Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 24. Mai 2011
Aktenzeichen: 14 K 1092/10

(VG Köln: Urteil v. 24.05.2011, Az.: 14 K 1092/10)

Tenor

Der Bescheid über Abwassergebühren des Bürgermeisters der Beklagten vom 28. Januar 2010 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks mit der postalischen Bezeichnung "L.------straße 00" in C. H. . Das Grundstück ist an die öffentliche Abwasseranlage der Beklagten angeschlossen.

Im Januar 2006 beauftragte die Beklagte den ortsansässigen Energieversorger, die Bergische Licht-, Kraft- und Wasserwerke (BELKAW) GmbH, durch Geschäftsbesorgungsvertrag mit der Erhebung und dem Einzug der Abwassergebühren. § 1 dieses Vertrages lautet auszugsweise:

Die BELKAW verpflichtet sich, für die Stadt und in deren Auftrag nach Maßgabe der einschlägigen Gesetze, ortsrechtlichen Regelungen und diesem Vertrag die Abrechnung (Erhebung) und den Einzug der von den Anschlussnehmern (Schmutz- und Mischwasserkanalsystem) zu zahlenden Abwassergebühren auf Basis der bezogenen Frischwassermengen vorzunehmen. (...)

Die BELKAW ist berechtigt, die Abrechnung (Erhebung) der Kanalbenutzungsgebühren im Rahmen ihrer eigenen Abrechnungsverfahren vorzunehmen. Die im Auftrag der Stadt erhobenen Gebühren sind im Rahmen dessen deutlich als solche zu kennzeichnen und der Inhalt des Gebührenbescheides mit der Stadt abzustimmen. Pflichtinhalt dieses gesondert gekennzeichneten Schriftstücks sind folgende Angaben:

- Anschlussart

- Abrechnungszeitraum

- Abwassermenge

- Gebührensatz

- Gesamtbetrag der Abwassergebühr

- Festsetzung der Abschläge und ihrer Fälligkeiten für den Folgezeitraum

- die einschlägigen Rechtsvorschriften (werden von der Stadt benannt)

- Rechtsbehelfsbelehrung nach VwGO (wird von der Stadt bestimmt)

- Name und Anschrift der Stelle, in deren Auftrag die Gebührenerhebung erfolgt

Die BELKAW bewahrt die erlassenen Bescheide in einem nach ihrem Ermessen nach Maßgabe für die Stadt geltenden Aufbewahrungsvorschriften geeigneten Verfahren auf und übersendet den Vorgang (Gebührenbescheid u.ä.) auf Anforderung der Stadt im Einzelfall (Rechtsbehelfsverfahren u.ä.) an diese."

Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhaltes des Geschäftsbesorgungsvertrages wird auf Blatt 69-78 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Unter dem 28. Januar 2010 wurde der Kläger durch Schreiben der BELKAW GmbH u.a. zu Abwassergebühren in Höhe von 110,42 EUR herangezogen. Das Schreiben der BELKAW GmbH besteht aus 6 durchnummerierten Seiten, wobei die Seiten 2 bis 6 einen einheitlichen Briefkopf aufweisen, der wie folgt gestaltet ist: Auf der linken Seite des Briefkopfes ist die Kundennummer des Klägers, das Datum und die Rechnungsnummer sowie als Betreff "Abrechnung" angegeben. Auf der rechten Seite des Briefkopfes ist das Firmenlogo der BELKAW GmbH abgedruckt. Die erste Seite des Schreibens ist mit "Abrechnung" überschrieben und enthält eine Tabelle, die in der mit "Sparte" bezeichneten Spalte die Versorgungsarten Strom, Wasser und Abwasser aufführt. Unter dem Begriff Abwasser ist fettgedruckt "für die Stadt C. H. " angefügt. In der Tabelle wird unter Zugrundelegung des jeweiligen Verbrauchs ein Gesamtbetrag aus den Bruttobeträgen für Strom, Wasser und Abwasser errechnet und unter Abzug gezahlter Abschläge ein Restbetrag von -4,09 EUR ausgewiesen. Daneben nennt die erste Seite des Schreibens einen einheitlichen Abschlagsbetrag von 67 EUR nebst Abbuchungsterminen. Wegen der detaillierten Berechnungen verweist das Schreiben auf die Folgeseiten. Auf Seite 2 befindet sich die Verbrauchsermittlung für Strom und Wasser sowie entsprechende Betragsermittlungen, wobei ein Bruttobetrag für Strom in Höhe von 443,18 EUR und für Wasser in Höhe von 234,31 EUR sowie ein Rechnungsbetrag in Höhe von 787,91 EUR ausgewiesen wird. Seite 3 des Schreibens enthält neben den Rubriken "Ausweis Netzentgelt" und "Nachweis der gezahlten Abschläge" unter der Óberschrift "Abschlagsanforderung" die Zusammensetzung des neuen Abschlagsbetrages für Strom, Wasser und Abwasser zu einem Gesamtabschlagsbetrag von 67 EUR.

