Bundesgerichtshof:
Urteil vom 17. Dezember 2009
Aktenzeichen: IX ZR 4/08

(BGH: Urteil v. 17.12.2009, Az.: IX ZR 4/08)

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 28. November 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Kläger beauftragte zu Beginn des Jahres 1999 die damals in einer Rechtsanwaltssozietät verbundenen Beklagten mit der Durchsetzung eines Vergütungsanspruchs aus einem nicht durchgeführten Bauvertrag des Jahres 1998. Der Beklagte zu 1 entwarf eine auf Zahlung von 153.160,19 DM gerichtete Klageschrift, reichte diese aber nicht bei Gericht ein. Im Jahr 2002 beauftragte der Kläger andere Rechtsanwälte, die gegen den Bauherrn eine Teilklage über 16.000 € erhoben. In diesem Verfahren verkündete der Kläger den Beklagten mit einem am 25. Oktober 2002 bei Gericht eingegangenen und am 13. November 2002 zugestellten Schriftsatz den Streit. Die Klage gegen den Bauherrn wurde abgewiesen, weil mit Ablauf des 31. Dezember 2000 Verjährung eingetreten war. Das Urteil wurde am 19. April 2003 rechtskräftig.

Der Kläger nimmt nunmehr die Beklagten auf Schadensersatz in Höhe von 82.044,94 € nebst Zinsen in Anspruch. Seine Klage ging am 13. Dezember 2004 bei Gericht ein und wurde dem Beklagten zu 1 am 5. April 2005, dem Beklagten zu 2 am 3. Januar 2005 und dem Beklagten zu 3 am 31. Dezember 2004 zugestellt. Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, das Oberlandesgericht hat sie wegen Verjährung abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.

Gründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Es könne offen bleiben, ob die einzelnen Voraussetzungen einer Verletzung des Anwaltsvertrags vorlägen und in welcher Höhe gegebenenfalls dem Kläger ein Schaden entstanden sei. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers sei verjährt. Die Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 51b BRAO habe am 1. Januar 2001 begonnen, als die Forderung des Klägers gegen den Bauherrn verjährt sei. Die Streitverkündung im Vorprozess habe die Verjährung vom Zeitpunkt ihrer Zustellung am 13. November 2002 bis sechs Monate nach Rechtskraft der Entscheidung, somit bis zum 19. Oktober 2003 gehemmt. Die Zustellung der Streitverkündung wirke nicht gemäß § 167 ZPO auf den Zeitpunkt ihrer Einreichung zurück. Nach ihrem Sinn und Zweck sei diese Vorschrift nur anwendbar, wenn andernfalls die mit der Zustellung zu wahrende Frist versäumt wäre. Erfolge die Zustellung - wie hier - noch vor Fristablauf, sei § 167 ZPO nicht anwendbar. Die Verjährungsfrist sei demnach für die Dauer von elf Monaten und sechs Tagen gehemmt gewesen und am 6. Dezember 2004 abgelaufen. Die am 13. Dezember 2004 eingereichte Klage gegen die Beklagten habe die Verjährung nicht mehr hemmen können.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht Stand. Die vom Berufungsgericht gegebene Begründung trägt nicht seine Beurteilung, die Ansprüche des Klägers seien verjährt.

