Hessischer Verwaltungsgerichtshof:
Beschluss vom 27. Februar 1990
Aktenzeichen: 12 TH 2402/89

(Hessischer VGH: Beschluss v. 27.02.1990, Az.: 12 TH 2402/89)

Gründe

Dem erneuten Antrag vom 23. Oktober 1989 kann schon deshalb nicht entsprochen werden, weil der Antragsteller die Kosten der Prozeßführung nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen aufbringen kann, so daß offenbleiben kann, ob seine Beschwerde hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden -- ausgehend von einem Streitwert von 3.000,-- DM (§§ 13 Abs. 1 Satz 2, 20 Abs. 3 GKG) -- voraussichtlich unter 220,-- DM liegen, da lediglich eine Gerichtsgebühr von 96,-- DM (vgl. Nr. 1271 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 GKG) und eine halbe Anwaltsgebühr von 87,50 DM (vgl. § 114 Abs. 1 i.V.m. § 61 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO sowie Hartmann, Kostengesetze, 23. Aufl. 1989, § 114 BRAGO, Anm. 2 A f, u. Gerold/Schmidt/Madert, BRAGO, 9. Aufl. 1987, § 114, Rdnr. 15) zuzüglich Postgebührenpauschale von 13,13 DM (vgl. § 26 Satz 2 BRAGO) und auf die Anwaltsvergütung entfallende 14 % Umsatzsteuer von 14,09 DM (vgl. § 25 Abs. 2 BRAGO) anfallen.

Diesen Betrag kann der Antragsteller zwar nicht aus seinem eigenen Einkommen, wohl aber durch Inanspruchnahme eines von seiner Ehefrau zu leistenden Prozeßkostenvorschusses aufbringen.

Zu dem Einkommen, aus dem die sich ihrer Höhe nach aus der Tabelle (Anlage 1 zu § 114 ZPO) ergebenden Raten aufzubringen sind (§ 115 Abs. 1 Satz 1 ZPO), gehören alle Einkünfte in Geld und Geldeswert (§ 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Auszugehen ist demnach von dem im Dezember 1989 erzielten Bruttoarbeitslohn von ... 2.352,-- DM, von dem die auf das Einkommen entrichteten Steuern und Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung in Höhe von zusammen 1.072,31 DM gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 ZPO i.V.m. § 76 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 BSHG abzusetzen sind. Von einer monatlich anteiligen Umlegung des im November 1989 gezahlten Weihnachtsgeldes (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, 29.04.1981 -- 3 WF 68/81 --, NJW 1981, 1791, u. Zöller/Schneider, ZPO, 15. Aufl. 1987, § 115, Rdnrn. 12 und 13) von insgesamt 150,-- DM brutto mag in Anbetracht des geringen Betrages abgesehen werden, zumal dessen Hinzurechnung am Ergebnis ohnehin nichts ändern würde. Da der Antragsteller gegenüber seinem 1982 geborenen Kind unterhaltspflichtig ist, während die Unterhaltspflicht gegenüber seiner Ehefrau gemäß § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO bei der Anwendung der Tabelle unberücksichtigt bleibt, weil die Ehefrau eigenes Einkommen hat, ergibt sich bei einem Monatseinkommen des Antragstellers von 1.279,-- DM netto, daß dieser keine Rate zu zahlen hat. Unter diesen Umständen ist für eine ausnahmsweise Zusammenrechnung der Einkommen des Antragstellers und seiner Ehefrau gemäß § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO kein Raum, weil sich ein günstigeres Ergebnis für den Antragsteller dadurch nicht erzielen läßt.

Indessen hat der Antragsteller gemäß § 115 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 88 BSHG sein Vermögen zur Aufbringung der Kosten des Beschwerdeverfahrens einzusetzen, soweit dies zumutbar ist, insbesondere soweit es für ihn und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen keine Härte bedeutet (vgl. § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG). Zum Vermögen gehört auch ein ohne größere Schwierigkeiten realisierbarer Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß gegen den Ehegatten (vgl. Kopp, VwGO, 8. Aufl. 1989, § 166, Rdnr. 6, Thomas/Putzo, ZPO, 15. Aufl. 1987, § 115, Anm. 5 a, Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 48. Aufl. 1990, § 114, Anm. 5 D "Kostenvorschuß", Zöller/Schneider, a.a.O., § 115, Rdnrn. 46 und 51, sowie OLG Frankfurt a.M., 15.03.1985 -- 5 WF 32/85 --, FamRZ 1985, 826, u. OLG München, 27.11.1986 -- 20 UE 5314/86 --, FamRZ 1987, 303). Ein derartiger Anspruch steht dem Antragsteller gegenüber seiner Ehefrau zu, und auf diesen muß er sich in zumutbarer Weise verweisen lassen.

