Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Juli 2006
Aktenzeichen: 20 W (pat) 5/05

(BPatG: Beschluss v. 24.07.2006, Az.: 20 W (pat) 5/05)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderinnen wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 60 R des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Februar 2003 aufgehoben.

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen erteilt:

Bezeichnung: Anordnung zur Befestigung eines aus einem Gehäuseboden und einem Gehäusedeckel bestehenden Gehäuses im Lenkrad Anmeldetag: 6. Februar 1995 Patentansprüche 1 bis 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juli 2006, Beschreibung Seiten 4 bis 6, 6a, 7, 8, 8a, 9 bis 13, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juli 2006, 6 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 15, gemäß Offenlegungsschrift.

Gründe

I Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt wurde gemäß Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 1 bzw. Hilfsantrag 2 die Erteilung eines Patentes beantragt. Haupt- und Hilfsantrag 1 wurden von der Prüfungsstelle zurückgewiesen, weil der Gegenstand des damals geltenden Anspruchs 1 gegenüber dem durch die Druckschrift

(1) US 5 380 037 belegten Stand der Technik nicht neu sei (Hauptantrag) bzw. auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe (Hilfsantrag 1).

Mit den Unterlagen gemäß Hilfsantrag 2 wurde ein Patent erteilt.

Vom Deutschen Patent- und Markenamt wurde noch auf die Druckschriften

(2) EP 0 586 055 A1,

(3) EP 0 330 306 A1,

(4) DE 44 14 743 A1,

(5) DE 34 33 941 C2,

(6) DE 43 44 615 A1,

(7) DE 38 22 114 C2,

(8) US 5 228 362 und

(9) US 5 350 190.

hingewiesen.

Im Verfahren vor dem Bundespatentgericht wurde noch die Druckschrift

(10) DE 94 04 697 U1 in Betracht gezogen.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

- Patentansprüche 1 bis 5,

- Beschreibung Seiten 4-6, 6a, 7, 8, 8a, 9-13 sämtlich überreicht in der mündlichen Verhandlung,

- Zeichnung gemäß Offenlegungsschrift.

Der Patentanspruch 1 lautet:

"Anordnung zur Befestigung eines aus einem Gehäuseboden und einem Gehäusedeckel bestehenden Airbag-Gehäuses in einem drehbaren Lenkrad, wobei die Halterung mittels eines in eine federnde Raste eingreifenden Riegels erfolgt, von denen das eine Element am Boden des Gehäuses (1) und das andere am Lenkrad (2) angeordnet ist und wobei als Riegel am Boden des Gehäuses (1) Haken (3) vorgesehen sind und als federnde Raste am Skelett (2a) des Lenkrades eine entsprechende Zahl von vorgespannten Schenkelfedern (4) mit ihrem einen Schenkel (5) derart fest in einer ein Führungsfenster (7) für den Haken (3) freigebenden Halterung (8) eingespannt ist, dass der freie, mit radial nach außen weisender Kraftrichtung wirkende Schenkel (6) der Feder (4) im Bereich des Führungsfensters (7) und damit im Einschubweg des Hakens (3) liegt, dadurch gekennzeichnet, dass sich der freie Schenkel (6) über die Halterung (8) hinaus in einen von außen in radialer Richtung zugänglichen Raum erstreckt, so dass das überstehende Ende des freien Schenkels (6) in radialer Richtung frei zugänglich ist."

Wegen des Wortlauts der Patentansprüche 2 bis 5 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Anmelderinnen halten den Gegenstand des Hauptanspruches für patentfähig und die Ansprüche für gewährbar. Insbesondere führen sie aus, dass der Fachmann aus dem Stand der Technik nach der Druckschrift (1) heraus keine Veranlassung gehabt habe, den freien Schenkel der Feder derart auszubilden, dass er sich über die Halterung hinaus in einen von außen in radialer Richtung zugänglichen Raum erstreckt, so dass das überstehende Ende des freien Schenkels in radialer Richtung frei zugänglich ist.

II Die Beschwerde führt zum Erfolg. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist patentfähig.

1. Die Patentansprüche 1-5 sind zulässig. Die Merkmale des Patentanspruches 1 ergeben sich aus den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1-3, ergänzt durch Merkmale, die als zur Erfindung gehörend aus der ursprünglich eingereichten Beschreibung entnehmbar sind, vgl. S. 8 Z. 4-11 i. V. m. Fig. 2. Die Patentansprüche 2 bis 5 entsprechen den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 6, 7, 11 bzw. 12.

2. Der - zweifelsfrei gewerblich anwendbare - Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu.

Weder aus der vorgenannten Druckschrift (1) noch aus den weiter ab liegenden Druckschriften (2) bis (10) sind die Merkmale im Kennzeichenteil des Anspruchs 1 als bekannt entnehmbar, nämlich dass sich der freie Schenkel einer Feder über eine Halterung hinaus in einen von außen in radialer Richtung zugänglichen Raum erstreckt, so dass das überstehende Ende des freien Schenkels in radialer Richtung frei zugänglich ist.

