Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Februar 2004
Aktenzeichen: 28 W (pat) 90/03

(BPatG: Beschluss v. 25.02.2004, Az.: 28 W (pat) 90/03)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

In das Markenregister eingetragen wurde unter der Rollennummer 300 03 412 die Marke Cargo-MAXX als Kennzeichnung unter anderem für die Waren:

Klasse 12: Fahrzeuge und Apparate zur Beförderung auf dem Lande, Nutzfahrzeugaufbauten und Nutzfahrzeuganhänger, einschließlich LKW-Anhänger, Sattelanhänger.

Der Antrag auf Eintragung ist am 19. Januar 2000 eingegangen.

Die Inhaberin der rangälteren, seit dem 30. Juni 1983 eingetragenen Marke 1 050 304 Cargobullhat hiergegen Widerspruch erhoben. Diese Marke ist eingetragen für die Waren Klasse 12: Lastkraftwagen und Lastkraftwagenanhänger aller Art sowie deren Teile (soweit in Klasse 12 enthalten).

Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts hat eine Verwechslungsgefahr verneint, denn die Marken hielten auch bei identischen Waren einen ausreichenden Abstand zueinander ein. Der Markenbestandteil "Cargo-" sei wegen seines beschreibenden Hinweises auf "Fracht, Ladung, Last" kennzeichnungsschwach, so dass die Unterschiede der beiden Marken im übrigen für ein deutliches Auseinanderhalten der Marken ausreichten.

Zusammen mit diesem Beschluss vom 31. Januar 2003 hat die Markenstelle der unterlegenen Widersprechenden einen Schriftsatz der Markeninhaberin vom 14. März 2001 übersandt, worin diese Ausführungen zur Kennzeichnungsschwäche des Wortes "Cargo" gemacht hat, denen sich die Markenstelle auch angeschlossen hat. Vorher jedoch, bereits am 24. Mai 2002, hat die Markenstelle der Widersprechenden auf deren Sachstandsanfrage hin mitgeteilt, dass in den nächsten drei Monaten mit einer Entscheidung zu rechnen sei. Dieser Mitteilung ist der Schriftsatz der Widersprechenden nicht beigefügt worden.

Die Widersprechende hat gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt. Sie nimmt einen erhöhten Schutzumfang für ihre Marke in Anspruch, denn sie sei Marktführerin im Bereich von Fahrzeugaufbauten. Die Marken seien zwar nicht unmittelbar, aber ihrem Sinn nach verwechselbar, denn "Maxx" und "Bull" würden als Hinweis auf "Größe, Stärke" verstanden, so dass zusammen mit dem übereinstimmenden "Cargo" eine begriffliche Verwechslungsgefahr vorliege. Zudem besitze sie eine Markenserie mit zwei weiteren "Cargo-" Marken.

Die Markeninhaberin bestreitet eine Benutzung dieser Markenserie und hält im übrigen den Bestandteil "Cargo" wegen seines beschreibenden Hinweises als ungeeignet für den Stamm einer solchen Serie. Es fehle auch an einer rechtlich relevanten Übereinstimmung der Marken in begrifflicher Hinsicht, denn erst nach einer komplizierten analysierenden Betrachtung könne eine assoziative Verbindung zwischen "MAXX" und "bull" hergestellt werden.

Wegen weitere Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§ 66 Abs 1 und Abs 2 MarkenG), hat in der Sache aber keinen Erfolg.

1. Die Markenstelle hat den Schriftsatz der Markeninhaberin vom 14. März 2001 der Widersprechenden erst nahezu zwei Jahre später und erst nach Erlass des Beschlusses zur Kenntnis gebracht, obwohl es sich dabei um die ersten und einzigen Ausführungen der Markeninhaberin zur Sache gehandelt hat. Sachliche Gründe dem Gegner einen solchen Schriftsatz bewusst vorzuenthalten - anders kann das Verhalten der Markenstelle nicht gedeutet werden, denn sie hat die Widersprechende in der Zwischenzeit ja ausführlich über den Stand des Verfahrens informiert - sind nicht ersichtlich. Ein solches Vorgehen schränkt die Rechte des jeweiligen Verfahrensbeteiligten auf Information und sachgerechte Beteiligung an einem behördlichen Verfahren erheblich ein, denn schon der allgemeine Rechtsstaatsgedanke gebietet es, dass der Einzelne vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommt, um Einfluss auf das Verfahren nehmen zu können. Dies kann er wirksam aber nur dann tun, wenn ihm alle bei der Entscheidung vorliegenden Schriftsätze des Gegners auch zur Kenntnis gebracht werden (st Rspr zB BverfG, NJW 2002, 1334; Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl. § 59 Rdz 26, 27). Hierauf hat er auch einen durch die Verfassung geschützten Anspruch (§ 59 Abs 2 MarkenG, Art 103 Abs 1 GG). In Einzelfällen mag es gerechtfertigt sein, einen Schriftsatz erst zusammen mit dem Beschluss zu übermitteln; zB dann, wenn die Sach- und Rechtslage von allen Beteiligten bereits ausführlich erörtert ist und der betreffende Schriftsatz sich nur auf Wiederholungen beschränkt. Das Einbehalten eines Schriftsatzes über einen Zeitraum von mehreren Jahren ist durch nichts gerechtfertigt. Allein die unverzügliche Übersendung jedes Schriftsatzes an den Gegner gewährleistet die Durchführung eines den rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechenden Verfahrens.

