnerin) bestellt worden. Die Beklagte, die ihren Sitz in M. /Österreich hat, ist die alleinige Gesellschafterin der Schuldnerin. Herr Y. hat, handelnd als Geschäftsführer der Schuldnerin wie der Beklagten, am 21.06.2006 eine Vereinbarung PATENTE getroffen, in der es heißt:

Vereinbarung PATENTEZwischen M. und S. Gmbh gilt vereinbart dass:Alle Patente sowie Gebrauchsmusterrechte im Eigentum der Muttergesellschaft der X Gmbh M. stehen.Alle Anmeldungen erfolgen auf deren Namen.Recherchen, Anmeldegebühren, Jahresgebühren und sonstige Kosten für alle laufenden Patente und jene welche noch angemeldet werden sind an die X. Gmbh S. zu verrechnen.Dies betrifft vor allem die neue doppelseitig schwenkbare Formatkreissäge.Die Nutzung der Rechte erfolgt bis auf Widerruf ohne Lizenzgebühren.Die Original-Ablage aller Dokumente ist in der Techn. Leitung X Österreich.

Der Kläger begehrt von der Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung die Übertragung zweier österreichischer Patente und zweier europäischer Patentanmeldungen. Die Patente bzw. Patentanmeldungen betreffen eine Kreissägemaschine. Die zugrundeliegenden Entwicklungen erfolgten im Unternehmen der Schuldnerin, die eine Formatkreissäge mit schwenkbarem Sägeblatt unter der Bezeichnung XXX vertreibt. Die Erfindungen wurden von der Beklagten zum Patent anmeldet, Inhaberin der Patente bzw. Anmeldungen wurde die Beklagte.

Der Kläger hat vorgetragen, die Erfindungen stammten ausschließlich von Herrn W., der seinerzeit - unstreitig - Arbeitnehmer der Schuldnerin war. Herr W. habe die Erfindungen der Schuldnerin nicht angezeigt, die Erfindungen seien daher nicht frei geworden. Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte habe die Patente und Patentanmeldungen unentgeltlich erlangt. Die Übertragung der Rechte sei somit nach §§ 134, 143 InsO anfechtbar. Jedenfalls sei anfechtbar, dass eine Anmeldung der Schutzrechte zugunsten der Schuldnerin unterlassen wurde.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug folgende Anträge gestellt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die Rechte aus folgenden Patenten zu übertragen:

a) beim Österreichischen Patentamt Nr. (...)b) beim Österreichischen Patentamt Nr. (...)c) beim Europäischen Patentamt Nr. EP 1 902 xxx A 1

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die Rechte aus der unter EP 1 992 xxx vom 13.05.2008 unter Anmeldenummer (...) offengelegten Anmeldung dieses Patents zu übertragen.

Ein weiter gestellter Hilfsantrag spielt im Berufungsrechtszug keine Rolle.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Es möge richtig sein, dass Herr W. der Erfinder gewesen sei. Für die Zuordnung der Schutzrechte sei das jedoch ohne Belang. Die maßgebliche technische und finanzielle Unterstützung für die Entwicklungen sei von der Beklagten gekommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er die oben angeführten Anträge weiter verfolgt.

Der Kläger meint, eine anfechtbare Rechtshandlung könne sowohl darin gesehen werden, dass die Anmeldung der Schutzrechte nicht für die Schuldnerin, sondern für die Beklagte erfolgte, als auch in dem Abschluss der Vereinbarung PATENTE. Beide Handlungen lägen innerhalb der Anfechtungsfrist des § 134 InsO. Es fehle auch nicht an einer Gläubigerbenachteiligung. Die Unterlassung der Anmeldung der Schutzrechte für die Schuldnerin benachteilige die Gläubiger, weil die sich aus den Anmeldungen ergebenden Rechte sonst bei der Schuldnerin entstanden wären. Die Annahme einer Gläubigerbenachteiligung hänge nicht davon ab, dass die Schuldnerin die Erfindungen bereits in Anspruch genommen hätte. Auch ohne schriftliche Inanspruchnahme sei die Schuldnerin Inhaberin einer Rechtsposition gewesen, die sie an die Beklagte habe übertragen können und durch die die Beklagte letztlich die Schutzrechte erworben habe. Da Herr W. nicht gegen die Schutzrechtsanmeldungen der Beklagten vorgegangen sei, müsse angenommen werden, dass er auch gegen Schutzrechtsanmeldungen für die Schuldnerin nicht vorgegangen wäre. Selbst wenn sich die Schuldnerin mit Herrn W. hätte auseinandersetzen müssen, hätte eine Anmeldung auf ihren Namen (statt auf die Beklagte) jedenfalls die Chancen verbessert, den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin zu verwerten. Die Beklagte habe den in den Schutzrechten liegenden Vorteil realisiert. Dass sie versucht habe, den Lästigkeitswert der Inhaberschaft an den Schutzrechten auszunutzen, zeige der Widerruf der Nutzungserlaubnis in der E-Mail vom 30.06.2010. Die Klageanträge zielten auf die Rückübertragung der Buchposition von der Beklagten auf die Schuldnerin. Die Anfechtung ziele nicht auf die Rechte auf das Patent, sondern auf die Rechte aus dem Patent. Zu berücksichtigen sei weiter, dass die Anmeldungen nur unter Verwendung von technischen Aufzeichnungen der Schuldnerin hätten erfolgen können. Damit sei ein ausreichender Bezug zum Vermögen der Schuldnerin hergestellt. Die Gläubigerbenachteiligung sei auch nicht dadurch entfallen, dass die Schuldnerin weiterhin die Möglichkeit habe, die Erfindung in Anspruch zu nehmen und danach die Patente zu vindizieren. Jedenfalls richte sich der Anspruch auf Arbeitnehmererfindervergütung gegen die Schuldnerin, was deren Gläubiger benachteilige.