Seite 4 des Schreibens enthält unter dem beschriebenen Briefkopf den Namen der Beklagten mit dem Zusatz "Der Bürgermeister - Abwasserwerk" sowie den Hinweis, dass "Auskünfte zum Abwasserbescheid" unter der angegebenen Anschrift des Abwasserwerks der Beklagten erteilt werden. Unter dem Schriftzug der Beklagten befindet sich ein Adressfeld, das mit Namen und Anschrift des Klägers ausgefüllt ist. Unter der Óberschrift "Bescheid über Abwassergebühren" heißt es: "aufgrund der Beitrags- und Gebührensatzung (BGS) zur Satzung der Stadt C. H. über die Entwässerung der Grundstücke und den Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage (Entwässerungssatzung) und die Satzung über die Abwälzung und Erhebung der Abwasserabgabe (AAS) in der jeweils gültigen Fassung wird die mit der Rechnung der BELKAW GmbH angeforderte Abwassergebühr (einschließlich zugehöriger Abwasserabgabe) entsprechend Ihrem Wasserbezug wie folgt festgesetzt:". Darunter wird für den Schmutzwasseranschluss des Klägers unter Zugrundelegung eines Verbrauchs von 36 m³ eine Abwassergebühr von 110,42 EUR ausgewiesen. Unter der Óberschrift "Abschlagszahlungen für den Folgezeitraum" erfolgt die Mitteilung, dass der künftige Abschlag 10 EUR beträgt und dieser bereits in dem Gesamtabschlag, ersichtlich in der Verbrauchsabrechnung, enthalten ist. Ferner heißt es: "Nach § 12 BGS erfolgt die Erhebung durch die BELKAW GmbH im Auftrag der Stadt. Daher ist die Abwassergebühr zusammen mit dem Rechnungsbetrag für den Wasserverbrauch zu den hier angegebenen Fälligkeitsterminen an die BELKAW GmbH zu zahlen." Im Anschluss findet sich der Hinweis, dass die Gebühr für den Regenwasserkanal und die dazu gehörige Abwasserabgabe nicht mehr in diesem Bescheid enthalten seien, sondern diese unmittelbar von der Stadt erhoben würden. Bei Bedenken oder Fragen werde empfohlen, sich unverzüglich mit dem zuständigen Sachbearbeiter beim Abwasserwerk in Verbindung zu setzen. Etwaige Erstattungsansprüche gemäß § 4 Abs. 5 BGS (z.B. Zwischenzähler etc.) bzw. Abwasserkulanzen seien separat von diesem Bescheid beim Abwasserwerk zu beantragen und würden von dort gesondert beschieden. Die darunter befindliche Rechtsbehelfsbelehrung weist darauf hin, dass eine Klage gegen diesen Bescheid gegen den Bürgermeister der Beklagten zu richten sei. Auf Seite 5 des Schreibens endet der Bescheid mit der Grußformel des Abwasserwerks und dem Hinweis, dass sich der Kläger bei Widerspruch zu seiner Frischwasser- oder Energieabrechnung an die BELKAW GmbH wenden solle. Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhaltes und der Gestaltung des Schreibens wird auf die Beiakte 1) zur Gerichtsakte Blatt 1-6 Bezug genommen.

Der Kläger hat am 24. Februar 2010 Klage gegen die Heranziehung zu Abwassergebühren erhoben, mit der er im Wesentlichen die Gebührenkalkulation rügt. Die Berechnung der kalkulatorischen Kosten fuße auf der Annahme eines Zinssatzes von 7 %. Dieser Zinssatz sei angesichts der rückläufigen Tendenzen der Emissionsrendite der von der öffentlichen Hand begebenen Anleihen überhöht. Dies gelte auch bei Berücksichtigung der von der Rechtsprechung für zulässig erachteten angemessenen Erhöhung. Diese könne nicht statisch um 0,5 %-Punkte erfolgen, sondern müsse, um angemessen und zulässig zu bleiben, zwingend geringer ausfallen, sobald der jährliche Durchschnittszinssatz sinke. Die Beklagte könne aufgrund der seit 2002 erfolgten Senkungen des Zinssatzes Darlehen zu einem Zinssatz von 4,5 % bis 5 % in Anspruch nehmen. Hinzu komme, dass etwa die Kreditanstalt für Wiederaufbau zinsgünstige Kredite mit Nominalsätzen ab 3,85 % zur Verfügung stelle. Zudem sei ein Kalkulationsmangel auch darin zu sehen, dass die Abschreibung auf der Basis von Wiederbeschaffungszeitwerten mit einer Nominalverzinsung auf Anschaffungswertbasis kombiniert worden sei. Dies sei nicht mehr zu rechtfertigen.

