Verwaltungsgericht Köln:
Beschluss vom 20. November 2003
Aktenzeichen: 1 L 2474/03

(VG Köln: Beschluss v. 20.11.2003, Az.: 1 L 2474/03)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, trägt die Antragstellerin.

2. Der Streitwert wird auf 50.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die von der Regulierungsbehörde für Telekommunika- tion und Post (RegTP) erteilte Genehmigung der Entgelte und entgeltrelevanten Be- standteile der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ( AGB ) der U. -Optionstarife BusinessCall 301, 501, 551 und 701, die zum 01.12.2003 auf dem Markt eingeführt werden sollen.

Die "Vorgänger"-Tarife BusinessCall 300, 500, 550 und 700 werden bereits seit 1998 angeboten und sind zeitweise im sog. Price-Cap-Verfahren genehmigt worden. Seit dem 01.01.2002 wird über sie im Einzelgenehmigungsverfahren nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 TKG entschieden. Zuletzt sind diese Tarife von der RegTP mit Bescheiden vom 28.04.2003 ( C. 0a 00/000 ) und vom 12.09.2003 C. 0a 00/000 ) genehmigt worden. Dabei liegen die genehmigten Anschlussentgelte über den Anschlussentgel- ten im Standardbereich. Dafür enthalten sie verbilligte Verbindungsentgelte differen- ziert nach City-/Fernbereich und Peak/Off-Peak und zwar einheitlich für alle 4 Opti- onstarife:

Peak Off-Peak City-Verb. 2,55 Cent/Min 2,04 Cent/Min Fernverb. 4,09 Cent/Min 3,07 Cent/Min

Die "Alt"-Tarife beinhalten einen Comfortservice mit Expressentstörung und Vo- lumennachlässe je nach Abrechnungszeitraum und abhängig von der Höhe des mo- natlichen Umsatzes sowie der Vertragsdauer. Der Tarif BusinessCall 700 ist darüber hinaus nur bei einem Mindestumsatz von 1.000,- Euro wählbar. Im Übrigen ist die Wahl der einzelnen Tarife von der Zahl der in Anspruch genom- menen Anschlüsse und deren Verteilung auf ein oder mehrere Grundstücke abhän- gig (BusinessCall 300: 1 T-Net oder ISDN-Mehrgeräte-Anschluss; BusinessCall 500 und 550: Betrieb mit mehreren Anschlüssen; BusinessCall 700: Großunternehmen mit mehreren Standorten).

Am 04.07.2003 beantragte die Beigeladene bei der RegTP die Genehmigung der Entgelte und entgeltrelevanten Bestandteile der AGB der neuen Optionstarife Busi- nessCall 301, 501, 551 und 701 ab dem 01.12.2003. Die Tarife BusinessCall 300, 500, 550 und 700 sollten ab diesem Zeitpunkt nicht mehr aktiv vermarktet werden und nur noch für Bestandskunden weitergelten. Bei den neuen Tarifen soll die Diffe- renzierung zwischen Peak und Off-Peak entfallen und ein Einzeit-Modell ( rund um die Uhr ) eingeführt werden, und zwar wie folgt:

City-Verb. 2,5 Cent/Min. Fernverb.( Deutschland ) 3,7 Cent/Min.

Für die Tarife 301 und 551 wurde zudem ein Mindestumsatz von 10 Euro monat- lich, für den Tarif 501 ein Mindestumsatz von 30 Euro monatlich eingeführt. Beim Tarif 701 verbleibt es bei einem Mindestumsatz von 1.000,- Euro wie bei Business- Call 700. In Ziff. 2.1 der AGB sämtlicher Tarife ist darüber hinaus ein Preselection- Ausschluss vorgesehen.

Im Laufe des Verwaltungsverfahrens wurde von der Firma B. eine Studie der N. GmbH vom September 2003 vorgelegt, die zu dem Ergebnis ge- langte, dass die neuen Mindestumsätze prohibitive Auswirkungen auf Preselection und call by call haben würden.

