Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 29. Januar 1999
Aktenzeichen: 6 U 121/98

(OLG Köln: Urteil v. 29.01.1999, Az.: 6 U 121/98)

1. Die unentgeltliche, vom Bezug einer Ware unabhängige Abgabe eines ca. 7,5 cm großen Keramikfrosches von geringem Wert gegen Gutschein durch ein Möbelhaus und die Werbung hierfür sind unter keinem wettbewerbsrechtlichen Aspekt (psychologischer Kaufzwang; übertriebenes Anlocken) zu beanstanden, wenn der Werbende sein Geschäft warenhausähnlich im Selbstbedienungssystem betreibt.

2. Zur Frage der Prozessführungsbefugnis und Aktiklegitimation eines Verbandes im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG.

Tenor

Die Berufung des Antragstellers gegen das am 6. August 1998 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn - 12 O 103/98 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Antragsteller zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die in formeller Hinsicht einwandfreie und insgesamt zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil den Erlass der vom Antragsteller erstrebten einstweiligen Verfügung abgelehnt. Der vom antragstellenden Verein im vorliegenden Verfahren geltend gemachte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zwar als zulässig zu erachten. Der Antragsteller hat aber die für den geltend gemachten Verfügungsanspruch vorauszusetzenden tatbestandlichen Erfordernisse nicht darlegen können.

I.

1. Gegenüber der für die Zulässigkeit des Verfügungsantrags vorauszusetzenden Prozessführungsbefugnis des antragstellenden Vereins gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG bestehen im Ergebnis keine durchgreifenden Bedenken.

a)

Der Antragsteller, bei dem es sich zweifellos um einen rechtsfähigen Verband zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG handelt, ist seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung nach im Stande, seine satzungsgemäße Aufgabe der Verfolgung gewerblicher Interessen tatsächlich (selbst) auszuüben. Letzteres ist dem erkennenden Senat aus einer Vielzahl von durch den Antragsteller in den vergangenen Jahren betriebenen Verfahren bekannt, in denen seine Prozessführungsbefugnis unter dem hier interessierenden Gesichtspunkt unbeanstandet angenommen wurde. Anhaltspunkte dafür, dass in den Verhältnissen des Antragstellers nunmehr eine die abweichende Würdigung seiner Ausstattung rechtfertigende Änderung eingetreten sei, lassen sich dabei weder dem Vorbringen der Antragsgegnerin, noch dem Sachverhalt im Übrigen entnehmen (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20. Aufl., Rdn. 24 und 32 zu § 13 UWG mit weiteren Nachweisen).

b)

Es kann im Streitfall weiter ebenfalls davon ausgegangen werden, dass dem Antragsteller eine erhebliche Anzahl von Gewerbetreibenden angehört, die Waren gleicher oder verwandter Art auf demselben - örtlichen - Markt wie die Antragsgegnerin vertreiben. Der Antragsteller hat durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung des J.L. vom 10. Juli 1998 glaubhaft gemacht, dass ihm unter anderem der Bundesverband des Deutschen Möbelhandels e. V. als Mitglied zugehörig ist. Die Mitgliedschaft dieses Verbandes reicht dabei im Streitfall zur Begründung des hier in Rede stehenden Merkmals der Prozessführungsbefugnis aus. Denn auch wenn letzterer nicht selbst als Mitglied des Klägers nach Maßgabe von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG befugt wäre, den streitgegenständlichen Unterlassungsanspruch prozessual geltend zu machen, kann davon ausgegangen werden, dass in ihm wiederum eine erhebliche Anzahl von Mitgliedern organisiert ist, die ihrerseits nach Maßgabe von § 13 Abs. 2 UWG zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen der gegebenen Art prozessführungsbefugt wären. Der mit Wirkung zum 1. August 1994 in Kraft getretenen, durch die UWG-Novelle 1994 (Bundesgesetzblatt I, 1738) neu eingeführten Voraussetzung der Prozessführungsbefugnis ist Genüge getan, wenn dem antragstellenden bzw. klagenden Wettbewerbsverein Verbände angehören, denen ihrerseits wiederum eine repräsentative Anzahl von in ihnen selbst organisierten Unterverbänden oder Mitbewerbern als Mitglieder angehört, die nach § 13 Abs. 2 UWG prozessführungsbefugt sind ("mittelbare Verbandszugehörigkeit" vgl. BGH GRUR 1995, 122/123 - "Laienwerbung für Augenoptiker" -; Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rdn. 23 c zu § 13 UWG mit weiteren Nachweisen). Letzteres kann hier bejaht werden. Auch wenn der antragstellende Verein nicht im Einzelnen dargelegt hat, dass dem ihm als unmittelbares Mitglied zugehörigen Bundesverband des Deutschen Möbelhandels e. V. wiederum Unterverbände oder Einzelmitglieder in einer als repräsentativ zu erachtenden Anzahl angehören, die sich im selben räumlichen Markt wie die Antragsgegnerin betätigen, spricht doch angesichts des Umstandes, dass es sich bei den Bundesverband des Deutschen Möbelhandels e. V. um einen Spitzenverband handelt, in dem sich bundesweit angesiedelte Unterverbände organisiert haben, alles dafür, dass sich bei diesen Unterverbänden auch solche befinden, die in ihrem Mitgliederbestand eine beachtliche Zahl von Möbelhändlern aufweisen, deren wirtschaftlicher Einzugsbereich demjenigen der Antragsgegnerin entspricht. Dieser Einzugsbereich erstreckt sich dabei über das Gebiet von E. hinaus auf den gesamten Wirtschaftsraum K., D. sowie die in der angegriffenen Werbung selbst genannten Gemeinden, wie sie aus der Rückseite der streitgegenständlichen Werbebeilage der Antragsgegnerin hervorgehen. Jedenfalls im vorliegenden Verfahren der einstweiligen Verfügung kann - zumal die Antragsgegnerin daran auch keine Zweifel mehr geäußert hat - danach davon ausgegangen werden, dass dem Antragsteller eine ausreichende Anzahl von ihrerseits prozessführungsbefugten Gewerbetreibenden als - mittelbare - Mitglieder angehören, so dass insgesamt die tatsächlichen Voraussetzungen der Prozessführungsbefugnis nach Maßgabe von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG glaubhaft gemacht sind.

