Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 13. April 2010
Aktenzeichen: 4 U 7/10

(OLG Hamm: Urteil v. 13.04.2010, Az.: 4 U 7/10)

Tenor

Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 08. Oktober 2009 verkündete Urteil der III. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien vertreiben asiatische Lebensmittel.

Die Antragstellerin wirft der Antragsgegnerin im Hinblick auf ein bestimmtes Nudelgericht vor, die Verpackung mit unrichtigen Etiketten versehen zu haben. Zu Unrecht sei sie, die Antragstellerin, als Importeurin ausgewiesen. Zu Unrecht seien ferner das Produktionsdatum und die Mindesthaltbarkeitsdauer falsch angegeben worden. Die angegebenen Daten lägen ein Jahr nach den tatsächlichen Zeitangaben.

Dazu hat die Antragstellerin behauptet, die Antragsgegnerin habe die Verpackungen mit den falschen Etiketten versehen.

Im Hinblick auf chinesische Datteln hat die Antragstellerin in erster Instanz beanstandet, die Antragsgegnerin habe am 8. Juli 2009 Datteln verkauft, deren Mindesthaltbarkeitsdauer mit dem 20. März 2009 angegeben gewesen sei.

Von diesen Umständen erhielt die Antragstellerin spätestens am 18. August 2009 Kenntnis. Sie mahnte die Antragsgegnerin mit anwaltlichem Schreiben vom 15. September 2009 ab. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist am 28. September 2009 beim Landgericht eingegangen.

Die Antragstellerin hat das Verhalten der Antragsgegnerin für wettbewerbswidrig gehalten und beantragt,

es der Antragsgegnerin bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu untersagen,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem Vertrieb asiatischer Lebensmittel Waren mit Etiketten zu versehen, die die Firma G GmbH als Importeur ausweisen, obgleich dieses nicht den Tatsachen entspricht;

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem Vertrieb asiatischer Lebensmittel Waren mit Etiketten zu versehen, die ein Produktionsdatum ausweisen, welches nicht den Tatsachen entspricht;

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem Vertrieb asiatischer Lebensmittel Waren mit Etiketten zu versehen, die eine Mindesthaltbarkeitsdauer ausweisen, welche nicht den Tatsachen entspricht;

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem Vertrieb asiatischer Lebensmittel Waren zu vertreiben, deren Mindesthaltbarkeitsdauer abgelaufen ist.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin hat gemeint, die Dringlichkeitsvermutung sei widerlegt, so dass es an einem Verfügungsgrund fehle.

Zudem hat die Antragsgegnerin einen Verfügungsanspruch in Abrede gestellt. Unter Hinweis auf die eidesstattliche Versicherung ihrer Geschäftsführerin hat sie bestritten, die Nudelpackungen mit fehlerhaften Etiketten versehen zu haben. Hinsichtlich der Datteln hat sie das Vorbringen der Antragstellerin bereits für unschlüssig gehalten und vorgetragen, Waren mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum nur im Rahmen von Sonderaktionen verkauft zu haben, bei denen die Kunden gerade auf den Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums hingewiesen worden seien.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 8. Oktober 2009 den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Es hat bereits den Verfügungsgrund verneint.

Wegen des Inhaltes des Urteiles im Einzelnen wird auf Blatt 50 ff der Akten verwiesen.

Gegen dieses Urteil hat die Antragstellerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages wendet sich die Antragstellerin mit näheren Ausführungen gegen die Rechtsauffassung des Landgerichts, es fehle an einem Verfügungsgrund. Die Antragstellerin meint, sie habe triftige Gründe dafür gehabt, den Verfügungsantrag nicht vor dem 28. September 2009 beim Landgericht einzureichen, weil sie den Sachverhalt erst habe gründlich recherchieren müssen, indem sie sich an den Hersteller der Nudeln in Taiwan und an den Importeur in den Niederlanden gewandt habe, um zu eruieren, wer die fraglichen Aufkleber aufgeklebt habe. Dies habe einen entsprechenden zeitlichen Vorlauf benötigt. Nach der erforderlichen Kenntnis habe sie unter dem 15. September 2009 die Antragsgegnerin abgemahnt und nach deren Ablehnungsschreiben vom 18. September 2009 unverzüglich den Verfügungsantrag anhängig gemacht.

Zu Unrecht habe das Landgericht auch die geltend gemachten Verfügungsansprüche für unbegründet erachtet. Sie habe ihre Behauptung hinreichend glaubhaft gemacht. Insofern verweist die Antragstellerin auf die bereits erstinstanzlich vorgelegten Anlagen, insbesondere die Anlagen ASt 6 und ASt 7, sowie auf die eidesstattliche Versicherung ihrer Geschäftsführerin.

Die Antragstellerin meint zudem, die Anträge zu 1 a) - 1 c) seien nicht durch die von der Antragsgegnerin im Kammertermin vor dem Landgericht abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung erledigt, die die Antragstellerin als Anlage ASt 10 vorlegt. Darin habe sich die Antragsgegnerin nämlich nicht verpflichtet, es zu unterlassen, den fehlerhaften Aufkleber auf den von ihr vertriebenen Waren anzubringen. Erstmals in der Berufungsinstanz stützt die Antragstellerin ihre Unterlassungsansprüche auch auf § 823 BGB unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

Erstmals in der Berufungsinstanz behauptet die Antragstellerin zum Verfügungsantrag zu 1 d), die Antragsgegnerin verkaufe Nudeln mit abgelaufener Mindesthaltbarkeitsdauer ohne den Verkehr in irgendeiner Weise darauf hinzuweisen, dass es sich um abgelaufene Ware handele.

