Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Februar 2005
Aktenzeichen: 17 W (pat) 72/03

(BPatG: Beschluss v. 15.02.2005, Az.: 17 W (pat) 72/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Auf die Anmeldung wurde die Erteilung des Patents (nachfolgend Streitpatent genannt) mit der Bezeichnung

"Verfahren zur Überwachung einer berechtigten Benutzung von Verkehrswegen und/oder Verkehrsflächen"

am 8. Februar 1996 veröffentlicht.

Zwei gegen das Streitpatent erhobene Einsprüche wurden gestützt auf die Druckschriften E1) DE 38 33 716 C2 E2) Rittich u.a: Zukünftige automatische Gebührenerfassung für den Straßenverkehr. Sonderdruck aus ntz Bd 46 (1993), Heft 4, S 2-8 E3) T. G. Gibson: Video ID system speeds border traffic. Reprinted from ACCESS CONTROL, September 1993, 2 Seiten.

E4) US 4 338 587 E5) US 4 908 500 E6) GB 2 247 096 A E7) GB 2 154 832 A.

Das Streitpatent wurde durch Beschluss der Patentabteilung 53 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 15. Mai 2003 mangels erfinderischer Tätigkeit widerrufen. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Patentinhaberin mit ihrer Beschwerde vom 25. Juli 2003. Sie verteidigt das Streitpatent nach Haupt- sowie erstem und zweitem Hilfsantrag.

Nach Ansicht der Patentinhaberin sind die beanspruchten Verfahren durch den vorstehend genannten Stand der Technik weder bekannt noch nahegelegt und demzufolge patentfähig.

Die Patentinhaberin erklärt die Teilung des Streitpatents und stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Streitpatent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 bis 10 vom 31. Januar 2001, eingegangen am 1. Februar 2001, noch anzupassende Beschreibung und Zeichnungen mit den Figuren 1 und 2 gemäß der Patentschrift, hilfsweise Patentanspruch 1 vom 16. November 2001, eingegangen am 19. November 2001, sowie Patentansprüche 2 bis 10 wie Hauptantrag, noch anzupassende Beschreibung und Zeichnungen wie Hauptantrag, weiter hilfsweise Patentansprüche 1 bis 10 vom 23. September 2003, eingegangen am 8. Oktober 2003, sowie noch anzupassende Beschreibung und Zeichnungen wie Hauptantrag.

Die Einsprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die beanspruchten Gegenstände mangels erfinderischer Tätigkeit für nicht patentfähig.

Die zugehörigen Hauptansprüche lauten:

Hauptantrag:

"Verfahren zur Überwachung einer berechtigten Benutzung von Verkehrswegen und/oder Verkehrsflächen durch Fahrzeuge, wobei an geeigneten Stellen der Verkehrswege und/oder Verkehrsflächen Überwachungseinrichtungen vorgesehen sind, welche allein die Kennzeichen der die Überwachungseinrichtungen passierenden Fahrzeuge automatisch erkennen und die Kennzeichen beschreibende Überwachungsdaten erstellen, wobei an Benutzungsberechtigungen erteilenden Stellen Berechtigungsdaten über die Kennzeichen von berechtigten Fahrzeugen und die Art der jeweiligen Berechtigung (Dauer, Strecke, Bereich, einmalige oder mehrmalige Benutzung) erstellt werden, wobei die Überwachungsdaten und die Berechtigungsdaten über ein Datenübertragungssystem an eine Zentralstelle übertragen werden und ein positives Vergleichsergebnis die berechtigte Nutzung anzeigt, wobei bei der Übertragung der Überwachungsdaten und der Berechtigungsdaten zur Zentralstelle die Kennzeichen der Fahrzeuge derart verschlüsselt werden, dass aus den verschlüsselten Daten ein Rückschluss auf das jeweilige Kennzeichen nicht mehr möglich ist (Einwegverschlüsselung)."

