Bayerischer Verwaltungsgerichtshof:
Beschluss vom 29. Juni 2009
Aktenzeichen: 15 ZB 08.1051

(Bayerischer VGH: Beschluss v. 29.06.2009, Az.: 15 ZB 08.1051)

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Ergänzung eines ihr erteilten Genehmigungsbescheids für eine Nutzungsänderung. In dem Bescheid vom 22. März 2005 soll zusätzlich festgestellt werden, dass für das Gesamtbauvorhaben der Klägerin in der R€straße € insgesamt 47 Stellplätze abgelöst wurden und nach einer Nutzungsänderung 12 überschießend abgelöste Stellplätze für den Bereich der Altstadt zum Nachweis bereits erfolgter Stellplatzablösung zur Verfügung stehen. Hilfsweise begehrt die Klägerin die entsprechende gerichtliche Feststellung.

Im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zur Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses in der R€straße €, N€, hatte die Klägerin insgesamt 47 Stellplätze abgelöst. Mit Bescheid vom 22. März 2005 erhielt die Klägerin die Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung, die nach Berechnung der Beklagten einen Bedarf von nur noch 37 Stellplätzen auslöste. In Auflage Nr. 4 des Bescheids stellt die Beklagte zunächst fest, dass die überschießend abgelösten 10 Stellplätze für das Grundstück R€straße € für eine spätere Nutzungsänderung zur Verfügung stünden. Unter dem 9. Mai 2005 erließ die Beklagte einen Abhilfebescheid, mit dem die Auflage aufgehoben wurde.

Den Widerspruch der Klägerin hiergegen wies die Regierung der Oberpfalz mit Widerspruchsbescheid vom 8. August 2006 zurück.

Mit Urteil vom 6. März 2008 wies das Verwaltungsgericht die Klage in ihrem Haupt- und Hilfsantrag ab. Die konkrete Feststellung, wie viele Stellplätze für das Bauvorhaben nachzuweisen seien, sei nicht erforderlicher Inhalt der Baugenehmigung, da die Stellplatzanforderungen durch die Nutzungsänderung unstreitig reduziert seien. Die Frage einer etwaigen Übertragung €überschießender€ Stellplätze sei kein zulässiger Gegenstand der Baugenehmigung und nicht Voraussetzung für die Bescheidserteilung. Auch hielten die Berechnungen der Beklagten zur Zahl der erforderlichen Stellplätze einer rechtlichen Überprüfung stand.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung. Sie macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend. Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass die von der Klägerin begehrte Ergänzung der Baugenehmigung deren zulässigen Inhalt überschreite. Der Bauherr habe auch im Hinblick auf künftige Bauvorhaben und die erforderliche Planungssicherheit ein berechtigtes Interesse daran, dass sowohl die Anzahl der frei werdenden Stellplätze festgestellt als auch die Möglichkeit eröffnet werde, diese für andere Bauvorhaben im maßgeblichen städtischen Bereich zu verwenden. Das Verwaltungsgericht gehe weiter unzutreffend davon aus, dass bei Nutzungsänderungen für die Berechnung erforderlicher Stellplätze die für das ursprüngliche Bauvorhaben festgelegten Stellplatzzahlen Grundlage der Neuberechnung sein könnten. Im Übrigen weise die Rechtssache im Hinblick auf die Auslegung der Stellplatzregelungen besondere rechtliche Schwierigkeiten auf. Sie habe auch grundsätzliche Bedeutung mit Blick auf die Frage, ob es einen Anspruch des Bauherrn auf Anrechnung von vormals überschießend abgelösten Stellplätzen auf den durch ein weiteres Bauvorhaben ausgelösten Stellplatzbedarf gebe. Auch habe es das Verwaltungsgericht unterlassen, von der Beklagten entsprechende Nachweise über die Verwendung der Stellplatzablöse zu verlangen.

