Kammergericht:
Urteil vom 11. August 2011
Aktenzeichen: 23 U 114/11

(KG: Urteil v. 11.08.2011, Az.: 23 U 114/11)

Besteht Streit über die Wirksamkeit der Abberufung eines GmbH-Geschäftsführers, kann durch einstweilige Verfügung ein Tätigkeitsverbot und ein Verbot der Ausübung der Organtätigkeit ausgesprochen werden, wenn glaubhaft gemacht ist, dass wichtige Gründe für eine sofortige Abberufung des Geschäftsführers vorlagen und die Abberufung wirksam beschlossen ist (Anschluss an BGHZ 86, 177,183; OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 1505).

Parteien des Verfügungsverfahrens sind grundsätzlich der Abberufene und die Gesellschaft, vertreten durch die gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG bestimmten Vertreter. Ob - insbesondere bei Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft - auch der abberufende Gesellschafter einen Verfügungsantrag stellen kann, bleibt offen.

Eine nicht fristgemäße Vorlage von Jahresabschlüssen (§ 42 I, II GmbHG) und die ohne Beteiligung der Gesellschafterversammlung (§ 51a II 2 GmbHG) ausgesprochene Weigerung, einem Gesellschafter Einsicht in die Bücher zu gestatten, sind wichtige Gründe für eine sofortige Abberufung des Geschäftsführers.

Tenor

Auf die Berufung der Verfügungsklägerin zu 1) wird das am 04.05.2011 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 100 des Landgerichts Berlin € 100 O 19/11 € geändert:

Dem Verfügungsbeklagten wird es bis zur Entscheidung in der Hauptsache über die Wirksamkeit seiner sofortigen Abberufung als Geschäftsführer der P. O. GmbH - mit Sitz in Berlin, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Charlottenburg unter HRB 104474 B - durch Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung vom 07.02.2011 untersagt, die Geschäfte der P. O. GmbH zu führen, insbesondere die Gesellschaft im Rechtsverkehr gegenüber Dritten zu vertreten.

Dem Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten angedroht.

Die außergerichtlichen Kosten der Verfügungsklägerin zu 1) hat der Verfügungsbeklagte zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Verfügungsklägerin zu 2) trägt diese selbst. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Verfügungsbeklagten tragen zur Hälfte dieser selbst und die Verfügungsklägerin zu 2).

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I. Der Verfügungsbeklagte ist der eingetragene Geschäftsführer der Verfügungsklägerin zu 1). Er wurde auf der Gesellschafterversammlung vom 07.02.2011 mit den Stimmen der Verfügungsklägerin zu 2), die 90 % der Geschäftsanteile der Verfügungsklägerin zu 1) hält, mit sofortiger Wirkung abberufen. Mit den Stimmen der Verfügungsklägerin zu 2) wurde u.a. ferner beschlossen, dass als neue Geschäftsführer die im Rubrum genannten Herren L. und M. bestellt und gegen den abberufenen Geschäftsführer einstweilige gerichtliche Maßnahmen auf Unterlassung weiterer Geschäftsführertätigkeit ergriffen werden. Die weitere Gesellschafterin, die 10 % der Geschäftsanteile der Verfügungsklägerin zu 1) hält und durch den Verfügungsbeklagten als Geschäftsführer vertreten wird, stimmte gegen diese Beschlüsse. Die Beschlüsse wurden nicht festgestellt und nicht zur Eintragung angemeldet. Ein Antrag der Verfügungsklägerin zu 1) auf Bestellung eines Notgeschäftsführers wurde vom Registergericht zurückgewiesen.

