Landgericht Hamburg:
Urteil vom 18. März 2005
Aktenzeichen: 308 O 390/04

(LG Hamburg: Urteil v. 18.03.2005, Az.: 308 O 390/04)

Tenor

I. Die Beklagte wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,- Euro, Ordnungshaft höchstens zwei Jahre),

verboten,

Melodien und/oder Werkteile des Musikwerks "In the Shadows I." der Kläger zu 1) und zu 2) als Handyklingelton zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen bzw. öffentlich zugänglich zu machen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen und/oder solche Handlungen anzukündigen, feilzuhalten, anzubieten bzw. zu bewerben.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 25.000,00 vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Berechtigung der Beklagten, ein Musikwerk als Ruftonmelodie, im allgemeinen Sprachgebrauch bekannt als Handyklingelton, nutzen zu dürfen.

Die Kläger zu 1) und zu 2) sind Miturheber des Musikwerks "In the Shadow I.". Beide sind durch Berechtigungsverträge mit der Wahrnehmungsgesellschaft N. in Dänemark, welche die Aufführungsrechte wahrnimmt, und der T. in Finnland, welche die Vervielfältigungsrechte wahrnimmt, verbunden. Die Verlagsrechte an dem Werk haben sie, unter Ausnahme des Territoriums von Finnland, mit Vertrag vom 30.10.2003 (Anlage K 3) der Klägerin zu 3) übertragen; danach ist die Klägerin zu 3) auch berechtigt, Rechte zur Nutzung als Ruftontonmelodie zu vergeben und auch Verletzungen selbst geltend zu machen. Mit Erklärungen vom 30.11.2004 haben Kläger zu 1) und 2) die Klägerin zu 3) zur gerichtlichen Rechtewahrnehmung für den Bereich Ruftonmelodien ermächtigt und die Bevollmächtigung ihrer Prozessbevollmächtigten bestätigt. Die Klägerin zu 3) hat das Werk bei der GEMA angemeldet.

Eine Originalversion des Musikwerks liegt (als Anlage ASt. 1 in der Sache 308 O 236/04, einem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren) in der Interpretation der Künstlergruppe "The Rasmus" vor, die das Werk bekannt machte und zu Plazierungen in den Charts führte.

Das Werk wurde von der in der Schweiz S. ansässigen Beklagten über die Internetadresse www.....de als Handyruftonmelodie in einer monotonen und polyphonen Darbietung zum Anhören und zum entgeltlichen Download angeboten. Die Kläger sehen sich dadurch in ihren Rechten verletzt.

Die Beklagte leitet ihre Berechtigung zu einer solchen Nutzung aus einem Vertrag mit der S. ab (Anlage K 18). Die S. weist unter Ziffer 4.4. des Vertrages darauf hin, dass Ansprüche von ausländischen Verlegern und Urheberrechtsgesellschaften nicht ausgeschlossen werden können, und dass sie für Nutzungshandlungen außerhalb der Schweiz als Geschäftsführerin für ihre Schwesterngesellschaften tätig wird. Unter Ziffer 5 weist die S. darauf hin, dass sie nicht über die Rechte zur Bearbeitung von Musikwerken verfügt; die Bearbeitungs- und Persönlichkeitsrechte der Urheber blieben vorbehalten. Weiter heißt es:

"Jede Bewilligung der S. steht unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass alle betroffenen Rechtsinhaber der Verwendung der Musik als MPRT zustimmen"

( MPRT = mobile phone ringing tones).

Die Kläger sind der Auffassung, den Wahrnehmungsgesellschaften sei mit den Berechtigungsverträgen bei der Nutzung als Ruftonmelodie nur das Recht der Vervielfältigung, Verbreitung und Aufführung des Originalwerks übertragen worden, nicht aber das dem Urheberpersönlichkeitsrecht zuzuordnende Recht der Bearbeitung des Werks zu einem Rufton. Das sei bei der N. und der T. nicht anders als bei der GEMA..

