Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Juli 2000
Aktenzeichen: 27 W (pat) 147/99

(BPatG: Beschluss v. 11.07.2000, Az.: 27 W (pat) 147/99)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Darstellungsiehe Abb. 1 am Endeist als Anmeldemarke für verschiedene Waren der Klassen 25, 3, 18 und 28, "Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Sportbekleidungsstücke, Sportschuhe", eingetragen.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der Marken (1) IR 574 123 siehe Abb. 2 am Ende

(2) IR 631 550 "NO-EXCESS"

und (3) IR 609 132 Die (ua) jeweils Schutz für "vêtements, chaussures, chapellerie" genießen.

Die Markenstelle für Klasse 25 des Patentamts hat die Widersprüche durch einen Beamten des höheren Dienstes wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, daß auch beim Anlegen strengster Maßstäbe (dh bei Berücksichtigung möglicher Warengleichheit und erhöhter Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, die allerdings nicht dargetan sei) der Abstand der Vergleichsmarken für ein sicheres Auseinanderhalten ausreiche. Grundsätzlich sei bei einem Zeichenvergleich auf den Gesamteindruck der Marken abzustellen; insoweit seien mit keiner der Widerspruchsmarken Verwechslungen zu befürchten, weil sich die Anmeldemarke klanglich, bildlich und auch begrifflich deutlich von allen unterscheide. Aber auch der Umstand, daß das regelmäßig wie "exes" gesprochene jüngere Markenwort mit dem Bestandteil "EXCESS" der Widerspruchsmarken (1) und (2) in klanglicher Hinsicht gewisse Übereinstimmungen aufweise, mache diese Marken nicht verwechselbar. Es seien keine Gründe dafür ersichtlich, daß der Verkehr bei den älteren Marken in diesem Bestandteil eine eigenständige betriebliche Herkunftsfunktion sehe, weshalb er die Marken auch nicht allein präge. Es handle sich dabei schließlich um einen typischen und gebräuchlichen Werbebegriff auf dem hier einschlägigen Warengebiet, mit dem das Image und Trendbewußtsein bestimmter Zielgruppen angesprochen werden solle. Hieraus ergebe sich ein enger Schutzumfang der älteren Marken. Das gelte auch für die Widerspruchsmarke (3), die mit dem Wort "EXCESSIVE" ebenfalls nur ein übliches Werbeschlagwort enthalte, weshalb sich ihr Schutzumfang auf die eintragungsbegründende graphische Eigenprägung beschränke. Insoweit sei eine Verwechslungsgefahr schon aus Rechtsgründen zu verneinen.

Gegen diesen Beschluß hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt. Nach ihrer Meinung ist die Anmeldemarke mit allen Gegenmarken verwechselbar. Die Markenstelle gehe von falschen Voraussetzungen aus, wenn sie annehme, daß "EXCESS" auf dem einschlägigen Warengebiet eine konkret beschreibende Angabe sei. Sie habe dies nicht nur nicht belegt; vielmehr zeigten auch Eintragungen dieses Begriffes sowohl im nationalen als auch im internationalen Bereich das Gegenteil. Auch nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes könne dem Wort "EXCESS" die Schutzfähigkeit nicht abgesprochen werden. Jedenfalls im Bereich der Warengleichheit, wo strenge Maßstäbe anzulegen seien, müsse mit Verwechslungen der Vergleichsmarken gerechnet werden. Die Widerspruchsmarken (1) und (2) würden durch das sonach hinreichend phantasievolle Wort "EXCESS" geprägt, das betriebskennzeichnende Wirkung entfalte. Die Hinzufügung des Wortes "NO" vermittle, da es sich lediglich um die Verneinungsform handle, keinen neuen Sinngehalt und präge die Marken nicht. Aber selbst wenn man es bei einem Zeichenvergleich berücksichtige, trete es nur klangschwach in Erscheinung und könne Verwechslungen nicht verhindern. Auch hinsichtlich der Widerspruchsmarke (3) sei von einem normalen Schutzumfang auszugehen, der sich nicht auf die graphische Ausgestaltung beschränke. Die Abweichungen der Vergleichswörter seien so gering, daß sie bei erhöhter Flüchtigkeit nicht auseinanderzuhalten seien. Hinzu komme, daß "EXCESSIVE" das entsprechende Adjektiv zu "EXCESS" sei, was erst recht zu Verwechslungen führen müsse (da auch zwischen Wörtern wie "Glück" und "glücklich", "Frost" und "frostig" eine Verwechslungsgefahr nicht ernsthaft verneint werden könne). Im übrigen seien die Vergleichsmarken letztlich auch schriftbildlich zu verwechseln.