Ob einem Ausländer gegen seinen ebenfalls ausländischen Ehegatten im Rahmen der diesem obliegenden Unterhaltspflicht ein Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß zusteht, bestimmt sich jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang nach deutschem Recht, denn einem Ausländer kann nicht in weitergehendem Umfang als einem Deutschen Prozeßkostenhilfe bewilligt werden (OLG Karlsruhe, 19.11.1985 -- 16 WF 220/85 --, MDR 1986, 242; zustimmend Zöller/Schneider, a.a.O., Rdnr. 46, u. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, a.a.O., § 114, Anm. 5 D "Kostenvorschuß"). Nach § 1360a Abs. 4 Satz 1 BGB ist, wenn der eine Ehegatte nicht in der Lage ist, die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen, der persönliche Angelegenheiten betrifft, der andere vorschußpflichtig, soweit dies der Billigkeit entspricht. Bei einer auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die auf einen Asylfolgeantrag ergangene Abschiebungsandrohung der Ausländerbehörde gerichteten Beschwerde handelt es sich zweifellos um eine bedeutsame persönliche Angelegenheit des Antragstellers, zumal hiervon sein weiterer Verbleib im Bundesgebiet abhängt; das hier in Rede stehende Verfahren ist deshalb Status-, Ausweisungs- und Kriegsdienstverweigerungssachen, die insoweit anerkannt sind (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 49. Aufl. 1990, § 1360a, Anm. 3 b dd, u. § 1610, Anm. 3 c; BVerwG, 30.11.1972 -- VIII C 191/71 -- u. 31.01.1974 -- VI C 17/73 --, DÖV 1974, 428 = FamRZ 1974, 370), mindestens gleichzuachten. Da die Prozeßkostenvorschußpflicht nur im Rahmen der Billigkeit besteht, muß der unterhaltsverpflichtete Ehegatte darüber hinaus leistungsfähig sein; hieran fehlt es dann, wenn dieser -- betriebe er den Rechtsstreit -- seinerseits Anspruch auf Prozeßkostenhilfe ohne Raten hätte (vgl. Palandt, a.a.O., § 1360a, Rdnr. 3 b cc, u. OLG Frankfurt a.M., 15.03.1985 -- 5 WF 32/85 --, FamRZ 1985, 826). Die Ehefrau des Antragstellers erzielte -- wie den vorgelegten Nachweisen für August, November und Dezember 1989 zu entnehmen ist -- jeweils ein Bruttoeinkommen von 1.384,91 DM zuzüglich Samstags-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschlägen von mindestens 115,90 DM, von dem Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von höchstens 260,-- DM abzusetzen sind. Zu addieren sind noch 1/12 der im November 1989 gezahlten Weihnachtszuwendung von ca. 900,-- DM netto, also 75,-- DM, sowie die Sparzulage von 18,-- DM (vgl. OLG Düsseldorf, 29.04.1981 -- 3 WF 68/81 --, NJW 1981, 1791, Thomas/Putzo, a.a.O., § 115, Anm. 2 a, Baumbach/Lauterbach/Hartmann, a.a.O., § 115, Anm. 3 C "Arbeitnehmersparzulage" u. "Weihnachtsgeld") und schließlich das an die Ehefrau gezahlte Kindergeld in Höhe von 50,-- DM (Zöller/Schneider, a.a.O., § 115, Rdnr. 16; Thomas/Putzo, a.a.O., § 115, Anm. 2 a; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, a.a.O., § 115, Anm. 3 C "Kindergeld"). Abzusetzen sind gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 ZPO i.V.m. § 76 Abs. 2 Nr. 4 BSHG und § 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung zur Durchführung des § 76 BSHG die von der Ehefrau des Antragstellers durch eidesstattliche Versicherung vom 28. September 1989 glaubhaft gemachten notwendigen Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 250,-- DM (vgl. Zöller-Schneider, a.a.O., § 115, Rdnr. 21), und zwar in voller Höhe und nicht nur hinsichtlich des den anteiligen Werbungskostenpauschbetrag von monatlich 47,-- DM (vgl. § 9a Nr. 1 a.F. EStG) übersteigenden Betrags; denn letzterer führt nur zur automatischen Steuerfreiheit des Einkommens in der betreffenden Höhe, ändert aber nichts an der den Arbeitnehmer belastenden Ausgabe als solcher. Ferner sind die vom Arbeitgeber einbehaltenen vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von 78,-- DM nach § 115 Abs. 1 Satz 3 2. Halbs. ZPO mit Rücksicht darauf abzusetzen, daß dieser Betrag der Ehefrau des Antragstellers tatsächlich nicht zur Verfügung steht (OLG Düsseldorf, 29.04.1981 -- 3 WF 68/81 --, NJW 1981, 1791; Thomas/Putzo, a.a.O., § 115, Anm. 2 d). Bei dem hiernach verbleibenden Nettoeinkommen von etwa 1.050,-- DM müßte die Ehefrau des Antragstellers -- betriebe sie selbst den Rechtsstreit -- eine Monatsrate von 90,-- DM aufbringen (vgl. OLG München, 27.11.1986 -- 20 UE 5314/86 --, FamRZ 1987, 303). Dies ist der ersten Spalte der Tabelle zu entnehmen, da die Unterhaltspflicht für das gemeinsame Kind bereits beim Antragsteller berücksichtigt worden ist und zugunsten seiner Ehefrau nicht nochmals durchschlagen kann. Die Inanspruchnahme seiner Ehefrau auf Prozeßkostenvorschuß in Raten a 90,-- DM erscheint auch nicht aus anderen Gründen als unbillig; denn das Beschwerdeverfahren ist jedenfalls nicht mutwillig, und es verletzt auch nicht die eigenen Interessen der Ehefrau und ist auch sonst nicht für sie unzumutbar, sondern sie dürfte -- im Gegenteil -- gerade am Obsiegen des Antragstellers ein gewichtiges Interesse haben, weil davon die Möglichkeit abhängt, die Ehe im Bundesgebiet fortzuführen (vgl. Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1610, Anm. 3 c cc).

