Oberlandesgericht München:
Urteil vom 30. November 2011
Aktenzeichen: 15 U 2375/11

(OLG München: Urteil v. 30.11.2011, Az.: 15 U 2375/11)

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts München I vom 19.05.2011, Az. 4 O 14292/10, aufgehoben.

II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 250.000,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 21.01.2010 zu bezahlen.

III. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in mindestens gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt vom Beklagten Rückzahlung eines am 06.03.2006 auf ein Rechtsanwaltsanderkonto des Beklagten überwiesenen Betrages von 250.000 €.

Hinsichtlich des streitigen und unstreitigen Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 76/85 d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da der Beklagte nicht passivlegitimiert sei. Durch die Überweisung auf das Anderkonto des Beklagten habe die Klägerin in das Vermögen der durch diesen anwaltlich vertretenen S. Immobilien GmbH & Co. Aufbaugesellschaft T.straße KG (im Folgenden: Aufbaugesellschaft T.straße) geleistet; der Beklagte habe das Geld ausschließlich für diese als seine Mandantin verwaltet. Im übrigen sei die Klägerin gem. Ziffer 4.2 der Dreiecksvereinbarung vom 11./14.11.2005 (Anlage B 1) zur Zahlung an die Aufbaugesellschaft T.straße verpflichtet gewesen. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Die Klägerin hat gegen dieses Urteil in vollem Umfang Berufung eingelegt.

Zur Begründung trägt die Klägerin vor, das Landgericht habe die Passivlegitimation des Beklagten zu Unrecht verneint. Ausweislich der von ihr vorgelegten Anlage K 1 sei eine Treuhandvereinbarung zwischen der Klägerin und dem Beklagten zustande gekommen, aufgrund derer sie zur Rückforderung der 250.000 € berechtigt sei. Das Landgericht habe gegen seine Hinweispflicht verstoßen, da es Bedenken gegen das Vorliegen einer Treuhandvereinbarung zwischen den Parteien nicht geäußert habe. Zumindest sei ein Rückforderungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall BGB gegeben. Dem Rückforderungsbegehren der Klägerin könne auch nicht entgegengehalten werden, dass sie die 250.000 € an die Aufbaugesellschaft T.straße zu leisten habe, da sich aus der Dreiecksvereinbarung vom 11./14.11.2005 eine unbedingte Zahlungspflicht der Klägerin gerade nicht ergebe.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des am 19.05.2011 verkündeten Urteils des Landgerichts München I, Az. 4 O 14292/10, zu verurteilen, an die Klägerin 250.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung des Mahnbescheids am 21.01.2010 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält das Ersturteil für zutreffend. Die auf das Anderkonto des Beklagten gezahlten 250.000 € seien nicht in sein Vermögen gelangt und würden von ihm auch nicht für die Klägerin, sondern für seine Mandantin, die Aufbaugesellschaft T.straße verwahrt. Dass in der Anlage K 1 keine Treuhandvereinbarung zwischen ihm und der Klägerin zu sehen sei, sei zutreffend und könne mit der Berufung nicht mit Erfolg angegriffen werden. Das Landgericht habe seine Hinweispflicht insoweit nicht verletzt. Auch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung stehe der Klägerin nicht zu. Zudem sei das Rückforderungsbegehren der Klägerin treuwidrig, weil diese nach der Dreiecksvereinbarung zur Zahlung des Betrages an die Aufbaugesellschaft T.straße verpflichtet sei; jedenfalls scheitere es an der vom Beklagten erklärten Hilfsaufrechnung mit dem ihm von der Aufbaugesellschaft T.straße abgetretenen Zahlungsanspruch.

Ergänzend wird zum Vorbringen der Parteien in zweiter Instanz auf die Schriftsätze der Klägerin vom 25.07.2011 (Bl. 102/111 d.A.) und des Beklagten vom 21.11.2011 (Bl. 117/126 d.A.) Bezug genommen. Des weiteren wird auf das Sitzungsprotokoll vom 30.11.2011 (Bl. 127/129 d.A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin hat in vollem Umfang Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin kann vom Beklagten aus §§ 667, 675 BGB die Rückzahlung der auf sein Anderkonto überwiesenen 250.000 € verlangen.