Die Verfügungsklägerinnen behaupten, das Vertrauensverhältnis zwischen der Mehrheitsgesellschafterin und dem Geschäftsführer sei auf Grund zahlreicher schwerwiegender Pflichtverletzungen und Vertrauensbrüche unheilbar zerstört. Sie werfen dem Verfügungsbeklagten insbesondere vor, dass er sie jahrelang in dem Glauben gelassen habe, ein im August 2008 beurkundetes shareholder agreement, das wesentliche Änderungen des Gesellschaftsvertrags, darunter die Beseitigung des generellen Einstimmigkeitsprinzips bei der Beschlussfassung, vorsah, genehmigt zu haben, obwohl dies bis heute nicht geschehen sei. Die Verfügungsklägerinnen behaupten ferner, der Verfügungsbeklagte habe bis zu seiner Abberufung den Jahresabschluss 2009 nicht vorgelegt, er habe der von ihm vertretenen Minderheitsgesellschafterin überhöhte Vergütungen und sich selbst überhöhte Reisekosten gewährt, er habe Aufträge an ihm nahestehende Firmen zu nicht marktgerechten Preisen vergeben, sich nicht an eine mit der Mehrheitsgesellschafterin getroffene Vereinbarung über die vorherige Zustimmung zur Verwendung der zur Verfügung gestellten Kreditmittel gehalten und den Abschluss dieser Vereinbarung sogar wahrheitswidrig bestritten; ferner habe er der Mehrheitsgesellschafterin vor seiner Abberufung mehrfach die begehrte Einsicht in Geschäftsunterlagen verwehrt.

Der Verfügungsbeklagte bestreitet jegliche Pflichtverletzung. Er behauptet, stets zum Wohle der Gesellschaft und in vollem Einvernehmen mit der Mehrheitsgesellschafterin oder zumindest mit dem hinter ihr stehenden Konzernherrn gehandelt zu haben; bei den jetzt erhobenen Vorwürfen handle es sich um vorgeschobene Gründe; in Wahrheit gehe die Verfügungsklägerin zu 2) jetzt nur deswegen gegen ihn vor, weil er sich weigere, das shareholder agreement vom 20.08.2008 zu genehmigen, wozu er aber nicht verpflichtet sei, da die beurkundete Fassung so nicht vereinbart gewesen sei.

Das Landgericht hat den Antrag mit Urteil vom 04.05.2011 zurückgewiesen. Hiergegen haben die Verfügungsklägerinnen Berufung eingelegt. Die Verfügungsklägerin zu 2) hat die Berufung in der mündlichen Verhandlung am 11.08.2011 zurückgenommen.

Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 313a I 1, 540 II ZPO abgesehen.

II. Die Berufung der Verfügungsklägerin zu 1) wahrt die gesetzlichen Formen und Fristen und ist daher zulässig.

III. Berufung der Verfügungsklägerin zu 1 ist begründet. Das Berufungsgericht hält die Abberufung des Verfügungsbeklagten für wirksam und das beantragte Unterlassungsgebot für erforderlich, um Schaden von der Gesellschaft abzuwenden.

1. Der Antrag der Verfügungsklägerin zu 1) auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig.

a) Es besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für den Verfügungsantrag, da bis zur Entscheidung in der Hauptsache die Wirksamkeit der Abberufung des Verfügungsbeklagten als Geschäftsführer der P. O. GmbH ungewiss ist. § 84 III 4 AktG findet keine entsprechende Anwendung (vgl. BGHZ 86, 177, 181; OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 1505; a.A. Scholz/Schneider, GmbHG, 10. Aufl., § 38, Rdnr. 64 a.E.).

b) Die Verfügungsklägerin zu 1) ist antragsbefugt. Parteien des Verfügungsverfahrens sind grundsätzlich die Gesellschaft und der Abberufene (vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 38, Rdnr. 71; Michalski/Terlau, GmbHG, § 38, Rdnr. 73; vgl. auch Scholz/Schneider, GmbHG, 10. Aufl., § 38, Rdnr. 81; OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 1505). Ob - insbesondere bei Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft - auch der abberufende Gesellschafter einen Verfügungsantrag stellen kann (so Zöllner/Noack, a.a.O., § 38, Rdnr. 73; Michalski/Terlau a.a.O.; so wohl auch BGHZ 86, 177,183), bedarf keiner Entscheidung, da die Verfügungsklägerin zu 2) ihren Antrag zurückgenommen hat.

