Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Juli 2007
Aktenzeichen: 33 W (pat) 45/06

(BPatG: Beschluss v. 24.07.2007, Az.: 33 W (pat) 45/06)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 4. Februar 2005 die Wortmarke AGIL für nachfolgende Dienstleistungen angemeldet worden:

"Klasse 35:

Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Veranstaltung von Messen und Ausstelllungen, soweit in Klasse 35 enthalten; Überlassung von Außendienstmitarbeitern; Arbeitnehmerüberlassung auf Zeit; Aufstellung von Statistiken; Buchführung; Durchführung von Auktionen und Versteigerungen, insbesondere im Internet; Ermittlung in Geschäftsangelegenheiten; Marketing; Marktforschung und Marktanalyse; Meinungsforschung; Produktmanagement; Schaufensterdekoration; Unternehmensberatung; Organisationsberatung; betriebswirtschaftliche Beratung; Personalberatung; Vermietung von Büromaschinen und -einrichtungen; Vermittlung und Abschluss von Handelsgeschäften für andere; Vermittlung von Verträgen über Anschaffung und Veräußerung von Waren; Verteilung von Waren zu Werbezwecken; Vervielfältigung von Dokumenten; Rundfunk-, Fernseh-, Kino- und Internetwerbung; Werbemittlung; Vermittlung von Verkäufen und deren Abrechnung (Online-Shopping) in Computernetzwerken und/oder vermittels anderer Vertriebskanäle; Dienstleistungen zur Realisierung der Präsenz anderer in digitalen Netzen, insbesondere Werbung und Marketing für Dritte in digitalen Netzen (Webvertising); Vermittlung und Abschluss von Handelsgeschäften, auch im Rahmen von ecommerce; Führung eines Einzelhandelsunternehmens.

Klasse 38:

Nachrichtenwesen und Telekommunikation; Bereitstellen von Nachrichten, Daten und sonstigen Informationen in Computernetzwerken, insbesondere im Internet, Übermittlung von Nachrichten aller Art in Ton, Schrift und Bild, Vermietung von Telekommunikationseinrichtungen, Betreiben eines Tele-Shopping-Kanals, Betreiben eines Internet-Shopping-Kanals, Ausstrahlung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen, Ton- und Bildübertragung durch Satelliten; Bereitstellen von Internetzugängen; Bereitstellung von Plattformen im Internet; Bereitstellung von Portalen im Internet; Betrieb von Chatlines. Chatrooms und Foren; Weiterleiten von Nachrichten aller Art an Internet-Adressen (Web-Messaging).

Klasse 41:

Erziehung und Unterhaltung; Ausbildung; Durchführung von Seminaren, Schulungen, Kommunikationstraining; Weiterbildung; Erstellen von Seminar-Konzepten und Seminarunterlagen; Fernkurse; Büchervermietung; Vermietung von Zeitschriften; Veranstaltung von Messen und Ausstellungen, soweit in Klasse 41 enthalten; Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften."

Die Markenstelle für Klasse 35 hat die Anmeldung durch Formalbeschlüsse vom 4. November 2005 und 24. Februar 2006, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, vollständig gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG wegen Fehlens der Unterscheidungskraft und Bestehens eines Freihaltungsbedürfnisses zurückgewiesen. Unter Verweis auf den Beanstandungsbescheid vom 23. August 2005 hat sie darin ausgeführt, dass die angemeldete Bezeichnung die Bedeutungen "flink", "gewandt", "beweglich" bzw. "regsam" oder "flexibel" aufweise. Damit bringe sie zum Ausdruck, dass die beanspruchten Dienstleistungen der Steigerung der Flexibilität und Beweglichkeit dienen oder von agilen Personen vermittelt würden. Damit stelle das Zeichen einen Hinweis auf Art, Inhalt und Zielsetzung der Tätigkeiten dar. Auch würden die Abnehmer davon ausgehen, dass die Dienstleistungen selbst flexibel und universell einsatzfähig seien sowie die Agilität, also die Flexibilität und Wandlungsfähigkeit unternehmerischer Prozesse, steigern würden. Über die Schutzfähigkeit könne auch ohne die als erforderlich angesehene Klärung des Dienstleistungsverzeichnisses entschieden werden.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der kein bestimmter Antrag verbunden ist. Zur Begründung wird vorgetragen, dass die Verwendung der Anmeldemarke als Adjektiv in den vorab vom Senat übersandten Unterlagen nichts über das Fehlen ihrer Unterscheidungskraft und das Bestehen eines Freihaltungsbedürfnisses aussage. Sofern auf den Gebrauch in der allgemeinen deutschen Sprache abgestellt werde, könne praktisch jedes lexikalisch nachweisbare Wort nicht als Marke eingetragen werden. Auch könne nicht belegt werden, dass es sich bei "AGIL" um eine anpreisenden, werbemäßig hervorgehobenen und schlagwortartigen Begriff handele. Die beanspruchte Bezeichnung gehöre damit offensichtlich nicht zu den allgemeinen Werbeangaben. Zudem werde sie in den übersandten Belegen teilweise markenmäßig oder als Unternehmenskennzeichen eingesetzt. Damit sei die gegenständliche Marke dem Markenschutz zugänglich.