1. Passivlegitimation des Beklagten

Der Beklagte ist für den geltend gemachten Rückzahlungsanspruch passivlegitimiert. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist zwischen ihm und der Klägerin eine Treuhandvereinbarung zustande gekommen, aufgrund derer der Beklagte die 250.000 € für die Klägerin zu verwahren hatte und nunmehr an sie zurückzuzahlen hat.

a. Soweit der Beklagte in seiner Berufungserwiderung vom 21.11.2011 geltend gemacht hat, das Berufungsgericht sei an die abweichende Auslegung der Vereinbarung Anlage K 1 durch das Landgericht gebunden, trifft dies nicht zu. Die vom Beklagten insoweit angeführten Entscheidungen betreffen durchweg allein die Frage der Bindungswirkung einer vom Tatrichter vorgenommenen Auslegung gegenüber dem Revisionsgericht und sind auf die Überprüfung der Auslegung einer Vereinbarung durch das Erstgericht in der Berufungsinstanz nicht anwendbar.

b. Der Beklagte ist als Treuhänder für die Klägerin Schuldner des sich aus §§ 667, 675 BGB ergebenden Anspruchs auf Herausgabe der in Ausführung des Treuhandauftrags erlangten 250.000 €.

Mit Schreiben vom 17.02.2006 hatten die damaligen anwaltlichen Bevollmächtigten der Klägerin Rechtsanwälte G. in deren Namen dem Beklagten hinsichtlich der Abwicklung der in Ziffer 4.2 der Dreiecksvereinbarung vom 11./14.11.2005 geregelten Zahlung der 250.000 € von der Klägerin an die Aufbaugesellschaft T.straße folgendes Angebot unterbreitet:

"... dürfen wir Ihnen mitteilen, dass wir mit Ihrem Vorschlag einverstanden sind, den Betrag in Höhe von € 250.000.00 auf ein bei Ihnen geführtes Anderkonto zu überweisen, mit der Maßgabe, dass Sie den Betrag erst dann an Ihre Mandantin auszahlen, wenn uns die Ihnen übersandte Handelsregisteranmeldung in vollzugsfähiger Form vorliegt. Wir würden uns ferner das Recht vorbehalten wollen, den auf Ihrem Anderkonto hinterlegten Betrag zurückzuverlangen, wenn die Handelsregisteranmeldung uns nicht bis zum 31. März 2006 vorliegt.

Bitte teilen Sie uns Ihr Einverständnis mit dieser Regelung mit und geben Sie uns die Daten des bei Ihnen geführten Anderkontos auf. Wir werden dann unverzüglich den Betrag an Sie überweisen."

Der Beklagte hatte dieses Angebot mit dem handschriftlichen Vermerk "Einverstanden" und der Angabe eines auf seinen Namen lautenden Anderkontos angenommen (vgl. Anlage K 1).

Damit ist zwischen der Klägerin und dem Beklagten eine Treuhandvereinbarung zustande gekommen, die zum Inhalt hat, dass der Beklagte die 250.000 € für die Klägerin auf seinem Anderkonto zu verwahren hat, den Betrag erst dann in das Vermögen der Aufbaugesellschaft T.straße weiterleiten darf, wenn der Klägerin die Handelsregisteranmeldung bzgl. ihres Ausscheidens aus der Aufbaugesellschaft T.straße vorliegt, und bei Nichtvorliegen der Handelsregisteranmeldung bis 31.03.2006 das Geld der Klägerin auf deren Verlangen wieder herauszugeben hat.

22Dies ergibt sich bereits aus dem klaren Wortlaut der in der Anlage K 1 liegenden Vereinbarung. Der Beklagte hat sich hier nicht nur damit einverstanden erklärt, das Geld erst dann an die Aufbaugesellschaft T.straße weiterzuleiten, wenn die von der Klägerin hierfür geforderte Bedingung der Vorlage der Handelsregisteranmeldung vorlag, sondern insbesondere auch damit, dass der Klägerin ein Recht zur Rückforderung des Geldes zustehen solle, wenn diese Bedingung bis 31.03.2006 nicht eingetreten sein sollte. Die in der Anlage K 1 zum Ausdruck gebrachten Willenserklärungen der Parteien können damit nur dahingehend verstanden werden, dass der Beklagte das Geld als Treuhänder für die Klägerin nach Maßgabe der von ihr hierfür gemachten Vorgaben verwahren sollte. Die gegenteilige Behauptung des Beklagten, er habe das Geld allein für die von ihm als Rechtsanwalt vertretene Aufbaugesellschaft T.straße verwahren sollen, findet im Text der Anlage K 1 keine Stütze; sie lässt sich insbesondere mit dem der Klägerin hier ausdrücklich eingeräumten Recht zur Rückforderung bei Nichtvorlage der Handelsregisteranmeldung bis 31.03.2006 schlechterdings nicht vereinbaren.

