Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. April 2000
Aktenzeichen: 30 W (pat) 220/99

Tenor

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Die Beschwerde gilt als nicht eingelegt.

Gründe

I Die Anmelderin hat beim Deutschen Patentamt für die Waren "Tonträger jeder Art" eine Wort-Bild-Marke mit der Bezeichnung "St. Petersburg Classics" angemeldet und in dem verwendeten Anmeldeformular auf die als Anlage beigefügte stark vereinfachte Darstellung eines auf der Hinterhand aufgerichteten Pferdes mit einem Reiter hingewiesen. Auf Anfrage der Markenstelle, ob es sich um die Anmeldung einer Wort- oder einer Bildmarke handele, hat die Anmelderin die Eintragung als Wortmarke beantragt. Die Anmeldung der genannten Bezeichnung ist daraufhin von der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts in zwei Beschlüssen, einem davon im Erinnerungsverfahren, als freihaltebedürftige und nicht unterscheidungskräftige beschreibende Angabe zurückgewiesen worden. Dagegen haben die Vertreter der Anmelderin am letzten Tag der Beschwerdefrist einen Beschwerdeschriftsatz eingereicht. Aufgrund eines Hinweises des Gerichts über die unterbliebene Zahlung der Beschwerdegebühr hat die Anmelderin diese nachentrichtet und beantragt, Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr zu gewähren.

Sie trägt vor, sie sei ohne Verschulden verhindert gewesen, die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr einzuhalten. Sie habe den stets zuverlässigen Mitarbeiter R... mit der Zahlung der Gebühr beauftragt und ihn auch nochmals daran er- innert. Dieser habe gleichwohl die Frist versäumt.

Der Senat hat die Anmelderin mit Schreiben vom 24. Januar 2000 um Beantwortung verschiedener Fragen, so auch zu ihrem Organisationsschema in Fristensachen gebeten. Nach Vorlage weiterer eidesstattlicher Versicherungen durch die Anmelderin hat der Senat zur mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis geladen, daß das Wiedereinsetzungsgesuch nach wie vor mehrere Fragen offen lasse und die Anwesenheit der Geschäftsführerin der Anmelderin sowie des Zeugen R... bei der Verhandlung angeregt. Sie hat ferner darauf hingewiesen, daß die Erfolgsaussichten der Beschwerde auch in der Sache selbst fraglich erschienen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für die Anmelderin niemand erschienen.

Ergänzend wird auf den Inhalt der von der Anmelderin eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und auf denjenigen der Schreiben bzw Hinweise des Senats verwiesen.

II Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr ist zulässig, hat jedoch keinen Erfolg, § 91 MarkenG. Da die Beschwerdegebühr nicht innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist gezahlt worden ist, gilt die Beschwerde als nicht eingelegt, § 66 Abs 5 S. 2 und Abs 2 MarkenG.

Gemäß § 91 Abs 1 MarkenG ist auf Antrag wieder in den vorigen Stand einzusetzen, wer ohne Verschulden verhindert war, dem Patentamt oder dem Patentgericht gegenüber eine Frist einzuhalten, deren Versäumung nach gesetzlicher Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat. Es läßt sich vorliegend anhand des Vortrags der Anmelderin nicht feststellen, daß sie ohne Verschulden verhindert war, die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr einzuhalten.

Die Anmelderin muß sich eigenes Verschulden und gemäß §§ 51 Abs 2, 85 Abs 2 ZPO iVm § 81 MarkenG auch das eines gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertreters anrechnen lassen. Diese Bestimmungen umfassen dagegen nicht das Versehen eines (nicht vertretungsberechtigten) Angestellten. Zwar dürfen fristgebundene Maßnahmen unter Umständen auch auf angestellte Hilfskräfte übertragen werden; Voraussetzung ist jedoch, daß diese sorgfältig ausgewählt und überwacht und alle notwendigen Vorkehrungen getroffen werden, um eine sichere Fristwahrung zu gewährleisten (siehe zB Benkard, PatG, 9. Aufl, § 123 Rdn 19, 20; BPatGE 18, 196 ff). Die Übertragung derartiger Aufgaben auf eine Hilfskraft setzt voraus, daß sie in zumutbarer Weise unterwiesen und beaufsichtigt wird (vgl. zB BPatGE 1, 143; vgl auch EPA ABl 1983, 262/4 zu der entsprechenden Bestimmung des Art 122 EPÜ). Dem Vortrag der Anmelderin kann nicht mit ausreichender Sicherheit entnommen werden, daß sie diesen Anforderungen in bezug auf den mit der Zahlung der Beschwerdegebühr beauftragten, offensichtlich nicht vertretungsberechtigten Mitarbeiter R... genügt hätte. Insoweit genügt ins- besondere nicht eine (sei es auch wiederholte) Nachfrage, ob die Zahlung erfolgt sei. Denn gerade die (insbesondere wiederholte) Verneinung dieser Frage gibt Anlaß zu Zweifeln, ob die fristgerechte Zahlung ausreichend sicher gewährleistet ist. Diese Zweifel können vorliegend auch nicht durch den - nicht näher substantiierten - Hinweis auf die Zuverlässigkeit des Mitarbeiters R... als gegenstands- los angesehen werden. Der Vortrag der Antragstellerin läßt vielmehr Zweifel bestehen, ob die entsprechenden organisatorischen Voraussetzungen dafür vorhanden waren, die erforderlich sind, um eine Übertragung der Zahlung auf einen Angestellten zu rechtfertigen. Die Zuverlässigkeit eines Angestellten kann nämlich nicht gleichsam spontan geschaffen werden, sie muß sich aufgrund eines längeren, kontrollierten, sich zumindest auch auf das spezielle Aufgabengebiet der Fristsachen beziehenden Tätigkeitsfeldes manifestiert haben. Erst dann ist eine Übertragung von Fristsachen gerechtfertigt. Deshalb ist in kleineren Betrieben die Übertragung der Fristsachen auf Hilfskräfte nur dann unbedenklich, wenn auch hier die Überwachung von Fristen etwas häufiger vorkommt und dafür speziell geschulte und (nicht nur allgemein) erprobte Angestellte zur Verfügung stehen (vgl Benkard aaO Rdn 20).

Die Anmelderin ist mit Schreiben des Senats vom 24. Januar 2000 und nach der Beantwortung dieses Schreibens mit dem Zusatz zur Ladung erneut darauf hingewiesen worden, daß ihrem Vortrag nicht entnommen werden kann, daß die aufgezeigten organisatorischen Anforderungen in ausreichender Weise erfüllt sind. Sie hat hierauf nicht mehr reagiert, so daß sie ihrer Darlegungslast nicht voll genügt hat. Kann aber die Möglichkeit eines Verschuldens auf Seiten der Antragstellerin nicht ausgeräumt werden, muß Wiedereinsetzung versagt werden (vgl Müller, Die Rechtsprechung des BGH zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, NJW 1998, 497 499). Dabei ist es nicht zulässig - jedenfalls nicht veranlaßt - der - rechtskundig vertretenen - Antragstellerin die Mängel ihres Vortrags schon vorher im einzelnen darzulegen.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist daher zurückzuweisen und gemäß § 66 Abs 5 MarkenG festzustellen, daß die Beschwerde wegen der nicht rechtzeitig erfolgten Zahlung der Beschwerdegebühr als nicht eingelegt gilt.

Dr. Buchetmann Sommer Schwarz-Angele Ko






BPatG:
Beschluss v. 17.04.2000
Az: 30 W (pat) 220/99


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