Der Kläger beantragt,

den Heranziehungsbescheid der Beklagten vom 28. Januar 2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen und trägt vor, dass das praktizierte Verfahren bei der Erhebung der Abwassergebühren nicht zu beanstanden sei. Dem angefochtenen Bescheid könne deutlich entnommen werden, dass er von der Beklagten stamme. Dem stünde nicht entgegen, dass er Teil der Briefsendung der BELKAW GmbH gewesen sei. Denn der Bescheid weise ausdrücklich als Absender die Beklagte auf. Ferner enthalte er die Angabe, dass für Auskünfte zu dem Abwasserbescheid das Abwasserwerk der Beklagten zuständig sei. Auch in der Rechtsbehelfsbelehrung werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die Klage gegen die Beklagten zu richten habe. Eine unzulässige Vertretung der Beklagten durch die BELKAW GmbH liege mithin nicht vor. Die Rechtsbeziehung zwischen der Beklagten und der BELKAW GmbH sei weder als Beleihung noch als Mandat zu verstehen. Insbesondere habe keine umfassende Óbertragung der Betriebsführung der städtischen Entwässerungseinrichtung auf die BELKAW GmbH stattgefunden. Vielmehr komme dieser der rechtliche Status eines Erfüllungsgehilfen zu, der in die kommunale Gebührenpraxis einbezogen werden dürfe. Die BELKAW GmbH könne auch als Verwaltungshelfer verstanden werden. Einer gesetzlichen Grundlage bedürfe es für dessen Einsatz indes nicht, weil er über keine eigene Entscheidungsmacht verfüge, wenn er im Rahmen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben eingesetzt werde.

Die Kalkulationsrügen seien unzutreffend. Nach der aktuellen Rechtsprechung sei der Ansatz eines auf Basis der Emissionsrenditen langfristiger öffentlicher Anleihen basierenden langfristigen Durchschnittszinssatzes als kalkulierter Mischzinssatz rechtmäßig und zulässig. Diese näherungsweise Betrachtung müsse eigentlich auf die durchschnittliche Kapitalbindungsdauer im Abwasserbereich extrapoliert werden, da eine derart langfristige Zinsbindung selbst mit den in der Rechtsprechung herangezogenen Zahlenreihen nicht dargestellt würde. Tendenziell führten längere Kapitalbindungen aufgrund des Risikos und der Erwartung der Investoren zu noch höheren Zinssätzen. Der tendenzielle Rückgang der Renditen wirke sich aufgrund der langfristigen Betrachtung in der Durchschnittsberechnung erst allmählich aus. Zudem forderten die Rahmenregelungen zum Nothaushaltsrecht, dem die Beklagte derzeit unterliege, in den gebührenrechnenden Bereichen eine Ausschöpfung aller betriebswirtschaftlich und rechtlich zulässigen Möglichkeiten. Schließlich begegne die Berechnung der kalkulatorischen Abschreibung auf Basis der Wiederbeschaffungszeitwerte in Verbindung mit einer Nominalverzinsung auf Basis der historischen Anschaffungs-/Herstellungskosten keinen Bedenken. In der Rechtsprechung werde diese Berechnungsmethode für rechtmäßig erachtet. Es sei nicht erkennbar, warum daran nicht mehr festzuhalten sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage hat Erfolg.

Sie ist insbesondere als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO statthaft. Für die Zulässigkeit der Klage kommt es nicht darauf an, ob der angegriffene Verwaltungsakt wirksam oder nichtig ist, sondern allein darauf, wie die Beklagte gehandelt hat, ob also für den Adressaten aus dem Akt selbst oder den Umständen seines Erlasses objektiv erkennbar ist, dass eine einseitige, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige, konkrete Regelung kraft hoheitlicher Gewalt gewollt ist.

Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Auflage 2010, § 35 Rn. 16 ff.

Das ist hier der Fall. Die auf den Seiten 4 und 5 des Schreibens der BELKAW GmbH vom 28. Januar 2010 enthaltene Festsetzung von Schmutzwassergebühren ist bei verständiger Würdigung als Verwaltungsakt zu verstehen. Hierfür spricht insbesondere die Bezeichnung als "Bescheid über Abwassergebühren", die Bezugnahme auf öffentlichrechtliche Vorschriften als Rechtsgrundlage der Festsetzung, die Grußformel am Ende der Seite 5 sowie die angefügte Rechtsbehelfsbelehrung, die "diesen Bescheid" als Gegenstand einer zu erhebenden Klage nennt.

Vorliegend ist der Festsetzung der Abwassergebühren die Verwaltungsaktqualität auch nicht im Hinblick darauf abzusprechen, dass die Festsetzung lediglich im Namen der Beklagten aber nicht durch diese erfolgte. Denn im Unterschied zu den unter keinen Umständen einer Behörde zurechenbaren, von einer Privatperson unbefugt getroffenen Anordnung,

vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage 2009, § 42 Fn. 4 (Erlass durch einen Hochstapler),

hat die Beklagte hier die Festsetzung - zumindest in genereller Form durch den mit der BELKAW GmbH geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag - veranlasst und gebilligt. Prozessual muss es dem Adressaten einer solchen, von der Behörde mit Zurechnungswillen getragenen Festsetzung möglich sein, hiergegen im Wege der Anfechtungsklage vorzugehen.

