Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 28. Mai 1999
Aktenzeichen: 11 U 265/98

(OLG Köln: Urteil v. 28.05.1999, Az.: 11 U 265/98)

1. Ein Rechtsanwalt kann grundsätzlich nicht die Unterlassung solcher Àußerungen verlangen, die ein Dritter im Rahmen einer bei der Rechtsanwaltskammer eingereichten Beschwerde über vermeintliche Versäumnisse des Rechtsanwalts macht.

2. Ein Betroffener kann grundsätzlich nicht die Unterlassung solcher Àußerungen verlangen, die ein Dritter zu seiner Rechtsverteidigung vorprozessual gegenüber dem Rechtsanwalt des Betroffenen oder in einem gerichtlichen Verfahren vorbringt.

3. Beklagt sich der Vertreter einer Interessengemeinschaft, der dem Mandanten eines Rechtsanwalts bei der Durchsetzung von Rechten gegenüber einer Verwaltungsbehörde behilflich war, bei der Verwaltungsbehörde über vermeintliche Versäumnisse des Rechtsanwalts, so kann dem Rechtsanwalt ein Unterlassungsanspruch nur wegen konkreter, dem Beweis zugänglicher Tatsachenbehauptungen oder im Fall der Schmähkritik zustehen.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 19. Oktober 1998 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 10 O 257/98 - abgeändert:Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

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Die zulässige Berufung ist begründet.

I.

Die Klage ist auf die einseitige Erledigungserklärung der Klägerin abzuweisen. Die Erledigung kann nicht festgestellt werden, weil die Klage von Anfang an unbegründet war.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch stand der Klägerin nicht zu.

1. Dies gilt für die Äußerungen in dem an die Rechtsanwaltskammer gerichteten Schreiben vom 23. April 1998 schon deshalb, weil ein Rechtsanwalt grundsätzlich keinen zivilrechtlich durchsetzbaren Anspruch auf Unterlassung ihn beeinträchtigender Eingaben bei der Rechtsanwaltskammer hat (vgl. BGH NJW 1962, 243, 245; OLG Hamburg MDR 1971, 1009; Palandt/Thomas, BGB, 58. Auflage, Einführung vor § 823 Rn. 21). Denn der Vorstand der Rechtsanwaltskammer ist von Gesetzes wegen dazu berufen, die Erfüllung der den Rechtsanwälten obliegenden Pflichten zu gewissenhafter Berufsausübung zu überwachen (§ 74 BRAO). Es kann deshalb niemandem untersagt werden, sich mit einer Beschwerde über die Berufsausübung eines Rechtsanwalts an die Rechtsanwaltskammer zu wenden; darüber, ob die Beschwerde berechtigt ist, hat der Vorstand der Rechtsanwaltskammer in eigener Kompetenz zu entscheiden.

2. Auch hinsichtlich der Schreiben des Beklagten an den Rechtsanwalt der Klägerin, die auf dessen Abmahnung reagieren, und hinsichtlich der Schriftsätze des Beklagten im Verfahren auf Erlaß der einstweiligen Verfügung (und im vorliegenden Rechtsstreit) besteht grundsätzlich kein Unterlassungsanspruch. Einem in einem Zivilprozeß in Anspruch genommenen Betroffenen kann es grundsätzlich nicht gerichtlich untersagt werden, sich gegen die Inanspruchnahme mit dem für erforderlich gehaltenen Vorbringen zu verteidigen (vgl. etwa BGH NJW 1971, 284 f.; 1986, 2502, 2503; 1992, 1314, 1315 mit weiteren Nachweisen). Die Verurteilung zur Unterlassung solcher Äußerungen wäre mit der rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar. Jede Partei muß die Möglichkeit haben, dem für die Entscheidung eines Rechtsstreits zuständigen Gericht alles vorzutragen, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich hält, mag dadurch auch die Ehre des Prozeßgegners berührt werden (BGH NJW 1992, 1314, 1315). In einem gerichtlichen Verfahren auf Unterlassung bestimmter Äußerungen darf der Betroffene deshalb diese Äußerungen zu seiner Rechtsverteidigung aufgreifen, wenn er dies für notwendig hält. Die in den gerichtlichen Verfahren abgegebenen Äußerungen konnten dem Beklagten mithin nicht untersagt werden. Nichts anderes gilt für die Äußerungen, die der Beklagte im Vorgriff auf die - angedrohte - gerichtliche Auseinandersetzung zu seiner Rechtsverteidigung gegenüber dem Rechtsanwalt der Klägerin abgegeben hat (vgl. BGH NJW 1977, 1681, 1682; Helle GRUR 1982, 207, 221).

3. Ein Unterlassungsanspruch bestand auch nicht hinsichtlich der Äußerungen, die der Beklagte in dem Schreiben an den Bürgermeister der Stadt Troisdorf abgegeben hat. Dabei kann dahinstehen, ob diese Äußerungen nach den oben zu 1. erörterten Grundsätzen schon deshalb zulässig waren, weil die Stadt Troisdorf als Verwaltungsbehörde mit dem Ausgangssachverhalt befaßt war. Sie sind jedenfalls als Werturteile durch die Äußerungsfreiheit des Beklagten gedeckt und daher einem Unterlassungsausspruch nicht zugänglich (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG; vgl. dazu nur BVerfGE 61, 1, 9 ff.; BGHZ 45, 296, 304 ff.).