Von einer Zurückverweisung wurde abgesehen, denn diese würde das Verfahren verzögern und liegt nicht im Interesse der durch den Verfahrensfehler betroffenen Widersprechenden.

2. Zwischen den Marken besteht keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Rechtsfrage, ob Verwechslungsgefahr vorliegt, erfordert eine Gewichtung der Faktoren Warenidentität oder -ähnlichkeit, Markenidentität oder -ähnlichkeit und Kennzeichnungskraft der älteren Marke in dem Sinn, dass der höhere Grad einer der Faktoren durch den niederen Grad eines anderen Faktors ausgeglichen werden kann (st. Rspr zB BGH MarkenR 2003, 388 - AntiVir/AntiVirus).

Im vorliegenden Fall ist in Teilbereichen eine Warenidentität nicht auszuschließen, so dass zunächst ein deutlicher Markenabstand notwendig ist. Der Widersprechenden steht jedoch - entgegen ihrer Ansicht - kein erhöhter Schutzumfang wegen einer erhöhten Kennzeichnungskraft ihrer Marke zu, denn eine solche ist zum einen nicht substantiiert vorgetragen (die bloße Behauptung einer Markenführerposition genügt hierfür nicht) und zum anderen von der Markeninhaberin bestritten.

Die jüngere Marke Cargo-MAXX tangiert die Widerspruchsmarke Cargobull nicht in ihren Rechten. Von der Markenstelle zutreffend ausgeführt und von der Widersprechenden auch nicht in Abrede gestellt ist der Umstand, dass die Widersprechende aus dem Wortbestandteil "Cargo-" allein keine Rechte herleiten kann, denn dieser ist als Bezeichnung von "Fracht, Ladung" für die Waren der Widersprechenden unmittelbar beschreibend und damit freihaltebedürftig (vgl BGH aaO - AntiVir/AntiVirus, WRP 2003, 1431 - Kinder). Nur wenn die übrigen Bestandteile auch eine Nähe aufweisen, kann ein solch beschreibender Teil bei der Gegenüberstellung mit herangezogen werden. Das liegt hier bei "-MAXX" und "-bull" in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht aber keinesfalls vor. Entgegen der Ansicht der Widersprechenden haben diese Markenteile aber auch nicht eine derart große begriffliche Nähe, dass man sie aus der Erinnerung heraus verwechseln könnte. Für eine solche begriffliche Verwechslungsgefahr müssen deutliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass trotz der Unterschiede in Klang und Schrift die eine Marke für die andere gehalten werden kann. Das liegt nur dann vor, wenn sich die Verbindung der Markenworte gleichsam aufdrängt, zB weil beide Marken dieselbe oder unmittelbar naheliegende Aussagegehalte haben oder weil sie in eben derselben Weise gebildet sind (vgl BGH GRUR 1999, 735 - MONOFLAM/ POLYFLAM). Wenn sich jedoch wie hier erst nach mehreren Gedankenschritten und Überlegungen Gemeinsamkeiten der Marken feststellen lassen, so genügt das für eine Verwechslungsgefahr in begrifflicher Hinsicht nicht. Während MAXX unmittelbar für "groß und stark", heißt "bull" in erster Linie "Bulle" und erst bei den Gedanken an dessen Aussehen kann man an "bullig" und "groß und stark" denken.

Auch eine gedankliche Verwechslungsgefahr wegen einer Markenserie der Widersprechenden liegt nicht vor. Zum einen ist nur eine der vorgetragenen Marken prioritätsjünger (CARGOcom), zum anderen ist deren Benutzung bestritten. Aus nicht benutzten Marken aber kann keine Gewöhnung des Verkehrs dergestalt entstehen, dass er beim Antreffen der jüngeren Marke an die ihm bekannte Markenserie der Widersprechenden denkt. Zudem ist der beschreibende Markenteil "Cargo-" als Stammbestandteil einer Markenserie ungeeignet.

Die Beschwerde hat deshalb keinen Erfolg.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, § 71 Abs 1 Satz 2 Markengesetz.

Von einer Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach § 66 Abs 5 Satz 2 MarkenG wurde abgesehen. Zwar rechtfertigt ein Verfahrensfehler regelmäßig eine derartige Entscheidung, die Widersprechende hat sich jedoch nicht darauf berufen.

Stoppel Paetzold Schwarz-Angele Ko






BPatG:
Beschluss v. 25.02.2004
Az: 28 W (pat) 90/03


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