II.

1. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

2. Zu Recht hat das Landgericht Mannheim seine internationale Zuständigkeit angenommen. Art. 3 Abs. 1 EuInsVO ist dahin auszulegen, dass die Gerichte des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner zuständig sind, der seinen satzungsmäßigen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat. Sind die deutschen Gerichte für eine Insolvenzanfechtungsklage europarechtlich international zuständig, ohne dass nach den allgemeinen deutschen Regelungen über den Gerichtsstand eine örtliche Zuständigkeit begründet wäre, ist das sachlich zuständige Streitgericht für den Sitz des eröffnenden Insolvenzgerichts ausschließlich örtlich zuständig (BGH NJW 2009, 2215). Die Zuständigkeit des Landgerichts Mannheim ergibt sich jedenfalls aus dem bindenden Verweisungsbeschluss des zunächst angerufenen LG Hechingen.

3. Zutreffend und von der Berufung nicht beanstandet hat das Landgericht zugrunde gelegt, dass sich die Frage, ob ein Anspruch auf Rückgewähr wegen Insolvenzanfechtung besteht, nach deutschem Insolvenzrecht richtet.

4. Zu Recht hat das Landgericht zugrunde gelegt, dass ein Rückgewähranspruch nach den Regeln über die Insolvenzanfechtung voraussetzt, dass das Vermögen der Schuldnerin durch ein anfechtbares Verhalten, sei es ein Handeln oder ein Unterlassen, vermindert worden ist. Die Insolvenzanfechtung zielt, wie § 143 InsO zeigt, auf die Rückgewähr dessen, was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben worden ist. Dabei genügt es, wenn der Gegenwert für das, was an den Gläubiger gelangt ist, aus dem Vermögen des Leistenden stammt (BGHZ 147, 228).

Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass eine solche Beeinträchtigung des Vermögens der Schuldnerin nicht stattgefunden hat.

a) Die Diensterfindung eines Arbeitnehmers wird erst dadurch Bestandteil des Vermögens des Arbeitgebers, dass er sie nach § 6 ArbnErfG in Anspruch nimmt. Erst mit Zugang der Erklärung der Inanspruchnahme gehen nach § 7 Abs. 1 ArbnErfG alle Rechte an der Diensterfindung auf den Arbeitgeber über (Lwowski/Peters, in: MünchKomm-InsO, 2. Auflage, § 35 Rn. 331; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 13. Auflage, § 35 Rn. 240).

Zwar erlangt der Arbeitgeber durch die Meldung einer Diensterfindung i.S. von § 5 ArbnErfG oder dadurch, dass er die erforderlichen Informationen auf andere Weise erlangt (BGHZ 167, 118 - Haftetikett; BGH GRUR 2011, 733 - Initialidee; ferner OLG München, GRUR-RR 2009, 219; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2009, 291; OLG Düsseldorf, 2 U 72/06, in Juris; Senat, Urt. v. 27.06.2007 - 6 U 56/06) das Recht, sich für oder gegen die Inanspruchnahme der Diensterfindung zu entscheiden und damit eine rechtlich gesicherte Position. Die Erfindungen von Herrn W. sind von der Beklagten zum Patent angemeldet worden. Der Beklagten lagen also die für eine Schutzrechtsanmeldung erforderlichen Informationen vor. Da der Geschäftsführer der Beklagten zugleich Geschäftsführer der Schuldnerin war, kommt in Betracht, dass auch ihr die erforderlichen Informationen vorlagen mit der Folge, dass die Frist zur Inanspruchnahme in Lauf gesetzt worden ist. Dies rechtfertigt aber noch nicht den Schluss, dass die Rechte an der Erfindung ohne Inanspruchnahme bereits zum Vermögen des Schuldners i.S. von § 35 InsO rechnen. Das Recht zur Inanspruchnahme ist kein Anwartschaftsrecht, sondern ein Recht eigener Art. Es handelt sich dabei um ein höchstpersönliches Recht des Arbeitgebers, das als solches nicht übertragbar, verpfändbar oder pfändbar ist (Bartenbach/Volz, ArbnErfG, § 6 Rn. 8; Keukenschrijver, in: Busse, PatG, 6. Auflage, Rdn. 4 zu § 6 ArbnErfG), und damit nicht in die Insolvenzmasse fällt.

