Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. September 2006
Aktenzeichen: 27 W (pat) 19/06

(BPatG: Beschluss v. 12.09.2006, Az.: 27 W (pat) 19/06)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 25 vom 5. Juli 2005 und vom 29. Dezember 2005 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit den im Tenor genannten Beschlüssen die Anmeldung der für

"Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Klasse 18: Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren;

Klasse 35: Werbung, Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten"

als Bildmarke beanspruchten Darstellung Grafiknach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG als nicht unterscheidungskräftige Angabe teilweise zurückgewiesen, nämlich für:

"Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute und Felle; Schuhwaren; Werbung, Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten".

Zur Begründung ist im Erstbeschluss u. a. ausgeführt, dass die angemeldete Darstellung als Positionsmarke nur Gestaltungselemente aufweise, die zum gestalterischen Standard zählten und daher ihre Funktion, die beanspruchten Waren einem bestimmten Betrieb zuzuordnen, nicht erfüllen könne. Die Frage eines Freihaltungsbedürfnisses könne bei dieser Sachlage dahinstehen.

Der Anmelder hat seine dagegen eingelegte Erinnerung vor allem damit begründet, dass seiner Ansicht nach das angemeldete Zeichen das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft aufweise. "Vorsorglich" hat er eine Beschreibung eingereicht, aus der sich ergeben soll, dass es sich um eine Aufmachungs- oder Positionsmarke für Sportschuhe handeln solle, bei denen eine Gestaltung im Sinne der angemeldeten Marke vom Verkehr als Herstellerkennzeichnung verstanden werde.

Gegen den die Erinnerung - unter Berufung u. a. auf die Senatsentscheidung "Streifen am Sportschuh" (27 W (pat) 371/03) - zurückweisenden Beschluss richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er sein Begehren auf Eintragung der angemeldeten Marke weiterverfolgt.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg, weil entgegen der Auffassung der Markenstelle der angemeldeten zweidimensionalen Darstellung das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG letztlich nicht abgesprochen werden kann.

1. Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH MarkenR 2003, 187, 190 [Rdn. 41] - Gabelstapler, WRP 2002, 924, 930 [Rdn. 35] - Philips/Remington) und des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH GRUR 2000, 502, 503 - St. Pauli Girl; GRUR 2000, 720, 721 - Unter Uns) die Eignung einer Marke, vom durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605 - Libertel; GRUR 2004, 943, 944 - SAT. 2) als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Trotz des grundsätzlich gebotenen großzügigen Maßstabs (st. Rspr., vgl. BGH, GRUR 1995, 408 [409] - PROTECH; BGH GRUR 2001, 413, 415 - SWATCH) fehlt einer Kennzeichnung die Unterscheidungskraft stets dann, wenn die angesprochenen Verkehrskreise in ihr keinen Hinweis auf die Herkunft der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen sehen, was etwa bei einem für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1153 - marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 - City-Service; BGH, GRUR 2001, 162, 163 m. w. N. - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION) oder bei Werbeaussagen allgemeiner Art (vgl. BGH MarkenR 2000, 262, 263 - Unter uns; WRP 2000, 298, 299 - Radio von hier; WRP 2000, 300, 301 - Partner with the best; GRUR 2001, 1047, 1048 - LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER; GRUR 2001, 735, 736 - Test it; GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft) der Fall ist. Diese Grundsätze gelten auch für ein als Marke angemeldetes Bildzeichen, das nur dann nicht mehr unterscheidungskräftig ist, wenn es die im Warenverzeichnis genannten Waren naturgetreu bildlich wiedergibt (BGH WRP 1997, 755 - Autofelge; WRP 1999, 526 - Etiketten, mit weiteren Nachw.) oder wenn es sich bei ihm um eine einfache geometrische Form oder ein sonstiges einfaches graphisches Element handelt, und eine solche Gestaltung - wie dem Verkehr aus Erfahrung bekannt ist - in der Werbung, auf der Ware, ihrer Verpackung oder auf Geschäftsbriefen üblicherweise in bloß ornamentaler, schmückender Form verwendet wird (vgl. BGH GRUR 2000, 502, 503 - St. Pauli Girl; GRUR 2001, 734, 735 - Jeanshosentasche; HABM Mitt. 2001, 273, 275 - M-förmige Steppnähte). Nach diesen Grundsätzen verfügt das hier in Rede stehende Bildzeichen über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft.

2. Entgegen der Auffassung der Markenstelle kann die Unterscheidungskraft der vorliegend als Bildmarke angemeldeten Darstellung nicht mit der Begründung verneint werden, bei der darin wiedergegebenen naturgetreuen Abbildung eines Sportschuhs, die ergänzt ist durch ein graphisches Element in Form von vier parallel angeordneten schrägen schwarzen Streifen, welches über die dargestellte Seitenfläche des Schuhs gelegt ist, handele es sich um eine Positionsmarke, die entsprechend der zitierten Senatsentscheidung üblich und nicht schutzfähig wäre. Der Anmelder hat zwar in seiner Erinnerungsbegründung "vorsorglich" dargelegt, wie seiner Auffassung nach die angemeldete Marke zu verstehen sein bzw. letztlich verwendet werden solle, doch ist dies für die Beurteilung der hier in Rede stehenden Bildmarke nicht von Bedeutung.