Unter dem 11.09.2003 erfolgte eine Stellungnahme des Bundeskartellamtes, in der es heißt, das Bundeskartellamt teile die auch bei der Beschlusskammer beste- henden Bedenken hinsichtlich der Einführung von Mindestumsätzen, da hiervon ein Sogwirkung zu Lasten der Wettbewerber ausgehen könne, die durch die Aufrechter- haltung der "Alt"-Tarife nur begrenzt eingeschränkt werden könne, da diese nicht mehr aktiv vermarktet würden und Neukunden deshalb hierüber nicht ausreichend informiert sein dürften. Bislang hätten die Kundenzahlen allerdings keinen Anlass zu Bedenken hinsichtlich einer Sogwirkung der bisherigen BusinessCall-Tarife gegeben. Die Wirkung der neuen Mindestumsatzgrenzen sei daher ebenfalls nicht absehbar. Aus diesem Grunde sei die Auferlegung einer Berichtspflicht zur Kundenentwicklung sinnvoll.

Mit Bescheid vom 12.09.2003 genehmigte die RegTP die beantragten Entgelte und entgeltrelevanten Bestandteile der AGB der Tarife BusinessCall 301, 501, 551 und 701 mit Wirkung zum 01.12.2003 und befristet bis zum 31.10.2004, allerdings unter der auflösenden Bedingung, dass die bisherigen Optionstarife BusinessCall 300, 500, 550 und 700 von der Beigeladenen auch weiterhin angeboten würden. In den Beschlussgründen führte die RegTP darüber hinaus aus, der von der Beigeladenen in Ziff. 2.1 ihrer AGB beantragte Ausschluss der Preselection- Möglichkeit sei, wie bereits in vorangegangenen Genehmigungen für die alten BusinessCall-Tarife und andere Optionstarife (z.B. AktivPlus) entschieden, unzulässig. Im Übrigen habe auf die vom Bundeskartellamt vorgeschlagene Auferlegung einer Berichtspflicht verzichtet werden können, da der Beigeladenen bereits durch Bescheid vom 21.12.2001 eine Berichtspflicht für sämtliche nicht im Price-Cap enthaltenen Optionstarife aufgegeben worden sei.

Am 13.10.2003 hat die Antragstellerin die Klage 1 K 6698/03 erhoben und zugleich den vorliegenden Aussetzungsantrag gestellt. Sie trägt vor: Ihre Antragsbefugnis ergebe sich aus einer möglichen Verletzung der über § 27 Abs. 3 TKG im Entgeltgenehmigungsverfahren zu berücksichtigenden §§ 19 Abs. 4 Nr.1 und 2, 20 Abs. 1 GWB sowie Art. 82 EGV.

In der Sache müsse die erforderliche Interessenabwägung zu ihren Gunsten ausfallen. Die angegriffene Entgeltgenehmigung sei offensichtlich rechtswidrig. Die genehmigten AGB der Beigeladenen erfüllten die Voraussetzungen eines Behinderungsmißbrauchs nach § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB. Zwar sei nach Klarstellung der RegTP im vorliegenden Verfahren davon auszugehen, dass der von der Beigeladenen in Ziff. 2.1 der AGB vorgesehene Preselectionausschluss nicht genehmigt worden sei, jedoch wirke sich die Einführung von Mindestumsätzen als faktischer Preselection- und call by call-Auschluss und damit als Marktzutrittsschranke aus. Die Fortgeltung der alten BusinessCall-Tarife könne die Wettbewerbsstörung nicht verhindern, da diese nicht mehr aktiv beworben würden und die Kunden daher über deren Existenz nicht informiert seien. Ferner liege ein Ausbeutungsmissbrauch nach §§ 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB, Art. 82 EGV vor, da offensichtlich sei, dass die Beigeladene bei wirksamem Wettbewerb Mindestumsatzregelungen nicht durchsetzen und den Kunden nur unter Ausnutzung ihrer marktbeherrschenden Stellung aufzwingen könne.