Die GEMA vergibt, das ist unstreitig, die Rechte zur Nutzung von Werken als Ruftonmelodie in ihren Rahmenverträgen (Anlage K 14) nur zweistufig. Sie vergibt selbst (unter § 4) die erforderlichen mechanischen Rechte und als Aufführungsrecht das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung. Daneben verweist sie (in § 6) auf das Erfordernis, sich auch der Rechte der Urheber zu vergewissern, wenn das Urheberper-sönlichkeitsrecht tangiert wird, und regelt das Verfahren in einer Protokollnotiz zu § 6 (Anlage K 15).

Die Kläger sehen in dem Vergabeverfahren der S. auch eine solche Zweistufigkeit. Sie machen weiter geltend, die geltenden Repertoireaustauschverträge zwischen den Wahrnehmungsgesellschaften hätten zudem nur das mechanische Vervielfältigungsrecht sowie das Aufführungs- und Senderecht zum Gegenstand; nicht aber die streitgegenständliche Online-Auswertung. Das Santiago-Abkommen und das Barcelona-Abkommen seien noch nicht in Kraft. Eine mit Einwilligung eines Urhebers bereits veröffentlichte Ruftonmelodie falle nicht in das Repertoire einer Wahrnehmungsgesellschaft mit der Folge des Lizenzierungsanspruchs über den Abschlusszwang. Im Übrigen gebiete es die Nachhaltigkeit der Umgestaltung eines Musikwerks zu einem Rufton, dass jede Version einer Genehmigung des Urhebers bedürfe.

Die Kläger beantragen,

der Beklagten bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,- Euro, Ordnungshaft höchstens zwei Jahre),

zu verbieten,

Melodien und/oder Werkteile des Musikwerks "In the Shadows I." der Kläger zu 1) und zu 2) als Handyklingelton zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen bzw. öffentlich zugänglich zu machen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen und/oder solche Handlungen anzukündigen, feilzuhalten, anzubieten bzw. zu bewerben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte stellt die Aktivlegitimation der Klägerin zu 3) in Abrede. Sie beanstandet, dass der Klageantrag zu weit gefasst sei, weil damit jegliche Nutzung des Werks als Ruftonmelodie verboten sei.

Die Beklagte macht geltend, die Wahrnehmungsgesellschaften seien durch Repertoire-Austauschverträge verbunden, aufgrund derer die S. auch über die Rechte der GEMA verfüge. Die wechselseitige Rechtsübertragung für die hier streitige Nutzung folge aus dem Santiago- und dem Barcelona-Abkommen. Da der GEMA im Berechtigungsvertrag das Recht zur Nutzung der von ihr vertretenen Werke als Ruftonmelodie zustehe, was begrifflich das Recht zu den üblicherweise damit verbundenen Änderungen beinhalte, ohne dass es der Einschränkungen im Rahmenvertrag bedürfte, könne die S. dieses Recht auch uneingeschränkt weiter lizenzieren. Der Vorbehalt beträfe nur Fälle, in denen der Rufton aus dem Üblichen herausfalle.

Die Beklagte ist der Auffassung, das zweistufige Lizenzierungsverfahren der GEMA behindere den freien Warenverkehr in Europa.

Die Beklagte macht weiter geltend, die Kläger hätten zuvor anderen Anbietern bereits eine Ruftonnutzung zugestanden, die veröffentlicht worden seien. Damit falle die Ruftonversion in das Repertoire der GEMA und sie habe, wie jedermann, einen Anspruch auf entsprechende Lizenzierung, die durch den Vertrag mit der S. auch erfolgt sei. Ihr Rufton entspräche dem genehmigten vorveröffentlichten Rufton.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen und des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 01.12.2004 verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Denn die Kläger haben einen sich aus § 97 Abs. 1 UrhG ergebenden Anspruch auf Unterlassung der Nutzung des Werks des Kläger zu 1) und zu 2) als Ruftonmelodie.

