Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 8. Dezember 2011
Aktenzeichen: 18 U 217/11

(OLG Köln: Urteil v. 08.12.2011, Az.: 18 U 217/11)

Tenor

Die Berufungen der Kläger werden zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufungen tragen der Kläger zu 1) zu zwei Dritteln und die Klägerin zu 2) zu einem Drittel.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Frage, ob den Klägern als ehemaligen Aktionären der U AG (künftig: U) gegenüber der Beklagten deswegen ein Nachteilausgleichsanspruch zusteht, weil sie für das Geschäftsjahr 2005 eine Dividende in Höhe von 0,04 €/Aktie von der U statt eine solchen in Höhe von 0,72 €/Aktie von der Beklagten bezogen haben.

Die Parteien waren im Jahre 2005 Aktionäre der U, der Kläger zu 1) hielt 10.593 und die Klägerin zu 2) weitere mindestens 6.000 Aktien; die Beklagte war Mehrheitsaktionärin. Am 29.04.2005 hat die Hauptversammlung der U einem Verschmelzungsvertrag zwischen dieser und der Beklagten vom 08.03.2005 zugestimmt. Aufgrund der Anfechtung dieses Hauptversammlungsbeschlusses wurde die Verschmelzung erst am 06.06.2006 in das Handelsregister eingetragen.

Der Verschmelzungsvertrag hat vorgesehen, dass die Aktionäre der U als Gegenleistung für die Übertragung des Vermögens der U von der Beklagten für jeweils 25 Aktien der U 13 Aktien der Beklagten erhalten sollten. Grundlage für dieses Umtauschverhältnis waren zwei Wertgutachten, die die Werte der beiden Gesellschaften jeweils nach der Ertragswertmethode ermittelt hatten. In dem von zahlreichen Aktionären der U angestrengten Spruchverfahren wurde die von der Beklagten zu erbringende Gegenleistung durch Beschluss des Landgerichts Frankfurt vom 15.03.2009 (3/5 O 57/06) dahin abgeändert, dass die Beklagte eine Zuzahlung in Höhe von 1,15 € je übernommene Aktie zu leisten hatte, weil es für die Bewertung der beiden Gesellschaften maßgeblich auf deren Börsenwerte ankomme. Die hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerden sowohl von Aktionären als auch der Beklagten wurde durch Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 03.09.2010 (5 W 57/09) zurückgewiesen.

Vor der Eintragung des Verschmelzungsbeschlusses in das Handelsregister ist aufgrund entsprechender Hauptversammlungsbeschlüsse der beiden Gesellschaften für das Jahr 2005 eine Dividende in Höhe von 0,72 €/Aktie an die Aktionäre der Beklagten und eine solche in Höhe von 0,04 €/Aktie an Aktionäre der U ausgeschüttet worden. In dem Spruchverfahren hatten die antragstellenden Aktionäre auch geltend gemacht, dass wegen dieser ungleichen Dividendenausschüttung eine Korrektur der aufgrund der jeweiligen Börsenwerte ermittelten Unternehmenswerte zu ihren Gunsten hätte erfolgen müssen. Dies wurde jedoch abgelehnt, was das OLG Frankfurt in seiner Entscheidung im Wesentlichen damit begründet hat, dass es sich hierbei um eine Konsequenz des Stichtagprinzips handele, bei dem Bewertungs- und Verschmelzungsstichtag auseinander fielen (S. 68 ff. des Beschlusses).