Bestätigt wird das durch die insolvenzrechtliche Behandlung einer Erfindung des Schuldners selbst. Macht der Schuldner selbst eine Erfindung, so unterliegt diese bereits vor der Anmeldung zum Patent der Zwangsvollstreckung und fällt damit in die Insolvenzmasse. Das gilt allerdings erst dann, wenn der Erfinder selbst kundgetan hat, die Erfindung wirtschaftlich nutzen zu wollen (Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 13. Auflage, § 35 Rn. 239; Lwowski/Peters, in: MünchKomm-InsO, 2. Auflage, § 35 Rn. 285, 287, 305). Entscheidet sich der Schuldner gegen eine wirtschaftliche Verwertung, lässt er sie also ungenutzt, besteht die Möglichkeit des Insolvenzbeschlags nicht. Diese Wertung kann auf das Arbeitnehmererfinderrecht übertragen werden: Erst in der Erklärung der Inanspruchnahme nach § 6 ArbnErfG liegt die Entscheidung des Arbeitgebers, die ihm gemeldete Erfindung seines Arbeitnehmers für die Zwecke seines Unternehmens verwerten zu wollen. Erst mit Zugang dieser Erklärung gehen die vermögenswerten Rechte an der Diensterfindung an den Arbeitgeber über.

Die Schuldnerin hat die Diensterfindungen von Herrn W. nicht in Anspruch genommen. Die Inanspruchnahme einer Diensterfindung erfolgt nach § 6 Abs. 2 ArbnErfG in der nach § 43 Abs. 3 ArbnErfG bis zum 30.09.2009 geltenden Fassung durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Arbeitnehmer. In dem Abschluss der Vereinbarung PATENTE kann eine solche Inanspruchnahme nicht gesehen werden. Soweit die Diensterfindungen erst zeitlich später erfolgten, scheidet eine Inanspruchnahme schon deshalb aus. Soweit zu diesem Zeitpunkt bereits Diensterfindungen vorlagen, ist nichts dafür ersichtlich, dass Herr W. an dem Abschluss der Vereinbarung beteiligt war oder auch nur Kenntnis von ihr erlangt hat.

Angesichts dessen kann auch nicht angenommen werden, dass aus der Sicht der Beklagten die Möglichkeit, die Erfindungen von Herrn W. zum Patent anzumelden, durch eine Leistung der Schuldnerin erlangt wurde. Nach den Regelungen des deutschen Arbeitnehmererfinderrechts genügt hierfür nicht die Tatsache, dass Herr W. Arbeitnehmer der Schuldnerin war und von dieser Lohn erhielt.

b) Für eine - nach § 22 ArbnErfG grundsätzlich zulässige - vertragliche Übertragung der Rechte an den Erfindungen von Herrn W. auf die Schuldnerin hat der Kläger nichts dargetan.

5. Die mit der Klage verfolgten Ansprüche bestehen auch nicht nach Bereicherungsrecht.

Eine Leistungskondiktion kommt nicht in Betracht, weil die Schuldnerin nicht an die Beklagte geleistet hat. Die Schuldnerin hatte zwar die Befugnis, die Diensterfindungen des Herrn W. in Anspruch zu nehmen. Sie hat diese aber durch die Vereinbarung PATENTE nicht an die Beklagte übertragen. Sie konnte dies auch nicht tun, weil es sich um ein höchstpersönliches, nicht übertragbares Recht handelt. Entsprechend hat die Beklagte keine Befugnis zur Inanspruchnahme der Diensterfindungen erlangt, sondern ohne eine solche Befugnis die Erfindungen von Herrn W. zum Patent angemeldet.

Auch eine Eingriffskondiktion scheidet aus. Eine Eingriffskondiktion setzt einen Eingriff in den Zuweisungsgehalt eines Rechtsguts voraus, dessen wirtschaftliche Verwertung dem Kondiktionsgläubiger vorbehalten ist (BGH NJW 2007, 216, Rdn. 17). Sie gründet also auf der Verletzung einer fremden, vermögensrechtlich nutzbaren Rechtsposition. Ein solche hat die Schuldnerin - mangels Inanspruchnahme - aber zu keinem Zeitpunkt erlangt. Zudem ist die Befugnis der Schuldnerin, die Diensterfindungen von Herrn W. in Anspruch zu nehmen, nicht durch Handlungen der Beklagten erloschen, sondern deshalb, weil ihr Geschäftsführer die Frist zur Inanspruchnahme versäumt hat.

6. Damit erweist sich die Berufung des Klägers als unbegründet. Sie ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.






OLG Karlsruhe:
Urteil v. 26.09.2012
Az: 6 U 126/11


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