c) Nach Rücknahme des Antrags der Verfügungsklägerin zu 2) besteht keine doppelte Rechtshängigkeit mehr. Gemäß § 261 III Nr. 1 ZPO, der auch für Verfügungsverfahren gilt (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., vor § 916, Rdnr. 5), kann dieselbe Streitsache nicht mehrfach rechtshängig gemacht werden. In dem beim Senat anhängigen Berufungsverfahren 23 U 147/11 wird zwar ebenso wie in diesem Verfahren eine Einschränkung der Geschäftsführungstätigkeit des Verfügungsbeklagten beantragt, aber nicht von der Gesellschaft, sondern ausschließlich von der abberufenden Gesellschafterin. Es handelt sich daher nicht um denselben Streitgegenstand. Im übrigen bliebe das vorliegende Verfahren auch bei Identität des Streitgegenstands zulässig, da es früher eingeleitet worden ist als die zu 23 U 147/11 anhängige Sache (vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 261, Rdnr. 22; ferner Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 3. Aufl., § 261, Rdnr. 72; MünchKommZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl., § 261, Rdnr. 43).

d) Die Verfügungsklägerin zu 1) ist im vorliegenden Verfahren ordnungsgemäß durch die in der Gesellschafterversammlung vom 07.02.2011 bestellten neuen Geschäftsführer L. und M. vertreten, die in der Berufungsverhandlung dem Verfahrensbevollmächtigten der Verfügungsklägerin zu 1) Vollmacht erteilt und damit auch das bisherige Verfahren genehmigt haben. Ob die Bestellung der neuen Geschäftsführer wirksam ist, ist zur Zeit ebenso ungewiss wie die Wirksamkeit der Abberufung des Verfügungsbeklagten. Im Streit um die Wirksamkeit der Bestellung eines Geschäftsführers vertritt aber derjenige die GmbH im Rechtsstreit, der im Falle des Obsiegens der Gesellschaft als deren Geschäftsführer anzusehen ist (vgl. BGH, NJW 1981, 1041) .

e) Die in dem Verfahren 100 O 8/11 LG Berlin = 23 U 56/11 KG am 25.02.2011 vom Landgericht erlassene einstweilige Verfügung, die der Verfügungsklägerin zu 1) den Vollzug der Abberufung des Verfügungsbeklagten untersagt, steht dem hiesigen Antrag nicht entgegen. Da der grundrechtlich garantierte Zugang zu den Gerichten (Art. 6 I EMRK, Art. 103 I GG) durch eine einstweilige Verfügung nicht versperrt werden kann, sind der Verfügungsklägerin zu 1) durch das vom Landgericht angeordnete Verbot, den Abberufungsbeschluss zu vollziehen, nur Maßnahmen untersagt, die außerhalb eines streitigen Gerichtsverfahrens auf eine faktische Umsetzung des Beschlusses abzielen.

2. Der Antrag der Verfügungsklägerin zu 1) ist begründet.

Gemäß § 940 ZPO sind einstweilige Verfügungen zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

Besteht Streit über die Wirksamkeit der Abberufung eines GmbH-Geschäftsführers, können Tätigkeitsverbote und ein Verbot der Ausübung der Organtätigkeit ausgesprochen werden, wenn glaubhaft gemacht ist, dass wichtige Gründe für eine sofortige Abberufung des Geschäftsführers vorlagen und die Abberufung wirksam beschlossen ist (vgl. BGHZ 86, 177,183; OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 1505). Diese Voraussetzungen liegen - vorbehaltlich abschließender Entscheidung im Hauptsacheverfahren - nach dem im vorläufigen Rechtsschutzverfahren vorgetragenen, unstreitigen Sachverhalt vor.