Die Kläger verlangen mit ihrer Klage so behandelt zu werden, als wenn sie bei Ausschüttung der Dividenden für 2005 schon Aktionäre der Beklagten und nicht mehr Aktionäre der U gewesen wären; wegen der Einzelheiten der Berechnung ihrer Ansprüche wird auf Seite 7 der Klageschrift Bezug genommen. Sie leiten diesen Anspruch in erster Linie aus § 317 Abs. 1 S. 2 AktG ab. Ihre relativ geringere Dividende für das Jahr 2005, durch die die Wertrelation der beiden Gesellschaften nachträglich zu ihren Ungunsten verändert worden sei, sei Folge der Dividendenpolitik der Beklagten. Jedenfalls hätte diese durch eine entsprechende Gestaltung des Verschmelzungsvertrages verhindern können und müssen, dass es für den vorhersehbaren Fall der Verzögerung der Eintragung in das Handelsregister zu solchen Wertverschiebungen kommt. Die Beklagte meint demgegenüber, dass es sich hierbei um eine Konsequenz des Stichtagsprinzips handele. Sie sei nicht gehalten gewesen, im Verschmelzungsvertrag Vorsorge für den Fall einer verzögerten Eintragung zu treffen. Der von den Klägern geltende gemachte Nachteil falle auch nicht unter § 317 AktG. Im Übrigen seien etwaige Ansprüche der Kläger jedenfalls verjährt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Anspruch aus § 317 AktG bestehe bereits deshalb nicht, weil es an einer nachteiligen Maßnahme fehle. Wegen der Einzelheiten der Begründung, der erstinstanzlich gestellten Anträge und des weiteren Parteivortrags wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgen die Kläger ihr Begehren unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags weiter.

Sie beantragen,

das Urteil des Landgerichts Bonn vom 21.06.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen

1) an den Kläger zu 1) 3.538,06 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.12.2010 und

2) an die Klägerin zu 2) 2.004,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.11.2010 zu zahlen,

3) sowie 546,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.01.2011

zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

II.

Die Berufungen der Kläger sind zulässig, aber nicht begründet.

1. Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht aus dem Verschmelzungsvertrag. Zwar heißt es in § 2 Abs. 2 dieses Vertrages:

„Die von der E nach Abs. 1 zu gewährenden Aktien sind ab 1. Januar 2005 gewinnbezugsberechtigt.“

Dies wird aber durch § 10 Abs. 3 des Vertrages dahin modifiziert, dass die Gewinnbezugsberechtigung der früheren Aktionäre der U bei einer Eintragung der Verschmelzung nach der Hauptversammlung 2006 erst ab dem 01.01.2006 beginnt.

2. Auch aus § 317 Abs. 1 S. 2 AktG lässt sich der geltend gemachte Anspruch nicht ableiten. Die Beklagte war zwar herrschendes Unternehmen der U i. S. des § 17 AktG. Sie war schon im Herbst 2004 mit mehr als 75 % an dieser beteiligt und hat ihre Beteiligung danach noch erhöht (OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.09.2010, S. 16). Der Anspruch eines Aktionärs aus § 317 Abs. 1 S. 2 AktG setzt aber weiter voraus, dass ein herrschendes Unternehmen (die Beklagte) das abhängige Unternehmen (U) zu einer Maßnahme veranlasst hat, die jedenfalls beim Aktionär zu einem Schaden geführt hat; auf Nachteil des abhängigen Unternehmens, kommt es nicht an (vgl. Altmeppen, in: MünchKomm-AktG, 3. Aufl., 2010, § 317 Rn 83). Daran fehlt es aber.

a) Die Beschlüsse der Hauptversammlungen der beiden beteiligten Gesellschaften über die Höhe der für das Geschäftsjahr 2005 jeweils auszuschüttenden Dividenden erfüllen die Voraussetzungen des § 317 AktG nicht. Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten fällt schon deswegen nicht unter § 317 AktG, weil dieser allein die Beklagte, nicht aber die U betrifft. Aber auch der Beschluss der Hauptversammlung der U, auf den der Kläger zu 1) in seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung in erster Linie abgestellt hat, fällt nicht in den Anwendungsbereich dieser Norm. Er ist weder Rechtsgeschäft noch Maßnahme i. S. dieser Bestimmung, denn darunter fallen nur Geschäftsführungshandlungen, die Auswirkung auf die Ertrags- oder Vermögenslage der Gesellschaft haben (Hüffer, AktG, 9. Aufl., 2010, § 311 Rn 24). Der Beschluss der Hauptversammlung über die Gewinnverwendung ist aber schon keine Geschäftsführungshandlung. Hinzu kommt hier, dass sich aus dem Vortrag der Kläger nichts Konkretes dafür entnehmen lässt, dass die U im Geschäftsjahr 2005 überhaupt einen Gewinn erzielt hat, der eine höhere Ausschüttung als 0,04 €/Aktie erlaubt hätte. Jedenfalls hat der Kläger zu 1) in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass nämlich die Ausschüttungen für das Jahr 2005 sich im Rahmen der Ausschüttungen vergangener Jahre gehalten haben, wovon auch schon das Oberlandesgericht Frankfurt in seinem Beschluss vom 03.09.2010 (S. 70) ausgegangen ist.