1. Mit Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass sich der Beginn der Verjährung der geltend gemachten Ansprüche des Klägers gemäß Art. 229 § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2, Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 EGBGB nach § 51b BRAO richtet, der mit Wirkung vom 15. Dezember 2004 aufgehoben worden ist (Art. 4 des Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Dezember 2004, BGBl. I S. 3214). Maßgeblich ist danach der Zeitpunkt, in dem der Anspruch entstanden ist. Dies war am 1. Januar 2001 der Fall, weil die Vergütungsansprüche des Klägers, mit deren Durchsetzung er die Beklagten beauftragt hatte, mit Ablauf des 31. Dezember 2000 verjährt waren (§ 196 Abs. 1 Nr. 1, § 198 Satz 1, § 201 BGB a.F.) und damit dem Kläger ein Schaden entstanden war. Die Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 51b BRAO a.F. wäre am 31. Dezember 2003 abgelaufen. Sie wurde jedoch durch die im Vorprozess gegen den Bauherrn im Jahr 2002 erklärte Streitverkündung gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB). Die Hemmung endete mit Ablauf des 18. Oktober 2003, sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung des Vorprozesses (§ 204 Abs. 2 Satz 1 BGB). Da der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird (§ 209 BGB), kommt es für die Frage, ob die am 13. Dezember 2004 eingereichte Klage die Verjährung erneut hemmen konnte, entscheidend darauf an, ob die durch die Streitverkündung bewirkte Hemmung der Verjährung erst mit der Zustellung der Streitverkündungsschrift an die Beklagten am 13. November 2002 oder - wegen § 167 ZPO - bereits mit deren Einreichung bei Gericht am 25. Oktober 2002 begann. Im ersten Fall endete die um die Zeit der Hemmung (340 Tage) verlängerte Verjährungsfrist am 5. Dezember 2004, im zweiten Fall am 24. Dezember 2004 (Dauer der Hemmung 359 Tage).

2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann die verjährungshemmende Wirkung der Zustellung einer Streitverkündung nach § 167 ZPO auch dann bereits mit ihrem Eingang bei Gericht eintreten, wenn die Zustellung noch vor Ablauf der Verjährungsfrist erfolgt.

a) Das Berufungsgericht meint im Anschluss an das Oberlandesgericht München (NJW-RR 2005, 1108, 1109; ihm folgend Musielak/Wolst, ZPO 7. Aufl. § 167 Rn. 2 a.E.; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO 30. Aufl. § 167 Rn. 5), der Anwendungsbereich des § 167 ZPO sei nach seinem Sinn und Zweck nur eröffnet, wenn die Streitverkündungsschrift vor Ablauf der Verjährungsfrist eingereicht, aber erst danach zugestellt werde. Nur dann entstehe für den Gläubiger durch die Dauer des Zustellungsverfahrens ein rechtlicher Nachteil, vor dem er zu schützen sei. Bei Zustellung der Streitverkündung in unverjährter Zeit sei ein solcher Nachteil nicht zu besorgen, denn die Hemmung ende erst sechs Monate nach der rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens; diese Zeit reiche aus, um die Verjährung gegebenenfalls erneut durch weitere Maßnahmen zu hemmen.

b) Diese Auffassung trifft nicht zu. Die Rückwirkung der Zustellung der Streitverkündung auf den Eingang der Streitverkündungsschrift bei Gericht nach § 167 ZPO setzt nicht voraus, dass die Verjährung zum Zeitpunkt der Zustellung ohne die Rückwirkung eingetreten wäre.

aa) Die vom Berufungsgericht befürwortete Beschränkung der Rückwirkung lässt sich dem Wortlaut des § 167 ZPO nicht entnehmen. Danach tritt die Rückwirkung unter anderem ein, wenn durch die Zustellung die Verjährung nach § 204 BGB gehemmt werden soll. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Streitverkündung noch vor Ablauf der Verjährungsfrist zugestellt wird.