2. Anhaltspunkte dafür, dass die nach Maßgabe von § 25 UWG für das Vorliegen des Verfügungsgrundes der Dringlichkeit sprechende Vermutung im Streitfall widerlegt sein könnte, lassen sich schließlich weder dem Vortrag der Antragsgegnerin, noch dem Sachverhalt im übrigen entnehmen.

II.

Der sich nach alledem insgesamt als zulässig erweisende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist jedoch unbegründet. Dem Vortrag des antragstellenden Vereins läßt sich die Wettbewerbswidrigkeit der angegriffenen Werbeaktion der Antragsgegnerin unter keinen der geltend gemachten oder nach dem sonstigen Sachverhalt in Betracht zu ziehenden rechtlichen Gesichtspunkte entnehmen.

Die vom Antragsteller zur Unterlassung begehrte Werbung der Antragsgegnerin, mit welcher diese wie aus dem als Anlage zur Akte gereichten Originalprospekt ersichtlich dem angesprochenen Publikum die unentgeltliche, vom Bezug einer Ware unabhängige Aushändigung eines 7,5 cm großen Keramikfrosches gegen Vorlage eines Gutscheins ankündigt, ist dem Bereich der sogenannten Wertreklame zuzurechnen. Deren Besonderheit gegenüber der durch Bild- und Wortreklame realisierten sogenannten Aufmerksamkeitswerbung besteht darin, dass dem Umworbenen zu Werbezwecken geschenkweise eine Vergünstigung gewährt wird. Das Versprechen und/oder Gewähren solcher Werbegeschenke ist nicht per se als wettbewerbswidrig einzuordnen. Vielmehr bedarf es, um der Hingabe von Geschenken zu Werbezwecken mit Erfolg den Vorwurf der wettbewerblichen Unlauterkeit entgegenhalten zu können, des Hinzutretens besonderer Umstände, welche die Vergünstigung im Einzelfall als anstößig erscheinen lassen. An das Vorliegen derartiger, die etwaige Sittenwidrigkeit im Sinne von § 1 UWG begründender Umstände sind zwar im Falle der sogenannten Wertreklame in aller Regel weniger strenge Anforderungen zu stellen, als sie bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung einer bloßen Aufmerksamkeitswerbung zu Grunde zu legen sind. Denn die den Rahmen reiner Aufmerksamkeitswerbung überschreitende Wertreklame bringt die Gefahr mit sich, dass die angesprochenen Verkehrskreise in ihren wirtschaftlichen Entscheidungen unsachlich beeinflußt, insbesondere dazu veranlasst werden können, ihre Wahl für ein Angebot nicht in erster Linie nach ihren Vorstellungen über die Preiswürdigkeit und die Qualität der konkurrierenden Waren zu treffen, sondern vor allem danach, wie sie in den Genuss der ausgelobten Vergünstigung gelangen können. Das aber ist mit den Grundsätzen des Leistungswettbewerbs nicht vereinbar, in dem die Mitbewerber ihre wettberwerbliche Stellung jeweils mit der Qualität und/oder Preiswürdigkeit ihrer Erzeugnisse und Leistungen erreichen sollen (vgl. BGH WRP 1998, 727/728 - "Schmuck-Set"; BGH GRUR 1993, 774/776 - "Hotelgutschein" -; BGH GRUR 1992, 621/622 - "Glücksball-Festival" -; BGH GRUR 1968, 649/651 - "Rocroni-Ascher" -; Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rdn. 93 zu § 1 UWG mit weiteren Nachweisen). Selbst bei Anlegen der nach diesen Erwägungen gebotenen weniger strengen Maßstäbe ist die im Streitfall zu beurteilende Wertreklame jedoch wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Aus den vom Antragsteller angeführten, im Rahmen des Unlauterkeitstatbestandes des § 1 UWG anzusiedelnden Gesichtspunkten des psychologischen Kaufzwanges sowie des übertriebenen Anlockens lässt sich die wettbewerbliche Unlauterkeit des hier in Rede stehenden Werbeverhaltens der Antragsgegnerin nicht herleiten.