Der Klägerin ist zuzugeben, daß die dort vorgebrachten Äußerungen des Beklagten, sie sei eine unerfahrene Anwältin, sie habe versucht, absprachewidrige Verhandlungen bzw. Vereinbarungen zu kaschieren, sie habe die erkennbare Absicht gehabt, ihre Mandantin zu übertölpeln, in ihrem Verhalten seien Unredlichkeit und Manipulationen zu erkennen, auf den ersten Blick als Tatsachenbehauptungen erscheinen können, die angesichts des aus dem Parteivortrag deutlich werdenden Sachverhalts einer näheren Überprüfung nicht standhalten dürften. Für den vom Beklagten angeschriebenen Adressaten, der mit dem Ursprungssachverhalt vertraut war, lagen die sich insoweit ergebenden Zweifel allerdings auf der Hand. Die Ausführungen des Beklagten sind offensichtlich geprägt von einer Sichtweise, die einseitig abstellt auf die von ihm als unrecht empfundene Behandlung der Mandantin der Klägerin, deren Vertretung er später übernommen und der er aus seiner Sicht zu ihrem Recht verholfen hatte, sowie auf die Verärgerung, die er aufgrund als unwahr empfundener Äußerungen der Klägerin über ihn empfand. Die die Klägerin betreffenden Passagen haben demgemäß nach Inhalt und Ausdruckweise einen weitgehend wertenden Charakter. Im Vordergrund steht die Absicht des Verfassers, die Tätigkeit der Klägerin - ebenso wie das Handeln der Verwaltung - in Frage zu stellen, die von ihm initiierte, vom Bürgermeister abgesegnete Lösung des Ausgangssachverhalts aber als positiv und einzig sachgerecht darzustellen. Konkrete nachvollziehbare Tatsachen, die die Klägerin bei einem objektiven, verständigen Leser oder gar bei dem mit dem Ausgangssachverhalt vertrauten Adressaten in ein schlechtes Licht rücken könnten, sind dabei schwerlich erkennbar. Sämtliche Wertungen beruhen offenbar auf Schlußfolgerungen, die der Beklagte aus dem Gang, den das Verwaltungsverfahren zunächst genommen hat, glaubte ziehen zu können. Eine Äußerung ist als - einem Unterlassungsausspruch zugängliche - Tatsachenbehauptung aber nur einzustufen, wenn ihre Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist (vgl. nur BGH NJW 1994, 2614, 2615 mit weiteren Nachweisen). Wie über die Schlußfolgerungen des Beklagten sinnvoll Beweis erhoben werden könnte, ist nicht erkennbar. Jedenfalls ist aber eine Äußerung insgesamt als Werturteil einzustufen, wenn ihr Tatsachengehalt untrennbar im Kontext einer Wertung steht und sie sich im Tatsächlichen als nicht konkretisierte, pauschale und insgesamt substanzarme Aussage darstellt (vgl. BGH NJW 1994, 2614, 2615; OLG Brandenburg NJW 1996, 1002). So liegt es im Streitfall.

Ein Unterlassungsanspruch der Kägerin wäre danach nur noch in Betracht gekommen, wenn die Äußerungen des Beklagten in dem an den Bürgermeister gerichteten Schreiben als Schmähkritik zu beurteilen wären. Das wäre nur der Fall, wenn sie auf eine vorsätzliche Ehrenkränkung hinausgegangen wären (vgl. BGH NJW 1974, 1762, 1763), wenn die Diffamierung der Klägerin im Vordergrund gestanden hätte (vgl. BVerfG 82, 272, 283 f.; 93, 266, 294). Davon kann, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, keine Rede sein; der Beklagte hat lediglich seine subjektiv empfundene Empörung über das vermeintlich falsche Vorgehen der Klägerin zum Ausdruck gebracht.

4. Der Senat hat davon abgesehen, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Allerdings hat der Beklagte unter dem 4. Mai 1999 ein - dem Senat in Kopie zugeleitetes - Schreiben an den Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen gesandt, in dem er den Justizminister bittet, auf den Senat dahin einzuwirken, daß der Beklagte persönlich angehört wird, und in dem er den im vorliegenden Rechtsstreit streitigen Sachverhalt anreißt. Eine persönliche Anhörung des Beklagten ist indes angesichts der Entscheidung des Senats offensichtlich nicht geboten. Das Schreiben gibt auch keinen Anlaß, die mündliche Verhandlung im Interesse der Klägerin wiederzueröffnen. Der Beklagte wendet sich mit dem Schreiben an eine nach seiner Meinung zur Wahrung seiner Rechte kompetente Stelle. Er erklärt zudem, daß er nicht beabsichtigt, die Sache an die Öffentlichkeit zu bringen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11 ZPO analog.

Die Beschwer der Klägerin übersteigt nicht 60.000,00 DM.

Der Berufungsstreitwert wird - der Wertfestsetzung des Landgerichts folgend - auf 12.000,00 DM festgesetzt. Die Festsetzung eines höheren Wertes, wie sie der erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte der Klägerin im Beschwerdeweg erstrebt, ist nicht gerechtfertigt. Die beanstandeten Äußerungen des Beklagten waren nach Form und Inhalt nicht geeignet, den Ruf der Klägerin ernsthaft in Frage zu stellen. Sie richteten sich zudem an einen ganz eingeschränkten Adressatenkreis, der entweder zur Verschwiegenheit verpflichtet oder aufgrund der Vertrautheit mit dem Ausgangssachverhalt zu einer sachgerechten Beurteilung der von dem Beklagten erhobenen Vorwürfe in der Lage ist.






OLG Köln:
Urteil v. 28.05.1999
Az: 11 U 265/98


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