Landgericht Arnsberg:
Urteil vom 19. Dezember 2000
Aktenzeichen: 5 S 191/00

(LG Arnsberg: Urteil v. 19.12.2000, Az.: 5 S 191/00)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird dass am 09.08.2000 verkündete Urteil des Amtsgerichts Brilon teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Kläger als gemein-schaftliche Gläubiger 1.180,30 nebst 4 % seit dem 08.06.2000 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen, die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen:

- die Kläger 70 % der Gerichtskosten, 70 % ihrer eigenen außer-gerichtlichen Auslagen, 40 % der außergerichtlichen Auslagen der Beklagten zu 1), ferner die außergerichtlichen des Beklag-ten zu 2);

- die Beklagte zu 1) 30 % der Gerichtskosten, 30 % der außerge-richtlichen Kosten der Kläger sowie 60 % ihrer eigenen außer-gerichtlichen Auslagen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger zu 40 %, die Beklagte zu 1) 60 %.

Gründe

Auf die zulässige Berufung der Beklagten zu 1) war das angefochtene Urteil teilweise in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang abzuändern. Die Kläger können von der Beklagten zu 1) Zahlung von 1.180,30 DM als Honorar in Höhe der Hälfte der Gebühren verlangen, die dem –vormaligen- Beklagten zu 2) bei alleiniger Tätigkeit zugestanden hätten.

1.

Der Beklagte zu 2) hat die Kläger aufgrund der ihm von der Beklagten zu 1) erteilten Prozeßvollmacht wirksam und in deren Namen mit der Wahrnehmung des Termins vor dem Arbeitsgericht in Untervollmacht beauftragt. Die dahingehende Feststellung im angefochtenen Urteil hat die Beklagte in ihrer am 07.09.2000 bei Gericht eingegangenen Berufungsbegründung (ohne Datum) ausdrücklich nicht in Zweifel gezogen. Angesichts der im Original zu den Akten gereichten Untervollmacht des vormaligen Beklagten zu 2) vom 02.03.2000 hat auch die Kammer an einer dahingehenden Beauftragung keine Zweifel. Soweit in der (ersten) Berufungsbegründung darauf hingewiesen wird, die Kläger könnten keine Gebühr abrechnen, da sie den Termin kollegialerweise und "nicht etwa in Gebührenteilung, Untervollmacht oder Vollmacht mit Gebührenrechnung” wahrgenommen hätten, widersprechen diese Ausführungen, was die erteilte Untervollmacht anbelangt, bereits dem tatsächlichen Geschehensablauf, ohne dass es auf die Plausibilität der vorgenommenen gebührenrechtlichen Unterscheidungen im Übrigen ankäme. Angesichts der ausdrücklich erteilten Untervollmacht kann daher auch nicht davon ausgegangen werden, was sonst allerdings durchaus nahegelegen hätte, dass allein der vormalige Beklagte zu 2) im eigenen Namen und eigenen Interesse die Kläger als seine Vertreter mit der Wahrnehmung des Termins beauftragt hätte und folglich deren alleiniger Gebührenschuldner wäre.