Soweit der Beklagte im Termin vom 30.11.2011 wiederholt betont hat, er habe zu keinem Zeitpunkt den Willen gehabt, ein Treuhandverhältnis mit der Klägerin einzugehen, ist dies unerheblich. Maßgeblich für die Auslegung einer geschlossenen Vereinbarung ist grundsätzlich nicht der innere Wille einer Partei, der nicht nach außen hervorgetreten ist, sondern die objektive Erklärungsbedeutung der wechselseitigen Willenserklärungen (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl. 2011, § 133 Rn. 9 m.w.N.). Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn ein hiervon abweichender übereinstimmender Wille beider Parteien festzustellen ist (vgl. Palandt/Ellenberger, § 133 Rn. 8). Dies ist hier aber nicht der Fall; der Beklagte hat weder einen plausiblen Grund dafür genannt, warum der Wille der Klägerin abweichend vom Wortlaut des Schreibens vom 17.02.2006 darauf gerichtet gewesen sein soll, dass der Beklagte das Geld für die Aufbaugesellschaft T.straße verwahrt, noch hierfür Beweis angeboten.

Dass der Beklagte die 250.000 € als Treuhänder für die Klägerin verwahren sollte, ist auch von der Interessenlage der an der Dreiecksvereinbarung Anlage B 1 Beteiligten her plausibel. Ausweislich der Anlage K 1 beabsichtigte die Klägerin, die Zahlung der 250.000 € an die Aufbaugesellschaft T.straße von der Vorlage der Handelsregisteranmeldung abhängig zu machen. Die Vereinbarung eines Treuhandverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Beklagten ermöglichte es in dieser Situation zum einen der Klägerin, die endgültige Leistung der 250.000 € an die Aufbaugesellschaft T.straße als "Druckmittel" solange noch zurückzuhalten, bis ihr die Handelsregisteranmeldung zugegangen war. Umgekehrt war die Aufbaugesellschaft T.straße dadurch, dass das Geld nunmehr bereits bei "ihrem" Rechtsanwalt war, der von der Klägerin ermächtigt war, es bei Vorliegen der Anmeldung sofort an sie weiterzuleiten, davor geschützt, dass die Klägerin auch nach Übermittlung der Handelsregisteranmeldung die Zahlung weiterhin verweigerte bzw. an noch weitergehende Bedingungen knüpfte.

Hätte die Klägerin mit der Zahlung der 250.000 € dagegen, wie vom Beklagten behauptet, bereits unmittelbar an die Aufbaugesellschaft T.straße leisten wollen, hätte es des Umwegs über das Anderkonto des Beklagten nicht bedurft; in diesem Fall hätte die Klägerin das Geld ohne weiteres unmittelbar auf ein Konto der Aufbaugesellschaft T.straße überweisen können.

Auf die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob die Klägerin aus der Dreiecksvereinbarung gegenüber der Aufbaugesellschaft T.straße zur Zahlung der 250.000 € unbedingt verpflichtet war bzw. ob sie berechtigt war, die Zahlung von der Vorlage der Handelsregisteranmeldung abhängig zu machen, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Entscheidend ist allein, dass sich der Beklagte auf die Vereinbarung K 1 eingelassen hat.