Der Senat hat den Anmelder vorab über die Bedenken wegen der Erfolgsaussichten der Beschwerde unterrichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.

1. Die Anmeldemarke ist nicht ausreichend unterscheidungskräftig, so dass ihrer Eintragung das Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegensteht.

Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Dienstleistungen, zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsabnehmer der Dienstleistungen abzustellen ist. Kann einer Wortmarke ein für die fraglichen Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden oder handelt es sich sonst um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so ergibt sich daraus ein tatsächlicher Anhalt dafür, dass ihr jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice).

a) Das gegenständliche Zeichen weist verschiedene Bedeutungen auf. So stellt es beispielsweise als Bestandteil des Begriffs "AGIL-Schema" ein Kürzel für die englischsprachigen Worte "Adaptation", "Goal Attainment", "Integration" und "Latency" dar. Damit werden systematisch die Grundfunktionen beschrieben, die jedes System zur Selbsterhaltung erfüllen muss (vgl. "Wikipedia" unter "http://de.wikipedia.org/wiki/AGIL"). Auch als Abkürzung für "Alternativ-Grünen-Initiativen-Liste" wird "AGIL" verwendet (vgl. "Wortschatz Universität Leipzig" unter "http://wortschatz.informatik.unileipzig.de/"). Darüber hinaus kommt die Anmeldemarke unabhängig von Groß- oder Kleinschreibung in Firmennamen vor (vgl. "Wortschatz Universität Leipzig", a. a. O.: "Agil Postvertriebs GmbH" oder "AGIL Industriemontagen GmbH"). Es handelt sich hierbei jedoch nicht um geläufige Bedeutungen. Der Großteil des Verkehrs wird die Anmeldemarke in erster Linie mit dem allgemein bekannten deutschen Wort "agil" gleichsetzen. Selbst wenn sie für ein Adjektiv oder Adverb ungewöhnliche Großbuchstaben aufweist, so sind doch die Buchstabenfolgen als solche vollkommen identisch. Zudem lehnen sich viele "AGIL"-Abkürzungen bewusst an das Wort "agil" an, um von dem mit ihm verbundenen positiven Sinngehalt zu profitieren (vgl. "Google-Trefferliste" unter "http://www.google.de/search€hl=de&q=AGIL&btnG=Google-Suche&meta=cr%-3Dco...").

Das Wort "agil" ist im Deutschen ein Synonym u. a. für "flink", "wendig" oder "beweglich" (vgl. Duden, Rechtschreibung der Deutschen Sprache, 21. Auflage, Seite 99; "Duden" unter "http://www.dudensuche.de/suche/trefferliste.php€suche=einfach&treffer_pro_seite=10&modus=title&level=125&senden=suchen&such..."). Davon abgeleitet gibt es weitere Bedeutungen wie "geschickt", "lebhaft", "unruhig" (vgl. "Wortschatz Universität Leipzig", a. a. O.) oder "dynamisch" bzw. "biegsam" (vgl. "Wie sagt man noch€" unter "http://www.wiesagtmannoch.de/synonyme"). Allgemein wird unter dem Begriff "agil" die körperliche oder geistige Wendigkeit oder Flinkheit verstanden (vgl. "Wikipedia" unter "http://de.wikipedia.org/wiki/Agil").

b) In dem eben genannten Sinn wird das Wort vornehmlich im Verkehr verwendet. Zum einen werden mit "agil" Eigenschaften von Gegenständen, insbesondere von Autos, beschrieben:

- "Die Touren-Gipfel scheut die Maschine nicht, sie zeigt sich drehfreudig und agil, ..." (vgl "FAZ.NET" unter "http://www.faz.net/s/Rub1DABC609A05048D997A5-F315BF55A001/Doc~ED412A0..."),

- "Kurze Überhänge lassen ein Auto sportlich und agil erscheinen." (vgl. "SPIEGEL ONLINE" unter "http://www.spiegel.de/auto/aktuell/0,1518,-441813,00.html") und - "Nicht ganz so agil wie die Elektro-Versionen dürfte die Diesel-Variante sein: ..." (vgl. "Süddeutsche Zeitung" vom 3. November 1999, Seite V2/5).