b) Auch der Umstand, dass der Verschmelzungsvertrag keine Regelung enthielt, die eine Wertverschiebung der beiden Gesellschaften zu Lasten der Aktionäre der U durch unterschiedliche Ausschüttungen verhinderte, stellt keine Nachteilszufügung i. S. des § 317 AktG dar. Es ist schon fraglich, ob es überhaupt möglich ist, derartige Wertverschiebungen zu verhindern. Die Problematik, dass es durch eine Verzögerung der Eintragung und damit des Wirksamwerdens des Verschmelzungsvertrages zu einer Änderung der Wertverhältnisse kommen kann, ist bekannt. Die Kautelarjurisprudenz hat schon seit längerem versucht, hierfür Abhilfe zu schaffen.

Sieht der Verschmelzungsvertrag einen fixen Stichtag für die Gewinnbeteiligung vor, ist dies für die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft nachteilig. Diese führt ihr Geschäft vom Verschmelzungsstichtag an auf Rechnung der aufnehmenden Gesellschaft (§ 5 Nr. 6 UmwG). Ein verteilungsfähiger Gewinn kann bei ihr nicht mehr entstehen. Eine Beteiligung der Aktionäre der übertragenden Gesellschaft am Gewinn der aufnehmenden Gesellschaft kann aber erst dann erfolgen, wenn die Verschmelzung bei Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses bereits vollzogen ist (vgl. Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, 4. Aufl., 2009, § 4 Rn 45; Simon, in: KK-UmwG, 2009, § 5 Rn 66; Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl., 2007, § 5 Rn 45; Hoffmann-Becking, FS Fleck (ZGR 1988, SH 7), 105, 119). Es entspricht - auch deshalb - verbreiter Praxis (vgl. die Formulierungsvorschläge bei Hoffmann-Becking, in: Münchener Vertragshandbuch, Gesellschaftsrecht, 7. Aufl., 2011, Abschnitt XI (S. 1577) und Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 5 Rn 146, die der Regelung in § 10 Abs. 3 des Verschmelzungsvertrages entsprechen), eine variablen oder rollierenden Verschmelzungsstichtag vorzusehen. Dadurch wird u. a. ermöglicht, dass die übertragende Gesellschaft während der Schwebezeit noch Gewinne ausschütten kann. Dies wird ganz überwiegend als zulässig angesehen (Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG 4. Aufl., 2010,§ 5 Rn 29; Lutter/Drygala, a. a. O., § 5 Rn 44), obwohl erkannt wird, dass es aufgrund des - notwendigerweise - fixen Bewertungsstichtages mit zunehmendem Abstand zwischen diesem und der Verschmelzung zu einer Wertverzerrung kommen kann (vgl. etwa Hoffmann-Becking, FS Fleck, a. a. O., S. 120).

Von einem beträchtlichen Teil des Schrifttums wird zur Vermeidung von Wertzerrungen bei einer längeren Schwebezeit aufgrund unterschiedlicher Ausschüttungen vorgeschlagen, dass in dem Verschmelzungsvertrag die Regelung getroffen wird, dass Ausschüttungen abgestimmt werden bzw. Gewinne nur entsprechend der Umtauschwertrelation auszuschütten sind (Schröer, in: Semler/Stengel, a. a. O., § 5 Rn 48; Mayer, in: Widmann/Mayer, a. a. O., § 5 Rn 146; Kein, ZIP 1999, 173, 180). Der Wert solcher Vereinbarungen im Verschmelzungsvertrag ist allerdings beschränkt, denn sie können die für den Ausschüttungsbeschluss zuständige Hauptversammlung nicht binden, weil dies einer Vorwirkung des Verschmelzungsvertrages gleich käme (Schröer, in: Semler/Stengel, a. a. O., § 5 Rn 48; Kein, a. a. O., S. 180).