Die Markeninhaberin ist dem entgegengetreten. Sie weist zunächst darauf hin, daß die Wörter "EXCESS" und "EXCESSIVE" als werbeübliche und beschreibende Angaben auf dem einschlägigen Warensektor schutzunfähig seien, so daß hieraus ohnehin keine Rechte hergeleitet werden könnten. Den Widerspruchsmarken (1) und (2) könne nur in ihrer Gesamtheit Schutz zukommen, so daß bei einem Zeichenvergleich auch lediglich von der Gesamtwortfolge "NO-EXCESS" ausgegangen werden könne. Daraus werde aber deutlich, daß eine Verwechslungsgefahr in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht nicht vorliege. Ähnlich sei die Lage bei der Widerspruchsmarke (3): Auch hier sei der Wortbestandteil "EXCESSIVE" von Haus aus schutzunfähig. Ansonsten reichten aber auch in diesem Fall die Unterschiede der Vergleichsmarken in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht für ein sicheres Auseinanderhalten aus.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen II.

Die Beschwerde mußte in der Sache ohne Erfolg bleiben, da die einander gegenüberstehenden Marken nicht verwechselbar im Sinne des Markengesetzes (§ 9 Abs 1 Nr 2) sind.

Auch wenn man zugunsten der Widersprechenden (deren Widersprüche sich gegen alle Waren der Anmeldemarke richten) wegen einer (teilweise) möglichen Warengleichheit strenge Maßstäbe bei einem Zeichenvergleich anlegt, sind Verwechslungen nicht zu erwarten.

Wegen des deutlich unterschiedlichen Aussehens der Vergleichsmarken scheiden bildliche Verwechslungen von vornherein aus. Allerdings ist generell davon auszugehen, daß die Anmeldemarke phonetisch wie "exes" (ekses) in Erscheinung tritt, weil diese Benennungsmöglichkeit trotz des seitenverkehrten Anfangsbuchstabens naheliegt. Dennoch sind weder klangliche noch begriffliche noch gar assoziative Verwechslungen zu befürchten.

