Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 26. Oktober 2010
Aktenzeichen: 7 O 469/09

(LG Düsseldorf: Urteil v. 26.10.2010, Az.: 7 O 469/09)

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, die der Schufa Holding AG, Verbraucherservice-zentrum, Postfach 56 40, 30056 Hannover am 30.08.1999 übermittelten Daten des Klägers wegen einer Forderung zur Kontonummer oooooooooo mit einem Betrag von 59.923,00 € ebenso zu widerrufen wie alle im Zusammenhang mit der Kontonummer xxxxxxxxxx am 01.04.2005, 31.03.2006, 30.03.2007, 04.04.2008, 17.04.2009 und 01.04.2010 übermittelten Daten.

Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 255,79 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.02.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger ¾, die Beklagte trägt ¼.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 6.000,00 €, für die Beklagte in Höhe von 3.000,00 €.

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit der Klage den Widerruf seiner von der Beklagten an die Schufa Holding weitergeleiteten persönlichen Daten.

Der Kläger verfügte über ein Girokonto bei der Beklagten und schloss mit dieser im Jahr 1999 einen Darlehensvertrag über 113.787,34 DM. Bereits im November 1999 kam es zu Zahlungsrückständen des Darlehens, woraufhin die Beklagte den Darlehensvertrag am 12.09.2000 bei einem Zahlungsrückstand des Klägers von 117.334,00 DM kündigte. Die Übermittlung der Daten an die Schufa erfolgte auf der Grundlage der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten. Art und Umfang der noch bestehenden Einträge ergibt sich aus Anlage K 1, Bl. 5 ff GA. Der Kläger hat mit Schreiben vom 02.10.2009 die Beklagte aufgefordert, die Einträge löschen zu lassen. Hierauf erfolgte keine Reaktion.

Der Kläger begründet sein Begehren wiefolgt: Die Weiterleitung seiner persönlichen Daten an die Schufa widerspreche § 28 BDSG, da die Beklagte zum einen die nach dieser Norm erforderliche Interessenabwägung nicht durchgeführt und er zum anderen den Debetsaldo des Girokontos Nr. xxxxxxxxxx bereits 2003 zurückgeführt habe. Die Commerzbank W. habe auf der Grundlage der Schufa-Eintragungen einen von ihm begehrten Kredit über 20.000,00 € zum Erwerb einer Immobilie abgelehnt. Auch andere Banken seien auf Grund der Eintragung nicht bereit gewesen, ihm einen Kredit zu gewähren.

Er beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die der Schufa Holding AG, Verbraucherservicezentrum, Postfach 56 40, 30056 Hannover übermittelten Daten des Klägers wegen einer Forderung der Beklagten, die mit der Kontonummer 0000000000 am 30.08.1999 mit einem Betrag von 59.923,00 €, am 30.03.2007 mit einem Betrag von 73.087,00 €, am 04.04.2008 mit einem Betrag von 73.201,00 €, am 17.04.2009 mit einem Betrag in Höhe von 72.657,00 € und am 01.04.2010 mit einem Betrag in Höhe von 38.106,00 € beziffert wurde, zu widerrufen,

darüber hinaus die Beklagte zu verurteilen, die mit der Kontonummer xxxxxxxxxx die am 01.04.2005 mit einem Betrag in Höhe von 1.421,00 €, am 31.03.2006 mit einem Betrag in Höhe von 1.488,00 €, am 30.03.2007 mit einem Betrag in Höhe von 1.562,00 €, am 04.04.2008 mit einem Betrag in Höhe von 1.649,00 €, am 17.04.2009 mit einem Betrag in Höhe von 1.735,00 € und am 01.04.2010 mit einem Betrag in Höhe von 1.067,€ beziffert wurde, zu widerrufen,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Verzugsschaden in Höhe von 1.023,16 € nebst 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, es handele sich nicht um eine unzulässige Weiterleitung von Daten, da die bei der Schufa AG gespeicherten Daten inhaltlich richtig seien.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist teilweise wegen der Eintragungen in Bezug auf das Girokonto und die Eintragung vom 30.08.1999 im Zusammenhang mit dem Abschluss des Darlehensvertrags begründet, im Übrigen unbegründet.

1.

Der Anspruch auf Widerruf der im Zusammenhang mit dem Debetsaldo auf dem Girokonto des Klägers bei der Schufa gespeicherten Daten ergibt sich aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG. Bei der Vorschrift des § 28 BDSG handelt es sich um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (OLG Frankfurt, ZIP 2005, 654, zitiert nach juris Rn. 27).

Die Beklagte war seinerzeit nicht zur Datenübermittlung befugt. Die Datenübermittlung ist zu Unrecht erfolgt, da die darlegungs- und beweispflichtige Beklagte (vgl. OLG Frankfurt, NJW-RR 2008, 1228, zitiert nach juris Rn. 13) nicht vorgetragen hat, dass der Kläger hierzu zum einen wirksam seine Einwilligung nach § 4a BDSG erklärt hat oder die Übermittlung durch § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BDSG gedeckt war.