Die Beklagte ist auch prozessual die richtige Klagegegnerin. Gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist die Klage gegen die Körperschaft zu richten, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat. Der streitgegenständliche Abwasserbescheid wurde - jedenfalls nach seinem äußeren Erscheinungsbild - von dem durch das Abwasserwerk handelnden Bürgermeister der Beklagten erlassen. Er enthält im Adressfeld über dem Namen und der Anschrift des Klägers zur Bezeichnung des Absenders den Namen der Beklagten und den Zusatz "Der Bürgermeister - Abwasserwerk", was auf diesen als Aussteller des Bescheides hinweist. Ebenso verdeutlichen der daneben stehende Hinweis auf die Auskünfte erteilende Stelle, die enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung und die Grußformel am Ende des Schriftstücks, dass es sich bei dem Abwasserbescheid um einen Gebührenbescheid des Bürgermeisters der Beklagten handeln soll. Gleiches gilt für den im Text enthaltenen Hinweis auf § 12 BGS, wonach die Abwassergebühr durch die BELKAW GmbH im Auftrag der Beklagten erhoben wird. Auch hieraus lässt sich entnehmen, dass die BELKAW GmbH nicht im eigenen Namen, sondern namens der Beklagten gehandelt hat und der Bescheid der Beklagten zugerechnet werden soll.

Die Klage ist auch begründet. Der in dem Schreiben der BELKAW GmbH enthaltene Bescheid über Abwassergebühren vom 28. Januar 2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Der Abwassergebührenbescheid vom 28. Januar 2010 ist bereits als formellen Gründen rechtswidrig. Er lässt zwar formal die Beklagte als erlassende Hoheitsträgerin erkennen, ist aber inhaltlich von der BELKAW GmbH - einer juristischen Person des Privatrechts - erlassen worden. Hierfür fehlt es an einer wirksamen Rechtsgrundlage.

Nach §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG NRW) i.V.m. § 2 der Beitrags- und Gebührensatzung (BGS) zur Satzung der Stadt C. H. über die Entwässerung der Grundstücke und den Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage (Entwässerungssatzung) vom 17. Dezember 2003 in der Fassung der VIII. Nachtragssatzung vom 18.12.2009 ist die Beklagte befugt, für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage Abwassergebühren (Benutzungsgebühren) zu erheben. Gemäß § 155 Abs. 1 Abgabenordnung (AO), der nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) KAG NRW auf Kommunalabgaben entsprechende Anwendung findet, werden diese durch Abgabenbescheid festgesetzt. Der Erlass eines solchen Bescheides ist hoheitliches Handeln und stellt einen zentralen Kernbereich des Aufgabengebietes Abwasserbeseitigung dar,

vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 7. September 2004 - 9 B 1551/04 -, Rn. 4, zitiert nach juris,

dessen Wahrnehmung nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Wassergesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (LWG NRW) der Beklagten obliegt. Grundsätzlich handeln Träger der öffentlichen Verwaltung durch ihre eigenen Organwalter oder Amtswalter.

Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Auflage 2004, § 21 Rn. 19 ff., 28 f.

Zuständig für den Erlass von Gebührenbescheiden im Bereich der Abwasserbeseitigung ist demnach grundsätzlich der durch die eigenbetriebsähnliche Einrichtung Abwasserwerk der Stadt C. H. handelnde Bürgermeister der Beklagten, § 62 Abs. 1 Satz 3, § 114 Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) i.V.m. § 6 Abs. 1 Eigenbetriebsverordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (EigVO NRW).

Zuständigkeitsnormen bestimmen nicht nur formell, über welche Behörden einem Verwaltungsträger eine bestimmte Handlung zugerechnet werden soll. In ihnen wird ausgedrückt, dass der Kompetenzinhaber selbst die ihm eingeräumten Kompetenzen ausüben soll, weil er dem Gesetzgeber nach seiner organisatorischen Stellung im Staatsgefüge, seiner Betrauung mit anderen Aufgaben, seiner personellen oder sächlichen Ausstattung als besonders geeignet erscheint, die ihm zugewiesene Aufgabe wahrzunehmen.

Vgl. U. Stelkens, in: P. Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Auflage 2008, § 35 Rn. 59; Thüringer Oberverwaltungsgericht (ThürOVG), Urteil vom 14. Dezember 2009 - 4 KO 482/09 -, Rn. 33; Verwaltungsgericht (VG) Ansbach, Urteil vom 1. März 2011 - AN 1 K 09.00002 -, Rn. 145, beide zitiert nach juris.

Hinzu kommt, dass es sich bei der Abwasserbeseitigung um eine kommunale Selbstverwaltungsaufgabe handelt, die in der Befugnis wurzelt, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft selbst zu regeln, Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz, Art. 78 Abs. 1 Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen.

Vgl. auch ThürOVG, Urteil vom 14. Dezember 2009, a.a.O., Rn. 33; VG Ansbach, a.a.O., Rn. 145.

Dem Recht der Gemeinden auf Selbstverwaltung steht allerdings auch die Pflicht gegenüber, eine wirkungsvolle Selbstverwaltung und effektive Wahrnehmung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu gewährleisten.

Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 27. Mai 2009 - 8 C 10/08 -, Rn. 30 f.; Hessischer Verwaltungsgerichtshof (HessVGH), Urteil vom 4. März 2010 - 8 A 2613/09 -, Rn. 20 ff., beide zitiert nach juris.