1. Die Einordnung eines Verhaltens als nach den Grundsätzen des psychologischen Kaufzwangs unlautere Wettbewerbshandlung beruht darauf, dass auf die Willensentscheidung des Umworbenen mit außerhalb der Sache liegenden Mitteln der Einflussnahme in einem solchen Ausmaß eingewirkt wird, dass dieser zumindest anstandshalber nicht umhin kann, auf das Angebot einzugehen (BGH WRP 1998, 724/725 - "Rubbelaktion" -; BGH GRUR 1989, 757 - "Mc Bacon" -; Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rdn. 89/94/157 - jeweils mit weiteren Nachweisen). Dabei ist zwar einhellig anerkannt, dass eine solche, den Maßstäben des psychologischen Kaufzwanges unterfallende Situation besonders dann eintreten kann, wenn der Empfang des versprochenen Werbegeschenks mit dem Betreten des Geschäftslokales verknüpft ist. Denn wer ein Geschäftslokal betritt, rechnet oft nicht nur damit, in unmittelbaren Kontakt mit dem Verkaufspersonal zu kommen, sondern weiter auch damit, dass dieses ihn zunächst als Kaufinteressten ansehen und als solchen schätzen werde, dass ihm diese Wertschätzung jedoch entzogen werde, wenn er sich lediglich als Interessent für ein Werbegeschenk oder eine ähnliche Gratisleistung erweise. Das dadurch begründete Gefühl der Peinlichkeit wird zumindest einen nicht unerheblichen Teil der Interessenten dazu bewegen, eine Kleinigkeit zu kaufen (vgl. BGH a.a.O. - "Mc Bacon" - und - "Rubbelaktion" -). Ist damit der Umstand, dass der angesprochene Interessent das Geschäftslokal des Werbenden aufsuchen muss, um in den Genuss des Werbegeschenks zu gelangen, zwar im Verhältnis gegenüber anderen Mitteln der Einflussnahme besonders geeignet, um den Kunden aus sachfremden Erwägungen für den Abschluss eines entgeltlichen Geschäftes "einzufangen", begründet er jedoch für sich allein nicht die Wettbewerbswidrigkeit des Verschenkens von Waren. Maßgeblich ist vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die konkrete geschäftliche Umgebung abzustellen, in welche der Kunde sich begeben muss, um das Geschenk zu erhalten (vgl. BGH, a.a.O.; OLG Köln GRUR 1981, 145/146 - "raus geht´s" -; Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rdn. 94 zu § 1 UWG). Selbst wenn die von der verfahrensgegenständlichen Werbung angesprochenen Interessenten sich in die Geschäftsräume der Antragsgegnerin begeben müssen, um den Keramikfrosch-Gutschein einzulösen, sind im Streitfall aber keine Gesichtspunkte ersichtlich, die nach diesen Maßstäben die Wettbewerbswidrigkeit begründen. Nach den hier gegebenen besonderen Umständen widerspricht es vielmehr der Lebenserfahrung, die Personen, die den Gutschein einlösen wollen, könnten sich allein deshalb, um einer als peinlich empfundenen Situation zu entgehen, dazu verleiten lassen, anderen Waren aus dem Sortiment der Antragsgegnerin zu erwerben. Denn im gegebenen Fall ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Geschäftslokal der Antragsgegnerin um ein großes warenhausähnliches Geschäftsgebäude im Selbstbedienungssystem handelt. Für diese Art von "Möbelmärkten", die von einer unbestimmten Vielzahl von Personen aus weitgestreuten Einzugsbereichen aufgesucht werden und bei denen der Kunde nicht erwartet, dass sich das für eine individuelle Bedienung nicht vorgesehene und hierauf in aller Regel auch überhaupt nicht eingerichtete Personal Gedanken über das Kaufverhalten der Besucher macht, ist eine Atmosphäre der Anonymität kennzeichnend. Selbst wenn sich der Kunde an eine Kasse begeben muss, um den Gutschein gegen Erhalt des Werbegeschenkes einzulösen, wird diese Anonymität nicht aufgelöst. Es spricht daher alles dagegen, dass bei dem Kunden bei bloßer Einlösung des Gutscheins Gefühle der Peinlichkeit aufkommen, denen er mittels eines Anstandskaufes zu entgehen trachtet. Das gilt weiter auch unter Berücksichtigung der Art des Werbegeschenkes. Da der Keramikfrosch im Verhältnis gegenüber den in dem Prospekt beworbenen Gegenständen sowie den im Geschäftslokal geführten Sortiment erkennbar von geringen Wert ist - die Beklagte nennt einen Einkaufswert von 0,58 DM, die Klägerin spricht von "deutlich mehr als 1,00 DM" und er auch im Hinblick auf einen etwaigen Gebrauchszweck keine besondere Anziehungskraft aufweist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass es den angesprochenen Interessenten wegen der Art des Werbegeschenkes unangenehm sein könnte, dieses ohne einen an sich nicht beabsichtigten "Zukauf" aus dem Sortiment allein gegen Vorlage des Gutscheins fordern. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass in dem streitgegenständlichen Werbeprospekt 2 Gegenstände zum Verkaufspreis von lediglich 5,00 DM ("Cocktailkissen" / "Deko-Sonnenblumenstrauß ohne Topf") bzw. 19,00 DM ("Blumeneckbank") aufgeführt sind. Denn es handelt sich hierbei erkennbar um Artikel des Nebensortiments, welche die Vorstellung des von der Werbung angesprochenen Verkehrs über das Wertverhältnis des versprochenen Werbegeschenks und des "normalen" Angebots der Antragsgegnerin - wenn überhaupt - allenfalls marginal zu beeinflussen vermögen.

