Landgericht Bochum:
Urteil vom 25. Oktober 2011
Aktenzeichen: 12 O 170/11

(LG Bochum: Urteil v. 25.10.2011, Az.: 12 O 170/11)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landgericht Bochum hat in der Entscheidung vom 25. Oktober 2011, Aktenzeichen 12 O 170/11, eine einstweilige Verfügung erlassen. Dem Beklagten wird untersagt, bestimmte Klauseln in seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden. Bei Zuwiderhandlung droht ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro oder eine Ersatzordnungshaft bis zu sechs Monaten. Die Klägerin betreibt einen Onlineshop für Elektronikprodukte und Bücher und hält die Klauseln für unwirksam. Das Gericht stimmte der Klägerin größtenteils zu. Die Klauseln zur Preiserhöhung, zur Verzugszinsen, zur Transportschäden und zum Erfüllungsort wurden als unwirksam eingestuft. Die Bestimmung zur Abtretung von Forderungen wurde hingegen als wirksam angesehen. Das Gericht erließ daher die einstweilige Verfügung teilweise. Die Kosten des Verfahrens wurden anteilig zwischen den Parteien aufgeteilt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG Bochum: Urteil v. 25.10.2011, Az: 12 O 170/11


Tenor

Im Wege der einstweiligen Verfügung wird a n g e o r d n e t :

Dem Verfügungsbeklagten wird bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Er-satzordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt,

zu Zwecken des Wettbewerbs beim Verkauf von Elektronikprodukten im geschäftlichen Verkehr in seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Verbrauchern die folgenden Klauseln zu verwenden:

a. „Bei einer Erhöhung der Herstellerpreise ist L berechtigt, eine der Erhöhung der Herstellerpreise entsprechende Erhöhung vereinbarter Preise bei Aufträgen mit einer drei Monate über-steigenden Lieferfrist vorzunehmen.“

und/oder

b. „Gerät der Besteller mit einer Zahlung in Verzug, ist L berech-tigt, unbeschadet anderer Rechte, sämtliche Lieferungen oder Leistungen zurückzuhalten und Verzugszinsen in Höhe von 8 % über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verlangen.“

und/oder

c. „Bei erkennbaren und offensichtlichen Transportschäden ist der Kunde berechtigt und verpflichtet, die Annahme zu verweigern. Der Kunde hat die Transportschäden unverzüglich L und dem Spediteur anzuzeigen. Nicht erkennbare und offensichtliche Transportschäden sind binnen einer Frist von fünf Werktagen nach Annahme an L und an den Spediteur in schriftlicher Form zu melden.“

und/oder

d. „Der Rücktransport hat in der Originalverpackung zu erfolgen. Sollte dies nicht möglich sein, hat der Kunde für eine Verpa-ckung zu sorgen, welche eine Beschädigung der Ware aus-schließt. Die Ware ist insofern gegen Verlust und Beschädigung zu sichern.“

e. „Erfüllungsort für alle Verpflichtungen aus dem Vertragsverhältnis ist der Sitz von L.“

Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ab-gewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Verfügungsklägerin 1/6 und der Verfügungsbeklagte 5/6.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Verfügungsklägerin wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicher-heitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwen-den, wenn nicht der Verfügungsbeklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin betreibt einen internationalen Onlineshop für Elektronikprodukte und Bücher unter der Domain www.#.de und ist ein Tochterunternehmen der Media Saturn Holding. Sie vertreibt u.a. Stand- und Raumklimageräte. Der Verfügungsbeklagte vertreibt über die Internetadressen www.#.de und www.#.de einen bundesweit tätigen Versandhandel mit Klima-, Heiz- und Raumluftgeräten. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verfügungsbeklagten enthalten u.a. folgende Klauseln:

a. "Bei einer Erhöhung der Herstellerpreise ist L berechtigt, eine der Erhöhung der Herstellerpreise entsprechende Erhöhung vereinbarter Preise bei Aufträgen mit einer drei Monate übersteigenden Lieferfrist vorzunehmen."

und/oder

b. "Gerät der Besteller mit einer Zahlung in Verzug, ist L berechtigt, unbeschadet anderer Rechte, sämtliche Lieferungen oder Leistungen zurückzuhalten und Verzugszinsen in Höhe von 8 % über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verlangen."

und/oder

c. "Bei erkennbaren und offensichtlichen Transportschäden ist der Kunde berechtigt und verpflichtet, die Annahme zu verweigern. Der Kunde hat die Transportschäden unverzüglich L und dem Spediteur anzuzeigen. Nicht erkennbare und offensichtliche Transportschäden sind binnen einer Frist von fünf Werktagen nach Annahme an L und an den Spediteur in schriftlicher Form zu melden."

und/oder

d. "Die aus dem Weiterverkauf oder einem sonstigen Rechtsgrund bezüglich des Vorbehaltseigentums stehenden Forderungen tritt der Kunde bereits jetzt sicherungshalber anteilsmäßig in Höhe der offenen Forderungen von L an L ab."

und/oder

e. "Der Rücktransport hat in der Originalverpackung zu erfolgen. Sollte dies nicht möglich sein, hat der Kunde für eine Verpackung zu sorgen, welche eine Beschädigung der Ware ausschließt. Die Ware ist insofern gegen Verlust und Beschädigung zu sichern."

und/oder

f. "Erfüllungsort für alle Verpflichtungen aus dem Vertragsverhältnis ist der Sitz von L."

