Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Februar 2011
Aktenzeichen: 19 W (pat) 14/08

(BPatG: Beschluss v. 23.02.2011, Az.: 19 W (pat) 14/08)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In dieser Gerichtsentscheidung des Bundespatentgerichts wird ein Beschluss der Prüfungsstelle des Deutschen Patent- und Markenamts aufgehoben und ein Patent erteilt. Die Anmeldung betrifft ein dezentrales Antriebssystem mit einer Steuereinrichtung und steckbaren Frequenzumrichtermodulen, die mittels eines Bussystems miteinander verbunden sind. In der geltenden Patentanspruch 1 wird ein steckbares Speichermodul beschrieben, in dem neben dem Parametersatz auch die Steckplatzadresse des Frequenzumrichtermoduls als Kennung abgespeichert ist. Dadurch wird verhindert, dass Speichermodule vertauscht werden können. Der Patentanspruch ist neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Entscheidung hebt den Beschluss der Prüfungsstelle auf und erteilt das Patent gemäß den eingereichten Unterlagen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 23.02.2011, Az: 19 W (pat) 14/08


Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H02M des Deutschen Patentund Markenamts vom 22. November 2007 aufgehoben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen erteilt:

Patentansprüche 1 bis 5 mit angepasster Beschreibung, überreicht in der mündlichen Verhandlung, 1 Blatt Zeichnung mit 1 Figur vom Anmeldetag.

Gründe

I.

Das Deutsche Patentund Markenamt -Prüfungsstelle für Klasse H02M -hat die am 30. Mai 2003 eingereichte Anmeldung durch Beschluss vom 22. November 2007 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegendstand des Patentanspruchs gegenüber dem Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hat in der mündlichen Verhandlung neue Unterlagen eingereicht. Sie beantragt:

den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H02M des Deutschen Patentund Markenamts vom 22. November 2007 aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 5 mit angepasster Beschreibung, überreicht in der mündlichen Verhandlung, 1 Blatt Zeichnung mit 1 Figur vom Anmeldetag. Der Anspruch 1 lautet unter Einfügung einer Gliederung: "Dezentrales Antriebssystem a) mit einer Steuereinrichtung (2) b) und wenigstens einem steckbaren Frequenzumrichtermodul (41, 42, 43, 61, 62, 63), c) die mittels eines Bussystems (12) miteinander verbunden sind, dadurch gekennzeichnet, d) dass jedes steckbare Frequenzumrichtermodul (41, 42, 43, 61, 62, 63) mit einem steckbaren Speichermodul (81, 82, 83, 101, 102, 103) versehen ist, e) in dem jeweils ein Parametersatz abgespeichert istf) und in dem jeweils eine Ortsinformation des zugehörigen Frequenzumrichtermoduls (41, 42, 43, 61, 62, 63) als Kennung (A, B, C, D, E, F) abgespeichert ist, f1) wobei als Ortsinformation eine Steckplatzadresse (AX, AY, AZ, BX, BY, BZ) eines zugehörigen Frequenzumrichtermoduls (41, 42, 43, 61, 62, 63) vorgesehen ist, f2) und dass diese Kennungen (A, B, C, D, E, F) in der Steuereinrichtung (2) als Start-Parameter hinterlegt sind."

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat mit dem geänderten Patentbegehren Erfolg.

1. Die Anmeldung betrifft ein dezentrales Antriebssystem mit einer Steuereinrichtung und steckbaren Frequenzumrichtermodulen, die mittels eines Bussystems miteinander verbunden sind. Zur Konfiguration der Frequenzumrichtermodule werden Parameter benötigt. Benötigten die Frequenzumrichtermodule einen größeren Parametersatz zur Konfiguration, so könne dieser der Beschreibung zufolge unter anderem aus Zeitgründen nicht mehr von der zentralen Steuereinrichtung übertragen werden und müsse reduziert werden.

Durch die Verwendung eines steckbaren Speichermoduls könne eine Neuparametrierung oder eine Parametrierung eines Ersatzgerätes durch fachfremdes Personal durchgeführt werden. Das reduziere zwar die Parametrierung des Frequenzumrichters vor Ort auf das Stecken des externen Speichermoduls, berge aber die Gefahr einer Verwechslung.

Der Erfindung liege deshalb die Aufgabe zu Grunde, das bekannte dezentrale Antriebssystem derart weiterzubilden, dass ein Parametersatz eines steckbaren Frequenzumrichtermoduls nicht mehr reduziert werden muss und ein unbeabsichtigtes Vertauschen von Speichermodulen verhindert wird (S. 3, Z. 10 bis 14 der gültigen Beschreibung).

Nach Anspruch 1 besteht die Lösung dieser Aufgabe in einem steckbaren Speichermodul, in dem neben dem Parametersatz, der nicht mehr reduziert zu werden braucht, auch die Steckplatzadresse des Frequenzumrichtermoduls als Kennung abgespeichert ist. Diese Kennung ist auch in der Steuereinrichtung als Startparameter hinterlegt, und kann somit beim Start auf Richtigkeit überprüft werden.

2.

Bei dieser Sachlage sieht der Senat einen Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Elektrotechnik mit Erfahrung in der Entwicklung von Antriebssteuerungen und speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS) als Fachmann an.

3.

Die geltenden Ansprüche sind ursprünglich offenbart.

Die Merkmale a) bis d) entsprechen denen des ursprünglichen Anspruchs 1. Das Merkmal e) geht aus Seite 7, Absatz 4 der ursprünglichen Beschreibung hervor. Die Merkmale f) und f1) gehen aus den ursprünglichen Ansprüchen 3 und 4 in Verbindung mit Seite 5, Zeile 2 bis 4 von unten hervor. Das Merkmal f2) ergibt sich aus dem letzten Merkmal des ursprünglichen Anspruchs 1 und Seite 6, Zeile 8 bis 11. Die Ansprüche 2 bis 5 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 3, 6, 8 und 9.