3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aus dem nächstliegenden Stand der Technik, wie er durch die Druckschrift (1), belegt ist, ist eine Anordnung zur Befestigung eines aus einem Gehäuseboden 14 und einem Gehäusedeckel (Oberteil des Containers 18) bestehenden Airbag-Gehäuses 12 in einem drehbaren Lenkrad mit allen Merkmalen des Oberbegriffs von Anspruch 1 als bekannt entnehmbar (Sp. 2 Z. 46-68 i. V. m. Fig. 1, 2). Dabei erfolgt die Befestigung bzw. Halterung des Airbag-Gehäuses 12 mittels eines in eine federnde Raste (hairpinshaped spring 142, s. Sp. 4 Z. 26, 27) eingreifenden Riegels 26 bzw. 124 (Fig. 2, 3). Der Riegel 124 ist am Boden 14 des Airbag-Gehäuses 12 und die federnde Raste 142 ist an der dem Lenkrad zugehörigen Trägerplatte (support plate 10 bzw. 110) angeordnet (Fig. 1, 2). Als Riegel 124 sind dabei am Boden 14 des Gehäuses 12 Haken (gebildet durch "slots 28" am freien Ende des Riegel 26 bzw. 124) vorgesehen. Als federnde Raste 142 ist an der Tragplatte 10 bzw. 110, d. h. am Skelett des Lenkrades, eine entsprechende Anzahl von vorgespannten Schenkelfedern 142 mit ihrem einen Schenkel 152 derart fest in einer ein Führungsfenster für den Haken 26 bzw. 124 freigebenden Halterung 156, 158 eingespannt, dass der freie, mit radial nach außen weisender Kraftrichtung wirkende Schenkel 154 der Feder 142 im Bereich des Führungsfensters und damit im Einschubweg des Hakens (freies Ende des Riegels 26 bzw. 124) liegt (Sp. 2 Z. 61 bis Sp. 3. Z. 56 und Sp. 4 Z. 25-49 i. V. m. Fig. 2, 3). Beim Gegenstand der Druckschrift (1) erstreckt sich der freie Schenkel 154 der Feder 142 nicht über die Halterung 158 hinaus und wird von der Halterung 158 derart überdeckt, dass das Ende des freien Schenkels 154 nicht frei zugänglich ist.

Es mag sein, dass der hier zuständige Fachmann, ein Konstrukteur mit Fachhochschul-Abschluss der Fachrichtung Kraftfahrzeugtechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung von Fahrzeugkomponenten, in Betracht zieht, die aus der Druckschrift (1) als bekannt entnehmbare Anordnung zu verbessern. Insbesondere mag es sich dem Fachmann anbieten, die Zugänglichkeit des freien Schenkels 154 der Feder 142 zu erleichtern, um die Demontage des Airbag-Gehäuses 12 zu vereinfachen. Jedoch konnte keine der den Stand der Technik belegenden Druckschriften den Fachmann dazu anregen, den freien Schenkel über die Halterung hinaus in einen von außen in radialer Richtung zugänglichen Raum zu erstrecken.

Der Fachmann wird auf der Suche nach Demontage-Erleichterungen allenfalls das in Druckschrift (1) für den Eingriff eines Demontagewerkzeuges (z. B. einem Schraubendreher) zwischen dem freien Schenkel 154 der Feder 142 und der Halterung 158 ausgebildete Eingriffsfenster 160 erweitern. Die Idee, den freien Schenkel über die Halterung hinaus in einen von außen in radialer Richtung zugänglichem Raum zu erstrecken, konnte dem Fachmann keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften vermitteln.

Die aus den Druckschriften (1) bis (10) als bekannt entnehmbaren Vorrichtungen können somit weder für sich genommen noch in ihrer Zusammenschau dem Fachmann einen Hinweis geben auf die nach dem Patentanspruch 1 mit den kennzeichnenden Merkmalen beanspruchte Maßnahme. Selbst unter Berücksichtigung weiterer, druckschriftlich nicht ausdrücklich belegter, aber dem Fachwissen zuzurechnender Kenntnisse ist keine Veranlassung für die genannte Maßnahme in der beanspruchten Merkmalsausprägung ersichtlich, weil sich der Fachmann mit der in (1) aufgezeigten Lösung eines zwischen dem freien Schenkel 154 der Feder 142 und der Halterung 158 ausgebildeten Eingriffsfensters zufrieden gibt.

4. Die Unteransprüche 2 bis 5 sind gleichfalls gewährbar. Sie beschreiben besondere Ausführungsarten der Erfindung nach dem Patentanspruch 1.

5. Die Anmeldung genügt den Anforderungen des § 34 PatG.

6. Der angefochtene Beschluss war insgesamt aufzuheben, und zwar auch soweit dieser die Erteilung eines Patents nach dem vor der Prüfungsstelle gestellten Hilfsantrag 2 ausspricht. Denn die Anmelder verfolgen die vor der Prüfungsstelle gestellten Anträge nicht mehr weiter. Ihr einziger Antrag im Beschwerdeverfahren richtet sich nur noch auf die Erteilung, wie sie der Senat ausgesprochen hat.






BPatG:
Beschluss v. 24.07.2006
Az: 20 W (pat) 5/05


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