Schließlich stelle auch die Koppelung von Anschluss- und Verbindungsleistungen einen Behinderungsmissbrauch nach §§ 19 Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB, Art. 82 Abs. 2 d) EGV dar. Die Bündelung von Serviceleistungen wie der Expressentstörung, die für Geschäftskunden von überragender Bedeutung sei, mit besonderen Angeboten für Verbindungsleistungen und Mindestumsätzen sei sachwidrig und ungerechtfertigt.

Auch eine allgemeine Interessenabwägung unabhängig von den Erfolgsaussichten der Klage müsse zu Gunsten der Antragstellerin ausfallen, da die Einführung der neuen Tarife ab 01.12.2003 aufgrund des faktischen Preselection- Ausschlusses für die Antragstellerin erhebliche Kundenverluste zur Folge haben werde, wie sich u.a. aus der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Studie der N. GmbH ergebe. Der Beigeladenen drohten hingegen bei einer aufschiebenden Wirkung der Klage keine nennenswerten Nachteile.

Die Antragstellerin beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 6698/03 gegen den Bescheid der RegTP vom 12.09.2003 (Az: C. 0a-00/000) anzu- ordnen.

Antragsgegnerin und Beigeladene beantragen,

den Antrag abzulehnen.

Sie treten dem Vorbringen der Antragstellerin entgegen und machen im Wesentlichen geltend, dass nicht erkennbar sei, dass es aufgrund der von der RegTP genehmigten Einführung von Mindestumsätzen zu erheblichen Wettbewerbsbeschränkungen kommen werde, so dass die Voraussetzungen für einen Behinderungs- oder einen Ausbeutungsmissbrauch i.S.d. §§ 19 Abs. 4 Nr. 1 und 2, 20 Abs. 1 GWB, Art. 82 EGV nicht erfüllt seien. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Dabei kann offen bleiben, ob die Antragstellerin für ihren nach §§ 80 a Abs. 3 S. 2, 80 Abs. 5 VwGO statthaften Antrag über die entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis verfügt. Insoweit spricht einiges dafür, dass zumindest die Möglichkeit der Verletzung subjektiver Rechte der Antragstellerin besteht. Es erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, dass durch die angegriffene Entscheidung die wegen § 27 Abs. 3 TKG im Entgeltgenehmigungsverfahren möglicherweise auch neben § 24 Abs. 2 TKG zu beachtenden Bestimmungen der §§ 19 Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB, Art. 82 EG-Vertrag verletzt worden sein könnten. Bei diesen handelt es sich nach herrschender Auffassung um Schutzgesetze im Sinne des § 33 GWB bzw. § 823 Abs. 2 BGB (Art. 82 EG-Vertrag),

vgl. Bechtold, Kartellgesetz, Gesetz gegen Wettbewerbs- beschränkungen, 2. Aufl., § 20 Rdn 48 und § 33 Rdn. 4 und 12 m.w.N;

und damit (auch) um im Interesse von Wettbewerbern eines Marktbeherrschers erlassene drittschützende Normen, welche grundsätzlich geeignet wären, ein subjektives Recht der Antragstellerin zu begründen.

Dies alles bedarf indes keiner weiteren Vertiefung, da der Antrag jedenfalls in der Sache ohne Erfolg bleibt.

Die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 a Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse bzw. dem Interesse der durch den angegriffenen Bescheid begünstigten Beigeladenen an der sofortigen Vollziehbarkeit der Entgeltgenehmigung vom 12.09.2003 und dem Interesse der Antragstellerin, eine Aussetzung der Vollziehung zu erreichen, fällt zu Lasten der Antragstellerin aus.

Es ist nicht ersichtlich, dass die gegen die Entgeltgenehmigung vom 12.09.2003 erhobene Anfechtungsklage der Antragstellerin offensichtlich Erfolg haben wird. Da die Antragstellerin nicht Adressatin des angegriffenen Bescheides ist, hängt die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage nicht allein von der Prüfung der objektiven Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes, sondern von der Beantwortung der Frage ab, ob dieser die Antragstellerin in ihren Rechten beeinträchtigt, ob also eine drittschützende Norm verletzt ist.