Aber auch in Zusammenhang mit Personen wird - wie nachfolgende Belege zeigen - das Wort "agil" eingesetzt:

- "Trochowski war enorm agil, ... ." (vgl. "SPIELGEL ONLINE" unter "http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,441394,00.html"),

- "Die ... Dokumente für die Jahre 1959 bis 1961 zeigen den Alten denn auch durchweg agil, ja jugendfrisch." (vgl. "FAZ.NET" unter "http://www.faz.net/s-/RubCB85F279145C457C8259D20FF00682A9/Doc~E3EDBEA...") oder - "An Land war er agil, dachte schnell und bewegte sich schnell." (vgl. "SPIEGEL ONLINE" unter "http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,435167,00.html").

Schließlich wird "agil" auch ganz allgemein als Umschreibung für "flink" und "wendig" gebraucht:

- "Doch die französische Politik war wirtschaftlich schon immer äußerst agil." (vgl. "SPIEGEL ONLINE" unter "http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,467-824,00.html"),

- "Ihre oft gescholtenen Mittelständler erwiesen sich auch auf fernen Märkten als ausgesprochen agil." (vgl. "Süddeutsche Zeitung" vom 13. Oktober 1995, Seite 19) und - "Jetzt aber müssten Teilstreitkräfte agil, global und aufeinander abgestimmt reagieren." (vgl "Süddeutsche Zeitung" vom 30. Juni 2005, Seite 9).

c) Unter Berücksichtigung dieser Bedeutungen weist die Anmeldemarke - wie die Markenstelle bereits zutreffend ausgeführt hat - zum einen in werbeüblicher Weise auf die Art der Erbringung der beanspruchten Dienstleistungen hin. Es zeichnet jede Tätigkeit aus, wenn sie flexibel und flink ausgeübt wird. Gerade heutzutage kommt es darauf an, auf sich verändernde Anforderungen angemessen zu reagieren und das weitere Vorgehen an die neuen Verhältnisse anzupassen. Auch ist in besonderer Weise Schnelligkeit gefragt, da ein größerer Zeitaufwand auch mit höheren Kosten verbunden ist. Zum anderen vermittelt die Bezeichnung "AGIL" die ebenfalls von der Markenstelle angesprochene Vorstellung, die beanspruchten Dienstleistungen führen zu mehr Flexibilität und Beweglichkeit desjenigen, der sie in Anspruch nimmt. Er kann sich somit schneller und besser auf neue Situationen einstellen. Insofern stellt das angemeldete Zeichen auch eine Bestimmungsangabe dar.

Bei dem gegenständlichen Zeichen handelt es sich somit um einen gebräuchlichen Begriff der deutschen Sprache, der mit einem positiven Sinngehalt verbunden ist. Er überträgt sich auf die beanspruchten Dienstleistungen, so dass die Bezeichnung "AGIL" nicht den Eindruck eines betrieblichen Unterscheidungsmittels erweckt. Selbst wenn mit dem Beschwerdeführer davon ausgegangen wird, dass die angemeldete Marke kein Werbeschlagwort darstellt, so werden mit ihr doch relevante Eigenschaften der Tätigkeiten benannt. Insofern liegt eine beschreibende Angabe vor. Im Übrigen stellt die Frage, ob und inwieweit die Marke für die Präsentation der betroffenen Dienstleistungen verwendet wird oder werden kann, kein für die Auslegung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG maßgebliches Kriterium dar (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Auflage, § 8, Rdnr. 89).

Auch die Verwendung von Großbuchstaben in der Anmeldemarke begründet nicht ihre Unterscheidungskraft, da der Verkehr an grammatikalisch fehlerhaft gebildete, aber gleichwohl verständliche Sachaussagen gewöhnt ist (vgl. BGH GRUR 2001, 1151 - marktfrisch). Gerade der sprachregelwidrige Gebrauch von Groß- und Kleinschreibung kommt in der Praxis häufiger vor. Schließlich sprechen die verschiedenen Bedeutungen und Verwendungen der gegenständlichen Bezeichnung, insbesondere auch als Kennzeichen, nicht für die Annahme der Unterscheidungskraft, denn die angesprochenen Verkehrskreise können der Marke eine eindeutig beschreibende Aussage ohne weiteres entnehmen (vgl. hierzu Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8, Rdnr. 57).

2. Inwieweit die Anmeldemarke auch dem Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unterliegt, kann demzufolge dahingestellt bleiben.

Die Beschwerde war folglich zurückzuweisen.






BPatG:
Beschluss v. 24.07.2007
Az: 33 W (pat) 45/06


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