Auch der Einwand des Beklagten, er hätte als Anwalt der Aufbaugesellschaft Taubenstraße eine Treuhandvereinbarung mit der Klägerin überhaupt nicht abschließen dürfen, da er hierdurch gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43a Abs. 4 BRAO, § 3 BORA) verstoßen hätte (vgl. hierzu Zugehör/Fischer/Vill/Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl. 2011, Rn. 1828), rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Zum einen dürfte es sich bei der treuhänderischen Verwahrung der 250.000 € für die Klägerin einerseits und der anwaltlichen Vertretung der Aufbaugesellschaft T.straße in den Verhandlungen mit der Klägerin andererseits ohnehin bereits nicht um "dieselbe Rechtssache" handeln, da beide Aufgabenbereiche klar voneinander abgegrenzt sind und jedenfalls keine Verwahrung des Geldes für die Klägerin und die Aufbaugesellschaft T.straße gemeinsam erfolgen sollte. Zum anderen würde auch ein etwaiger Verstoß gegen anwaltliche Berufspflichten nichts daran ändern, dass der Beklagte die Vereinbarung Anlage K 1 abgeschlossen hat. Ob ein etwaiger Verstoß gegen § 43a Abs. 4 BRAO gem. § 134 BGB zur Nichtigkeit des Mandatsvertrags führt (vgl. zum Streitstand Zugehör/Fischer/Vill/Fischer/Rinkler/Chab, Rn. 48), bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da sich in diesem Fall der Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der 250.000 € jedenfalls aus § 667 BGB i.V.m. dem Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag bzw. aus Bereicherungsrecht ergeben würde.

2. Aktivlegitimation der Klägerin

Die Klägerin ist als Auftraggeberin des Treuhandauftrags auch aktivlegitimiert. Soweit der Beklagte im Schriftsatz vom 18.10.2010 (S. 6, Bl. 23 d.A.) die Aktivlegitimation der Klägerin mit dem Argument bestritten hat, nicht die Klägerin habe die 250.000 € auf das Anderkonto des Beklagten eingezahlt, sondern deren damalige anwaltliche Vertreter Rechtsanwälte G., geht dieser Einwand fehl; die Überweisung durch die Rechtsanwälte G. erfolgte ersichtlich auf Veranlassung der Klägerin (vgl. hierzu Palandt/Sprau, § 667 Rn. 2).

3. Keine Verjährung

Der Rückzahlungsanspruch der Klägerin ist nicht verjährt.

32Der Herausgabeanspruch des Auftraggebers aus § 667 BGB unterliegt der regelmäßigen Verjährung gem. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB (Palandt/Sprau, § 667 Rn. 9). Verjährung tritt damit drei Jahre nach Schluss des Jahres ein, in dem der Herausgabeanspruch entsteht und der Auftraggeber von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt. Da die Treuhandvereinbarung K 1 im Februar 2006 abgeschlossen wurde und die Überweisung der 250.000 € im März 2006 erfolgte, konnte Verjährung frühestens mit Ablauf des Jahres 2009 eintreten. Durch den noch am 31.12.2009 beim zuständigen Mahngericht eingegangenen Antrag auf Erlass des Mahnbescheids, welcher am 07.01.2010 erlassen und dem Beklagten am 21.01.2010 und damit "demnächst" zugestellt wurde, wurde die Verjährung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB i.V.m. § 167 ZPO gehemmt.

Entgegen der Auffassung des Beklagten fehlt es dem Mahnantrag auch nicht an der hinreichenden Individualisierung. Insoweit ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Schuldner erkennen kann, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht wird (Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 18 m.w.N.). Diese Erkennbarkeit war für den Beklagten schon aufgrund der Angabe der Forderungshöhe von 250.000 €, des Umstands, dass seitens der Klägerin keine andere Zahlung in entsprechender Höhe an ihn geflossen war, und der vorprozessualen Zahlungsaufforderungen durch die anwaltliche Vertreterin der Klägerin, in denen die Beantragung des Mahnbescheids bereits angedroht wurde (Anlagen K 3 und K 5), ohne weiteres gegeben.

4. Keine Verwirkung

Der Rückzahlungsanspruch der Klägerin ist auch nicht verwirkt.

Ein Anspruch ist verwirkt, wenn der Berechtigte ihn längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser den Anspruch nicht mehr geltend machen werde. Erforderlich ist damit ein Zeitmoment und ein Umstandmoment (vgl. Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 87, 93 ff.).

Ein Zeitmoment wäre vorliegend zwar gegeben. Die vormaligen anwaltlichen Vertreter der Klägerin Rechtsanwälte G. haben die Übermittlung der Handelsregisteranmeldung mit Schreiben vom 12. und 26.05.2006 (Anlage K 2) noch zweimal angemahnt und zuletzt mitgeteilt, dass sie sich zur Rückforderung der 250.000 € veranlasst sehen würden, wenn die Handelsregisteranmeldung nicht bis spätestens 02.06.2006 vorliegen sollte. In der Folgezeit hat die Klägerin ihr Rückzahlungsbegehren bis Dezember 2009 aber nicht mehr weiterverfolgt.