Vgl. Redeker/v. Oertzen, VwGO, 13. Auflage, § 80 a Rdn. 10 m.w.N; BVerwG, Urteil vom 30.10.1992 - 7 C 24.92 - DVBl. 1993, 256; OVG NRW, Beschluss vom 08.09.1992 - 11 B 3495/92 -, DVBl. 1993, 125.

Es ist vorliegend nicht erkennbar, dass eine zugunsten der Antragstellerin eingreifende drittschützende Norm offensichtlich verletzt ist. Dies gilt für sämtliche von der Antragstellerin herangezogenen Vorschriften des GWB, so dass die weitere Frage offen bleiben kann, ob und inwieweit diese Vorschriften nicht durch § 24 Abs. 2 TKG als lex specialis im Entgeltgenehmigungsverfahren verdrängt werden.

1. Soweit die Antragstellerin sich auf einen Verstoß gegen § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB berufen hat, lässt sich hieraus schon deshalb keine Rechtsverletzung der Antragstellerin herleiten, weil die den sog. Ausbeutungsmissbrauch regelnde Vorschrift nicht Rechte des Konkurrenten des Marktbeherrschers, sondern Rechte der Marktgegenseite schützen soll,

vgl. Bechtold, a.a,O. § 19 Rdn. 68

Hinsichtlich der vorliegend in Rede stehenden BusinessCall-Tarife sind die Endkunden der Beigeladenen, nicht aber deren Wettbewerber - zu denen die Antragstellerin gehört - als Marktgegenseite anzusehen.

2. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist auch kein offensichtlicher Verstoß der Entgeltgenehmigung gegen §§ 19 Abs. 4 S. 1 Nr. 1GWB ( Behinderungsmissbrauch) erkennbar. Nach dieser Vorschrift handelt ein marktbeherrschender Anbieter oder Nachfrager einer bestimmtem Art von Waren oder gewerblicher Leistungen missbräuchlich, wenn er die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen in einer für den Wettbewerb auf dem Markt erheblichen Weise ohne sachlich gerechtfertigten Grund beeinträchtigt. Eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsmöglichkeiten kann grundsätzlich schon bei jeder für ein Unternehmen wettbewerblich nachteiligen Maßnahme in Frage kommen. Allerdings muss die Beeinträchtigung "für den Wettbewerb auf dem Markt erheblich" sein. Dies bedeutet, dass die Beeinträchtigung nur eines Wettbewerbers nicht ausrei- chend für die Erfüllung des Tatbestandes ist. Hinzukommen muss vielmehr, dass durch die in Frage stehende Maßnahme der Wettbewerb als solcher weiter eingeschränkt oder gar ausgeschlossen wird.

Vgl. Bechtold, a.a.O., § 19 Rdn. 62 und 64; Emmerich, Kartellrecht, 8. Aufl. § 18 Anm. 12 a ( S. 200 ).

Schließlich hat bei der Prüfung des Merkmals des Fehlens eines sachlich gerechtfertigten Grundes eine Interessenabwägung stattzufinden, in deren Rahmen ebenfalls die Ziele des GWB, nämlich die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs zu berücksichtigen sind.

Vgl. Emmerich, a.a.O.; Bechthold, a.a.O. § 19 Rdn. 65.

Dabei hat die Beweislast für das Fehlen der sachlichen Rechtfertigung nicht der Marktbeherrscher, sondern die Kartellbehörde oder bei zivilrechtlichen Auseinandersetzungen dessen Antragsgegner zu tragen, da der Tatbestand der Wettbewerbsbeeinträchtigung angesichts seiner "Offenheit" erst durch die fehlende sachliche Rechtfertigung seinen Unwertcharakter gewinnt und daher das Fehlen der sachlichen Rechtfertigung nicht "indizieren" kann.

Vgl. Bechtold; a.a.O. § 19 Rdn.67.