bb) Sinn und Zweck des § 167 ZPO verlangen keine einschränkende Auslegung. Eine entsprechende Regelung wurde erstmals durch die Novelle vom 1. Juni 1909 als § 496 Abs. 3 in die Zivilprozessordnung aufgenommen (RGBl. 1909 S. 483). Grund dafür war, dass mit der damaligen Novelle für das Verfahren vor dem Amtsgericht die Amtszustellung an Stelle der Zustellung im Parteibetrieb eingeführt wurde (§ 496 Abs. 1 und 2 ZPO a.F.). Da die Zustellung dadurch der Einwirkung und insbesondere der Beschleunigung seitens der Parteien entzogen wurde, sollte dafür Sorge getragen werden, dass in den Fällen, in welchen die Zustellung zur Wahrung einer Frist oder zur Unterbrechung der Verjährung erforderlich war, der Zeitraum, den die Ausführung der Zustellung nach der Einreichung oder Anbringung des Antrags oder der Erklärung durch die Partei noch in Anspruch nimmt, dieser nicht zum Nachteile gereichte (Entwurfsbegründung RT-Drucks.1907/1908 Nr. 735, S. 32). Ein Nachteil für den Gläubiger konnte nach damaligem Recht zwar nur entstehen, wenn während des Zustellungsverfahrens die Frist ablief oder Verjährung eintrat. Erfolgte die Zustellung noch vor Fristablauf oder Eintritt der Verjährung, war die Frist eingehalten oder die Verjährung unterbrochen (§ 209 BGB a.F.). Nach Ende der Unterbrechung begann die Verjährungsfrist neu zu laufen (§ 217 BGB a.F.). Ob die Unterbrechung zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt eintrat, war nicht von Bedeutung. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, die Rückbeziehung der Wirkung der Zustellung auf den Zeitpunkt des Eingangs bei Gericht habe nur den Nachteil ausgleichen sollen, der durch den Fristablauf oder durch den Eintritt der Verjährung während der Dauer des Zustellungsverfahrens entstehen konnte. Wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und der Begründung ergab, sollte der Gläubiger vielmehr, wenn die Zustellung der Wahrung einer Frist oder der Unterbrechung der Verjährung diente, vor jeglichen Nachteilen geschützt werden, welche die Dauer des dem Gericht übertragenen Zustellungsverfahrens verursachte. Durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2002 auch das Verjährungsrecht geändert. Nach neuem Recht führt die Zustellung der Streitverkündung nicht mehr zur Unterbrechung, sondern zur Hemmung der Verjährung. Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet (§ 209 BGB). Zustellungsverzögerungen wirken sich nun auch vor Eintritt der Verjährung nachteilig für den Gläubiger aus. Beginnt die Hemmung wegen der Dauer des gerichtlichen Zustellungsverfahrens später, verkürzt dies die Dauer der Hemmung und damit auch den nach dem Ende der Hemmung noch verbleibenden Teil der Verjährungsfrist. Der damit verbundene Nachteil mag sich praktisch selten auswirken, weil die nach § 204 Abs. 1 BGB eintretende Hemmung der Verjährung erst sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens endet (§ 204 Abs. 2 Satz 1 BGB) und dem Gläubiger deshalb meist genügend Zeit bleibt, um eine Verjährung zu verhindern. Dies mindert das Gewicht des Nachteils, beseitigt ihn aber nicht. Weil er eine Folge des gerichtlichen Zustellungsverfahrens ist, fällt auch dieser Nachteil in den Schutzbereich des § 167 ZPO.