Die Kammer vermag auch nicht der Ansicht der Berufung zu folgen, die Beauftragung "kollegialiter” bzw. "kollegialerweise” bedeute nach allgemeinem Verständnis und allgemeiner Übung jedenfalls der Anwälte im Landgerichtsbezirk Arnsberg, dass die Erhebung von Gebühren unterbleibe. Die seitens der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten unter Beweisantritt geschilderten Gepflogenheiten und Umstände, unter denen bei der Beauftragung eines Kollegen oder einer Kollegin "kollegialerweise” eine unentgeltliche Tätigkeit erwartet werde, sind zu unterschiedlich, als dass daraus eine allgemeingültige Regel dahin abgeleitet werden könne, dass "kollegialerweise” immer mit "unentgeltlich” gleichzusetzen wäre. Auch der Kammer sind die häufigen wechselseitigen Hilfestellungen unter Anwälten durch Terminwahrnehmungen, das "Auftreten”, "Antragstellen für einen Kollegen” oder den infolge Anwaltszwangs für einen Kollegen erklärten Rechtsmittelverzicht durchaus bekannt. Dass derartige, häufig nicht sehr zeit- oder arbeitsaufwendige Tätigkeiten, die zudem nicht selten auch durch Vermittlung oder auf Veranlassung der Gerichte unter Kolleginnen und Kollegen übernommen werden, nicht gesondert vergütet werden, sondern bei anderer Gelegenheit durch ein "Einspringen” der jeweiligen Anwaltskollegen wieder ausgeglichen werden, liegt auf der Hand. Allein durch die Verwendung der Formulierung "kollegialerweise” oder "kollegialiter” drängt sich aber aus verständiger Sicht des Erklärungsempfängers diesem nicht auf, dass von ihm ein unentgeltliches Tätigwerden erwartet wird, da die Formulierung durchaus häufig auch nur als Höflichkeitsfloskel verwandt und so verstanden wird. Es ist vielmehr im Einzelfall anhand des konkret erteilten Auftrags unter Berücksichtigung des dabei erforderlichen Arbeits- und Zeitaufwandes und im Hinblick auf bereits früher ausgeführte Aufträge zu beurteilen, ob ernsthaft eine unentgeltliche oder entgeltliche Tätigkeit erwartet werden konnte, wobei Zweifel zu Lasten des Auftraggebers gehen. Vorliegend beschränkte sich die Tätigkeit des Klägers Rechtsanwalt Stamm nicht auf eine kurzfristige und kurzzeitige Wahrnehmung eines Verhandlungstermins. Diesem waren vielmehr zur Vorbereitung auf den Termin die Handakten –nebst Untervollmacht- übersandt worden. Im Termin wurde die Angelegenheit erörtert und nach Erörterung ein Vergleich geschlossen. Der –vormalige- Beklagte zu 2) als Vertreter der Beklagten zu 1), der, wie die Kammer aus eigener Erfahrung weiß, als Einzelanwalt recht häufig in Terminen durch Kolleginnen oder Kollegen vertreten wird, konnte daher bei Beauftragung der Kläger nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass diese unentgeltlich tätig werden würden, zumal dies unstreitig auch bei einer früheren Gelegenheit nicht der Fall war, während er selbst die erst durch die Tätigkeit der Kläger ausgelösten Erörterungs- und Vergleichsgebühr allein werde vereinnahmen können.

2.

Das Entstehen einer Verhandlungsgebühr für den vormaligen Beklagten zu 2) gem. § 33 Abs. 3 BRAGO sowie der Gebühren der Kläger als Unterbevollmächtigte gem. §§ 53, 31 Abs. 1 Nr. 4, 23 BRAGO setzt zudem voraus, dass ihnen die Vertretung in der mündlichen Verhandlung vom vormaligen Beklagten zu 2) im Einverständnis mit der Beklagten zu 1) erteilt worden ist. Dies ist jedoch schon nach eigenem Vortrag der Kläger nicht der Fall. Weder der Beklagte zu 2) noch die Kläger konnten davon ausgehen, dass die Beklagte zu 1) mit der Erteilung einer Untervollmacht einverstanden sein würde, soweit dadurch zusätzliche, d. h. über die durch Einschaltung nur eines Anwalts hinausgehende Kosten verursacht würden. Angesichts der geringen Entfernung von Meschede nach Olsberg war bei Beauftragung des Beklagten zu 2) nicht damit zu rechnen, dass dieser den Termin nicht selbst werde wahrnehmen können und einen Unterbevollmächtigten werde einschalten müssen. Beiden war vielmehr von Anfang an klar, dass die Beklagte zu 1) keinesfalls mit Mehrkosten belastet werden durfte und sollte, zumal die Rechtsschutzversicherung eine Übernahme dieser Kosten abgelehnt hätte. Allenfalls insoweit könnte, wenn überhaupt, von einem Einverständnis der Beklagten zu 1) mit Erteilung der Untervollmacht ausgegangen werden. Dies aber bedeutet, dass den Klägern und dem Beklagten zu 2) insgesamt lediglich Gebühren in Höhe einer Prozeß- Erörterungs- und Vergleichsgebühr von je 665,00 DM zzgl. der Auslagenpauschale von 40,00 DM sowie der gesetzl. Mehrwertsteuer zustehen, woraus sich der Gesamtbetrag von 2.360,60 DM entsprechend der ursprünglichen Kostenrechnung der Kläger vom 30.03.2000 ergibt. Eine zusätzliche halbe Prozeßgebühr gem. § 53 BRAGO neben der dem Beklagten zustehenden Prozeßgebühr ist daher ebensowenig angefallen wie eine zusätzliche halbe Verhandlungsgebühr für den Beklagten zu 2) gem. § 33 Abs. 3 BRAGO neben der gem. § 53 BRAGO für die Kläger entstandenen, da es hierfür an dem notwendigen Einverständnis der Beklagten zu 1) für die zusätzliche Kosten auslösende Übertragung der Vertretung in der mündlichen Verhandlung auf die Kläger fehlt.