Die Beklagte hat schon nicht dargelegt, dass der Kläger wie es § 4a BDSG vorsieht in die Weiterleitung der Daten bezüglich des Girokontos eingewilligt hat. Die zu den Akten gelangte formularmäßige Einwilligung des Klägers bezieht sich lediglich auf den Darlehensvertrag vom 30.08.1999 (Bl. 58 und 60 GA). Unabhängig davon hat die Beklagte trotz der gerichtlichen Hinweises in der Sitzung vom 14.09.2010 auch nicht dargelegt, dass sie in Bezug auf die Weiterleitung der Daten betreffend den Girovertrag die nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BDSG erforderliche Interessenabwägung vor der Übermittlung vorgenommen hat. Danach hat die zu übermittelnde Stelle in jedem Einzelfall nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine Abwägung zwischen ihren berechtigten Interessen bzw. des in Betracht kommenden Dritten oder der Allgemeinheit auf der einen Seite und den schutzwürdigen Belangen des betroffenden Kunden auf der anderen Seite vorzunehmen, bevor die die Daten übermittelt (AG Potsdam, 22 C 30/05, zitiert nach juris Rn. 18; OLG Düsseldorf, MDR 2007, 836, zitiert nach juris Rn. 8).

2.

Diese Erwägungen gelten grundsätzlich auch für die im Zusammenhang mit dem Abschluss des Darlehensvertrag der Schufa übermittelten Daten. Zwar liegt insoweit eine formularmäßige Einwilligung vor, die Beklagte hat aber auch in dem nachgelassenen Schriftsatz nicht dargelegt, dass sie vor der Übermittlung der Daten am 30.08.1999 unmittelbar nach Vertragsschluss eine Interessenabwägung vorgenommen hat. Die Ausführungen des Schriftsatzes vom 08.10.2010 erschöpfen sich in der nach Kündigung des Darlehenvertrags und Titulierung der Forderung durchgeführten Interessenabwägung.

Ob diese Interessenabwägung tatsächlich wie von der Beklagten geschildert in Bezug auf die Eintragungen nach Kündigung des Darlehens duchgeführt worden ist, kann jedoch dahinstehen, da das Abwägungsgebot in bestimmten Fällen eine Datenübermittlung nicht ausschließt, weil den für die Datenübermittlung sprechenden berechtigten Interessen ein solches Gewicht zukommt, dass die Belange des Betroffenen demgegenüber zurücktreten müssen. In solchen Fällen ist im Einzelfall zu prüfen, welches Gewicht den berechtigten Interessen an der Datenübermittlung zukommt und inwieweit die Übermittlung schutzwürdiger Belange des Betroffenen berührt und welcher Wert diesen Belangen zukommt (AG Postdam, a.a.O., Rn. 18).

Die insofern gebotene Interessenabwägung führt im vorliegenden Fall nicht zur Unzulässigkeit der Datenübermittlung soweit sie nach der Kündigung des Darlehens erfolgt ist. Bei der Übermittlung von Negativdaten an die Schufa ist zwischen "harten" und "weichen" Negativmerkmalen zu unterscheiden. Bei "weichen" Negativmerkmalen wie z.B. einer Kreditkündigung ist durch eine Interessenabwägung im Einzelfall zu entscheiden, ob die Datenübermittlung zulässig ist. Als zulässig gilt sie auch in einem solchen Fall insbesondere dann, wenn das Kreditinstitut sich im Einzelfall vergewissert hat, dass das Verhalten des Kunden auf Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit beruht. Das Interesse der Vertragspartner der Schufa, von der Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsunwilligkeit Kenntnis zu nehmen, überwiegt das Interesse des Kunden an der Geheimhaltung der Negativdaten. Vorrangig ist in diesen Fällen das Interesse des Geschäftsverkehrs an Informationen über zahlungsunfähige bzw. zahlungsunwillige Kunden Hat sich der Bankkunde gegenüber dem Kreditinstitut vertragswidrig verhalten, so handelt dieser missbräuchlich, wenn er verlangt, dass das Kreditinstitut trotz dieses Verhaltens keine Daten an die Schufa weitergibt. Es besteht ein berechtigtes Interesse der Kreditinstitute an der Funktionsfähigkeit eines übergeordneten Kreditssicherungssystems, wie es die Schufa darstellt. Die Schufa könnte ihrer Aufagbe als Informationssystem im Interesse der Kreditinstitute der gewerblichen Wirtschaft in diesen Fällen nicht mehr nachkommen (OLG Frankfurt, ZIP 2005, 654, zitiert nach juris Rn. 28, 30).

Nimmt man im vorliegenden Fall eine solche Abwägung vor, ergibt sich, dass der Geschäftsverkehr ein weit überwiegendes Interesse an Informationen über zahlungsunwillige oder zahlungsunfähige Kreditnehmer hat. Auf der anderen Seite ist nicht zu verkennen, dass die Meldung an die Schufa für den Kläger Nachteile mit sich bringt, wenn es ihm nicht gelingt, von einer anderen Bank einen Kredit zu erhalten. In Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger unstreitig schon wenige Monate nach Aufnahme des Darlehens nicht in der Lage war, die Raten aufzubringen und auch in den zurückliegenden 11 Jahren seit der Aufnahme das Darlehen nicht zurückgeführt hat, überwiegen die Interessen der Beklagtenseite soweit die Eintragungen den Zeitraum nach Kündigung des Darlehens betreffen. Insofern unterscheidet sich der Sachverhalt von den Eintragungen bezüglich des Girokontos.

Der Kläger selbst hat vorgetragen, dass nach Abschluss des Darlehensvertrages Ende August 1999 es schon im November 1999 zu Zahlungsrückständen des Darlehens über eine Kreditsumme von 113.787,34 DM (= 58.178,54 €) gekommen ist. Der Darlehenvertrag wurde von der Beklagten am 12.09.2000 bei einem Zahlungsrückstand des Klägers von 117.334,00 DM gekündigt.

3.

Der Anspruch auf Zahlung vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltsgebühren ergibt sich in Höhe des Obsiegens des Klägers aus dem Gesichtspunkt des Verzuges

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO

Für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf den nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 08.10.2010 bestand keine Veranlassung.

Streitwert: 20.000,00 €






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