In diesem Zusammenhang ist auch der Umstand von Bedeutung, dass Organe von Gemeinden eine eigene demokratische Legitimation besitzen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass Gemeinden unmittelbar der kommunalaufsichtlichen Kontrolle unterliegen und dass diese Aufsicht bei Einschaltung privater Dritter zwar nicht unmöglich, aber tendenziell erschwert ist. Behörden sind damit regelmäßig zur Erfüllung ihrer Aufgaben in Selbstorganschaft verpflichtet und nicht befugt, behördenexternen Stellen die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten (im Namen der Behörde) zu erteilen.

U. Stelkens, in: P. Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 35 Rn. 59; ThürOVG, Urteil vom 14. Dezember 2009, a.a.O., Rn. 33 m.w.N.

Damit korrespondiert die kommunalrechtliche Verpflichtung gemeindlicher Aufgabenträger, nur solche Bedienstete anzustellen, die die für ihren Arbeitsbereich erforderlichen fachlichen Voraussetzungen erfüllen, § 74 Abs. 1 GO NRW. Gleiches gilt für die personelle Ausstattung von Eigenbetrieben bzw. eigenbetriebsähnlichen Einrichtungen, § 3 Abs. 3 EigVO NRW.

Allerdings können auch Privatpersonen unter bestimmten Voraussetzungen mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betraut werden. Neben der Möglichkeit der Aufgabenübertragung im Wege der Beleihung, die hier von vornherein nicht in Betracht kommt, weil die BELKAW GmbH den streitgegenständlichen Bescheid nicht im eigenen Namen erlassen hat, kann dies insbesondere durch Einschaltung eines Verwaltungshelfers geschehen. In diesem Sinne zulässige Verwaltungshilfe liegt dann vor, wenn der Verwaltungshelfer nicht selbständig handelt, sich seine Tätigkeit also auf die Vorbereitung, Unterstützung oder rein tatsächliche Durchführung der Verwaltungsaufgabe im Auftrag und nach Weisung der Behörde beschränkt.

Büllesbach/Rieß, NVwZ 1995, 444, 445; U. Stelkens, NVwZ 2004, 304, 305.

In diesem Rahmen üben Verwaltungshelfer keine Hoheitsgewalt aus, sondern operieren nur im Verwaltungsbinnenbereich, indem sie private Dienstleistungen gegenüber der Verwaltung erbringen. Da die zulässige Verwaltungshilfe weder die Organisationsstruktur noch die Aufgabenträgerschaft verändert, bedarf es für die Einschaltung privater Dritter als Verwaltungshelfer keiner gesetzlichen Grundlage.

Vgl. Burgi, Privatisierung öffentlicher Aufgaben, Gutachten für den 67. Deutschen Juristentag, 2008. D. IV.; Stober, NJW 2008, 2301, 2306.

In Betracht kommen für den hier interessierenden Bereich der Gebührenerhebung etwa technische Maßnahmen, die der Aufgabenträger selbst nicht durchführen kann (Messungen, Anfertigen von Luftbildern), oder Arbeitsprozesse, die mechanisch oder automatisiert ablaufen (beispielsweise der Druck und die Versendung von Schriftstücken). Die Grenze der Verwaltungs- oder Erfüllungshilfe ist dagegen überschritten, wenn der Helfer eigenständig die vollständige Einzelveranlagung übernimmt, d.h. Daten ermittelt, Satzungsnormen anwendet, rechtliche Tatbestände prüft und Bescheide - wenn auch in fremden Namen - erlässt.

So ThürOVG, Urteil vom 14. Dezember 2009, a.a.O., Rn. 35; OVG Schleswig-Holstein (OVG SH), Urteil vom 15. März 2006 - 2 LB 9/05 -, Rn. 36, zitiert nach juris.

Erst recht kann von einer bloßen Hilfstätigkeit keine Rede sein, wenn darüber hinaus praktisch die gesamte öffentliche Aufgabe von einem privaten Dritten erfüllt wird,

vgl. OVG SH, a.a.O., Rn. 36; ThürOVG, Urteil vom 14. Dezember 2009, a.a.O., Rn. 35; VG Ansbach, a.a.O., Rn. 149,

und die Beteiligung des Hoheitsträgers auf die bloße Verwendung seines Namens reduziert ist.

Vgl. hierzu VG Köln, Urteil vom 5. Februar 2003 - 9 K 9888/99 -, www.nrwe.de, abgeändert durch OVG NRW, Urteil vom 13. November 2006 - 14 A 1859/03 -, n.v.

Gemessen an diesen Grundsätzen überschreitet die Einschaltung der BELKAW GmbH bei der Gebührenerhebung die Grenzen dessen, was im Rahmen der Verwaltungshilfe zulässig wäre. Die Beklagte hat die ihr obliegende Aufgabe der Gebührenerhebung in unzulässiger Weise an die BELKAW GmbH abgegeben.