Die Verfügungsklägerin hält mit eingehendem weiteren Vortrag, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen für unwirksam und geht daher von einem Verstoß gegen die §§ 3, 4 Nr. 11 UWG aus.

Die Verfügungsklägerin begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit folgendem Inhalt:

Dem Verfügungsbeklagten wird bei Meidung

- eines Ordnungsgeldes von 5,00 € bis 250.000,-- €, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt oder

- einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten

- für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung gem. §§ 935 ff., 890 ZPO

untersagt,

zu Zwecken des Wettbewerbs beim Verkauf von Elektronikprodukten im geschäftlichen Verkehr in seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Verbrauchern die folgenden Klauseln zu verwenden:

a. "Bei einer Erhöhung der Herstellerpreise ist L berechtigt, eine der Erhöhung der Herstellerpreise entsprechende Erhöhung vereinbarter Preise bei Aufträgen mit einer drei Monate übersteigenden Lieferfrist vorzunehmen."

und/oder

b. "Gerät der Besteller mit einer Zahlung in Verzug, ist L berechtigt, unbeschadet anderer Rechte, sämtliche Lieferungen oder Leistungen zurückzuhalten und Verzugszinsen in Höhe von 8 % über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verlangen."

und/oder

c. "Bei erkennbaren und offensichtlichen Transportschäden ist der Kunde berechtigt und verpflichtet, die Annahme zu verweigern. Der Kunde hat die Transportschäden unverzüglich L und dem Spediteur anzuzeigen. Nicht erkennbare und offensichtliche Transportschäden sind binnen einer Frist von fünf Werktagen nach Annahme an L und an den Spediteur in schriftlicher Form zu melden."

und/oder

d. "Die aus dem Weiterverkauf oder einem sonstigen Rechtsgrund bezüglich des Vorbehaltseigentums stehenden Forderungen tritt der Kunde bereits jetzt sicherungshalber anteilsmäßig in Höhe der offenen Forderungen von L an L ab."

und/oder

e. "Der Rücktransport hat in der Originalverpackung zu erfolgen. Sollte dies nicht möglich sein, hat der Kunde für eine Verpackung zu sorgen, welche eine Beschädigung der Ware ausschließt. Die Ware ist insofern gegen Verlust und Beschädigung zu sichern."

und/oder

f. "Erfüllungsort für alle Verpflichtungen aus dem Vertragsverhältnis ist der Sitz von L.

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Gleichfalls mit weiterem eingehenden Vortrag, auf den Bezug genommen wird, hält der Verfügungsbeklagte alle Klauseln für wirksam.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird Bezug genommen auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze einschließlich der dortigen Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist überwiegend begründet. Erörterungsbedürftig ist lediglich, ob die von der Klägerin beanstandeten Klauseln nach den §§ 307 ff. BGB unwirksam sind. Soweit dies der Fall ist, liegen die weiteren Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs vor.

"a.

Bei einer Erhöhung der Herstellerpreise ist L berechtigt, eine der Erhöhung der Herstellerpreise entsprechende Erhöhung vereinbarter Preise bei Aufträgen mit einer drei Monate übersteigenden Lieferfrist vorzunehmen."

Die vorstehende Bestimmung ist gemäß §§ 307, 309 Nr. 1 BGB in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam. Auf die Gründe, die zu einer Preiserhöhung führen sollen, kommt es im Rahmen von § 309 Nr. 1 BGB nicht an. Entgegen der Auffassung des Verfügungsbeklagten beschränkt sich die von ihm verwendete Bestimmung auch nicht auf Fälle, in denen zwischen den Parteien eine gesonderte Lieferfrist vereinbart worden ist.

"b.

Gerät der Besteller mit einer Zahlung in Verzug, ist L berechtigt, unbeschadet anderer Rechte, sämtliche Lieferungen oder Leistungen zurückzuhalten und Verzugszinsen in Höhe von 8 % über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verlangen."