I. Die Komposition "In the shadows I." ist jedenfalls bei Anlegung des Maßstabs der kleinen Münze ein Werk der Musik im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 UrhG. Das wird auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt.

II. Die Kläger zu 1) und zu 2) sind als Miturheber berechtigt, einen Unterlassungsanspruch wegen einer widerrechtlichen Umgestaltung und Nutzung seiner Komposition geltend zu machen. Die Klägerin zu 3) ist daneben als gewillkürte Prozessstandschafterin in gleicher Weise berechtigt; sie ist von den Klägern zu 1) und 2) dazu ermächtigt worden und hat als Verlag ein eigenes berechtigtes Interesse.

III. Die beanstandete Nutzung des Ruftons, die eine Vervielfältigung (§ 16 UrhG) und ein öffentliches Zugänglichmachen (§ 19 a UrhG) eines unerlaubt umgestalteten Werks (§§ 14, 23 UrhG) darstellt, ist widerrechtlich. Denn der Beklagten ist dazu kein Recht eingeräumt worden.

1. Es fehlt schon an einer Darlegung der Beklagten dazu, dass die Kläger zu 1) und 2) der N. und der T. überhaupt das Recht zur Nutzung ihres Musikwerks als Ruftonmelodie eingeräumt haben und gegebenenfalls mit welchem konkreten Inhalt. Die Werkanmeldung bei der GEMA ändert nichts daran, dass für den Umfang der Wahrnehmungsbefugnis allein der Berechtigungsvertrag maßgeblich ist. Damit liegt bereits am Beginn der Rechtekette, aus der die Beklagte ihre Berechtigung herleiten will, ein Mangel vor, der zu ihren Lasten geht.

2. Sofern die Beklagte dahingehend verstanden werden will, sie mache sich den Vortrag der Kläger zu eigen, die Rechtsübertragung und rechtliche Behandlung der Nutzungsart Ruftonmelodie sei bei der N. und der T. nicht anders als bei der GEMA, führt das auch nicht zu einer Berechtigung der Beklagten.

a) Denn der GEMA ist im Berechtigungsvertrag mit dem Recht zur Nutzung des Werks "als Ruftonmelodie" nicht das Recht eingeräumt worden, Dritten auch die Umgestaltung des Werks zu einer Ruftonmelodie zu gestatten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das zweistufige Lizenzierungsverfahren der GEMA aus urheberpersönlichkeitsrechtlichen Erwägungen unabdingbar ist (vgl. Hertin, KUR 2004, 101 ff). Entscheidend ist allein, dass die Urheber und die GEMA als Parteien des Berechtigungsvertrages davon ausgehen, dass der GEMA mit dem Berechtigungsvertrag nur die Vervielfältigungs- und Aufführungsrechte übertragen worden sind, nicht aber auch das Recht zur Umgestaltung des Werks zu einem Rufton, und dass beide weiter davon ausgehen, dass die Nutzung als Rufton unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Urhebers steht. Sind sich aber die Vertragsparteien über einen solchen Vertragsinhalt einig, ist dieser Vertrag keiner abweichenden Auslegung zugänglich. Das wird von der Beklagten und der für sie streitenden Literatur (vgl. Poll, MMR 2004, 67 ff) verkannt. Dieses Vertragsverständnis folgt für die GEMA ohne weiteres aus dem GEMA-Brief vom August 2002 und aus dem tatsächlichen Lizenzierungsverfahren. Steht danach aber bereits der GEMA nicht das Recht zu, das Musikwerk zu einem Rufton umzugestalten, konnte auch die S. ein solches Recht nicht von der GEMA ableiten und entsprechende lizenzieren. Abgesehen davon vertrat ersichtlich auch die S. nicht die Auffassung, ein solches Recht zu haben und die Antragsgegnerin entsprechend zu lizenzieren. Das folgt aus dem Vorbehalt unter den Ziffern 4.4 und 5 ihres Vertrages mit der Antragsgegnerin und den von den Antragstellern (als Anlagen K 19 und 20) vorgelegten Stellungnahmen der S. vom 10.02. und 15.06.2004.