Die Kammer ist des weiteren aufgrund der in der Vergangenheit zwischen den Klägern und dem Beklagten zu 2) unstreitig zu gleichen Bedingungen abgewickelten Mandatierung und aufgrund der von den Klägern zunächst an den Beklagten zu 2) erfolgten Kostenrechnung vom 30.03.2000 davon überzeugt, dass die Kläger selbst von einer hälftigen Gebührenteilung ausgegangen sind und auch der Beklagte mangels ausdrücklicher Vereinbarung der Unentgeltlichkeit allenfalls von einer Zahlungsverpflichtung der Beklagten zu 1) gegenüber den Klägern in Höhe der Hälfte der Gebühren ausgehen konnte und mußte.

Wenngleich eine Vereinbarung von Anwälten über eine hälftige Aufteilung der anfallenden Gebühren in der Regel keine Außenwirkung entfaltet und die gemeinsam vertretene Partei nicht dazu berechtigt, dem einen Anwalt mehr und dem anderen weniger als die Gebühren nach der BRAGO zu zahlen (vgl. Gerold/Schmidt/van Eicken/Madert, 14. Auflage, BRAGO, § 3, Rdnr. 49), führt dies vorliegend dennoch nicht zu einer höheren als der zuerkannten Forderung der Kläger. Den Klägern ist bekannt, dass der Beklagte zu 2) den vollen Gebührenbetrag seitens der Rechtsschutzversicherung bereits vereinnahmt hat. Es verstieße gegen das Gebot von Treu und Glauben, von der Beklagten zu 1) nunmehr Zahlung in Höhe von 2,5 Gebühren zu verlangen, obschon ihnen hiervon im Verhältnis zu Beklagten zu 2) lediglich 1,5 Gebühren zustehen. Da der Beklagte zu 2) schon mehr als das ihm im Innenverhältnis zustehende Honorar vereinnahmt hat, wären die Kläger auch nicht verpflichtet, an ihn die überschießende Gebühr auszukehren. Diese wäre vielmehr solgleich der Beklagten zu 1) zurückzuerstatten. Soweit der Beklagte zu 2) hingegen einen Teil des eigentlich den Klägern zustehenden Honorars vereinnahmt hat, stellt dies keine Zahlung an die Kläger dar. Der Beklagten zu 1) steht insoweit allenfalls ein Bereicherungs- oder Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 2) auf Rückzahlung des zuviel vereinnahmten Betrages zu.

Die weitergehende Klage war daher abzuweisen.

Der Zinsanspruch beruht auf § 291 ZPO. Die Nebenentscheidungen berhen auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.






LG Arnsberg:
Urteil v. 19.12.2000
Az: 5 S 191/00


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