1. Hilfsantrag (Änderungen gegenüber Hauptantrag unterstrichen):

"Verfahren zur Überwachung einer berechtigten Benutzung von Verkehrswegen und/oder Verkehrsflächen durch Fahrzeuge, wobei an geeigneten Stellen der Verkehrswege und/oder Verkehrsflächen optische Überwachungseinrichtungen vorgesehen sind, welche allein die Fahrzeugkennzeichen der die Überwachungseinrichtungen passierenden Fahrzeuge automatisch erkennen und die Fahrzeugkennzeichen beschreibende Überwachungsdaten erstellen, wobei an Benutzungsberechtigungen erteilenden Stellen Berechtigungsdaten über die Fahrzeugkennzeichen von berechtigten Fahrzeugen und die Art der jeweiligen Berechtigung (Dauer, Strecke, Bereich, einmalige oder mehrmalige Benutzung) erstellt werden, wobei die Überwachungsdaten und die Berechtigungsdaten über ein Datenübertragungssystem an eine Zentralstelle übertragen werden und ein positives Vergleichsergebnis die berechtigte Nutzung anzeigt, wobei bei der Übertragung der Überwachungsdaten und der Berechtigungsdaten zur Zentralstelle die Fahrzeugkennzeichen der Fahrzeuge derart verschlüsselt werden, dass aus den verschlüsselten Daten ein Rückschluss auf das jeweilige Kennzeichen nicht mehr möglich ist (Einwegverschlüsselung)."

2. Hilfsantrag (Änderungen gegenüber Hauptantrag unterstrichen):

"Verfahren zur Überwachung einer berechtigten Benutzung von Verkehrswegen und/oder Verkehrsflächen durch Fahrzeuge, wobei an geeigneten Stellen der Verkehrswege und/oder Verkehrsflächen Überwachungseinrichtungen (3, 4, 16) vorgesehen sind, welche allein die Kennzeichen der die Überwachungseinrichtungen (3, 4, 16) ohne anzuhalten passierenden Fahrzeuge automatisch erkennen und die Kennzeichen beschreibende Überwachungsdaten erstellen, wobei an Benutzungsberechtigungen erteilenden Stellen (14, 19) Berechtigungsdaten über die Kennzeichen von berechtigten Fahrzeugen und die Art der jeweiligen Berechtigung (Dauer, Strecke, Bereich, einmalige oder mehrmalige Benutzung) erstellt werden, wobei die Überwachungsdaten und die Berechtigungsdaten über ein Datenübertragungssystem an eine Zentralstelle (13) übertragen werden und ein positives Vergleichsergebnis die berechtigte Nutzung anzeigt, wobei bei der Übertragung der Überwachungsdaten und der Berechtigungsdaten zur Zentralstelle (13) die Kennzeichen der Fahrzeuge derart verschlüsselt werden, dass aus den verschlüsselten Daten ein Rückschluss auf das jeweilige Kennzeichen nicht mehr möglich ist (Einwegverschlüsselung)."

Zu Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, da keine patentfähige Erfindung vorliegt, §§ 4, 21 Abs 1 Nr 1 PatG.

1. Das Streitpatent bezieht sich auf ein Verfahren zur Überwachung von Verkehrswegen und/oder Verkehrsflächen durch Fahrzeuge. Zur patentgemäßen Zielsetzung trägt die Patentinhaberin unter Bezug auf Sp 1, Z 51 ff der Streitpatentschrift vor, daß mit diesem Verfahren insbesondere eine automatische Benutzungsüberwachung von Verkehrswegen und/oder Verkehrsflächen ermöglicht werde, bei dem der Mißbrauch von Überwachungsdaten ausgeschlossen sei.

Das zur Erreichung dieses Ziels dienende Verfahren nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag läßt sich (nach dem Vorschlag der Einspruchsabteilung) wie folgt in Merkmale gliedern:

A) Verfahren zur Überwachung einer berechtigten Benutzung von Verkehrswegen und/oder Verkehrsflächen durch Fahrzeuge, B) wobei an geeigneten Stellen der Verkehrswege und/oder Verkehrsflächen Überwachungseinrichtungen vorgesehen sind, C) welche allein die Kennzeichen der die Überwachungseinrichtungen passierenden Fahrzeuge automatisch erkennen und die Kennzeichen beschreibende Überwachungsdaten erstellen, D) wobei an Benutzungsberechtigungen erteilenden Stellen Berechtigungsdaten über die Kennzeichen von berechtigten Fahrzeugen und die Art der jeweiligen Berechtigung (Dauer, Strecke, Bereich, einmalige oder mehrmalige Benutzung) erstellt werden, E) wobei die Überwachungsdaten und die Berechtigungsdaten über ein Datenübertragungssystem an eine Zentralstelle übertragen werden und ein positives Vergleichsergebnis die berechtigte Nutzung anzeigt, F) wobei bei der Übertragung der Überwachungsdaten und der Berechtigungsdaten zur Zentralstelle die Kennzeichen der Fahrzeuge derart verschlüsselt werden, dass aus den verschlüsselten Daten ein Rückschluss auf das jeweilige Kennzeichen nicht mehr möglich ist (Einwegverschlüsselung).

In der Druckschrift E3 (T. G. Gibson: Video ID system speeds border traffic. Reprinted from ACCESS CONTROL, September 1993, 2 Seiten) wird ein an der Grenze zwischen den USA und Kanada eingesetztes Fahrzeugkontrollsystem beschrieben, mit dem die Grenze passierende Fahrzeuge überwacht und unerwünschte, per Fahrzeug Einreisende (Terroristen, Drogenhändler und andere gefährliche Kriminelle) von der Weiterreise durch Festnahme gehindert werden können (S 1, li u mi Sp; S 2, re Sp 2. Abs).

Das mit dem Fahrzeugkontrollsystem nach E3 durchführbare Verfahren dient somit zur Überwachung einer (bei Unbescholtenheit der Fahrzeuginsassen gegebenen) berechtigten Benutzung von Verkehrswegen und/oder Verkehrsflächen durch Fahrzeuge - Merkmal A.

Hierbei sind an geeigneten Stellen der Verkehrswege Überwachungseinrichtungen in Gestalt von CCD-Kameras installiert (S 1, mi Sp u re Sp, Abs 1 und 2) - Merkmal B.

Mit diesen Kameras werden Bilder von passierenden Fahrzeugen aufgenommen, die nachfolgend in digitalisierter Form ausgewertet werden, wobei aus dieser Auswertung allein das Fahrzeugkennzeichen gewonnen und in eine überwachungsgeeignete Form gebracht wird (S 1, re Sp, Abs 3 bis 6; mi Sp, 2. Abs) - Merkmal C.

Für die Überwachung werden beim bekannten Verfahren Listen von Kennzeichen verwendet, die zu Fahrzeugen gehören, denen die Weiterfahrt wegen verdächtiger Insassen zu untersagen ist, wobei auch zusätzliche Daten - zB über gestohlene Fahrzeuge - herangezogen werden (S 2, re Sp, 3. Abs). Diese Listen werden von hierzu berechtigten Stellen ("various national and international databases", S 2, mi Sp, 2. Abs). bereitgestellt. Somit ist sinngemäß auch Merkmal D bei dem Verfahren nach E3 realisiert, mit dem Unterschied, daß anstelle einer die berechtigten Benutzer angebenden Erlaubnis-Liste eine die unberechtigten Benutzer aufzeigende Verbots-Liste erstellt wird. Beim Überwachungsverfahren nach E3 werden dann die jeweils ermittelten Kennzeichen in einem Zentral-Computer mit den dort in der Verbotsliste gespeicherten Kennzeichen verglichen und hierdurch Fahrzeuge ermittelt, die wegen verdächtiger Insassen anzuhalten sind (S 2, mi Sp, 2. Abs; S 2, re Sp, 2. Abs).

Dieser Schritt beim bekannten Verfahren entspricht Merkmal E mit dem bereits zu Merkmal D angesprochenen Unterschied hinsichtlich Verwendung einer "Erlaubnis-Liste" beim Verfahren gemäß Streitpatent und einer "Verbots-Liste" nach E3.

Eine Verschlüsselung vergleichbar mit jener nach Merkmal F ist in E3 nicht angesprochen.

Vom Überwachungsverfahren nach E3 unterscheidet sich das Verfahren nach Anspruch 1 des Streitpatents demzufolge durch die Heranziehung von Daten der berechtigten Fahrzeuge und durch den verschlüsselten Datenverkehr mit der Zentrale. Diese Unterschiede lassen das Verfahren nach Anspruch 1 jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen. Ob bei der Berechtigungsüberprüfung von Fahrzeugen bezüglich der Benutzung von Verkehrswegen und/oder Verkehrsflächen nach Verbots- oder Erlaubniskriterien vorgegangen wird, ergibt sich zwangsläufig aus dem Umfeld, in dem das Überwachungsverfahren eingesetzt wird.