Am weitesten geht schließlich die Auffassung, dass es auch für die Beteiligung der Aktionäre der übertragenden Gesellschaft am Gewinn der aufnehmenden Gesellschaft bei einem fixen Stichtag bleiben müsse. Zur Verhinderung von Wertveränderungen durch zwischenzeitliche Ausschüttungen wird angenommen, dass auch ohne entsprechende vertragliche Regelung ein Ausschüttungsverbot bestehe. Gewinne seien in die jeweiligen Rücklagen der Gesellschaften einzustellen und könnten erst nach Eintragung der Verschmelzung - und dann an alle Aktionäre der übertragenden wie der aufnehmenden Gesellschaften - ausgeschüttet werden. Erfolge gleichwohl bei der aufnehmenden Gesellschaft eine Gewinnausschüttung, hätten die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft aus §§ 280, 283 BGB i. V. m. dem Verschmelzungsvertrag als Vertrag zugunsten Dritter einen Schadensersatzanspruch gegen die aufnehmende Gesellschaft (Schütz/Fett, DB 2002, 2696, 2698f.).

Die letztgenannte Auffassung ist zu Recht vereinzelt geblieben. Sie misst dem Verschmelzungsvertrag eine Vorwirkung zu, indem sie die Dispositionsbefugnis der Hauptversammlung der aufnehmenden Gesellschaft über den Jahresgewinn beschränkt. Insbesondere bei einer längeren Schwebezeit infolge der Anfechtung von Verschmelzungsbeschlüssen, auf die die beteiligten Gesellschaften aufgrund ihrer Abhängigkeit von gerichtlichen Entscheidungen nur beschränkten Einfluss haben, würde eine solche Ausschüttungssperre zudem den Kurswert der Aktien der aufnehmenden Gesellschaft ihrerseits beeinträchtigen, weil die Aktien mangels kurzfristiger Dividendenaussichten für einen Teil der Anleger an Interesse verlieren würden.

Aber auch eine Vereinbarung, dass die Ausschüttungen nur noch abgestimmt bzw. entsprechend der Wertrelation der beiden Gesellschaften erfolgen soll, erscheint jedenfalls nicht zwingend geboten, sodass der Abschluss des Verschmelzungsvertrages ohne eine solche Regelung deshalb auch keine nachteilige Maßnahme i. S. des § 317 AktG ist. Die in der Literatur zitierten Beispiele für die Regelung variabler Stichtage zeigen, dass ein solcher Vorbehalt jedenfalls nicht allgemein üblich ist. Das erklärt sich daraus, dass er mangels Bindungswirkung für die Hauptversammlung ohnehin nur von beschränktem Wert wäre. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die Ausschüttungen der beiden Gesellschaften bei weitem nicht die einzigen Faktoren sind, die bei einer längeren Schwebezeit zu einer Wertverschiebung führen können. Jeder Umstand, der sich auf die Ertrags- oder Vermögenslage der beteiligten Gesellschaften auswirkt, wird zu einer Änderung der Werte führen. Je länger die Schwebezeit andauert, desto größer ist das Risiko, dass sich die Werte auseinander entwickeln. Dies ist zwingende Folge des Umstandes, dass für die Festsetzung des Umtauschverhältnisses auf einen bestimmten vor der Eintragung des Verschmelzungsbeschlusses liegenden Tag abgestellt wird (vgl. KK-UmwG/Simon, a. a. O., § 5 Rn 106). Wird aber lediglich hinsichtlich eines isolierten Faktors, nämlich bezüglich der Ausschüttungen, sichergestellt, dass eine Wertverschiebung nicht erfolgen kann, hängt es letztlich vom Zufall ab, ob dies zu einer Aufrechterhaltung der Wertverhältnisse führt. Je nach dem wie die sonstige Geschäfts- und Wertentwicklung bei den beiden beteiligten Gesellschaften nach dem Bewertungsstichtag verlaufen ist, kann eine unterschiedliche Ausschüttung die Auseinanderentwicklung der Werte verstärken oder aber auch abmildern. Hätte etwa der Wert der Beklagten nach dem Bewertungsstichtag gegenüber dem Wert der U deutlich zugenommen, wäre diese Diskrepanz durch eine höhere Ausschüttung bei der Beklagten teilweise wieder kompensiert worden, sodass der relative Wert der beiden Gesellschaften gleich geblieben wäre. So kann zwar festgestellt werden, dass der Kurs der Aktie der Beklagten am Tag nach der Eintragung der Verschmelzung mit 12,40 € (Quelle: www.de.finance.yahoo.com) deutlich unter dem Kurs lag, den das Landgericht Frankfurt für seine Bewertung zugrunde gelegt hat (14,31 €), es ist jedoch völlig unklar, ob und ggf. in welchem Umfang dies auf der Ausschüttung für 2005 beruht. Jedenfalls hatte der Kurs der Aktie der Beklagten am 03.05.2006, dem Tag der Beschlussfassung über die Gewinnverwendung bei der Beklagten, noch bei 14,40 € gelegen, also 2 € über dem Schlusskurs vom 07.06.2006. Dies zeigt deutlich, dass der Wertverlust der Aktie der Beklagten unmöglich ausschließlich auf der Ausschüttung einer Dividende von 0,72 €/Aktie beruhen kann. Eine koordinierte Ausschüttungspolitik würde deshalb nur Sinn machen, wenn diese jeweils auf der Grundlage einer erneuten Bewertung der beteiligten Gesellschaften erfolgte. Wenn eine Koordinierung der Ausschüttungen in dem Sinne, dass die Ausschüttungen dem Umtauschverhältnis entsprechend, aber nicht geeignet ist, Wertverschiebungen nach dem Verschmelzungsstichtag zu verhindern, kann diese auch nicht rechtlich geboten sein.