cc) Der Bundesgerichtshof hat den Zweck des § 167 ZPO und entsprechender früherer Normen (§§ 207, 270 Abs. 3, § 693 Abs. 2 ZPO a.F.) schon bisher in einem weiten Sinn verstanden. In gefestigter Rechtsprechung hat er Sinn und Zweck der Rückbeziehung der Zustellungswirkung auf den Zeitpunkt der Einreichung des Antrags darin gesehen, die Partei bei der Zustellung von Amts wegen vor Nachteilen durch Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs zu bewahren (BGH, Urt. v. 18. Mai 1995 - VII ZR 191/94, NJW 1995, 2230, 2231; v. 11. Juli 2003 - V ZR 414/02, NJW 2003, 2830, 2831 m.w.N.). Entsprechend diesem Zweck hat er gefordert, die Auslegung müsse so erfolgen, dass der beabsichtigte Schutz des Gläubigers vor Verzögerungen, die außerhalb seines Einflussbereichs liegen, nach Möglichkeit gewährleistet sei. Deshalb hat er bei der Beurteilung, ob die Zustellung noch "demnächst" erfolgte, keine absolute zeitliche Grenze gesetzt (BGH, Urt. v. 11. Juli 2003 aaO m.w.N.) und den Zeitraum vor Ablauf der Verjährungsfrist nicht berücksichtigt (Urt. v. 18. Mai 1995 aaO und v. 27. September 1995 - VIII ZR 257/94, NJW 1995, 3380, 3381, jeweils m.w.N.). Soweit im Urteil vom 18. Mai 1995 - ohne dass dies dort entscheidungserheblich gewesen wäre - ausgeführt wurde, die Frage einer Rückwirkung und damit auch des Schutzes der Partei vor Hinauszögerungen stelle sich erst dann, wenn die Verjährung nach Einreichung, aber vor Zustellung eintrete, entsprach dies der Rechtslage vor der Änderung des Verjährungsrechts zum 1. Januar 2002. Für die neue Rechtslage hat der Bundesgerichtshof die Rückwirkung der Zustellung eines Mahnbescheids auf den Zeitpunkt seiner Einreichung nicht davon abhängig gemacht, dass ohne die Rückwirkung Verjährung eingetreten wäre (BGH, Urt. v. 6. März 2008 - III ZR 206/07, NJW 2008, 1674). Eine unterschiedliche Behandlung der Zustellung eines Mahnbescheids (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB) und einer Streitverkündung (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB) ist nicht gerechtfertigt. In beiden Fällen muss vermieden werden, dass ein Gläubiger, der die Streitverkündung zu einem frühen Zeitpunkt einreicht und eine Zustellung noch vor Ablauf der Verjährungsfrist ermöglicht, schlechter steht als ein Gläubiger, der die Streitverkündung so spät bei Gericht einreicht, dass sie erst nach Ablauf der Verjährungsfrist zugestellt werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 27. September 1995 aaO).

III.

Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).

Eine eigene Sachentscheidung kann der Senat nicht treffen, da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt lässt sich nicht beurteilen, ob die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche verjährt sind. Dies gilt zum einen für die Frage, ob die Zustellung der Streitverkündung an die Beklagten "demnächst" im Sinne von § 167 ZPO erfolgte. Die Revisionserwiderung weist darauf hin, dass der Kläger zu einer Verzögerung der Zustellung beigetragen habe, weil er der Streitverkündungsschrift nicht die erforderliche Anzahl von Abschriften beigefügt habe. Feststellungen sind hierzu nicht getroffen, auch nicht zur Dauer einer vom Kläger verursachten Verzögerung (vgl. dazu etwa BGH, Urt. v. 22. September 2004 - VIII ZR 360/03, NJW 2004, 3775, 3776 m.w.N.). Wurde der Lauf der Verjährungsfrist bereits durch die Einreichung der Streitverkündung bei Gericht gehemmt, endete sie am 24. Dezember 2004. Die erst nach diesem Zeitpunkt erfolgte Zustellung der Klage an die Beklagten kann die Verjährung nur dann erneut gehemmt haben (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB), wenn auch insoweit die Wirkung gemäß § 167 ZPO bereits mit Einreichung der Klage am 13. Dezember 2004 eintrat. Auch hierzu fehlen die erforderlichen Feststellungen. Falls danach Ansprüche des Klägers nicht verjährt sein sollten, ist zu prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen solcher Ansprüche vorliegen.

Dies hat das Berufungsgericht bisher offen gelassen. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Ganter Kayser Gehrlein Fischer Grupp Vorinstanzen:

LG Stralsund, Entscheidung vom 07.08.2006 - 6 O 51/05 -

OLG Rostock, Entscheidung vom 28.11.2007 - 2 U 38/06 -






BGH:
Urteil v. 17.12.2009
Az: IX ZR 4/08


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