Nach diesen Vorgaben ist das Vorliegen eines Behinderungsmissbrauchs nicht offensichtlich.

a) Soweit die Antragstellerin einen Behinderungsmissbrauch zunächst unter Hinweis auf den in Ziffer 2.1 der hier einschlägigen AGB der Beigeladenen vorgesehenen Preselection-Auschlusses behauptet hat, ist davon auszugehen, dass die RegTP diesen, wie zwar nicht dem Tenor, aber den Gründen des angegriffenen Bescheides eindeutig entnommen werden kann, gerade nicht genehmigt hat, worüber unter den Beteiligten zwischenzeitlich auch Einigkeit herrscht. Die Antragstellerin hat nach entsprechender Klarstellung durch die RegTP im vorliegenden Verfahren mit Schriftsatz vom 12.11.2003 dementsprechend erklärt, dass sie ihre hierauf bezogene bisherige Rüge nicht weiterverfolgt.

b) Nach derzeitigem Sachstand ist auch nicht offensichtlich, dass der Beigeladenen durch die erteilte Genehmigung der Mindestumsätze von 10 Euro bei den BusinessCall Tarifen 301 und 551, 30 Euro beim Tarif 501 und 1.000 Euro beim Tarif 701 ein Behinderungsmissbrauch im Sinne von § 19 Abs. 4 Nr.1 GWB ermöglicht wird bzw. worden ist. Dabei mag offenbleiben, ob durch die Einführung der genannten Mindestumsätze die Wettbewerbsmöglichkeiten für die Antragstellerin beeinträchtigt werden. Es erscheint derzeit jedoch zweifelhaft, ob eine derartige Beeinträchtigung für den Wettbewerb als solchen erheblich ist, d.h. wettbewerbseinschränkende oder gar ausschließende Wir- kungen hat. Es lässt sich derzeit nicht zuverlässig prognostizieren, ob die Einführung der genannten Mindestumsätze sich tatsächlich - wie von der Antagstellerin befürchtet - als faktischer Preselection - oder call by call - Ausschluss mit der Folge erheblicher Kundenverluste für die Wettbewerber der Beigeladenen auswirken wird.

Hinsichtlich des Tarifes BusinessCall 701 spricht gegen eine derartige Auswirkung schon allein der Umstand, dass die Beigeladene bereits seit 1998 ihren von der RegTP genehmigten Tarif BusinessCall 700 für Großkunden anbietet, der ebenso wie der Tarif BusinessCall 701 einen Mindestumsatz von 1.000,- Euro vorsieht, ohne dass die RegTP oder das Bundeskartellamt wettbewerbseinschränkende Wirkungen dieses Tarifes hätte feststellen können. Auch ist dieser Tarif bzw. seine Genehmigung durch die RegTP in der Vergangenheit von den Wettbewerbern der Beigeladenen nicht beanstandet worden.

Gegen erhebliche wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen der übrigen Tarife BusinessCall 301, 551 und 501 spricht, dass die Mindestumsätze mit 10 bzw. 30 Euro derart niedrig sind, dass sie weit unter den von Geschäftskunden zu zahlenden monatlichen Gesamtverbindungsentgelten liegen dürften, wovon auch die Antragstellerin ausgeht. Dies bedeutet aber, dass sich - bei Zugrundelegung günstiger Wettbewerberverbindungsentgelte - die Inanspruchnahme von Preselection und call by call auch bei Auswahl der neuen BusinessCall Tarife "rechnen" kann.