Bei den Widerspruchsmarken (1) und (2) besteht kein Grund zu der Annahme, der Verkehr könne sich vielleicht lediglich an deren Bestandteil "EXCESS" orientieren und die Marken damit benennen. Zum einen erscheinen bereits die Wörter "NO-EXCESS" (wegen des Bindestrichs) zusammengehörig, was bei der Widerspruchsmarke (1) noch deutlich durch die graphische Gestaltung und einheitliche Schrift unterstrichen wird. Hinzukommt, daß auch die Übersetzung dieses Begriffes richtig lauten muß "Nicht-Exzeß", "NichtÜbertreibung", "NichtÜbermaß" (also - wegen des Bindestrichs - insgesamt substantivisch sein muß) und auch insoweit eher einen zusammengehörigen Begriff suggeriert, der sich natürlich - da das genaue Gegenteil - gravierend von dem Begriffsgehalt des Wortes "EXCESS" unterscheidet. Wer diesen Begriffsgehalt erfaßt, hat also keine Veranlassung, die Widerspruchsmarke auf den zweiten Bestandteil zu verkürzen bzw darin das einzig Prägende der Marke zu sehen. Ein solcher Anlaß entfällt natürlich aber auch (erst recht) wenn jemand gar keine Vorstellung von dem Sinngehalt haben sollte. Andererseits reicht - nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl zB MarkenR 2000, 20, 21 "Rausch/Elfi Rauch") - eine lediglich mitprägende Wirkung grundsätzlich nicht einmal bei mehrgliedrigen Marken aus, um die weiteren Bestandteile bei der Beurteilung des Gesamteindrucks und der Verwechslungsgefahr in den Hintergrund treten zu lassen, weshalb ihnen eine selbständig kollisionsbegründende Wirkung generell nicht zugesprochen werden kann. Weiter kommt im vorliegenden Fall aber hinzu, daß es sich bei dem Begriff "EXCESS" auf dem einschlägigen Warengebiet der Textilien um eine (ungeachtet der Frage ihrer markenrechtlichen Schutzfähigkeit) jedenfalls äußerst kennzeichnungsschwache Angabe handelt. In einem die Widerspruchsmarke (1) betreffenden Schutzentziehungsverfahren hatte die Antragstellerin Material vorgelegt, aus dem sich ergibt, daß das Wort "Exzeß" im Zusammenhang mit Mode durchaus in beschreibendem Sinn Verwendung findet. Dieses Wort bedeutet ja nicht nur einen "Exzeß" im üblichen Sinn, sondern kann auch - gerade in der Werbesprache - ganz allgemein für "Übermaß", "Übertreibung" (also etwa für eine "überzogene", "schrille" Mode) stehen. Die Markenabteilung hatte damals der Widerspruchsmarke den Schutz nicht entzogen, weil sie ungeachtet des beschreibenden Gehalts von "EXCESS" jedenfalls die Wortfolge "NO-EXCESS" und erst recht die graphische Gestaltung der Marke für schutzfähig hielt. All dem ist zu entnehmen, daß das Wort "EXCESS" - wenn überhaupt schutzfähig, was trotz einiger Eintragungen zweifelhaft ist - sich auch wegen eines naheliegenden beschreibenden Gehalts jedenfalls nicht als kennzeichnungsmäßiger Schwerpunkt der Widerspruchsmarken (1) und (2) anbietet und somit hier nicht kollisionsbegründend wirken kann. Damit scheiden nicht nur klangliche, sondern auch begriffliche und vor allem assoziative Verwechslungen aus, die - als Ausnahmefall - gerade einen besonders kennzeichnungskräftigen Bestandteil voraussetzen (vgl zB Althammer/Ströbele, Markengesetz, 5. Aufl, § 9 Rn 181, 182). Für begriffliche und assoziative Verwechslungen ist aber auch deshalb kein Raum, weil das (Phantasie-)Wort "EXES", das man in der Anmeldemarke sehen kann, mit dem (Sinn-)Wort "EXCESS" in keiner Weise begrifflich gleichgesetzt werden kann und sich von ihm auch in der Schreibweise deutlich unterscheidet.

Entsprechendes gilt auch für die Widerspruchsmarke (3), die in ihrem Bestandteil "EXCESSIVE" (der ja eine enge klangliche Ähnlichkeit mit dem deutschen "exzessiv" besitzt) erst recht eine beschreibende Angabe aufweist. Dies hat im Schutzerteilungsverfahren für diese Marke die Markenstelle auch ausführlich dargelegt - was der Widersprechenden bekannt ist -, wobei die Erinnerung damals nur Erfolg hatte wegen der bildlichen Ausgestaltung der Marke. Im Grunde bedeutet dies, wie auch von der Markenstelle richtig ausgeführt, daß aus dem Bestandteil "EXCESSIVE" bereits aus Rechtsgründen keine Verbietungsrechte hergeleitet werden können. Aber selbst wenn man zugunsten der Widersprechenden davon ausgehen wollte, daß aufgrund einer in manchen Bereichen großzügiger gewordenen Rechtsprechung zur absoluten Schutzfähigkeit diesem Wort nunmehr - im Zeitpunkt über die Entscheidung des Widerspruchs (vgl zB aaO Rn 21) - eine Schutzfähigkeit nicht mehr gänzlich abgesprochen werden könnte, würde dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Zum einen hätte es nur zur Folge, daß "EXCESSIVE" als Markenwort mit äußerst geringem Schutzumfang anzusehen wäre; zum anderen sind die Wörter "EXES" und "EXCESSIVE" wegen ihrer deutlichen klanglichen und schriftbildlichen Unterschiede nicht zu verwechseln, zumal - vgl oben - das erstere mit dem Begriffswort "Exzeß" nicht gleichgestellt werden kann.

Die Beschwerde war zurückzuweisen.

Wegen der Kosten wird auf MarkenG § 71 Abs 1 verwiesen.

Hellebrand Friehe-Wich Albert Wf Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/27W(pat)147-99.1.3.gif Abb. 2 http://agora/bpatgkollision/docs/27W(pat)147-99.2.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 11.07.2000
Az: 27 W (pat) 147/99


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/dbb589cbff46/BPatG_Beschluss_vom_11-Juli-2000_Az_27-W-pat-147-99




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share