Es fehlt allerdings an einem Umstandsmoment. Ein konkretes Verhalten der Klägerin, aufgrund dessen der Beklagte davon ausgehen durfte, dass die Klägerin ihr Rückforderungsbegehren auch weiterhin nicht mehr geltend machen werde, ist nicht ersichtlich; die bloße Untätigkeit der Klägerin von Mai 2005 bis Dezember 2009 genügt insoweit nicht, wie sich im Umkehrschluss aus den Vorschriften über die Verjährung ergibt. Der Beklagte konnte als Rechtsanwalt, auf dessen Anderkonto sich die 250.000 € nach seinem Vortrag weiterhin befinden, auch nicht davon ausgehen, das Geld nicht irgendwann einmal entweder an die Klägerin oder an die Aufbaugesellschaft Taubenstraße auszahlen zu müssen, sondern auf Dauer auf seinem Anderkonto belassen oder gar für sich behalten zu können.

5. Keine Rechtsmissbräuchlichkeit des Rückzahlungsverlangens

Die Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs durch die Klägerin verstößt auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).

a. Das Rückforderungsbegehren der Klägerin ist nicht deswegen rechtsmissbräuchlich, weil sie die 250.000 € aufgrund Ziffer 4.2 der Dreiecksvereinbarung Anlage B 1 in Verbindung mit der Abtretungsvereinbarung Anlage B 6 sofort an den Beklagten zurückzahlen müsste (dolo-petit-Einrede, vgl. Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 52). Denn eine derartige Rückzahlungspflicht besteht nicht. Auch insoweit kommt es auf die zwischen den Parteien umstrittene Frage nicht an, ob die Klägerin sich in Ziffer 4.2 der Dreiecksvereinbarung unbedingt zur Zahlung der 250.000 € an die Aufbaugesellschaft T.straße verpflichtet hat oder ob Ziffer 4 der Vereinbarung insgesamt erst mit der Zahlung durch die Klägerin wirksam werden soll, so dass die Zahlung letztlich im Belieben der Klägerin steht. Denn selbst wenn sich aus der Dreiecksvereinbarung ein unbedingter Zahlungsanspruch der Aufbaugesellschaft T.straße ergeben sollte, den diese zwischenzeitlich an den Beklagten abgetreten hat, könnte der Beklagte hieraus für sich keine Rechte herleiten. Ein entsprechender Anspruch wäre nämlich mit Abschluss der Dreiecksvereinbarung im November 2005 entstanden und damit gem. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB Ende 2008 verjährt. Die Erhebung der Verjährungseinrede durch die Klägerin ist auch nicht rechtsmissbräuchlich, zumal es die Aufbaugesellschaft T.straße seit dem Jahr 2006 durchweg in der Hand hatte, durch Vorlage der Handelsregisteranmeldung die Voraussetzung zu schaffen, dass ihr das Geld vom Beklagten ausgezahlt werden durfte.

b. Das Rückforderungsbegehren der Klägerin ist schließlich auch nicht deswegen rechtsmissbräuchlich, weil ihr die Handelsregisteranmeldung bzgl. ihres Ausscheidens aus der Aufbaugesellschaft T.straße zwischenzeitlich übermittelt wurde und das Ausscheiden auch im Handelsregister eingetragen wurde.

In der Treuhandabrede Anlage K 1 wurde ausdrücklich eine Frist zur Vorlage der Handelsregisteranmeldung bis 31.03.2006 vereinbart und festgelegt, dass der Klägerin ein Recht zur Rückforderung der vom Beklagten verwahrten 250.000 € zusteht, wenn diese Frist verstrichen ist. Mit dem Schreiben der Rechtsanwälte G. vom 26.05.2006 (Anlage K 2) wurde die Frist letztmalig bis 02.06.2006 verlängert. Mit fruchtlosem Ablauf auch dieser verlängerten Frist war die Klägerin zur Rückforderung des Geldes uneingeschränkt berechtigt.