a) Der Abberufungsbeschluss vom 07.02.2011 ist formal einwandfrei zustande gekommen. Die Entscheidung über die Abberufung des Geschäftsführers fällt in die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung, § 46 Nr. 5 GmbHG. Für einen Widerruf der Bestellung zum Geschäftsführer aus wichtigem Grund genügt im Hinblick auf die zwingende Regelung des § 38 II GmbHG die einfache Mehrheit, § 47 I GmbHG; entgegenstehende Satzungsregelungen sind unwirksam (BGHZ 86, 177, juris Rdnr. 9). Die Verfügungsklägerin zu 2) verfügte über die einfache Mehrheit. Im Übrigen war die andere Gesellschafterin an der Ausübung des Stimmrechts gehindert, da der sie vertretende Verfügungsbeklagte bei der Beschlussfassung über seine eigene Abberufung nicht mitstimmen konnte (vgl. BGH, NJW 2009, 2300; Zöllner/Noack, a.a.O., § 38, Rdnr. 34; § 47, Rdnr. 95).

b) Die Abberufung des Verfügungsbeklagten war durch wichtige Gründe gerechtfertigt. Der Verfügungsbeklagte muss sich grobe Pflichtverletzungen (§ 38 II 2 GmbHG) vorhalten lassen. Darüber hinaus ist das Vertrauensverhältnis zur Mehrheitsgesellschafterin durch unzulässige Eigenmächtigkeiten des Verfügungsbeklagten unheilbar zerrüttet, was eine sofortige Abberufung rechtfertigt (vgl. BGH ZIP 2008, 597 zu § 712 BGB).

aa) Der Verfügungsbeklagte hat seine Geschäftsführerpflichten grob verletzt, indem er bis zu seiner Abberufung den Jahresabschluss 2009 nicht aufgestellt und den Gesellschaftern zur Beschlussfassung vorgelegt hat.

Gemäß § 42 I, II GmbH hat der Geschäftsführer dafür Sorge zu tragen, dass der geprüfte Jahresabschluss den Gesellschaftern innerhalb der Frist des § 42 II GmbH zur Feststellung vorgelegt wird. Dies unterlassen zu haben stellt ein gravierendes Fehlverhalten dar (BGH ZIP 2009, 513; GmbHR 1985, 256; Zöllner/Noack, a.a.O., § 38, Rdnr. 13). Die unstreitige Tatsache, dass die Mehrheitsgesellschafterin einen für die zutreffende Bilanzierung erforderlichen Darlehensvertrag erst am 07.02.2011 übergeben hat, kann den Verfügungsbeklagten nicht entlasten. Denn Adressat der Buchführungspflicht ist der Geschäftsführer, nicht der Gesellschafter (§ 41 GmbH). Wenn der Geschäftsführer für die Aufstellung des Jahresabschlusses Urkunden benötigt, muss er, und zwar nicht nur beiläufig durch gelegentliche telefonische Anfragen, ultimativ darauf dringen, dass sie herbeigeschafft werden; wenn er die Urkunden nicht erhält, muss er den Jahresabschluss ohne die Urkunde aufstellen und die Gesellschafter mit dem entsprechenden Prüfbericht konfrontieren. Schlichte Untätigkeit bei der Aufstellung des Jahresabschusses ist dem Geschäftsführer nicht erlaubt.

bb) Der Verfügungsbeklagte hat seine Geschäftsführerpflichten ferner in schwerwiegender Weise dadurch verletzt, dass er der Mehrheitsgesellschafterin, die das Unternehmen allein finanziert, vor seiner Abberufung die verlangte Einsicht in Geschäftsunterlagen verweigert hat.