Wäre diese Frage anders zu beurteilen, hätte dies auch bereits in dem Verfahren betreffend die Anfechtung des Beschlusses der Hauptversammlung der U, mit dem diese dem Verschmelzungsvertrag zugestimmt hatte, - jedenfalls auf entsprechende Rüge der Anfechtungskläger hin - berücksichtigt werden können und müssen und zur Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses geführt. Das Ergebnis wäre dann allerdings, dass erst die durch die Erhebung der Anfechtungsklage eintretende Verzögerung mit der Gefahr der Wertverschiebung zu ihrer Begründetheit führte.

3. Der Senat kann weder feststellen noch ausschließen, dass die unterschiedlichen Ausschüttungen der U und der Beklagten für das Geschäftsjahr 2005 eine Wertverschiebung zu Ungunsten der außenstehenden Aktionäre der U zur Folge hatte. Dies ist jedoch nicht das Ergebnis eines Handelns oder Unterlassens der Beklagten, sondern Konsequenz des Auseinanderfallens von Bewertungsstichtag und Eintragung der Verschmelzung. Eine praktische Möglichkeit, Wertverschiebungen der beteiligten Gesellschaften in diesem Zeitraum auszuschließen, kann der Senat nicht erkennen. Es bleibt deshalb nur die Möglichkeit, den Zeitraum zwischen Bewertungsstichtag und Eintragung der Verschmelzung möglichst zu begrenzen, um dadurch das Risiko von Wertverschiebungen zu minimieren. Dies liegt außerhalb des Einflussbereichs der beteiligten Gesellschaften; der hierfür zuständige Gesetzgeber hat aber in der Vergangenheit Anstrengungen in dieser Hinsicht unternommen, die auch zu Verbesserungen geführt haben (vgl. zu diesem Gesichtspunkt bereits, BGH, Urteil vom 19.04.2011 - II ZR 237/09 -, Rn 29 [Wella]).

4. Es kann dahinstehen, ob eine Verpflichtung bestanden hat, darauf hinzuweisen, dass eine Beibehaltung der bisherigen Dividenausschüttungen die Verschmelzungswertrelation beeinträchtigen kann. Die Verletzung einer solchen Verpflichtung hätte möglicherweise die Anfechtung des Verschmelzungsbeschlusses begründen können. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch lässt sich daraus aber unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ableiten.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Im Hinblick auf die erhebliche praktische Bedeutung der im Schrifttum umstrittenen und höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Frage, ob in einem Verschmelzungsvertrag Regelungen zur Vermeidung von Wertverschiebungen nach dem Verschmelzungsstichtag zu treffen sind, wird die Revision zugelasen.

V.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird für den Kläger zu 1) auf 3.538,06 € und für die Klägerin zu 2) auf 2.004,00 € festgesetzt.






OLG Köln:
Urteil v. 08.12.2011
Az: 18 U 217/11


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