Zudem hat die RegTP im angegriffenen Bescheid zur Vermeidung einer möglichen wettbewerbshindernden "Sogwirkung" der Mindestumsatzregelungen die Beigeladene ausdrücklich verpflichtet, ihre Optionstarife BusinessCall 300, 500, 550 und 700, die - mit Ausnahme des letztgenannten Tarifs - keine Mindestumsatzregelungen enthalten, weiter anzubieten, so dass die Endkunden auch in Zukunft BusinessCall-Angebote der Beigeladenen (wenn auch solche ohne "Einzeitregelung") wie eine mit Verbindungsleistungen der Wettbewerber aufgrund von Preselection und call by call verbinden können. Soweit die Antragstellerin dem entgegenhält, die genannten "Alt"-Tarife würden von der Beigeladenen in Zukunft nicht mehr aktiv beworben, rechtfertigt dies keine abweichende Betrachtungsweise. Dabei kann dahinstehen, ob und inwieweit Geschäftskunden Angebote von Telekommunikationsdienstleistungen auf der Grundlage von Werbung auswählen. Die Kammer geht jedenfalls davon aus, dass Geschäftskunden - soweit sie nicht ohnehin bereits einen der BusinessCall "Alt"-Tarife ausgewählt haben - über deren Existenz regelmäßig deshalb unterrichtet sein werden, weil diese bereits seit langer Zeit am Markt platziert und dort allgemein bekannt sind. Zudem ist von einer hinrei- chenden Informationsmöglichkeit der Geschäftskunden zukünftig auch deshalb auszugehen, weil die Wettbewerber es in der Hand haben, durch eigene Werbungsmaßnahmen auf die Möglichkeit der Verknüpfung von "Alt"-BusinessCall Tarifen mit eigenen Verbindungsleistungen hinzuweisen.

Die von der Firma B. im Verwaltungsverfahren vorgelegte Studie der N. GmbH von September 2003 zum Nutzungsverhalten von U. - BusinessCall Kunden und Interessierten vermag die von der Antragstellerin behaupteten Wettbewerbsbeschränkungen ebenfalls nicht hinreichend zu belegen. Insoweit hat die Beigeladene zu Recht ausgeführt, dass die Studie den Bereich der Kleinunternehmen mit 1 bis 4 Mitarbeitern komplett ausblendet ( nach den insoweit unwidersprochen gebliebenen Angaben der Beigeladenen bilden diese 80% der BusinessCall-Nachfrager) und ihre Ergebnisse teils auf eine sehr schmale Befragungsbasis stützt (s. z.B. S. 34 des Gutachtens: zur Änderung des Verhaltens bei Nutzung des neuen BusinessCall Tarifs wurden nur 29 Unternehmen befragt). Schließlich konnte die Studie auch die Auswirkungen der von der RegTP angeordneten Fortgeltung der alten BusinessCall Tarife nicht berücksichtigen. Aus all dem folgt, dass die Studie keine brauchbare Grundlage für die Beurteilung der zukünftigen Verhaltensweisen der Geschäftskunden auf dem hier in Rede stehenden Markt bilden kann. Die Kammer geht nach allem mit der RegTP und dem Bundeskartellamt in seiner Stellungnahme vom 11.09.2003 davon aus, dass jedenfalls derzeit ungewiss ist, ob die in den genehmigten BusinessCall Tarifen 301, 501, 551 und 701 enthaltenen Mindestumsätze wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen haben werden.

Aus diesem Grunde lässt sich derzeit auch nicht die für die Annahme eines Behinderungsmissbrauchs weiter erforderliche fehlende sachliche Rechtfertigung feststellen, für die die Antragstellerin im Übrigen die materielle Beweislast trägt.

c) Die Kammer vermag entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch keinen Behinderungsmissbrauch in Form einer sachwidrigen Koppelung zu erkennen. Eine solche liegt vor, wenn der Vertragspartner zusätzliche Leistungen abnehmen soll, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen,

Emmerich, Kartellrecht, 8. Aufl., § 18 Anm. 12 c, S. 204.

Hiervon kann bei der von der Antragstellerin monierten Verknüpfung von Anschluss- bzw. Serviceleistungen ( wie der im Comfortservice enthaltenen Expressentstörung ) mit Verbindungsleistungen indes nicht ausgegangen werden.