Die Beklagte beantragte, den Zulassungsantrag abzulehnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Die Klägerin beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was innerhalb offener Frist zur Begründung des Zulassungsantrags dargelegt wurde (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

a) Die Klägerin trägt vor, das Verwaltungsgericht habe die Verpflichtungsklage auf Ergänzung des Bescheids zu Unrecht abgelehnt. Der Bauherr habe aus Gründen der Verlässlichkeit und Berechenbarkeit Anspruch auf Beifügung einer Nebenbestimmung, die frei werdende Stellplätze verbindlich feststelle. Im Hinblick auf künftige Bauvorhaben und die erforderliche Planungssicherheit müsse die Baugenehmigung auch klarstellen, dass die €überschießend€ abgelösten Stellplätze an anderer Stelle zum Nachweis bereits erfolgter Stellplatzablöse zur Verfügung stünden. Dieses Vorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.

Der Klägerin geht es um einen feststellenden Verwaltungsakt. Zum Erlass eines solchen Verwaltungsakts kann die Beklagte nur verpflichtet sein, sofern eine gesetzliche Regelung das vorsieht (vgl. BayVGH vom 6.12.2001 BayVBl 2002, 737; Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Auflage 2008, RdNr. 220 zu § 35 m.w.N. zur Rechtsprechung). Den Umfang der Stellplatzpflicht oder die Zahl eventueller €überschießend€ abgelöster Stellplätze feststellende Bescheide sieht die Rechtsordnung aber nicht vor. In diesem Zusammenhang auftretende Fragen sind gegebenenfalls im Kontext eines Baugenehmigungsverfahrens als Vorfrage zu klären. Mit dem Tauschvertrag vom 22. April 1986 samt Anlage hat die Klägerin für das ursprüngliche Vorhaben in der R€straße € unstreitig 47 Stellplätze abgelöst. Ungeachtet der konkreten Anzahl der infolge der Nutzungsänderung erforderlichen Stellplätze besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit dahingehend, dass die nunmehr genehmigte Nutzung keinen weitergehenden Stellplatzbedarf auslöst. Die der Klägerin erteilte Baugenehmigung stellt eine Unbedenklichkeitsbescheinigung dar, die € nur € feststellt, dass dem Bauvorhaben nach dem zur Zeit der Entscheidung geltenden und geprüften Recht keine Hindernisse entgegenstehen (Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiss, Die Neue Bayerische Bauordnung, Stand: Mai 2006, RdNrn. 37 ff. zu Art. 72 BayBO 1998; Simon/Busse, BayBO, Stand: August 2007, RdNrn. 30 ff. zu Art. 20 BayBO 1998). In dieser €negativen€ Bescheinigung erschöpft sich die Feststellungswirkung der Baugenehmigung. Mit der Frage, aus welchen Rechtsvorschriften die Genehmigungsbehörde die Unbedenklichkeit im konkreten Fall ableitet, befasst sich die Baugenehmigung nur in ihren Gründen. Diese nehmen an der Regelungswirkung der Genehmigung nicht teil (BayVGH vom 14.2.2008 BauR 2008, 975/976). Die Klägerin hat deshalb keinen Anspruch auf die von ihr begehrte Ergänzung der Baugenehmigung um die positive Feststellung der konkreten Zahl der erforderlichen Stellplätze.

Aus den genannten Gründen hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Ergänzung der Baugenehmigung um die Feststellung, dass €überschießend€ abgelöste Stellplätze für andere Vorhaben im Altstadtbereich zur Verfügung stehen. Abgesehen davon ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Stellplatzregelungen noch nach Sinn und Zweck der Vorschriften, dass die Möglichkeit einer solchen Übertragung besteht (s. hierzu BayVGH vom 29.6.2009 Az. 15 ZB 08.1048). Die Stellplatzablöse wirkt als Surrogat für die reale Herstellung von Stellplätzen grundsätzlich grundstücksbezogen (BayVGH vom 14.8.2008 FStBay 10/2009 RdNr. 130). Sie kommt dem ablösenden Grundstück zugute und kann bei künftigen Bauvorhaben auf dem Grundstück selbst berücksichtigt werden. Dahingestellt bleiben kann auch, ob die Vorstellung der Klägerin, es gebe €überschießende€ Stellplätze, überhaupt zutrifft, solange die Baugenehmigung vom 27. Juli 1988 i.d.F.d. Tektur vom 6. Oktober 1989 nicht gegenstandslos geworden ist.

b) Die Klägerin ist weiter der Auffassung, das Verwaltungsgericht habe die hilfsweise erhobene Feststellungsklage zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Feststellung der für die jeweiligen Bauvorhaben erforderlichen Stellplätze sowie einen Anspruch auf Feststellung der Anrechnungsmöglichkeit. Auch dieses Vorbringen vermag die Richtigkeit des Urteils - jedenfalls im Ergebnis - nicht ernstlich in Zweifel zu ziehen.

Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn hieran ein Feststellungsinteresse besteht. Die begehrte Feststellung der konkreten Anzahl der jeweils nachzuweisenden und der abgelösten Stellplätze bezieht sich nicht auf ein Rechtsverhältnis. Als Rechtsverhältnis i.S. des § 43 Abs. 1 VwGO werden diejenigen rechtlichen Beziehungen angesehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (vgl. etwa BVerwG vom 23.1.1992 BVerwGE 89, 327/329). Eine rechtliche Beziehung in diesem Sinn stellt z.B. der Anspruch des Bauherrn auf Erteilung einer Baugenehmigung dar. Bei der Berechnung und dem Nachweis der erforderlichen Stellplätze handelt es sich demgegenüber lediglich um eine Vorfrage, die im Rahmen der Prüfung, ob dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen, zu beantworten ist (zur mangelnden Feststellungsfähigkeit solcher Vorfragen vgl. etwa BVerwG vom 26.7.2007 Buchholz 442.066 § 28 TKG Nr. 2). Die von der Frage der Erteilung der Baugenehmigung losgelöste, isolierte Feststellung der nachzuweisenden Stellplätze begründet zwischen dem Bauherrn und der Genehmigungsbehörde keinerlei Rechte oder Pflichten und betrifft deshalb auch kein Rechtsverhältnis im Sinn des § 43 Abs. 1 VwGO.

Soweit die Klägerin daneben die Feststellung der Anrechnungsmöglichkeit €überschießend€ abgelöster Stellplätze für weitere Bauvorhaben im Altstadtbereich begehrt, scheitert dieser Antrag ungeachtet der Frage seiner Zulässigkeit zudem daran, dass die Möglichkeit der Anrechnung, wie ausgeführt, nicht besteht.

2. Die Rechtssache weist keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Die Klägerin hat hierzu nichts über das zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO Dargelegte vorgebracht. Besondere Schwierigkeiten haben sich nicht ergeben.

3. Auch die Grundsatzrüge (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greift nicht durch. Die von der Klägerin im Kern aufgeworfene Frage, ob und in welcher Form ein Bauherr nach Zahlung der Ablösesumme die Erstattung eines €überschießend€ geleisteten Betrags geltend machen kann, ist in der Rechtsprechung geklärt. Gleiches gilt für die Feststellungswirkung der Baugenehmigung und die von der Klägerin in diesem Zusammenhang formulierte Frage, ob es darüber hinaus einen Anspruch auf isolierte Feststellung einzelner, der Genehmigung zugrunde liegenden Vorfragen gibt. Die Streitsache wirft keine Fragen auf, die über die Anwendung der hierzu entwickelten Grundsätze auf den Einzelfall hinausgehen.

4. Soweit daneben ein Verfahrensfehler gerügt wird (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), weil es das Gericht unterlassen habe, der Beklagten entsprechende Nachweise für die Verwendung der Stellplatzablösung aufzugeben, dringt auch dieser Einwand nicht durch. Der einzelne Bauherr hat keinen Anspruch darauf, dass die der Gemeinde zufließenden Mittel aus der Stellplatzablösung tatsächlich zweckentsprechend verwendet werden (BayVGH vom 11.3.2004 VGH n.F. 57, 103). Die tatsächliche Verwendung der der Beklagten zugeflossenen Ablösebeträge ist deshalb nicht entscheidungserheblich.

5. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 45 Abs. 1 Satz 2, § 52 Abs. 2 GKG.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).






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Az: 15 ZB 08.1051


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