Es ist nichts dafür ersichtlich, daß der Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß nicht durchsetzbar oder die Durchsetzung dem Antragsteller nicht zumutbar wäre, insbesondere daß dies für ihn und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde (vgl. § 115 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG). Dem steht vielmehr entgegen, daß sich etwa bei Betrachtung des gesamten Nettoeinkommens der Familie von 2.329,-- DM eine weit höhere Monatsrate ergäbe.

Steht dem Antragsteller mithin ein ohne größere Schwierigkeiten realisierbarer Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß gegen seine Ehefrau in Höhe von monatlich 90,-- DM zu, so kann er selbst die Kosten des Beschwerdeverfahrens in Raten gleicher Höhe aufbringen (vgl. OLG München, 27.11.1986 -- 20 UE 5314/86 --, FamRZ 1987, 303, u. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, a.a.O., § 114, Anm. 5 D "Kostenvorschuß"). Da die Kosten des Beschwerdeverfahrens -- wie eingangs dargelegt -- unter 220,-- DM liegen werden, übersteigen sie vier Monatsraten voraussichtlich nicht mit der Folge, daß dem Antragsteller gemäß § 115 Abs. 6 ZPO Prozeßkostenhilfe nicht bewilligt werden kann (vgl. OLG Frankfurt a.M., 15.03.1985 -- 5 WF 32/85 --, FamRZ 1985, 826). In derartigen Fällen ist es nämlich zumutbar, sich die fehlenden Mittel anderweitig -- z.B. durch Kreditaufnahme -- zu beschaffen, soweit sie nicht bis zur Fälligkeit angespart werden können (vgl. Thomas/Putzo, a.a.O., § 115, Anm. 5 b).

Hat der Antragsteller demnach keinen Anspruch auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe, so kommt auch eine Beiordnung von Rechtsanwalt ... in ... nach § 121 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht.






Hessischer VGH:
Beschluss v. 27.02.1990
Az: 12 TH 2402/89


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/e0ea977e668b/Hessischer-VGH_Beschluss_vom_27-Februar-1990_Az_12-TH-2402-89




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share