Der Prüfung, ob eine Kennzeichnung vom Verkehr als warenbeschreibend oder als einfaches Ornament, nicht aber als Herkunftshinweis angesehen wird, sind zwar alle möglichen Verwendungen zugrundezulegen, die bei markenmäßigen Kennzeichnungen üblich sind. Dabei ist aber zu beachten, dass Art und Weise einer Verwendung als Marke nicht bei allen Markenformen gleich sind. So sind etwa die Möglichkeiten zur Kennzeichnung einer Ware mit einer Positions- oder Aufmachungsmarke ganz erheblich gegenüber denjenigen bei Wort- oder Bildmarken eingeschränkt. Um erstere geht es hier aber nicht, wie sich schon aus der Tatsache ergibt, dass die vom Anmelder vorgetragene mögliche Verwendung seiner graphischen Gestaltungsidee als "Streifen, die auf der Oberseite des Schuhs angebracht" sind, sich bei den anderen von den zurückweisenden Beschlüssen betroffenen angemeldeten Waren schwerlich verwirklichen ließe. Beispielsweise bei Sonnenschirmen lassen sich nicht Streifen "auf der Oberseite des Schuhs" anbringen.

Da es somit ausgeschlossen ist, dass die angemeldete Bildmarke einer dreidimensionalen Gestaltung im Sinne einer Positionsmarke gleichzusetzen ist, kommt bei ihr als Verwendung in Zusammenhang mit Waren, die - wie die hier in Rede stehenden - nur in dreidimensionaler Form denkbar sind, ebenso wie bei der Kennzeichnung der beanspruchten Dienstleistungen - etwa durch Briefpapier oder Werbematerialien - nur ihre zweidimensionale Wiedergabe, etwa als aufgedrucktes Bild, in Betracht.

Die vom Anmelder in der Erinnerungsbegründung dargestellte Ausstattung von Schuhen hat mit der angemeldeten Bildmarke nichts zu tun. Sie stellt insbesondere keine Verwendung der Anmeldemarke dar. Selbst wenn das angesprochene Publikum hierin eine kennzeichenmäßige Verwendung sehen sollte - was nach den insoweit zutreffenden Feststellungen der Markenstelle durchaus fraglich ist -, würde jedenfalls eine solche unter Weglassung des Schuhs auf die Streifen beschränkte Wiedergabe den kennzeichnenden Charakter der hier in Rede stehenden Bildmarke erheblich i. S. d. § 26 Abs. 3 MarkenG verändern, so dass eine solche Verwendung nicht mehr als mit der zu beurteilenden Bildmarke identisch angesehen werden würde. Die als solche hinsichtlich ihrer Kennzeichnungsfunktion zu beurteilende Bildmarke darf deshalb nicht anhand der Kennzeichnungsfunktion beurteilt werden, die dem abgebildeten Gegenstand zukommen oder nicht zukommen mag.

Vorliegend sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Verkehr die angemeldete Bildmarke als eine reine Wiedergabe der beanspruchten Waren ansehen würde. Dies gilt ohne weiteres für alle Waren, die nicht Schuhwaren sind, ebenso aber auch für Schuhe. Wenn solche mit der angemeldeten Abbildung versehen sind, wird der Verkehr darin nicht einen bloßen Sachhinweis dergestalt sehen, dass es sich bei den so gekennzeichneten Schuhen um Schuhe handelt. Es ist dem Senat keine Übung von Anbietern in diesem Warensegment bekannt, auf Schuhwaren eine Abbildung von Schuhen anzubringen, um diese als Schuhe zu kennzeichnen. Es ist bei der hier beanspruchten Marke zwar nicht ausgeschlossen, dass sie den angesprochenen Verkehrskreisen - dies ist vorliegend wegen der Art der beanspruchten Waren die Allgemeinheit - nicht nur in Form eines üblichen Etiketts, sondern auch insoweit als Bestandteil der beanspruchten Waren entgegentritt, als es etwa auf Häuten und Fellen aufgedruckt oder auf Lederwaren aufgeprägt werden kann. In diesen Fällen hat der Verkehr aber dennoch aus den vorgenannten Gründen keine Veranlassung, das angemeldete Bildzeichen als bloße bildliche, die beanspruchten Waren beschreibende Darstellung anzusehen. Mangels anderer Anhaltspunkte wird das angesprochene Publikum die angemeldete Darstellung eines Sportschuhs mit dem graphischen Element der schwarzen Parallelbalken folglich als ein Kennzeichen ansehen, mit dem der Anbieter der so gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen auf deren Herkunft aus seinem Unternehmen aufmerksam machen will. Damit ist die markenrechtliche Unterscheidungskraft gegeben.

3. Da nach alledem auch nicht erkennbar ist, dass die Anmeldemarke zugunsten von Mitbewerbern i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG freizuhalten wäre, war der ihr die Eintragung versagende Beschluss der Markenstelle auf die Beschwerde der Anmelderin aufzuheben.

4. Zur Frage der Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke für die mit der Anmeldung weiterhin beanspruchten Waren "Bekleidung" und "Kopfbedeckungen" hat die Markenstelle eine Entscheidung noch nicht getroffen.






BPatG:
Beschluss v. 12.09.2006
Az: 27 W (pat) 19/06


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