2. Kommt somit weder nach den im Geschäftslokal der Antragsgegnerin anzutreffenden Umständen, noch nach der Art des versprochenen Werbegeschenks eine mit den Grundsätzen des Leistungswettbewerbs unvereinbare Einflussnahme auf die angesprochenen Werbeadressaten nach den Kriterien des psychologischen Kaufzwangs in Betracht, gilt im Ergebnis gleiches für den vom Antragsteller ferner geltend gemachten Unlauterkeitstatbestand des "übertriebenen Anlockens".

Unter dem letztgenannten Gesichtspunkt wettbewerbswidrig ist ein Werbeverhalten, wenn der mit dem in Aussicht gestellten Vorteil verbundene Anlockeffekt so stark ist, dass das Publikum von einer sachgerechten Prüfung des Warenangebotes abgelenkt und in seiner Entschließung maßgeblich von der Erwägung bestimmt wird, die ausgelobte Vergünstigung zu erhalten. Der Kunde wird auf diese Weise schon im Vorfeld eines Geschäftsabschlusses von einer sachgerechten Prüfung der verschiedenen Angebote nach Qualität und Preiswürdigkeit abgelenkt, wodurch der Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber verfälscht wird, die in unzumutbarer Weise um die Chance gebracht werden, ihrerseits das Publikum wirksam anzusprechen und ihrer Leistung zur Geltung zu verhelfen. Ebendies geschieht aber, wenn durch das Anlocken mit übermäßigen Vorteilen eine so starke Anziehungskraft auf den Umworbenen ausgeübt wird, dass er sich mit den Angeboten der Mitbewerber überhaupt nicht (näher) befasst, sondern gleichsam magnetisch in das Geschäftslokal des Werbenden gezogen und damit in eine Situation gebracht wird, in der sich die Aussichten auf Geschäftsabschlüsse erhöhen (vgl. BGH WRP 1998, 727/728 - "Schmuck-Set" -; Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rdn. 90 zu § 1 UWG - mit weiteren Nachweisen). Dass sich das Versprechen des Werbegeschenkes nach diesen Maßstäben als anstößig darstellte, ist im Streitfall jedoch nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass ein Teil der Adressaten den als Werbegeschenk versprochenen Keramikfrosch überhaupt attraktiv findet und sich deshalb zum Aufsuchen des Geschäftslokals der Antragsgegnerin entschließt, reicht für sich genommen nicht aus, um den Vorwurf des "übermäßigen" bzw. "übertriebenen" Anlockens begründen zu können. Denn dass ein Werbegeschenk überhaupt als attraktiv und lohnend präsentiert wird, ist jeder Werbung mit unentgeltlichen Zuwendungen eigen und vermag daher einen übertriebenen Anlockeffekt, welcher das jeglicher Werbung immanente Maß übersteigert, für sich allein nicht zu begründen (vgl. BGH WRP 1998, 712/728 - "Schmuck-Set" -; BGH WRP 1998, 724/726 - "Rubbelaktion" - mit weiteren Nachweisen). Erforderlich ist vielmehr gerade, dass dem versprochenen Werbegeschenk unter Berücksichtigung des Anlasses, Zwecks und Wertes der Zuwendung ein über den werbetypischen Grad hinausgehendes Maß an Attraktivität beizumessen ist und dass der solcher Art in das Geschäft "hingelockte" Kunde damit in eine Situation gebracht