Der streitgegenständliche Abwasserbescheid vom 28. Januar 2010 stammt nur noch seinem äußeren Erscheinungsbild nach von der Beklagten. Tatsächlich erfolgte die Erstellung des Abwasserbescheides und dessen Bekanntgabe gegenüber dem Kläger durch die BELKAW GmbH. Diese hat den Bescheid angefertigt und unter ihrem Briefkopf in das Schreiben vom 28. Januar 2010 eingebunden und damit zum Bestandteil (Seite 4 und 5) ihrer Abrechnung gemacht. Auch die inhaltliche Ausgestaltung des Bescheides obliegt der BELKAW GmbH. Diese Aufgabenverteilung zwischen der Beklagten und der BELKAW GmbH ist Gegenstand des Geschäftsbesorgungsvertrags von Januar 2006, durch den die Beklagte die BELKAW GmbH mit der der Erhebung und Einziehung von Abwassergebühren beauftragt hat. Die der BELKAW GmbH nach diesem Vertrag im Einzelnen obliegenden Aufgaben wie die Ermittlung der Schmutzwassermenge (durch Ermittlung der bezogenen Frischwassermenge), die Gebührenberechnung, die Ausfertigung und die Versendung der Bescheide (im Rahmen ihres eigenen Abrechnungsverfahrens), die Aufbewahrung der erlassenen Bescheide sowie die Einziehung und Mahnung der Abwassergebühren stellen allesamt Tätigkeiten dar, die typischerweise mit der Erhebung von Abwassergebühren verbunden und der Beklagten als Hoheitsträgerin zugewiesen sind. Unabhängig davon, dass die Wahrnehmung einzelner der vorstehend genannten Tätigkeiten für sich genommen zulässigerweise durch Verwaltungshelfer erfolgen könnte, führt im vorliegenden Fall die umfassende Aufgabenwahrnehmung durch die BELKAW GmbH zur Unzulässigkeit des gewählten Verfahrens. Denn abgesehen von dem Erlass der grundlegenden Satzungen werden alle anderen wesentlichen Maßnahmen und Entscheidungen im Rahmen der Schmutzwassergebührenerhebung durch Bedienstete der BELKAW GmbH getroffen. Die im Einzelfall gegenüber dem Gebührenpflichtigen festgesetzte Schmutzwassergebühr wird selbständig durch die BELKAW GmbH bestimmt. Die Beklagte tritt bei der gewählten Art der Gebührenerhebung nicht als Entscheidungsverantwortliche auf. Die erlassenen Bescheide erhält sie nach § 1 Abs. 3 des Geschäftsbesorgungsvertrags erst auf Anforderung, wenn diese im Rahmen von rechtlichen Auseinandersetzungen benötigt werden. Die Beklagte ist auch nicht deshalb als Entscheidungsverantwortliche anzusehen, weil der Inhalt des Abwasserbescheides nach § 1 Abs. 2 des Geschäftsbesorgungsvertrags mit ihr abzustimmen ist. Diese Bestimmung ist mit Blick auf den nachfolgenden Satz dahingehend zu verstehen, dass der Inhalt der Gebührenbescheide generell und losgelöst vom Einzelfall mit der Beklagten abzustimmen ist. Einer so verstandenen Abstimmung zwischen den Vertragsparteien unterliegt dann insbesondere die Frage, wie die Bescheide aufgebaut sind und welche Positionen sie aufzuweisen haben. Dass darüber hinaus eine inhaltliche Kontrolle durch die Beklagte oder eine Unterrichtung über den zu erlassenden Abwasserbescheid im Einzelfall stattfindet, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Ein derartiges Verfahren wäre in der Praxis auch schwerlich vorstellbar und würde die mit der Einschaltung des privaten Dritten regelmäßig beabsichtigte Entlastung der Beklagten und Kostenreduzierung ins Leere laufen lassen.

Vgl. VG Ansbach, a.a.O., Rn. 151.

Die bloße Möglichkeit der Kontrolle und Einflussnahme auf die vom Verwaltungshelfer nach Maßgabe des Satzungsrechts gefertigten Bescheide genügt nicht, um in der Festsetzung der Schmutzwassergebühren durch die BELKAW GmbH eine Einzelfallentscheidung der Beklagten zu sehen.

Vgl. OVG SH, a.a.O., Rn. 37.

Den dargestellten Befund, dass die Einschaltung der BELKAW GmbH die Grenzen zulässiger Verwaltungshilfe überschreitet, erschüttert auch nicht, dass es sich bei den von der BELKAW GmbH erstellten Abwasserbescheiden um gebundene Entscheidungen handelt, die auf der Grundlage gesetzlicher und satzungsrechtlicher Bestimmungen ohne Ermessensspielraum mit diesem Inhalt ergehen müssen. Denn die der Beklagten in diesem Bereich zugedachte hoheitliche Entscheidungskompetenz liegt gerade in der Veranlagung zu Benutzungsgebühren einschließlich der Prüfung der Voraussetzungen.

Vgl. ThürOVG, Urteil vom 14. Dezember 2009, a.a.O., Rn. 35; OVG SH, a.a.O., Rn. 37; Lichtenfeld, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 43. Erg.Lfg. (Sept. 2010), § 6 Rn. 768.

Auch dann, wenn ein Verwaltungshelfer lediglich die Weisung der Behörde umsetzt, unter bestimmten von ihm noch zu ermittelnden tatsächlichen Voraussetzungen einen Gebührenbescheid zu erlassen, handelt doch er und nicht die Behörde nach außen als Entscheidungsträger.

BVerwG, Beschluss vom 30. August 2006 - 10 B 38/06 -, Rn. 6, zitiert nach juris.