Diese Klausel benachteiligt - wortwörtlich genommen - den Verbraucher nicht. Denn nach dem Wortlaut werden nur Verzugszinsen in Höhe von 8 % über dem jeweiligen Basiszinssatz verlangt. Gemeint sind aber offensichtlich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz. Diese Vorstellung hatte offenbar auch der Verwender selbst, weil es ohne Sinn wäre, Zinsen in einer Höhe zu vereinbaren, die weit unter den gesetzlichen Verzugszinsen liegen. Es liegt vielmehr eine auch in Klageschriften bekannte Unschärfe in der Formulierung vor, allen Beteiligten ist aber regelmäßig bekannt, welchen Inhalt die Bestimmung haben soll. In dem so verstandenen Sinne verstößt die Klausel jedoch gegen § 309 Nr. 5 b BGB. Denn es handelt sich um pauschalierten Schadensersatz. Eine solche Pauschalierung ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur zulässig, wenn dem anderen Vertragsteil der Nachweis gestattet wird, ein Schaden sei nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale. Wegen des Fehlens dieser Einschränkung ist die Klausel daher unwirksam.

"c.

Bei erkennbaren und offensichtlichen Transportschäden ist der Kunde berechtigt und verpflichtet, die Annahme zu verweigern. Der Kunde hat die Transportschäden unverzüglich L und dem Spediteur anzuzeigen. Nicht erkennbare und offensichtliche Transportschäden sind binnen einer Frist von fünf Werktagen nach Annahme an L und an den Spediteur in schriftlicher Form zu melden."

Auch diese Bestimmung ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam. Die Klausel ist bereits intransparent, weil aus ihr nicht mit der nötigen Eindeutigkeit hervorgeht, was erkennbare und was offensichtliche Transportschäden sind und wie erkennbare, nicht erkennbare und offensichtliche Transportschäden sich unterscheiden. Darüber hinaus ist eine Anzeigefrist von nur 5 Werktagen, noch dazu an zwei verschiedene Stellen, deutlich zu kurz und benachteiligt den Verbraucher deswegen unangemessen (§ 307 BGB).

"d.

Die aus dem Weiterverkauf oder einem sonstigen Rechtsgrund bezüglich des Vorbehaltseigentums stehenden Forderungen tritt der Kunde bereits jetzt sicherungshalber anteilsmäßig in Höhe der offenen Forderungen von L an L ab."

Entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin ist diese Klausel nicht zu beanstanden. Der Verkäufer hat ein berechtigtes Sicherungsinteresse, der Kunde wird durch die Vorausabtretung nicht übermäßig belastet. Ein Verstoß gegen § 308 Nrn. 5 a und b vermag das Gericht nicht zu erkennen. Denn es geht hier nicht um eine sogenannte fingierte Erklärung. Vielmehr erfolgt die Vorausabtretung in einem Zug mit der zum Kaufvertragsschluss führenden Willenserklärung. Soweit mit dem Antrag auch die Unterlassung der weiteren Verwendung dieser Bestimmung begehrt wird, war er daher zurückzuweisen.

"e.

Der Rücktransport hat in der Originalverpackung zu erfolgen. Sollte dies nicht möglich sein, hat der Kunde für eine Verpackung zu sorgen, welche eine Beschädigung der Ware ausschließt. Die Ware ist insofern gegen Verlust und Beschädigung zu sichern."

Der erste Satz dieser Bestimmung stellt für sich genommen eine unzulässige Einschränkung des Widerrufsrechts des Verbrauchers dar. Da die Vorschrift dem Verbraucher eine Verpflichtung auferlegt, geht der Verbraucher davon aus, dass die Verletzung einer solchen Pflicht für ihn nachteilige Konsequenzen hat. Der zweite Satz der Bestimmung ist nicht in der Lage, die übermäßig belastende Wirkung des ersten Satzes wieder auszugleichen. Denn den Käufer trifft bei der Rückabwicklung des Vertrages lediglich die Pflicht, die Kaufsache in einer gegen typische Transportgefahren geschützten Weise zurückzusenden (vgl. OLG Hamm vom 10.12.2004 - 11 U 102/04). Eine jegliche Beschädigungen zwingend ausschließende Art der Verpackung ist dagegen nicht geschuldet. Darüber hinaus ist für den Verbraucher nicht ersichtlich, auf welche Weise er die von ihm im Rahmen seines Widerrufsrechtes zurückzusendende Ware gegen Verlust sichern könnte. Insgesamt ist die Bestimmung daher wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam.

"f.

Erfüllungsort für alle Verpflichtungen aus dem Vertragsverhältnis ist der Sitz von L."

Diese Bestimmung verstößt gegen § 29 Abs. 2 ZPO und ist daher nach § 307 BGB unwirksam.

Die begehrte einstweilige Verfügung war daher hinsichtlich der beantragten Punkte zu a., b., c., e. und f. zu erlassen. Im Übrigen war der Antrag zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.






LG Bochum:
Urteil v. 25.10.2011
Az: 12 O 170/11


Link zum Urteil:
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