Zunächst dürfte deren Verknüpfung in Optionstarifen auf dem Telekommunikationsmarkt allgemein üblich sein. Im Übrigen wäre in diesem Zusammenhang eine Rechtsverletzung der Antragstellerin als Wettbewerberin der Beigeladenen nur denkbar, soweit eine etwa in der genannten Verknüpfung von Anschluss/Serviceleistungen mit Verbindungsleistungen liegende sachwidrige Koppelung nicht nur die Marktgegenseite, sondern auch den Wettbewerb - in Form einer erheblichen "Sogwirkung" - beeinträchtigen würde. Hierfür ist jedoch nichts erkennbar, da eine entsprechende Bündelung von Verbindungsleistungen mit einer vergleichbaren "Comfortentstörung" bereits Inhalt der BusinessCall "Alt"-Tarife 300, 500, 550 und 700 war, deren Einführung nach den insoweit nicht angegriffenen Erkenntnissen des Bundeskartellamtes (lt. Stellungnahme vom 11.09.2003) keine qualitativ bedenkliche Sogwirkung zur Folge hatte.

Schließlich liegt auch kein offensichtlicher Verstoß gegen § 20 Abs. 1 GWB und Art. 82 EGV vor. Nach § 20 Abs. 1 GWB dürfen u.a. marktbeherrschende Unternehmen ein anderes Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, weder unmittelbar noch mittelbar unbillig behindern. Dabei indiziert die Behinderung nicht deren Unbilligkeit. Diese bedarf vielmehr gesonderter Feststellung, die im Rahmen einer Interessenabwägung zu treffen ist, in die ebenso wie beim Merkmal der fehlenden sachlichen Rechtfertigung im Rahmen der Prüfung des § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB die auf Freiheit des Wettbewerbs gerichtete Zielrichtung des GWB einzufließen hat.

Vgl. Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. § 20 Rdn. 129 m.w.N.

Von einer unbilligen Behinderung kann m.a.W. nur bei Feststellung erheblicher wettbewerbsbeschränkender Auswirkungen einer Maßnahme des Marktbeherrschers ausgegangen werden. Dass dies im Hinblick auf die in Rede stehende Einführung der BusinessCall Tarife 301, 501, 551, und 701 der Beigeladenen derzeit nicht feststellbar ist, ist bereits oben ausgeführt worden.

Im Ergebnis gilt Gleiches auch für Art. 82 EGV, der die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung verbietet, da ein Missbrauch nach gefestigter Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ( auch ) die objektive Beeinträchtigung des Wettbewerbs in seiner Marksteuerungsfunktion voraussetzt,

vgl. EuGH Rs 85/76, Hoffmann-La Roche, Slg. 1979, 461 Rdn. 123; EuGH Rs C-62/86, AKZO, Slg. 1991, 1-3359 Rdn. 69, 148; Jung in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art 82 Rdn. 104.

Die nach allem mangels offensichtlicher Erfolgsaussichten der Klage der Antragstellerin vorzunehmende allgemeine Interessenabwägung geht zu Lasten der Antragstellerin aus. Angesichts des Umstandes, dass nach den obigen Feststellungen derzeit erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Wettbewerb durch die genehmigte Einführung der U. -BusinessCall Tarife 301, 501, 551 und 701 nicht absehbar sind, überwiegt das Interesse der Beigeladenen, die ihr erteilte Genehmigung auch alsbald nutzen zu können und insoweit nicht bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zuwarten zu müssen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO. Für eine entsprechende Anwendung von § 161 Abs. 2 VwGO war vorliegend kein Raum, da die von der Antragstellerin zwischenzeitlich fallengelassene Rüge (betreffend Ziff. 2.1 der AGB der Beigeladenen) nur eines von mehreren Elementen zur Begründung der Rechtswidrigkeit der Entgeltgenehmigung darstellt und insoweit keine Teilerledigung des Rechtsstreits eingetreten ist. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG, wobei die Kammer berücksichtigt hat, dass eine Aussetzung der Vollziehbarkeit der Genehmigung letztlich eine Vorwegnahme der Hauptsache bedeutet hätte.






VG Köln:
Beschluss v. 20.11.2003
Az: 1 L 2474/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/da5cccf41961/VG-Koeln_Beschluss_vom_20-November-2003_Az_1-L-2474-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share