Die Datenverschlüsselung ist dem Fachmann, einem diplomierten Physiker mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Überwachungstechnik, im Bereich der Verkehrsüberwachungstechnik beispielsweise aus der Druckschrift E2 (Rittich ua: "Zukünftige automatische Gebührenerfassung für den Straßenverkehr", Sonderdruck aus ntz Bd 46 (1993), Heft 4, S 2-8) bekannt, darunter auch die Datenverschlüsselung im Verkehr mit der Zentrale (vergl S 7, re Sp, le Abs mit S 8, li Sp, erster Abs). Datenverschlüsselung setzt der Fachmann entsprechend den in der Praxis anzutreffenden Notwendigkeiten ein. Diese können beispielsweise durch gesetzliche und/oder betriebliche Anforderungen an den Datenschutz oder durch die Abwehr von Eindringversuchen in den Datenverkehr gegeben sein. Eine diesbezüglich erfinderische Leistung kann der beanspruchten Lehre nicht entnommen werden, da hierfür in Frage kommende technische Eigenheiten der Verschlüsselung nicht angesprochen sind.

Da der Fachmann somit in Kenntnis der Druckschriften E3 und E2 ohne erfinderische Tätigkeit zum Verfahren nach Anspruch 1 kommt, ist dieser Anspruch nicht rechtsbeständig. Nachdem über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann, sind auch die abhängigen Ansprüche 2 bis 10 nicht rechtsbeständig (vgl BGH GRUR 1997, 120 "Elektrisches Speicherheizgerät").

2. Der Anspruch 1 nach dem ersten Hilfsantrag unterscheidet sich von jenem nach Hauptantrag dadurch, daß die Begriffe "Kennzeichen" durch "Fahrzeugkennzeichen" ersetzt sind und daß dem Begriff "Überwachungseinrichtungen" der Zusatz "optische" vorangestellt ist. Beides geht aus E3 hervor, da dort mit Kameras Bilder der zu überwachende Fahrzeuge aufgenommen werden und hieraus als Erkennungsresultat die Fahrzeugkennzeichen gewonnen und für die weitere Auswertung bereitgestellt werden. Demnach beruht auch das Verfahren des Anspruchs 1 nach dem ersten Hilfsantrag wegen des eben aufgezeigten und des vorstehend zum Anspruch 1 nach Hauptantrag dargelegten Sachverhaltes nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

3. Anspruch 1 nach dem zweiten Hilfsantrag enthält - neben einer für die materiellrechtliche Beurteilung unbeachtlichen Aufnahme von Bezugszeichen in den Anspruch - im Merkmal C) die nachfolgend unterstrichene Ergänzung:

C) welche allein die Kennzeichen der die Überwachungseinrichtungen (3, 4, 16) ohne anzuhalten passierenden Fahrzeuge automatisch erkennen und die Kennzeichen beschreibende Überwachungsdaten erstellen.

Auch beim in E3 beschriebenen Überwachungsverfahren werden die Fahrzeuge ohne anzuhalten erfaßt (S 1, mi Sp 3. Abs ."..as they are driven..." und re Sp, 2. Abs "...an image of the passing vehicle traveling at any speed."). Folglich vermag auch diese Ergänzung dem Verfahren nach Anspruch 1 in der Fassung des zweiten Hilfsantrags keinen erfinderischen Abstand zum abgehandelten Stand der Technik zu geben.

Aus den aufgezeigten Gründen sind auch die Verfahren gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 bzw Hilfsantrag 2 nicht patentfähig. Da über einen Antrag, wie bereits erwähnt, nur einheitlich entschieden werden kann, sind auch die Gegenstände der jeweiligen Unteransprüche nicht patentfähig.

Die Beschwerde war demzufolge zurückzuweisen.

Dr. Fritsch Dr. Schmitt Dr. Kraus Schuster Pü






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Az: 17 W (pat) 72/03


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