b) Ein Nutzungsrecht der Beklagten ergibt sich auch nicht daraus, dass das Musikwerk der Kläger zu 1) und 2) zuvor bereits mit deren Einwilligung als Ruftonmelodie veröffentlicht worden ist. Dabei bedarf es hier keiner Beantwortung der Frage, ob die GEMA generell nur das Recht am Originalwerk wahrnimmt (so wohl BGH GRUR 1998, 376, 379 - "Coverversion"), oder ob sie nach einer vom Urheber gestatteten Veröffentlichung einer Ruftonversion auch die Rechte an dieser Version wahrnimmt, wie es in der Literatur für eine Coverversion bejaht wird (Hertin in Festschrift für Wilhelm Nordemann, S. 35, 39 f), und dann auch insoweit ein Abschlusszwang besteht. Denn die oben dargestellte Vereinbarung zwischen den Urhebern und der GEMA zur Rechtewahrnehmung bei einer Ruftonnutzung beschränkt den Vorbehalt der Zustimmung des Urhebers ersichtlich nicht auf eine erstmalige Nutzung, sondern auch auf Folgenutzungen. Nur das wird zudem nach Auffassung der Kammer auch den besonderen Interessen der Urheber bei dieser Art der Nutzung ihres Werkes gerecht, bei der, anders als bei einer Coverversion, durch die Reduzierung auf einen Signalton regelmäßig nachhaltig in das Urheberpersönlichkeitsrecht eingegriffen wird, und die einer Merchandisingnutzung näher kommt als einer Werknutzung, wie sie sonst von der GEMA lizensiert wird. Darin ändert auch der Gesichtspunkt nichts, dass es auch um beachtliche wirtschaftliche Interessen der Urheber geht, die sich die Zustimmung gesondert lizenzieren lassen. Der für jeden Fall der Nutzung vereinbarte Zustimmungsvorbehalt wirkt sich daher auch hier aus. Ein Anspruch auf Lizenzierung einer Coverversion eines Klingeltons besteht nicht. Damit deckt auch der Vertrag der Beklagten mit der S., die ihre Rechte von der N. und der T. ableitet, die bei den vorstehenden Ausführungen der GEMA gleichgesetzt worden sind, eine solche Nutzung nicht ab.

3. Ob und inwieweit die für die streitgegenständliche Nutzung maßgeblichen Abkommen von Barcelona und Santiago bereits zwischen der GEMA und der S. gilt, kann nach den vorstehenden Ausführungen dahingestellt bleiben. Nach Aktenlage scheinen sich die GEMA und die S. unabhängig davon und von der im Hinblick auf das EG-Kartellverbot (Art. 181 EGV) erfolgten Vorlage des Santiago-Abkommens bei der EG-Kommission zur Erlangung eines Negativattests gem. Art. 2 und 4 der VO Nr. 17 über eine Lizenzierung durch die S. einig zu sein.

4. Das zweistufige Lizenzierungsverfahren behindert nicht den freien Warenverkehr in der Europäischen Gemeinschaft. Es bleibt der den Wahrnehmungsgesellschaften und den Urhebern unbenommen, den Umfang der Rechtseinräumung zu bestimmen. Wenn in Folge dessen ein solches Verfahren erforderlich ist, verstößt dieses auch nicht gegen europäisches Recht.

5. Da nach den vorstehenden Ausführungen derzeit kein Anspruch der Beklagten besteht, das Musikwerk als Ruftonmelodie zu nutzen, ist auch der insoweit diese gesamte Nutzungsart umfassende Tenor nicht zu beanstanden.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Antragsmodifizierung - öffentliches Zugänglichmachen anstelle eines Verbreitens - diente nur der Klarstellung. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.






LG Hamburg:
Urteil v. 18.03.2005
Az: 308 O 390/04


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