Das Tätigwerden der BELKAW GmbH im Namen und im Auftrag der Beklagten ist demnach eher mit einem Mandat vergleichbar. Ein solches liegt nach herkömmlichem Verständnis dann vor, wenn die Kompetenz des zuständigen Hoheitsträgers von einer anderen (öffentlichen) Stelle namens und im Auftrag des beauftragenden Verwaltungsträgers ausgeübt wird.

Vgl. ThürOVG, Urteil vom 14. Dezember 2009, a.a.O., Rn. 34; Beschluss vom 23. Juli 2002 - 2 KO 591/01 -, Rn. 47, zitiert nach juris.

Für ein generelles Mandat, das - wie hier - einer ständigen Aufgabenübertragung gleichkommt, bedarf es einer formalgesetzlichen Grundlage, weil die zugewiesene Aufgabe in Abweichung von der gesetzlich festgelegten Zuständigkeitsregelung erledigt wird.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juni 1979 - 2 C 10/78 -, Buchholz 442.08 § 21 BbG Nr. 1; BDiszG, Beschluss vom 24.01.1985 - IX Bk 12/84 -, NVwZ 1986, 866 (866 f.); ThürOVG, Urteil vom 14. Dezember 2009, a.a.O., Rn. 34. Ferner Schmitz, in P. Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 1 Rn. 259.

Eine solche gesetzliche Grundlage fehlt hier. § 12 BGS kann als untergesetzliche Vorschrift von vornherein nicht die Einschaltung einer Person des Privatrechts in dem hier erfolgten Umfang rechtfertigen. Auch § 53 Abs. 1 Satz 3 LWG NRW stellt keine gesetzliche Grundlage dar, aufgrund derer die BELKAW GmbH zur Gebührenerhebung im Namen der Beklagten tätig werden durfte. § 53 Abs. 1 Satz 3 LWG NRW lässt eine vollständige Aufgabenübertragung auf Dritte nicht zu, sondern erlaubt lediglich die Einschaltung Dritter als "technische Erfüllungsgehilfen".

Vgl. Queitsch, in: Queitsch/Koll-Sarfeld/Wallbaum, LWG NRW, März 2008, § 53 Rn. 39.

Insoweit stellt der Wortlaut klar, dass die den Gemeinden ("ihre") obliegende Aufgabe bei den Beseitigungspflichtigen verbleibt; sie bedienen sich lediglich der Hilfe eines Dritten.

So ThürOVG, Urteil vom 14. Dezember 2009, a.a.O., Rn. 35 in Bezug auf § 58 Abs. 4 Satz 2 ThürWG.

Von einer Hilfstätigkeit kann aber - wie gezeigt - keine Rede mehr sein, wenn die Gebührenerhebung von der Datenermittlung bis zur Gebühreneinziehung vollständig von einer Person des Privatrechts durchgeführt wird.

Die Kammer folgt nicht der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung des OVG NRW,

Urteil vom 13. November 2006, a.a.O.,

die in einem ähnlich gelagerten Fall der Erhebung von Anschlusskosten nach § 10 KAG NRW den Einsatz eines privaten Dritten lediglich als unselbständige Verwaltungshilfe ansieht. Der dort in Bezug genommenen Entscheidung,

OVG NRW, Urteil vom 26. Februar 1982 - 2 A 1667/79 -,

vermag sich die Kammer für den vorliegenden Fall nicht anzuschließen, soweit dort die Beauftragung des privaten Dritten zur Erhebung von Entwässerungsgebühren als mit der Anstellung eines städtischen Bediensteten vergleichbar angesehen wird. Ungeachtet des Umstandes, dass bei der Beauftragung eines Geschäftsbesorgers die oben genannte Verpflichtung des Verwaltungsträgers aus § 74 Abs. 1 GO NRW zur Óberprüfung der notwendigen fachlichen Voraussetzungen keine Anwendung findet, ist die konkrete Ausgestaltung der vertraglichen Beziehung zwischen der Beklagten und der BELKAW GmbH nicht mit Anstellung eines städtischen Bediensteten vergleichbar. So ist die BELKAW GmbH nach § 13 des Geschäftsbesorgungsvertrages berechtigt, Rechte und Pflichten aus dem Vertrag an Dritte zu übertragen. Durch diese Befugnis zur Weiterreichung vertraglicher Rechte und Pflichten ist nicht gewährleistet, dass der Hoheitsträger über die in seinem Namen tätigen Personen die Aufsicht und Weisungsbefugnis behält. Daran vermag auch der in § 13 des Geschäftsbesorgungsvertrag vorgesehen Zustimmungsvorbehalt nichts zu ändern, da die Zustimmung zum einen nur aus wichtigem Grund verweigert werden darf und zum anderen eine Zustimmung im Falle der Óbertragung auf der BELKAW GmbH verbundene Unternehmen i.S.d. §§ 15 AktG nicht erforderlich ist. Insbesondere die letztgenannte Konstellation bedeutet eine nicht vorhersehbare Ausweitung des Kreises der Personen, die bei Ausübung der Rechte und Pflichten des Vertrages mitwirken. Es bedarf hier keiner näheren Ausführungen, dass die Beklagte keinen Einfluss darauf hat, ob die BELKAW GmbH etwa durch Erwerb von Mehrheitsanteilen an einem anderen Unternehmen (§ 16 AktG) dieses zu einem ihr verbundenen Unternehmen erhebt.