wird, in der sich die Aussichten auf einen Geschäftsabschluss erhöhen. Das den Unlauterkeitstatbestand des "übertriebenen" Anlockens kennzeichnende anstößige Übermaß liegt dabei nicht vordergründig im Wert der Zuwendung, sondern in ihren Auswirkungen, die das "Anlocken" unter Abwägung der Interessen unter anderem der Mitbewerber und der in eine Geschäftsabschlüsse erleichternde Situation verstrickten Kundin als unverhältnismäßig erscheinen lassen (Baumbach/Hefermehl, a. a. O., Rdn. 90 zu § 1 UWG. Im Streitfall erscheint es schon als höchst zweifelhaft, dass der als Werbegeschenk versprochene Keramikfrosch für einen zumindest nicht unbeachtlichen Teil des angesprochenen Verkehrs einen solchen Grad an Attraktivität aufweist, dass er sich allein deshalb dazu verleiten lässt, das Geschäftslokal der Antragsgegnerin aufzusuchen. Selbst wenn man aber annehmen will, dass - wie dies der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hervorgehoben hat - beispielsweise Kinder, denen die Werbebeilage in die Hände fällt, erwachsene Familienangehörige dazu veranlassen, das Geschäftslokal der Antragsgegnerin aufzusuchen, um dort den Frosch zu erhalten, liegt es nach aller Lebenserfahrung fern, dass die Erwachsenen in dem Geschäftslokal in eine Situation geraten, die sie typischerweise in ein weiteres Geschäft verstrickt. Denn im Hinblick auf das von der Antragsgegnerin in ihren Geschäftsräumlichkeiten angebotene Regelsortiment, welches den Frosch dem Wert nach ganz erheblich übersteigt, widerspricht es jeglicher Lebenserfahrung, dass die Entschließungsfreiheit der wegen der Aussicht auf das Werbegeschenk in die Geschäftsräumlichkeiten "gelockten" Interessenten für den Abschluss eines auf das übrige Sortiment der Antragsgegnerin bezogenen Geschäftes überhaupt (unsachlich) beeinflußt wird.

3. Anhaltspunkte dafür, dass die angegriffene Werbeaktion nach ihren Auswirkungen auf den Markt, dabei insbesondere eine etwa zu erwartende Gefahr nachahmender Aktionen durch Mitbewerber, den Bestand des Leistungswettbewerbs gefährde (vgl. BGH GRUR 1993, 774/776 - "Hotelgutscheine" - mit weiteren Nachweisen), hat weder der Antragsteller vorgetragen, noch ergeben sie sich aus dem Sachverhalt im Übrigen.

Ist das geltend gemachte Unterlassungsbegehren damit schon mangels Vorliegens der materiellen Voraussetzung des Unlauterkeitstatbestandes des § 1 UWG als unbegründet zu erachten, bedarf es schließlich nicht des Eingehens auf die Frage, ob der antragstellende Verein nach Maßgabe des "Wesentlichkeitskriteriums" des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG im übrigen aktiv legitimiert wäre, eine etwa gemäß § 1 UWG zu bejahende Unlauterkeit des Werbeverhaltens der Antragsgegnerin im Rahmen eines Unterlassungsanspruchs geltend zu machen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig (§ 545 Abs. 2 ZPO).






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Az: 6 U 121/98


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