Die Antragstellerin beantragt,

die Antragsgegnerin zu verurteilen,

1. Es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,

a) im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem Vertrieb asiatischer Lebensmittel Waren mit Etiketten zu versehen, die die Firma G GmbH als Importeur ausweisen, obgleich dieses nicht den Tatsachen entspricht;

b) im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem Vertrieb asiatischer Lebensmittel Waren mit Etiketten zu versehen, die ein Produktionsdatum ausweisen, welches nicht den Tatsachen entspricht;

c) im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem Vertrieb asiatischer Lebensmittel Waren mit Etiketten zu versehen, die eine Mindesthaltbarkeitsdauer ausweisen, welche nicht den Tatsachen entspricht;

d) im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem Vertrieb asiatischer Lebensmittel Waren zu vertreiben, deren Mindesthaltbarkeitsdauer abgelaufen ist.

Die Antragsgegnerin beantragt unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Parteivortrages im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Berufung der Antragstellerin ist unbegründet. Das Landgericht hat den Verfügungsantrag zu Recht schon wegen eines fehlenden Verfügungsgrundes zurückgewiesen.

Als Tathandlung liegt den Verbotsanträgen der Antragstellerin der Aufkleber auf den Tüten zugrunde, wie er auf Blatt 15 der Akten in Fotokopie wiedergegeben ist. Der Tatvorwurf ist dabei so zu verstehen, dass die Antragsgegnerin diesen Aufkleber auf die Tüten aufgeklebt haben soll. Die so beklebten Tüten hat die Lebensmittelüberwachung E bei der Antragsgegnerin sichergestellt.

Das Landgericht hat zu Recht die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG bei diesem Sachverhalt als widerlegt angesehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senates ist diese Dringlichkeitsvermutung dann als widerlegt anzusehen wenn der Antragsteller mehr als einen Monat zugewartet hat, um gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen, seitdem er von dem Tatvorwurf Kenntnis erlangt hat. Hier ist die Antragstellerin bereits am 18. August 2009 durch das Schreiben des Fachamtes für Verbraucherschutz der Stadt I von dem Vorfall unterrichtet worden. Sie hat auch noch am selben Tage dem Amt geantwortet. In dieser Antwort hat sie dem Amt mitgeteilt, dass die Aufkleber nicht von ihr erstellt worden seien. Sie würde sich deshalb auch vorbehalten, gegen den Verursacher rechtliche Schritte einzuleiten. Die Antragsgegnerin sei zu keiner Zeit ihr Kunde gewesen. Damit lagen der Antragstellerin bereits zu diesem frühen Zeitpunkt alle erheblichen Fakten vor, so dass nicht ersichtlich ist, weshalb sie dann noch mehr als sechs Wochen zugewartet hat, um gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen. Die Antragstellerin versucht dieses zögerliche Verhalten in ihrer Berufungsbegründung vergeblich mit Recherchenotwendigkeiten zu rechtfertigen. Denn sie kann sich in diesem Zusammenhang nur auf notwendige Telefonate mit der Herstellerfirma in Taiwan und der Importfirma in Belgien berufen, um den von der Behörde am 18. August 2009 mitgeteilten Sachverhalt zu erhärten. Diese Telefonate hätten aber auch sofort geführt werden können, so dass sie das zögerliche Verhalten nicht plausibel machen können. Es ist vor allem auch nicht nachzuvollziehen, weshalb die Antragstellerin nach Ablehnung der Antragsgegnerin vom 18. September 2009, sich zu unterwerfen, noch bis zum 28. September 2009 gewartet hat, um den Verfügungsantrag schließlich zu stellen. Dieser Verfügungsantrag datiert zwar bereits vom 21. September 2009. Da er auf dem normalen Postweg eingereicht worden ist, hat er das Landgericht aber erst am 28. September 2009 erreicht. Es ist nicht nachzuvollziehen, weshalb die Antragstellerin diesen Antrag, wie inzwischen üblich, nicht per Fax gestellt hat, so dass er noch am selben Tage eingegangen wäre.

Den Verbotsantrag zu d), Waren mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum zu vertreiben, hat die Antragstellerin in erster Instanz noch auf den Vertrieb von Datteln gestützt, was mit dem übrigen Streitgegenstand hinsichtlich der falsch beklebten Nudeltüten nichts zu tun hatte. In zweiter Instanz hat sie diesen Verbotsantrag nunmehr auch auf die Nudeltüten gestützt. Neben dem Verfügungsgrund fehlt es insoweit auch an der funktionellen Zuständigkeit des Senats. Denn im einstweiligen Verfügungsverfahren ist nach § 943 ZPO i.V.m. § 802 ZPO das Gericht des ersten Rechtszuges ausschließlich zuständig. Mithin kann der Verbotsgrund innerhalb der Instanzen nicht ausgewechselt werden (Ahrens, Der Wettbewerbsprozess Kap. 53 Rz. 9 ff).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziff. 10 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 13.04.2010
Az: 4 U 7/10


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