Gegen die Zulässigkeit des praktizierten Verfahrens bei der Gebührenerhebung spricht überdies, dass die BELKAW GmbH eine einheitliche Abrechnung der öffentlichrechtlichen Schmutzwassergebühren und der privatrechtlichen Forderungen aus Strom- und Wasserlieferungen - im Falle der Versorgung mit Gas wird die Abrechnung entsprechend um diese Position erweitert - vornimmt und eine Summe aus eventuellen Erstattungs- und Nachzahlungsansprüchen bildet. Diese Vermischung von privat- und öffentlichrechtlichen Forderungen dokumentiert auch Seite 2 des Schreibens, auf der die Bruttobeträge für Strom und Wasser sowie darunter ein Rechnungsbetrag aufgeführt sind, wobei der Rechnungsbetrag - ohne dass dies kenntlich gemacht wäre - die nicht aufgeführten Schmutzwassergebühren enthält. Ferner wird im vorliegenden Fall das Guthaben des Klägers, das sich aus den gezahlten Abschlägen ergibt, mit den zukünftigen Abschlägen verrechnet. Eine Differenzierung danach, ob die Forderung privat- oder öffentlichrechtlicher Natur ist, findet nicht statt. Es ist jedoch nicht zulässig, dass die BELKAW GmbH eventuelle öffentlichrechtliche Erstattungsansprüche aus überzahlten Entwässerungsgebühren mit eventuellen privatrechtlichen Nachzahlungsansprüchen der BELKAW GmbH aus der Strom- oder Wasserversorgung (ggf. auch Gasversorgung) verrechnet, da insoweit die Voraussetzungen des § 387 BGB nicht vorliegen. Eine Aufrechnungslage besteht nur, wenn ein Rechtsverhältnis zwischen zwei Personen besteht, während hier einerseits ein privatrechtliches Rechtsverhältnis zwischen der BELKAW GmbH und dem Kläger, anderseits ein öffentlichrechtliches Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger vorliegt.

Vgl. hierzu VG Ansbach, a.a.O., Rn. 156.

Der Abwasserbescheid erweist sich indes nicht als nichtig, sondern ist lediglich rechtswidrig. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG NRW i.V.m. § 125 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig, wenn er entweder an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung offenkundig ist (§ 125 Abs. 1 AO) oder wenn der Verwaltungsakt einer der Fallgruppen des § 125 Abs. 2 AO zuzuordnen ist. Von einem für die hier einzig in Betracht kommende Nichtigkeit nach § 125 Abs. 1 AO erforderlichen besonders schwerwiegenden Fehler kann dann ausgegangen werden, wenn der Fehler den von ihm betroffenen Verwaltungsakt als schlechterdings unerträglich erscheinen, d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar sein lässt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 1985 - 8 C 107/83 -, NJW 1985, 2658, 2659.

Der Erlass eines Verwaltungsakts durch eine sachlich oder funktionell unzuständige Stelle ist nicht stets als besonders schwere, d.h. unerträgliche Rechtsverletzung anzusehen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 1982 - 8 C 138/81 -, NVwZ 1983, 222.

Die Nichtigkeitsfolge ist hier deshalb abzulehnen, weil die - für den Erlass zuständige - Beklagte jedenfalls an der Festsetzung - sei es auch nur in allgemeiner Form im Wege der Beauftragung der BELKAW GmbH - mitgewirkt und ihr den Charakter einer allein von einer Privatperson unbefugt getroffenen Anordnung genommen hat. Daher kann von einem willkürlichen, jeder gesetzlichen Grundlage entbehrendem Handeln, dem eine Rechtswirksamkeit nicht zugesprochen werden kann, keine Rede sein.

So BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1970 - VII C 10.70 -, Rn. 30, zitiert nach juris. Vgl. zur Óbertragbarkeit der Entscheidung des BVerwG auf die Rechtslage nach Inkrafttreten des VwVfG und der AO: ThürOVG, Urteil vom 14. Dezember 2009, a.a.O., Rn. 44.

Da die Klage bereits aus dem oben genannten Grund Erfolg hat, kommt es für die Entscheidung auf die vom Kläger gegen die Kalkulation vorgebrachten Rügen nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung war nach § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Der Kammer ist bekannt, dass in vielen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen die Gebührenerhebung in einer vergleichbaren Art und Weise durchgeführt wird. Es ist in der Rechtsprechung des zuständigen 9. Senats des OVG NRW bislang nicht abschließend geklärt, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen eine Person des Privatrechts bei der Gebührenerhebung tätig werden darf. Die Berufung war überdies auch nach § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen weil das Urteil von der oben zitierten Entscheidung des OVG NRW vom 26. Februar 1982 abweicht und auf dieser Abweichung beruht.






VG Köln:
Urteil v. 24.05.2011
Az: 14 K 1092/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/d9eeff293ccd/VG-Koeln_Urteil_vom_24-Mai-2011_Az_14-K-1092-10




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