Gemäß § 51a I GmbH hat der Geschäftsführer jedem Gesellschafter auf Verlangen unverzüglich Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben und die Einsicht der Bücher und Schriften zu gestatten. Das Auskunfts- und Einsichtsrecht folgt dem Gedanken, dass es zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern keine Geheimnisse gibt (OLG Frankfurt DB 1993, 2324). Auskunfts- und Einsichtsverlangen der Gesellschafter dürfen nur ausnahmsweise zurückgewiesen werden, wenn dafür triftige Gründe vorliegen; die Verweigerung bedarf stets eines Beschlusses der Gesellschafter (§ 51a II GmbH).

Die eigenmächtige Verweigerung der Einsicht stellt eine grobe Pflichtverletzung dar (Zöllner/Noack, a.a.O., § 38, Rdnr. 13; § 35 Rdnr. 220; OLG Frankfurt a.a.O). Wenn der Verfügungsbeklagte, wie er angibt, infolge der Einsichtnahme nicht unerhebliche Nachteile für die Gesellschaft befürchtete, dann hätte er die Frage der Gesellschafterversammlung zur Entscheidung vorlegen müssen (§ 51a II 2 GmbHG; vgl. Zöllner, a.a.O., § 51a, Rdnr. 38).

Auf die Erwägung des Landgerichts, dass der Verfügungsbeklagte die begehrte Einsicht letztlich noch vor der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung am 18.03.2011 gewährt habe, kommt es nicht an. Denn für die Wirksamkeit der Abberufung ist entscheidend, ob am Tage der Abberufung, dem 07.02.2011, ein wichtiger Grund für die Abberufung bestand. Das ist der Fall.

cc) Die vorerwähnten schwerwiegenden Pflichtverletzungen des Verfügungsbeklagten reichen aus, seine sofortige Abberufung zu rechtfertigen. Ob, wie von der Verfügungsklägerin zu 1) behauptet, weitere Pflichtverletzungen vorliegen, kann dahingestellt bleiben.

Ergänzend ist allerdings zu bemerken, dass der Verfügungsbeklagte der Mehrheitsgesellschafterin berechtigten Anlass zum Misstrauen gegeben hat, so dass seine Abberufung auch wegen Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses gerechtfertigt ist.

Es mag zutreffen, dass der Verfügungsbeklagte nicht verpflichtet war, das shareholder agreement vom 28.08.2008 für die von ihm vertretene Minderheitsgesellschafterin zu genehmigen. Die Tatsache, dass er die in der Abmachung vereinbarten Finanzierungsleistungen der Verfügungsklägerin zu 2) für die Gesellschaft in Anspruch genommen hat, ohne darauf hinzuweisen, dass die Minderheitsgesellschafterin die Abmachung ablehnt und sich der dort vereinbarten Änderung des Gesellschaftsvertrags widersetzt, begründet aber objektiv berechtigte Zweifel an seiner Zuverlässigkeit als Geschäftsführer. Das Berufungsgericht teilt insoweit nicht die Ansicht des Landgerichts, dass es Sache der Verfügungsklägerin zu 1) gewesen wäre, sich über die Wirksamkeit des agreements Gewissheit zu verschaffen, und dass sie keine Berechtigung zum Vertrauensverlust hat, wenn sie sich um die Genehmigung nicht kümmert. Da der Verfügungsbeklagte der Verfügungsklägerin zu 1) am Tage der Beurkundung noch per Email zum erfolgreichen Abschluss der Vereinbarung gratuliert hat, hätte er von sich aus mitteilen müssen, dass die ebenfalls von ihm vertretene Minderheitsgesellschafterin - aus welchen Gründen auch immer - von der Vereinbarung Abstand nimmt, bevor er Gelder der Verfügungsklägerin abruft, die diese nur bei Wirksamkeit der Vereinbarung zur Verfügung stellen wollte.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 I, 516 III, 708 Nr. 10, 713 II, 890 II ZPO.






KG:
Urteil v. 11.08.2011
Az: 23 U 114/11


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