Erstmals als Reaktion auf das von der Klägervertreterin mit Schreiben vom 22.12.2009 (Anlage K 3) geltend gemachte Rückzahlungsbegehren hat der Beklagte mit Schreiben vom 22.12.2009 (Anlage K 4) die Vorlage der Handelsregisteranmeldung in Aussicht gestellt. Er hat diese der Klägerin schließlich mit Schreiben vom 20.10.2010 (Anlage B 5), also geraume Zeit nach Einleitung des vorliegenden Rechtsstreits, übersandt. Hierdurch konnte allerdings der bereits mit Ablauf des 02.06.2006 entstandene Rückzahlungsanspruch der Klägerin nicht mehr beseitigt werden. Dem Beklagten war zu diesem Zeitpunkt auch bewusst, dass die Klägerin jetzt nicht mehr bereit war, allein gegen die - um Jahre verspätete - Vorlage der Handelsregisteranmeldung auf die Rückzahlung der 250.000 € zu verzichten. Mit Schreiben vom 16.07.2010 (Anlage K 7) hatte die Klägerin ihm über ihre anwaltlichen Vertreter einen umfangreichen Vorschlag zu einer vergleichsweisen Beilegung der Angelegenheit übermittelt, wobei sie eine Rücknahme der Klage von weiteren Bedingungen abhängig gemacht hatte. Diesen Vorschlag haben der Beklagte bzw. die Aufbaugesellschaft T.straße aber nicht akzeptiert. Dass die Klägerin von der ihr gleichwohl übersandten Handelsregisteranmeldung nunmehr Gebrauch gemacht hat, um die Eintragung ihres Ausscheidens als Kommanditistin zu erreichen, vermag die Weiterverfolgung ihres Rückzahlungsbegehrens unter diesen Umständen nicht als rechtsmissbräuchlich erscheinen zu lassen.

6. Hilfsaufrechnung

Auch die vom Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung mit dem ihm von der Aufbaugesellschaft T.straße abgetretenen Anspruch aus Ziffer 4.2 der Dreiecksvereinbarung hat nicht zu einem Erlöschen der Klageforderung geführt.

a. Die Aufrechnung ist bereits deswegen unwirksam, da sie nach Inhalt und Zweck der Treuhandabrede Anlage K 1 mit Treu und Glauben (§ 242 BGB) unvereinbar wäre (vgl. Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 15). Die Klägerin und der Beklagte haben die Abrede über die Überweisung der 250.000 € auf das Anderkonto des Beklagten gerade deswegen getroffen, weil die Klägerin eine Leistung des Betrages an die Aufbaugesellschaft T.straße gem. Ziffer 4.2 der Dreiecksvereinbarung bewusst nur dann vornehmen wollte, wenn ihr die Handelsregisteranmeldung bis zum 31.03.2006 vorlag, andernfalls sollte das Geld der Aufbaugesellschaft T.straße nicht zufließen, sondern wieder an die Klägerin herausgegeben werden. Diese Zielsetzung der Treuhandabrede würde vom Beklagten in rechtsmissbräuchlicher Weise vereitelt werden, wenn er der Klägerin durch die Aufrechnung mit der ihm durch die Aufbaugesellschaft T.straße abgetretenen Forderung gegen ihren Willen deren Erfüllung aufzwingen könnte. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin einem auf Ziffer 4.2 der Dreiecksvereinbarung gestützten Zahlungsbegehren, wie bereits oben 5. a) ausgeführt, zwischenzeitlich die Einrede der Verjährung entgegensetzen könnte; diese Möglichkeit würde ihr durch die vom Beklagten erklärte Aufrechnung in unzulässiger Weise genommen werden.

b. Zudem steht auch die zwischenzeitliche Verjährung des an den Beklagten abgetretenen Anspruchs der Aufrechnung entgegen. Zwar ermöglicht § 215 BGB eine Aufrechnung mit einer verjährten Forderung, wenn sich die Aufrechnungsforderung und die Gegenforderung zu irgendeinem Zeitpunkt in nicht verjährter Zeit aufrechenbar gegenüber gestanden haben. Dies war vorliegend aber nicht der Fall. Eine Aufrechnungslage setzt Gegenseitigkeit der beiden Forderungen voraus (Palandt/Grüneberg, § 387 Rn. 4 ff.). Gegenseitigkeit wurde erst durch die Abtretung an den Beklagten mit der Abtretungsvereinbarung vom 05.04.2011 (Anlage B 6) begründet, also erst lange nach Eintritt der Verjährung Ende 2008.

7. Zinsen

Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).






OLG München:
Urteil v. 30.11.2011
Az: 15 U 2375/11


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