4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu (§ 3 PatG).

Dem Oberbegriff des Anspruchs 1 liegt die Firmenschrift von Siemens "Schaltschrankloses Dezentralisieren mit Simatic ET 200", März 2003 zu Grunde. Sie zeigt ein Antriebssystem mit steckbaren Frequenzumrichtermodulen gemäß den Merkmalen a) bis c). Im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 ist ein Speichermodul für Parameter nicht beschrieben.

Die DE 201 10 738 U1 zeigt einen Umrichter mit einem steckbaren Speichermodul (Anspruch 1).

Aus ihr ist mit den Worten des Anspruchs 1 bekannt ein:

"Dezentrales Antriebssystema) mit einer Steuereinrichtung (S. 1, Z. 8 bis 12)

bteilw) und wenigstens einem Frequenzumrichter, dadurch gekennzeichnet, dteilw) dass jeder Frequenzumrichter mit einem steckbaren Speichermodul versehen ist (Anspruch 1), e) in dem jeweils ein Parametersatz abgespeichert ist (S. 4, Z. 1 bis 5), Außerdem wird auf die Verwendung mehrerer Umrichter hingewiesen (S. 1 ab Z. 35). Auf Seite 2 ist mit dem Siemens Katalog DA99 (S. 6) "Digitales Regelsystem Simadyn D" 1995 der modulare Aufbau solcher Anlagen erwähnt (ähnlich der dem Oberbegriff zu Grunde liegenden Firmenschrift von Siemens "Schaltschrankloses Dezentralisieren...").

Im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 wird eine Kennung für das Speichermodul nicht erwähnt.

Die DE 100 25 085 A1 zeigt ein Sicherheits-Steuersystem. Den redundanten Rechnern 2, 3 ist unter anderem ein Parameterspeicher 12 zugeordnet, der auch Teilnehmeradressen abspeichert (Sp. 3, Z. 6). Er wird regelmäßig auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft (Sp. 3, Z. 1 bis 4). Bei Fehlern wird der Ausgang des Systems deaktiviert (Abs. 20, 21). Auf einen steckbaren Speicher deutet nichts hin.

4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).

Ausgehend von der DE 201 10 738 U1 liegt es unmittelbar auf der Hand, die Antriebssteuerung mit mehreren Umrichtern (S. 1, Z. 35, 36) modular aufzubauen, wie bei dem in der Druckschrift auf Seite 2 genannten Siemens Katalog DA99, denn das ist eine weitverbreitete, handelsübliche Bauform.

Für solch einen modularen Aufbau mag zwar eine Kennzeichnung des Speichers nahegelegt sein, denn für steckbare und austauschbare Speicher mit spezifischem Inhalt ist die Zuordnung ein grundsätzliches Problem, das auch allgemein durch eine Kennung gelöst wird (siehe zum Beispiel Geldkarten, Sim-Karten, Telefonkarten, Transponderchips zur Warenkennzeichnung).

Es kann auch sein, dass damit eine Zuordnung zu dem Frequenzumrichtermodul, in das das Speichermodul eingesteckt ist, naheliegt. Bei einer solchen festen und individuellen Zuordnung könnte jedoch das Speichermodul nicht mehr bei einem getauschten Ersatz-Frequenzumrichtermodul verwendet werden. Ein Austausch wäre möglich, wenn das Speichermodul einem Umrichtertyp zugeordnet würde, aber diese Zuordnung wäre mehrdeutig, da regelmäßig mehrere Umrichter gleichen Typs verwendet werden.

Der Erfinder hat nun erkannt, dass die Steckplatzadresse eine geeignete Zuordnung ermöglicht. Einerseits ermöglicht der Steckplatz eine eindeutige Zuordnung zum jeweiligen Antrieb, mit dem er fest oder zumindest hinreichend eindeutig verkabelt ist. Andererseits ist die Steckplatzadresse als Busadresse auch der Steuereinrichtung bekannt, und ist von dort aus ansprechbar. Schließlich ist dadurch auch des auf diesem Steckplatz eingesteckte Frequenzumrichtermodul eindeutig gekennzeichnet, auch wenn mehrere Frequenzumrichtermodule gleichen Typs zum Einsatz kommen und ein Austausch des Frequenzumrichtermoduls durch fachfremdes Personal möglich sein soll. Dafür gab es im Stand der Technik keinen Hinweis.

Die Firmenschrift von Siemens "Schaltschrankloses Dezentralisieren mit Simatic ET 200" zeigt zwar auf Seite 7 einen Identifikationsstecker zur Einstellung der Busadresse. Diese Stecker ist aber nicht für die Stromrichtermodule oder deren Steckplätze, sondern für das Basismodul vorgesehen, und dient der Einstellung einer Adresse. Für die Zuordnung eines Speicherinhalts zu einer Adresse, speziell zu einer Steckplatzadresse, gibt das keinen Hinweis.

Bei der Anlage nach DE 100 25 085 A1 tritt das Problem, einen steckbaren Speichermodul richtig zuzuordnen, nicht auf. Der Fachmann kann somit dort auch keine Lösung finden.

Um zur Vorrichtung nach Anspruch 1 zu kommen, bedurfte es somit erfinderischer Überlegungen.

Bertl Kirschneck Dr. Scholz J. Müller Pü






BPatG:
Beschluss v. 23.02.2011
Az: 19 W (pat) 14/08


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